TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

2293-2311: The Price of Freedom

von Julian Wangler

Prolog 1 - Der Anfang der Weisheit

Anmerkung: Diese Geschichte findet im Herbst 2311 statt. Sie referiert insbesondere zu folgenden Star Trek-Episoden und -Filmen:

TOS
1x14 Spock unter Verdacht
1x26 Kampf um Organia
3x02 Die unsichtbare Falle
ST V Am Rande des Universums
ST VI Das Unentdeckte Land

TNG
1x20 Worfs Brüder
1x26 Die neutrale Zone
3x23 Botschafter Sarek
4x07 Tödliche Nachfolge
4x26/5x01 Der Kampf um das klingonische Reich
5x07/08 Wiedervereinigung?
7x12 Das Pegasus-Projekt
ST VII Treffen der Generationen

DS9
2x19 Der Blutschwur



"Wenn es eine schöne, neue Welt geben sollte, dann wird das Leben darin für unsere Generation am schwersten sein."

– Gorkon, klingonischer Kanzler
in Das Unentdeckte Land

---

März 2368

Spock musterte die aufmerksamen Gesichter seiner Schüler. „…und deshalb war Suraks Philosophie für die damalige Entwicklung auf Vulkan eine Zäsur. Vermutlich war es auch die einzige Rettung für die Welt unserer Vorfahren, die kurz vor der Selbstzerstörung stand. Surak erschuf ein System der aufeinander bezogenen Friedfertigkeit und Logik, das bis heute Bestand hat und die Basis einer selbstkritischen und sich stets prüfenden Grundhaltung ist.“

Er schwieg einige Sekunden lang, um seinen Zuhörern Gelegenheit zu geben, über die Worte nachzudenken. Anschließend rechnete er mit Fragen. Meistens sorgten D’Tan und Maritma dafür, dass es schon nach kurzer Zeit zu einer Diskussion kam.

Auch diesmal hob Maritma schon nach wenigen Sekunden die Hand. Spock nickte ihr zu.

„Wenn ein System an sich besser als das bestehende System ist, und wenn es nachhaltig und gerecht ist – so wie das von Surak –, so ergibt es doch einen Sinn, es zu verbreiten, oder?“, fragte sie mit großen Augen.

„Genau das tun wir hier doch.“, meinte D’Tan. „Wir bemühen uns, die Saat von Suraks Weisheit auszubringen.“

„Ja, aber wenn ein solches System offensichtliche Vorteile bringt – sollte man es dann nicht so schnell wie möglich verbreiten? Es mit aller Kraft durchsetzen?“ Maritma gab dem Vulkanier keine Gelegenheit, etwas zu erwidern. Sie beantwortete ihre Frage selbst: „Das erscheint doch sinnvoll. Ist es daher nicht angemessen, nicht nur die Lehrmethode zu verwenden, um Suraks Botschaft zu verkünden, sondern auch Waffen?“

Spock seufzte leise. Maritma zeichnete sich durch ein sehr aufmerksames, analytisches Selbst aus. Sie war nie bereit, etwas unbesehen zu glauben. In dieser Hinsicht unterschied sie sich von D’Tan, der Spock von Beginn an begleitet hatte. Abgesehen von ihrer Intelligenz und Jugend gab es praktisch keinerlei Gemeinsamkeit zwischen ihnen.

D’Tan nahm die Lektionen so in sich auf wie der trockene Wüstensand das Wasser eines seltenen Regenschauers. Er akzeptierte beinahe alles, was er von Spock hörte und widersprach nur selten. Stattdessen reflektierte er das Gesagte und betrachtete es von allen Seiten. Maritma dagegen stellte alles infrage, manchmal sogar die elementarsten Prinzipien von Suraks Lehren.

Spock hieß seine vielen Fragen willkommen, und zwar nicht nur, weil es ihm dadurch leichter fiel, die einzelnen Grundsätze zu erläutern.

„Ihr Vorschlag enthält einen nicht auflösbaren Widerspruch.“, sagte er gelassen. „Suraks Prinzipien basieren sowohl auf der freien Entscheidung als auch auf Gewaltlosigkeit. Man kann sie nicht für sich in Anspruch nehmen und gleichzeitig ihre Verbreitung mit Gewalt befürworten.“

Das Mädchen gab noch nicht nach. „Aber in diesem besonderen Fall wird das Mittel der Gewalt für einen guten Zweck eingesetzt. Und Sie selbst haben uns dies gelehrt: Das Wohl der vielen ist wichtiger als das Wohl der wenigen oder des Einzelnen.“

Ein anderer Lehrer wäre vielleicht entsetzt gewesen, zu hören, wie man seine eigenen Worte gegen ihn richtete und für die Verteidigung eines unethischen Standpunkts verwandte. Doch Spock reagierte mit Zufriedenheit.

Maritma hatte die Lektionen ganz offensichtlich verinnerlicht. Sie meinte ihren Vorschlag nicht vollkommen ernst, bot ihn jedoch für eine Erörterung an – auch auf die Gefahr hin, dadurch scharfe Kritik zu ernten. In einem solchen Verhalten bestand die Essenz von Suraks Vermächtnis.

Der Vulkanier musterte die Schüler. „Selbst wenn wir annehmen, dass die vulkanische Philosophie der Lebensweise aller anderen Völker überlegen ist – und das würde ich in Zweifel ziehen… Bestimmt gäbe es Personen, die nicht bereit wären, sie zu teilen; Personen, die sich mit allen Mitteln widersetzen würden.“

Maritma schwieg.

„Was sollten wir also tun? Müssten jene Personen eliminiert werden?“, fragte Spock.

Maritma zuckte mit den Achseln. „Anfangs ließe sich das vielleicht nicht vermeiden – zumindest bei einigen, die uneinsichtig und ewiggestrig sind. Aber hier kommt es in erster Linie auf den Zweck an, auf das letztendliche Wohl der Gemeinschaft. Stellen Sie sich eine Galaxis vor, in der allein Intellekt und reine Logik herrschen. Eine Galaxis ohne Kriege, Verbrechen, Machtgier und sinnlose Gewalt.“

Der Vulkanier zeigte seine Skepsis, indem er den Kopf zur Seite neigte. „Bis auf die Gewalt, die von den Administratoren eines solchen Systems eingesetzt wird.“

„Doch schließlich hätte man eine Generation von Personen, die nur noch den Weg der Logik kennen.“, beharrte Maritma. „Und irgendwann wäre überhaupt keine Gewalt mehr notwendig.“

Die übrigen anwesenden Romulaner waren längst zu Zuschauern geworden und beobachteten die verbale Konfrontation zwischen dem Lehrer und Maritma. Jetzt richteten sich ihre erwartungsvollen Blicke auf Spock.

„Für das, was Sie vorschlagen, gibt es zahllose historische Beispiele. Man findet sie etwa auf der Erde des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Anfang war, dass eine kleine Gruppe sich über den Rest der Bevölkerung erhob, weil sie glaubte, mit ihren Absichten, ihrer Ideologie und ihrer Moral überlegen zu sein und folglich den legitimen Anspruch formulieren zu können, einen radikalen Pfad der Neuordnung zu beschreiten. Gewalt wurde als Mittel eingesetzt, um diese Vorstellungen durchzusetzen. All diese Beispiele führten nicht zu besseren Gesellschaften, zu mehr Freiheit und Logik, sondern direkt in die Diktatur und Unterdrückung – nicht nur Andersdenkender, sondern der gesamten Gesellschaft. Denn wenn Jene, die andere Überzeugungen haben, nicht frei sind, ist niemand frei.“

Mit einer solchen Antwort hatte Maritma ganz offensichtlich nicht gerechnet. Im Gesicht der jungen Frau zeigte sich Überraschung.

„So wie viele kleinere und größere Reiche glaubte das Romulanische Imperium – oder zumindest seine Machthaber –, ein überlegenes System zu haben. Nicht wenige sind bis heute fest davon überzeugt. Von den ersten Tagen an benutzte man Gewalt, um Macht zu erhalten und Loyalität dem Staat gegenüber zu gewährleisten. Viele Generationen wuchsen heran, ohne etwas anderes zu kennen. Nach außen herrscht vermeintlich Konformität. Aber unter der Oberfläche gibt es Unruhe, wie wir alle wissen. Trotz militärischer Repression gegenüber Aufständen und brutalen Säuberungsaktionen existieren Personen, die unermüdlich ihr Leben riskieren, indem sie die bestehende Ordnung anzweifeln und nach einer anderen Philosophie suchen. Einige dieser Personen befinden sich hier, in diesem Raum. Andere möchte ich finden und ihnen zuhören. Dass es diese wie wir im Untergrund lebenden Personen gibt, zeigt, dass das Romulanische Imperium keine gute und gerechte Ordnung ist.“

„Und genau deswegen sollten wir sie zu Fall bringen.“, ergriff Maritma erneut das Wort. „Wir sollten aktiv werden und aggressive Mittel einsetzen.“

„Nein, das ist nicht unsere Rolle.“, ließ Spock sie wissen. „Und selbst wenn es sie wäre, so wäre das von Dir vorgeschlagene Vorgehen unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Denn nichts wäre nachhaltig. Ich glaube: Die Wahrheit setzt sich immer durch. Aber man muss ihr Zeit geben. Man muss geduldig sein.“

„Sie glauben, Spock?“, fragte Maritma verwirrt und fügte dann hinzu: „Und was meinen Sie mit ‚Wahrheit‘?“

„Surak lehrt uns, Ordnung im Chaos zu finden.“, sprach Spock. „Er fordert uns nicht auf, das Chaos zu eliminieren oder ihm Ordnung von unserer Seite aufzuzwingen. Die Gründe dafür sind nicht nur ethischer Natur, denn ein komplexes System – dazu zählen biologische Entitäten, Gesellschaften und auch Sprachen – muss seine Unterschiede bewahren. Wenn es nicht für den Wandel und für die Dynamik des Lebens als solche offen bleibt, geht es früher oder später an seiner Engstirnigkeit zugrunde. Eine Gesellschaft muss als Ganzes Fortschritte machen, in freier Erkenntnis und freiem Willen.“

Ehrfurcht säumte die Gesichter aller.

Ein letztes Aufwallen ihres Zweifels flackerte in Maritmas Antlitz. „Aber was sind Suraks Lehren wert, wenn sie nicht konsequent vertreten werden? Wo ist sonst der Sinn dieser Doktrin?“

Spock schüttelte den Kopf. „Die Intention Suraks war es niemals, eine Doktrin zu erschaffen, sondern ein System der Selbsterkenntnis und Kontemplation. Und vergessen wir nicht: Er erschuf eine Philosophie auf und für Vulkan, nicht für Romulus. Romulus muss seine eigenen Antworten finden, aus sich selbst heraus, mit der Zeit. Wir können dabei nur helfen. Alles andere würde von einem falschen Verständnis der Logik zeugen.“

„Aber was ist dann Logik?“, fragte Maritma scharf.

Spock ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Logik“, erwiderte er schließlich, „ist erst der Anfang aller Weisheit. Nicht das Ende.“
Rezensionen