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2293-2311: The Price of Freedom

von Julian Wangler

Prolog 2 - Der Methusalem erwacht

Dezember 2364

Im Innern des Shuttleschiffes Andromeda saß Captain Jean-Luc Picard neben dem Fähnrich, der ihn zur Enterprise zurückbrachte, und war in tiefe Nachdenklichkeit verfallen. Zuerst hatte er sich gewundert, warum er derart Hals über Kopf zu einer Krisensitzung der Admiralität auf Sternenbasis 718 zitiert worden war. Er hatte das nicht so schnell wieder erwartet.

In ihm war die Befürchtung gekeimt, der Ruf mochte vielleicht in Zusammenhang mit dem gerade eben erst gemeisterten Zwischenfall stehen, bei dem unbekannte, hoch intelligente Parasiten mehrere hochrangige Führungsmitglieder des Sternenflotten-Oberkommandos ‚übernommen‘ hatten. Picard und seine Mannschaft hatten zwar die Situation klären können und waren sicher, dass sich nach dem Tod der Königin keines dieser Wesen mehr auf der Erde aufhielt, und doch waren viele Fragen, die mit ihnen in Verbindung standen, unbeantwortet geblieben.

Erst kürzlich hatte er Krisentreffen erlebt, und wenn er ehrlich war, hatte er fürs Erste genug davon. Picard dachte zurück an die letzte Begegnung mit seinem alten Freund Walker Keel, der ihn nach Dytallix B gerufen hatte, um ihn mit Erzählungen von merkwürdigen und verstörenden Vorfällen innerhalb der Raumflotten-Hierarchie zu konfrontieren. Picard hatte das alles nicht verstanden; es hatte keinen Sinn ergeben. Erst nachdem Keel selbst den Intrigen der verschlagenen Insektenwesen zum Opfer gefallen war, hatte Picard eine Ahnung bekommen, was wirklich dahinter stand.

Entsprechend angespannt war Picard gewesen, als er auf SB 718 von der Sektorführung informiert worden war, was möglicherweise zum Auftakt für eine noch größere Bewährungsprobe für die Föderation werden mochte. Entlang der Neutralen Zone – in der es seit etlichen Dekaden extrem ruhig gewesen war – war seit mehreren Tagen der Kontakt zu mehreren Föderationsaußenposten und -kolonien in den Sektoren 30 und 31 abgebrochen, darunter auch Tarod IX und die Wissenschaftsstation Delta-05. Da so etwas eigentlich nicht vorkam, glaubte man im Oberkommando nicht an Unglücksfälle oder eine schlichte Fehlfunktion der Subraum-Kommunikation. Vielmehr stellte man sich auf das Schlimmste ein.

Picard hatte seine Befehle rasch erhalten: in den betroffenen Raumbereich zu fliegen, sich von dem zu überzeugen, was immer mit den Außenposten geschehen war…und sich zu wappnen für das, was möglicherweise auf die Enterprise und die gesamte Planetenallianz zukam.

Jetzt, da er Zeit hatte, um seine Gedanken kreisen zu lassen, geisterte ständig die Frage in seinem Kopf herum, ob es sein mochte: Waren die Außenposten tatsächlich zerstört worden? Und wenn ja: Steckten die Romulaner dahinter?

Bedauerlicherweise bot die Geschichte Präzedenzfälle, um beide Fragen mit einem eindeutigen ‚Ja‘ zu beantworten. Vor beinahe einhundert Jahren waren sie mit einem neuen, tarnfähigen Schiffstypen aus dem sprichwörtlichen Nichts aufgetaucht und hatten ohne jede Provokation mehrere Grenzposten der Föderation mithilfe einer bis dato ungekannten Plasma-Waffe in interstellare Schlacke verwandelt.

Konnte es also sein, dass sich die Geschichte wiederholte?

Was sich in jedem Fall wiederholte, war die Tatsache, dass es erneut eine Enterprise sein würde, die an der Grenze zur Neutralen Zone patrouillierte, um auf Ursachenforschung zu gehen. Picard konnte nur hoffen, dass sein Schiff, wenn es erst vor Ort eingetroffen war, nicht genau das erleben würde, was James T. Kirk und seine Besatzung anno 2266 durchgemacht hatten.

Die Romulaner…, dachte er. Seit dem Tomed-Zwischenfall haben wir so gut wie nichts mehr von ihnen gehört. Sollten sie sich entschieden haben, zurückzukommen – warum ausgerechnet jetzt? Und falls sie es waren: Weshalb haben sie dann die Außenposten angegriffen? Was führen sie im Schilde? Könnte es allen Ernstes ein neuer bewaffneter Konflikt sein, auf den sie aus sind?

Wurden sie nach all der Zeit angetrieben vom Wunsch, Vergeltung zu üben? Ging es ihnen um Rache? Diese Frage war auch nach dem Überfall vor hundert Jahren gestellt worden, und sie war nie wirklich beantwortet worden. Hatten die Romulaner einen Krieg im Sinn gehabt, oder hatten sie nur ihre Grenzen und taktischen beziehungsweise technologischen Möglichkeiten auf den Prüfstand stellen wollen? Mit ihnen zu tun zu haben, es bedeutete Schach gegen einen Kontrahenten zu spielen, der sich durch extreme Unberechenbarkeit auszeichnete und der ganz genau wusste, welche Figuren er zu opfern hatte.

Die Romulaner waren ein leidenschaftliches Volk, und doch waren sie ganz anders als die großspurig auftretenden Klingonen, deren Potenziale sehr viel sichtbarer waren. Sie zogen es vor, im Verborgenen zu bleiben, Nebelkerzen zu werfen und ihre potenziellen Gegner zu verunsichern. So war es stets gewesen, seit das Sternenimperium auf den Plan getreten war. Die Romulaner kämpften mit allen denkbaren psychologischen Tücken und Raffinessen, lange bevor sie auch nur einen Schuss abfeuerten – lange bevor auch nur einer von ihnen auftauchte. Es gab diejenigen Offiziere in der Raumflotte, die sie für die größte Bedrohung hielten, der sich die Föderation bislang gegenüber gesehen hatte.

Selbst für einen nicht mehr ganz jungen Mann wie Picard waren die Romulaner beinahe so etwas wie das Produkt von Mythen und Gerüchten. Sie waren wie dunkle Fabelwesen; sehr präsent dafür, dass sie so gut wie nie persönlich in Erscheinung traten. Dafür, dass sie mit der Gründungsgeschichte der Föderation so unmittelbar verbunden waren (und ein verheerender Krieg mit ihnen getobt hatte), wusste man bis heute – Jahrhunderte später – extrem wenig über sie. Sie waren ein Mysterium geblieben. Dennoch hatte die Föderation sie nie vergessen.

Niemand ging davon aus, dass die Romulaner sich zurückgelehnt und anderen die Galaxis überlassen hatten, seit sie vor einem halben Jahrhundert eine neue Phase des Isolationismus begannen. Aber keiner hätte sagen können, warum sie für so eine lange Zeit von der Bildfläche verschwunden waren. Bis auf manch hitziges Gefecht, das sie sich mit den Klingonen geliefert hatten, hatte man beinahe nichts mehr von ihnen mitbekommen, und schon gar nicht in der direkten Begegnung.

Falls sie sich nun entschlossen hatten, auf die Bühne zurückzukehren – hatte dieser Entschluss etwas zu tun mit dem Tomed-Zwischenfall, in dessen Folge sie sich eine radikale Politikwende geleistet hatten? Vielleicht musste Picard erst zurückblicken, um mit dem, was vor ihm lag, besser zurechtzukommen. Einige sehr heikle Tage und Stunden lagen vor ihm, das spürte er deutlich.

Sobald er an Bord der Enterprise kam, würde er seine Schiffsberaterin Deanna Troi mit einem Rechercheauftrag betrauen. Es galt ein Dossier anzufertigen…über das Romulanische Sternenimperium, das wie ein dunkler Methusalem aus einem langen Schlaf erwacht zu sein schien.

Picard befürchtete, dass der Methusalem hungrig war.
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