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Ohne jede Spur

von Harald Latus

Kapitel 2

Captain Van Dyke betrat sein Quartier und hätte die Tür dazu am liebsten mit einem kräftigen Schwung ins Schloss gedonnert, doch selbst diese Art sich abzureagieren blieb ihm durch die automatischen Schiebetüren verwehrt. Sein Weg führte ihn direkt zum Schrank aus dem er eine Flasche mit blauem Inhalt entnahm, sie öffnete und einen großen Schluck in ein Glas eingoss, welches er in einem Zug leerte.
Er verzog das Gesicht, denn das wirklich scharfe echte romulanische Ale brannte den ganzen Weg die Speiseröhre hinunter bis in den Magen und sofort setzte eine heftige Wirkung ein. Das war der Preis, den man zahlen musste, wenn man an echten Alkohol nicht gewöhnt war. Doch in diesem Moment war es Roger völlig egal. Eine ganze Familie, nein, seine ehemalige Crew und damit SEINE neue Familie, die er auf der Alexandria für dieses neue Kommando zurückgelassen hatte, waren mit diesem Schiff untergegangen.
Es war ein herber Schlag für ihn und er fühlte sich im Moment taub, unnütz, allein und total entmutigt. Diese Crew war ihm in den letzten Jahren ans Herz gewachsen, er hatte sie respektiert, geliebt und wollte immer für sie da sein. Doch nun war er allein, abgesehen von der Crew der Aviator, die ihm ebenso ans Herz gewachsen war, aber das stand auf einem ganz anderen Blatt und war nicht vergleichbar.
In einem Anfall unbändiger Wut warf er das leere Glas an die Wand wo es in tausend Stücke zersprang. Die Gewissheit liebgewonnene Menschen nie wieder sehen zu können war mehr, als er im Moment ertragen konnte. Es dauerte ganze zwei Stunden bis er sich soweit gefangen hatte, dass er sich in der Lage sah wieder auf die Brücke zu gehen.

Nachdem er in der Schaltzentrale wieder aus dem Turbolift getreten war, schien alles wie sonst zu sein. Keiner sah ihn direkt an, keiner sprach leise und dennoch wusste jeder auf der Brücke, was er gerade durchmachte. Thomas Catterfield, der den Platz in der Mitte freigemacht hatte, konnte sich recht schnell denken woran die plötzliche Stimmungsschwankung des Captains gelegen hatte und nach einem Blick in die Unterlagen war ihm einiges klargeworden. Er hatte die Brückencrew gebrieft, so dass keiner Fragen stellte. So vergingen die Stunden der Tageswache und ausnahmsweise direkt zur Ablösung verließ der Captain den zentralen Stuhl, obwohl er sich sonst ziemlich lange dafür Zeit ließ.

Mit schnellen Schritten erreichte Roger van Dyke sein Quartier und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Computer, eine Verbindung zur Sternenbasis 491, Admiral Jamesons Büro.“ Noch immer hatte er einen direkten Zugang zum Leiter der Sternenbasis, so dass er sich nicht an Adjutanten oder Vorzimmerpersonen vorbeischlagen musste.
Admiral Wilbur Jameson saß in seinem Sessel als der Ruf bei ihm einging. Er hatte gerade eine Rede vorbereitet, die er morgen halten sollte.
„Ah, Captain van Dyke, ich grüße sie.“ Nach einer kleinen Pause sprach er aus, was den Captain derzeit sicher am meisten bewegte.
„Mein Beileid zum Verlust der Alexandria. Ich weiß, dass Sie lange Zeit auf diesem Schiff gedient haben und dass sie nahezu jeden dort gekannt haben. Es ist ein herber Verlust für die Flotte, aber ein viel größerer Verlust für die Zurückgebliebenen.
Sie kennen Ihren Auftrag. Darauf müssen Sie sich jetzt konzentrieren. Sie helfen damit der Flotte, solche Verluste in Zukunft zu vermeiden. Die Fertigstellung dieser beiden neuen Technologien, die auf Ihrem Schiff erprobt werden, ist für die Sternenflotte von fundamentaler Bedeutung.
Glauben Sie mir, ich kenne dieses Symptom sehr genau, ich muss dies leider sehr oft durchmachen, denn meinem Kommando unterstanden viele Schiffe, die in den letzten Monaten verloren gegangen sind. Bei jedem dieser Fälle frage ich mich, warum es diese Leute trifft, die nur die Entscheidungen umsetzen die wir treffen und jedes Mal frage ich mich ob es eine richtige Entscheidung war, oder ob es anders gelaufen wäre, wenn wir eine andere Option gewählt hätten.“
An der Art wie Captain van Dyke ihn ansah erkannte er, dass das noch nicht reichte, um ihn zu überzeugen.
„Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass es das Beste ist, wenn Sie sich auf die Fertigstellung Ihrer Aufgaben konzentrieren. Wir alle hier kennen die Symptome, wenn wichtige Entscheidungsträger einen solchen Schock verdauen müssen.
Schlafen Sie erst einmal darüber und gewinnen Sie Abstand. Morgen sieht die Welt dann schon wieder ganz anders aus. Gute Nacht Captain, wir sprechen uns Morgen noch einmal.“, damit beendeter er die Kommunikation.
Diesen Zusatz hatte er nur deshalb erwähnt, weil er sich sicher sein wollte, dass Captain van Dyke keine unüberlegten Entscheidungen traf. Obwohl sich Admiral Jameson sicher war, dass das nicht gerade Roger van Dykes Art war, so konnte er sich doch sehr gut vorstellen, was ein solcher Verlust mit einem guten und leistungsfähigen Mann machen konnte. Leider hatte er in den letzten Monaten dafür zu viele Beispiele gesehen.

Roger van Dyke war überhaupt nicht aufgefallen, dass er den Admiral kontaktiert hatte, zweifellos um eine Frage zu stellen, aber die Ansprache des Admirals hatte ihn so eingelullt, dass er gar nicht auf die Idee kam nachzuhaken.
Der Captain beschloss sich erst einmal ein Duschbad zu gönnen und auf den üblichen Rundgang vor dem Schlafengehen zu verzichten. Lange Zeit stand er unter dem Wasserregen und starrte gegen die Wand, als könnte er hindurchsehen und ergründen was wirklich vorgefallen war. Doch seine Sinne waren abgestumpft, er bekam nicht einen klaren Gedanken zusammen, der ihn weitergebracht, oder seinen Schmerz gelindert hätte.
Dieses Erlebnis war ebenso traumatisch und verletzend, wie der Verlust seines Freundes vor vielen Jahren für dessen Unglück er sich lange Zeit die Schuld gegeben hatte. Freilich, die aktuelle Situation war völlig anders gelagert, für die Geschicke der Alexandria zeichnete er nicht mehr mitverantwortlich.
Er hatte hier eine neue Crew, ein neues Schiff und eine neue Aufgabe zu erfüllen. Das war sein aktuelles Leben auch wenn ihm dieses Schicksal besonders naheging.

Roger lag auf seinem Bett und konnte nicht anders, als sich den Bericht immer wieder und wieder durchzulesen. Doch weder die Informationen aus dem Logbuch, noch die immer wieder abgespielte letzte Nachricht von Wikland brachten ihm nähere Erkenntnisse.
Die U.S.S. Valentine, ein reines Forschungsschiff hatte den Bereich der Koordinaten abgesucht, von denen die letzte Kommunikation ausgegangen war. Zudem waren die Schiffsdatenschreiberangaben der letzten Kommunikation mitgesendet worden. Eine ganze Reihe an Systemen waren auf der Alexandria ausgefallen, der Antrieb konnte nur noch ein knappes Viertel der Leistung bereitstellen, viel zu wenig, um einen Fluchtversuch zu starten, viel zu wenig um die Schilde aufrechtzuerhalten und viel zu wenig Zeit um das Inferno eines Warpkernbruches zu überleben. Das ergab sich unmissverständlich aus dem zeitlichen Ablauf zwischen letzter Kommunikation und Warpkernbruch. Den die Valentine zurückberechnet hatte und den sie mit 35 Sekunden nach der letzten Kommunikation angab. Was hätte man in dieser Zeit bei dem aktuellen Zustand des Schiffes überhaupt noch auf die Reihe bekommen? Vorausgesetzt einmal es wäre in Ruhe passiert. Aus Erfahrung wusste er aber, dass in solchen Situationen das Chaos herrschte, Personen nicht ansprechbar, oder nicht verfügbar und die Technik oft nicht einsetzbar war.

Resigniert ließ er das Padd sinken. Es war vorbei, die Alexandria war untergegangen, wie die namensgebende Stadt in Ägypten. Er würde viele Personen nicht wiedersehen, die er immer noch für seine Freunde hielt. Er löschte das Licht und versuchte im Schlaf Trost und Ruhe zu finden, doch auch das wollte ihm an diesem Abend entgegen aller Gewohnheiten nicht gelingen.
Unruhig wälzte sich van Dyke in seinem Bett hin und her, sah Gesichter, Personen und so manche Szene aus seinem Leben auf der Alexandria vor seinem inneren Auge an sich vorbeiziehen.
Seine Truppe, die nach dem Dienst gemeinsam mit ihm am halbrunden Tisch im Lookout saß und sich immer köstlich amüsierte. Wikland, wie er mit großen Schritten über die Brücke trat, oder ihn und den Captain bei den regelmäßigen Besprechungen. Einige wichtige Lektionen, die ihm Wikland immer vorgepredigt hatte und auch der gewisse Optimismus, den dieser immer wieder gezeigt hatte, auch wenn die Situation noch so gefährlich oder aussichtslos war.
J.J. wie sie inmitten eines Gewirrs aus Kabeln, Leitungen und funkensprühenden Konsolen stand und ihrem Ärger lauthals Luft machte.
Für einen Moment verblassten alle Erinnerungen und er fand sich wieder in einer rein weißen Umgebung doch dann holte sein Verstand all die Szenen hervor, in denen Jaqueline Jefferson ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten angewendet hatte, wie sie zum Beispiel ein Raumschiff durch eine imaginäre Wand gestoppt hatte, oder den Deflektor nach einer Havarie wie von Geisterhand wieder ins Schiff eingesetzt hatte. Er sah die Transportboxen auf Repok Nor zusammenbrechen und herunterpurzeln, sowie kleine Steine, die sich von einer Fensterbank abhoben. All die kleinen und großen Begebenheiten, telepatische und telekinetischen Vorfälle die er miterleben durfte und die ihn jetzt zu einer ganz anderen neuen Hypothese führten. In dem Moment, in dem er J.J. ganz nah von Angesicht zu Angesicht sah, ihre aschblonden Haare umrahmten ihren Kopf wie ein dünner Vorhang, wobei er ihre Stimme in seinem Kopf zu hören glaubte, die ihm zurief: „Hilf uns, wir kommen hier nicht mehr alleine raus.“, wachte er schlagartig auf.

Heftig atmend und schweißnass setzte er sich im Bett auf und brauchte einen Moment um in die Realität zurückzufinden. Er dachte intensiv über diesen Albtraum nach. Eine schreckliche Vorstellung, die ehemalige Kollegin so zu spüren, als stünde sie direkt neben seinem Bett.
Sein Blick fiel auf den Chronometer. Ganze sechs Stunden hatte er in seinem Bett zugebracht, fühlte sich aber immer noch wie gerädert. Die Dämonen der Vergangenheit hatten ihm keine Ruhe gegönnt, aber sie hatten sich noch Verstärkung geholt in Form der Alexandria, die ihn durch Jaqueline Jefferson aufforderte nach dem verlorenen Schiff zu suchen. Gut möglich, dass seine eigenen Dämonen ihn nun auch in den Abgrund ziehen wollten.
Gemeinsam mit Captain Wikland hatte er immer das Geheimnis von Commander Jefferson geschützt, um zu vermeiden, dass sie einer wie auch immer gearteten Versuchsreihe zum Opfer fallen würde, die möglicherweise für die Sternenflotte oder eine andere Gruppierung von hohem Wert gewesen wäre. Roger van Dyke kannte das noch gut aus seiner eigenen Vergangenheit und wünschte diese Erfahrung nicht einmal seinem schlimmsten Feind.
Etwas früher als zu seinen sonst üblichen Zeiten tauchte er auf der Brücke auf, ging jedoch am zentralen Stuhl vorbei direkt in den Bereitschaftsraum und war für die nächsten Stunden nicht zu sehen. Der Schiffsbetrieb lief jedoch ohne sein Zutun perfekt wie gewohnt.

* * *

Das Thema ließ ihn allerdings auch an diesem Tage nicht los. Unerklärlicher Weise sah er immer wieder den letzten Abschnitt seines unruhigen Traums, in dem Jaqueline Jefferson ihre Fähigkeiten nutzte. Je öfter dieser Film vor seinem inneren Auge ablief, umso unrealistischer wurde er. Sein Kopf sagte ihm, dass etwas komplett falsch war, aber er wusste natürlich, dass all dies passiert war. Weshalb also sollte sein Verstand ihm diesen Streich spielen und ihn somit nur noch mehr quälen?
Er überlegte, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, das Schiff zu retten, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen, da ihn die Schatten der Erinnerung immer noch verfolgten.
Captain van Dyke tippte auf seinen Kommunikator. „Commander Selaine, bitte kommen Sie in meinen Raum!“ Die junge Romulanerin war schon nach wenigen Sekunden zur Stelle und Roger wies den Computer an, die Türe zu öffnen. Selaine setzte sich auf eine Geste des Captains auf den Stuhl vor dem Schreibtisch und wartete gespannt auf die Aufgaben, die der Captain nun formulieren würde.

Roger van Dyke reichte ihr ein Padd auf dem alle Informationen zu den letzten Ereignissen der Alexandria verzeichnet waren.
„Commander, ich habe einen persönlichen Wunsch an Sie als Wissenschaftlerin. Bitte prüfen Sie die Ereignisse und stellen Sie eine Expertise aus, ob eine Flucht oder ein Überleben in einer solchen Situation möglich wäre.“ Selaine brauchte nur einen Blick darauf zu werfen, die Fakten waren unmöglich zu ignorieren und schon nach kurzer Zeit sagte sie: „Unmmöglich, dass hier ein erfolgreiches Szenario abzubilden ist. Ich bedaure sehr Captain.“ Erstaunlicherweise war der Captain nicht so niedergeschlagen wie er noch gestern gewirkt hatte. „Gut, das akzeptiere ich, zu diesem Ergebnis bin ich aus logischen Gesichtspunkten auch gekommen“, was sich für Selaine merkwürdig anhörte. Weshalb hatte er sie dann überhaupt gerufen.
„Dann bewerten Sie das Ganze jetzt noch einmal neu und lassen die Logik und die Grenzen der Physik und aller kosmischen Grundkonstanten außer Acht. Lassen Sie sich Zeit ich kann gut bis zur Mittagszeit warten.“ Selaine hob eine Augenbraue. Das was der Captain da von ihr erwartete war nicht gerade einfach. Die Grundkonstanten waren die Dreh- und Angelpunkte der Physik, wie sollte sie ohne diese Eckdaten überhaupt einen Ansatz finden? Doch sie war professionell genug nicht zu fragen. Roger van Dyke hatte bislang für jede Abfrage, für jede Auswertung und auch für jede Annahme einen wichtigen Grund vorzuweisen und genau so stellte sie auch diesmal keine weiteren Fragen. Sie nickte, nahm das Padd auf und verschwand damit durch die Tür.

* * *

Pünktlich zur Mittagszeit öffnete sich der Turbolift auf der Brücke und Commander Selaine trat auf den Captain zu, der in seinem Stuhl saß.
„Ich habe hier Ihre Ergebnisse zu dem Unglück“, erklärte sie und reichte dem Captain ihre Expertise. Van Dyke nahm das Padd entgegen und schaltete es ein. In knappen Worten, so wie er das von der Romulanerin gewohnt war, schilderte sie ihre Ergebnisse. Es waren nicht viele Möglichkeiten, die sie angesichts der besonderen Umstände in Erwägung zog, aber alle hatten eins gemeinsam, sie waren normalerweise unmöglich zu realisieren, aber auch nicht so absurd, dass man sie ausschließen musste. Roger sah sich die Möglichkeiten an und glich sie mit seinem Wissen ab, welches einige Informationen enthielt, das Andere nicht haben konnten. Alles was in dieser Aufstellung beschrieben war, würde man aus menschlichen Gesichtspunkten als Wunder bezeichnen. Trotzdem fand er einen Ansatzpunkt, der für ihn plausibel klang und den er auf jeden Fall prüfen wollte.
Mit einem freundlichen Nicken bedachte er die Bemühungen der Romulanerin und sagte: „Danke Commander, Sie haben mir sehr geholfen. Ich werde das berücksichtigen bei meiner weiteren Vorgehensweise.“ Selaine straffte sich kurz, nickte ebenfalls und ging wieder auf ihre übliche Station, die ein anderer Offizier vertretungsweise übernommen hatte.
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