TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

VOYAGER: Almost Morning

von Julian Wangler

Prolog

Teil 1:

VOR "Der Fürsorger"



---



Das Wesen war alt und einsam geworden. Es spürte, wie seine Zeit knapp wurde. Je stärker der nahende Tod an ihm zerrte, desto stärker trieben die Erinnerungen an die Oberfläche seines Bewusstseins. Die Erinnerungen an Tage, da das Wesen noch ein Forscher gewesen war, frei von nie wieder gut zumachender Schuld, die es band und seine Gedanken verdunkelte.

Vor allem aber erinnerte es sich an sie. Sie war bei ihm gewesen, als ihre Expeditionsgruppe diese Galaxis besuchte, und sie war als einzige an seiner Seite geblieben, nachdem der Planet aufgrund ihrer aller Dummheit zur Wüste geworden war. Eine ganze Weile war vergangen, in der sie sich die Last teilten und das Beste aus ihrer neuen Situation machten…bis ihr Zerwürfnis eines Tages folgte, so endgültig.

Suspiria, rief es in die Leere, wo bist Du nur? Es kam keine Antwort. Das Wesen fragte sich, warum es sie dereinst gehen ließ. Sie war doch dazu bestimmt gewesen, seinen Platz einzunehmen, wenn er einmal nicht mehr da sein würde. Sie war seine Tochter. Aber die Rolle, die er für sie vorsah, hatte sie nie gewollt. Sie war nie einverstanden gewesen mit der Art, wie er den Ocampa gegenüber auftrat, in welche Abhängigkeit er sie drängte. Sie sind doch Kinder, hatte er immer gesagt, sie brauchen uns.

Suspiria jedoch hatte gewollt, dass sie sich den Ocampa gegenüber offenbarten und aktiv förderten. Sie forderte, dass sie ihre besonderen telepathischen und telekinetischen Talente kultivierten und zur Blüte reifen ließen. Ein Volk, hatte sie einmal gesagt, könne sich nur entwickeln, wenn es bis an seine Grenzen gebracht wurde. Und gerade ihr Volk, das sie in ihre Obhut genommen hatten, müsse emporsteigen und über sich hinauswachsen – das sei ihre eigentliche Aufgabe. Er hatte diese Philosophie nie geteilt und sich gefragt, woher sie solch radikale Einstellungen ausgebildet hatte – ausgerechnet sie, sein Abkömmling.

Nein, für ihn hatte festgestanden, dass sie Beschützer, Behüter und Bewahrer im Verborgenen sein mussten, keine Entwicklungsmacher. Suspiria war in ständiger Opposition zu ihm gewesen. Vielfach hatte sie ihm vorgeworfen, er sei nur daran interessiert, den Status quo aufrecht zu erhalten und dadurch die Ocampa unterwürfig, obrigkeitsgläubig und schwach zu halten. Auf diese Weise, sagte sie, würden die Ocampa eines Tages an ihrer eigenen Stagnation verkümmern.

Bittere Dinge waren gesagt worden, die auf ewig in seinem Geiste nachhalten. Er hatte sie nicht aufhalten können, nein, nicht aufhalten wollen. Sie hatte einige hundert Ocampa mit sich genommen. Eigentlich hätte er es ihr verbieten müssen, hätte sie verfolgen und zurückholen müssen, aber irgendwie hatte er damals begriffen, dass es nichts besser gemacht hätte. Er hatte sie ziehen lassen müssen.

Nun war sie seit geraumer Zeit weg. In der Existenzspanne der Nacene war es bei Weitem nicht so lang wie für die meisten Humanoiden. Er wusste, sie würde nicht mehr zu ihm zurückkommen; es würde kein Wiedersehen geben. Er hatte sie verloren. Das bedauerte mit jedem Moment seines verbleibenden Lebens mehr – so wie er bedauerte, dass er sich damals zusammen mit ihr der Expedition in diese Galaxis anschloss –, doch er konnte die Zeit nicht zurückdrehen.

Also hatte er begonnen, nach Wegen zu suchen, um seine Nachfolge auf andere Weise zu sichern. Er brauchte jemanden, der sich um die Ocampa kümmerte, nachdem er verschieden war. Jemanden, der seine Linie fortsetzte. Einen neuen Fürsorger. Die Suche nach einer Möglichkeit der Reproduktion gestaltete sich allerdings ausgesprochen schwierig.

Normalerweise konnte sich sein Volk genau ein einziges Mal im Leben fortpflanzen. Er war hier ganz allein, besaß keinen potenziellen Partner. Also konnte nur Technologie die Antwort sein. Er würde unter den Lebensformen in dieser Galaxis nach einem biomolekularen Muster Ausschau halten müssen, das es ihm gestattete, einen Nachfolger auf künstlichem Wege entstehen zu lassen. Selbst, wenn dieser ein Hybridwesen sein mochte, reichten seine Fähigkeiten vielleicht aus, um die Phalanx weiter zu betreiben, ohne die die Ocampa verloren waren.

Das Wesen hatte weder die Zeit noch – aufgrund der Erfordernis, auf der Station zu bleiben – die Möglichkeit, durch die Galaxis zu reisen und dort Ausschau zu halten. Also musste es zusehen, dass es seine Suche hier vor Ort vorantrieb – selbst, wenn das einige Anpassungen seiner Ethik erforderte. Er war inzwischen zu allem bereit, wusste er doch, dass sich ihm nicht der Luxus bot, jedem seiner Prinzipien die Treue zu halten.

Das Wesen hatte die Struktur des Subraums analysiert. Offenbar existierten unterschwelligen Strömungen von Plasmastürmen in verschiedenen Regionen der Galaxis, die sich in Verbindung mit seinen technologischen Möglichkeiten nutzbar machen ließen, um zu ziehen, einen stabilen und extrem schnellen Sog auszuüben. Das galt es weiter zu untersuchen.

Mit ein wenig Einfallsreichtum würde es ihm vielleicht gelingen, ein kleines Wunder möglich zu machen und an sein Ziel zu kommen. Er wusste, er war zum Erfolg verdammt, ansonsten würde all das, wofür er so große Opfer gebracht hatte, vergebens sein und zu Staub zerfallen…
Rezensionen