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Ein selbstzerstörerisches Opfer

von Harald Latus

Kapitel 2

Lieutenant van Dyke war der letzte vom Team, der den Hangar ansteuerte. Erst jetzt konnte er sehen, dass die DELGADO sehr mitgenommen aussah. Im Hauptrumpf prangte ein Loch, welches mit Kraftfeldern geschlossen werden musste. Die Position war nicht weit vom Hauptmaschinendeck entfernt, es war wohl keine Frage auf was es die Angreifer abgesehen hatten.
Kaum war er gelandet und hatte die hintere Türe des Shuttles geöffnet, kamen ihm schon seine Kollegen jubelnd entgegen, in der Annahme einen großen Sieg errungen zu haben. Bislang hatte in dem Getümmel anscheinend keiner bemerkt, dass Peter fehlte.
Roger wurde umringt von seinen Kollegen, die gar nicht verstehen konnten, dass er sich nicht mit ihnen freute. Erst als sein Blick auf den leeren Platz von Peters Shuttle fiel, schienen sie begriffen zu haben, dass einer im Bunde noch fehlte. Ihr Blick wanderte zum geöffneten Hangartor, aber von dort kam niemand mehr. Langsam realisierten sie, dass einer nicht zurückgekommen war und schnell erstarben die Jubelrufe.
„Gut kombiniert, clever umgesetzt, zur richtigen Zeit reagiert und gut geflogen!“, hörte er die Stimme von Lieutenant Commander Washington, der ihm auf die Schulter klopfte.
„Leider nicht gut genug!“, erwiderte Roger, stellte seinen Helm in den Schrank und verschwand noch vor dem Abschlussbriefing in seinem Quartier. Der Geschwaderführer sah es ihm nach. Anscheinend hatte der Lieutenant noch gar nicht erkannt, dass er mit seinem riskanten Manöver das Schiff gerettet hatte, denn es hätte nicht viel gefehlt und die Norleks hätten die Hauptenergie der DELGADO zerstört und das wäre einhergegangen mit einem Desaster, bei dem das Leben der gesamten Crew ein Ende hätte finden können.

Captain John H. Armstrong hatte sich die Auseinandersetzung auf dem Hauptschirm angesehen. Seine Crew war einfallsreich in der Abwehr der Angreifer, aber allein die große Anzahl der Jäger machte ihnen zu schaffen. Zwar ließen sich auch aus einer Phaserbank multiple Ziele beschießen, aber jemand musste die Zielerfassung übernehmen, denn die Norlekjäger waren so schnell, dass die genaue automatische Erfassung einfach zu lange dauerte.
Der erste Offizier hatte daher den taktischen Offizier unterstützt und bei der Abwehr immer neue Manöver eingeleitet. Jetzt, nachdem das Schiff wieder zur Ruhe gekommen war und die Ausgangsposition wieder erreicht hatte war nichts übriggeblieben außer einem zerstörten Föderationsshuttle und einem in mehrere Teile zerbrochenen Norlekjäger.
Captain Armstrong brauchte keine Meldung, er wusste auch so, dass es mindestens ein Opfer dieser Auseinandersetzung gab, deshalb drehte er sich zu seinem ersten Offizier um
„Noch weitere Verluste?“, fragte er in ruhigem Ton, aber der Commander schüttelte den Kopf.
„Geben Sie den Wissenschaftlern den genetischen Code des Piloten, sie sollen die Biomaterie, die sie finden für eine Beisetzung sammeln.“ Der Commander bestätigte die Anweisung und gab die entsprechenden Befehle an die Wissenschaftscrew.

Keine fünf Minuten später war ein mehrfaches fahles Leuchten am Himmel zu sehen, an dem die Wissenschaftler biologische Materie festgestellt hatten. Es sah fast so aus wie das funkeln der Sterne und Roger, der in seinem Quartier aus dem Fenster sah wusste genau, was das zu bedeuten hatte. Inzwischen kannte er die Vorgehensweisen, die der Captain je nach Situation anwendete und diese hatte er bereits zweimal miterleben müssen. Auch wenn es damals keine Crewmitglieder sondern Zivilisten waren, die bei einem Shuttleunfall ihr Leben verloren hatten.
Zu ihnen hatte er damals keinen Bezug, auch wenn er es als sehr bedrückend empfand. Aber heute ging es um Peter, um seinen Freund. Einen Kameraden mit dem er fast alles geteilt hatte.
Er fühlte schon jetzt eine gewisse Leere in sich aufsteigen, die damit zusammenhing, dass er nach einem Einsatz immer gemeinsam mit Peter einen Drink im Offizierskasino genommen und auf den erfolgreichen Abschluss der Mission getrunken hatte. Das würde ab heute nie mehr möglich sein.


Im Torpedoraum hatte sich die Brückencrew und die gesamte Pilotenstaffel in Ausgehuniform zusammengefunden, um ihrem Kollegen die letzte Ehre zu erweisen. Roger stand wie versteinert auf der rechten Seite des Torpedoschlittens direkt vor der Torpedohülle, in der die Reste von Peters Körper aufbewahrt wurden. Er hatte von seinem Kollegen erfahren, der ihn abgelöst hatte, dass man Peters biologische Masse nur noch zu 73 Prozent seines Gewichtes wiederherstellen konnte, aber das was nun in dieser Torpedohülle lag hatte keine Ähnlichkeit mehr mit seinem Freund. Es waren nach Rogers Ansicht nicht einmal seine sterblichen Überreste, sondern nur noch eine unförmige biologische Masse, die nicht einmal etwas mit einem Körper zu tun hatte. Nur mikroskopische Zellen, bunt gemischt und van Dyke wollte sich lieber nicht vorstellen wie es in diesem Sarg aussah.
Captain John H. Armstrong war ein guter Redner, der die passenden Worte auch in solchen Situationen fand. An Roger rauschten die Worte des Captains zu seinem Freund ungehört vorbei. Er hatte seine eigene Ansicht und bedauerte es, dass er dies nur in einem stillen Gedanken an Peter formulieren konnte.
Dann ertönte ein Pfiff aus einer Signalpfeife und die Torpedohülle setzte sich in Bewegung. Kurz bevor sie im Beschleuniger verschwand nahm Commander Ken Baker die Föderationsfahne von der Hülle und faltete sie mit einem Crewman zu einem Dreieck. Eine militärische Tradition, die sich aus den Tagen des 20ten Jahrhunderts erhalten hatte. Alle verließen den Torpedoraum und begaben sich ins Schiffscasino, wo eine kurze Trauermesse abgehalten wurde. Dann traten alle an die Fenster und beobachteten, wie die Torpedohülle ausgestoßen wurde. Durch die Trägheit entschwand sie bald aus der Sichtweite und nachdem die Mannschaft den winzigen Punkt, den sie verfolgt hatten, aus den Augen verloren hatte gingen Sie nacheinander wieder auf ihre Quartiere oder ihre Stationen, wo auch immer sie hergekommen waren. Roger van Dyke stand noch immer am Fenster und blickte in die gähnende Leere vor ihnen. Er sah, wie sich das Schiff langsam wieder in Bewegung setzte und dann in einem Wirbel aus Licht in die Warpgeschwindigkeit wechselte, bis die typischen Warpstreifen zu sehen waren. Eine ganze Stunde stand er noch am Fenster und sah in die Unendlichkeit vor sich, bis er sich endlich abwandte und das Schiffscasino verließ.

Lieutenant Senior Grade Celine Nader, die Councelorin des Schiffes hatte geduldig im Flur hinter der Türe zum Offizierskasino gewartet. Sie wusste, dass er irgendwann herauskommen musste und dann würde sie ihn schon ansprechen können.
„Lieutenant, auf ein Wort…“, begann sie, als der Lieutenant durch die Tür trat, aber Roger zog einfach an ihr vorbei. Sie ließ ihm drei Schritte Vorsprung dann sagte sie: „…wenn Sie nicht wollen, dass Sie der Captain gleich in Ihrer Nachtruhe durch einen persönlichen Besuch in Ihrem Quartier aus dem Schlaf reißt, dann bleiben sie besser stehen.“ Rogers Schritte wurden langsamer.
„Ihre Entscheidung!“, rief sie ihm hinterher bevor er hinter der Biegung verschwand. Der Junge Lieutenant blieb nun stehen und Celine holte ihn schnell ein.
„Sie haben einen Kameraden verloren, eine wichtige Bezugsperson in Ihrem Leben. Ich bin dafür da, Ihnen in dieser Situation zu helfen und Sie bei dem Prozess der Trauer zu begleiten.“
Roger drehte sich nun zu der hinter ihm stehenden Frau um, die im Rang über ihm stand. Sie war in dieser Frage dem medizinischen Personal zuzuordnen und er musste zumindest ihr Angebot überdenken.
„Danke, aber ich komme allein damit klar. Wenn man in einer Kampfstaffel dient, dann weiß man, worauf man sich einlässt und muss auch die Kraft haben so etwas zu verdauen. Es ist unser Job das Schiff zu schützen und nicht immer hat man das Glück unbeschadet zu bleiben. Wir kennen das Risiko und leben damit.“ Roger drehte sich um und wollte gehen als Celine ihn am linken Handgelenk fasste.
„Ich kann es Ihnen auch durch den Captain befehlen lassen, selbst gegen Ihren Willen.“
Roger riss sich los. Er wollte der Frau nicht sagen, dass er sich schuldig fühlte, damit hätte sie erst recht einen Grund ihn zu einer Sitzung zu zwingen. Stattdessen versuchte er es mit Höflichkeit aber auch mit Bestimmtheit.
„Danke, aber ich will Ihre Hilfe nicht. Meine dienstlichen Pflichten kann ich jederzeit wahrnehmen Lieutenant. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht.“
Damit drehte er sich um und begab sich zu seinem Quartier, die Councelorin schaute ihm hinterher und machte sich einige Notizen auf ihrem Padd. Sie hielt seinen Zustand nicht für stabil, im Gegenteil. Sie würde das mit dem Captain sicherlich in Kürze besprechen.

Roger hatte sein Quartier recht zügig erreicht. Entgegenkommende Crewmitglieder grüßte er, um nicht einen verstörenden Eindruck zu hinterlassen und begab sich direkt zur Ruhe.
Die Nacht verlief sehr unruhig für ihn. Er hatte viel zu verarbeiten und sein Geist spielte ihm immer wieder Szenen aus seiner bewegten Vergangenheit ein, die mit Peter zu tun hatten. Waren es einmal die Ausflüge auf der Erde, oder auch auf anderen abgelegenen Planeten wo er mit ihm zusammen einen Berg bestiegen hatte, auch ein anderes Mal als sie auf der Erde waren und Roger seinen Freund mitnahm auf ein Rennen mit alten Kraftfahrzeugen. Er erinnerte sich im Traum daran, dass Peter einen besonderen Respekt vor diesen Maschinen hatte, die in der Lage schienen sehr hohe Geschwindigkeiten zu erreichen auf einem eigens angelegten kurvenreichen Rundkurs.
Immer wieder blitzten Szenen vor seinem geistigen Auge auf, die ihm ganz besonders im Gedächtnis geblieben waren und welche die fröhliche Natur von Peter und seine bejahende Lebenseinstellung aufzeigten.
Plötzlich saß er wieder völlig unvermittelt im Shuttle und sah Peter auf sich zu fliegen. Ihm war klar was nun kommen würde und fast wie in Zeitlupe sah er die Geschehnisse erneut vor seinen Augen. Das Geschoss, dass sich in Peters Heck gebohrt hatte, die kurze Pause und dann der Feuerball, in dem sein Freund verschwand. In dem Moment, in dem das Shuttle explodierte, schreckte er hoch und wachte schweißgebadet auf. Es war eine Horrorvorstellung, die kein Filmemacher besser hätte inszenieren können.
Roger setzte sich auf. Sein komplettes Nachtgewand war klatschnass durchgeschwitzt und sein Puls schlug ihm bis zum Hals. Er war nahe an einer Panikattacke und versuchte zunächst einmal sich zu beruhigen, was ihm aber nicht gelingen wollte. Sein Blick fiel auf den Chronographen, es war gerade einmal zwei Uhr fünfunddreißig. Noch mehr als drei Stunden bis zu seinem nächsten Schichtbeginn.

Für den Rest der Nacht fand er keine Ruhe mehr und als er am nächsten Morgen zum Dienst erschien sah jeder, dass es ihm grauenhaft ging. Seine Gesichtszüge waren eingefallen, er hatte Ringe unter den Augen vom mangelnden Schlaf, von den Emotionen, die in seinem Kopf Achterbahn fuhren, einmal ganz abgesehen. Der erste Offizier war gnädig und sprach die Fehler, die er an diesem Tag machte, nicht an.

Doch auch in den kommenden Wochen schien sich sein Zustand nicht zu bessern. Roger van Dyke erzählte niemandem von den Dämonen in seinem Kopf, die ihn seit jenem Tag jede Nacht quälten und ihn dieses schlimme Ereignis immer und immer wieder vor Augen führten.
Nach drei Wochen war Roger van Dyke völlig davon überzeugt, dass er allein die Schuld am Unglück seines Freundes trug und dass es an der Zeit war eine folgenschwere Entscheidung zu treffen.
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