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Ein neues Leben

von Anke

Kathryn

Captain Kathryn Janeway stand wie so oft am Fenster ihres Quartiers und starrte nach draußen. Doch diesmal starrte sie nicht auf irgendwelche unbekannten Sternenkonstellationen des Deltaquadraten. Ganz im Gegenteil: Fast schon zum Greifen nahe hing die Erde vor ihrem Fenster. Kathryn legte andächtig die Hand auf die Scheibe. Auf ihren Reisen hatte sie so viele faszinierende Planeten gesehen, aber an diesem Abend erschienen sie ihr alle unbedeutend im Vergleich zu dieser speziellen kleinen blauen Kugel.

Sie hatten es geschafft, sie waren zu Hause. So ganz konnte sie es noch nicht fassen. Gestern war die Voyager noch im Delta-Quadranten gewesen und nun hatten sie binnen vierundzwanzig Stunden eine halbe Galaxie durchquert. Wenn alles gut ging, würden sie morgen zum ersten Mal nach sieben Jahren die Erde betreten, Erden-Luft atmen, die Strahlen der Erden-Sonne fühlen, ihre Familien in den Arm nehmen. Kathryn schluckte. Soweit sie wusste, wurden bei Starfleet Command gerade Nachtschichten eingelegt, um einen großen Empfang für die Voyager und ihre Besatzung vorzubereiten. Es hieß sogar, die Voyager solle auf dem Exerzierplatz der Sternenflotte landen. Mit dieser nie dagewesenen Ehre sollte die Hochachtung der gesamten Flotte für ihre ungewöhnliche Reise ausgedrückt werden. Bevor sie jedoch landen durften, wollte Starfleet Command sicher gehen, dass die Voyager weder technologisch noch biologisch kompromittiert war. Es war schließlich noch nie vorgekommen, dass ein verschollenes Schiff nach sieben Jahren unverhofft inmitten eines Haufen Borg-Trümmer auftauchte. Kathryn gestand sich ein, dass sie an Stelle des Oberkommandos in einem solchen Fall ebenfalls skeptisch reagiert hätte. Und wenn sie ehrlich zu sich war, war sie für diese Verzögerung sogar dankbar. So hatte sie ein wenig Zeit. Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass das Kapitel ihres Lebens mit dem Namen „Delta-Quadrant“ nun ebenso unvermittelt vorbei war, wie es begonnen hatte. Sie brauchte diese zusätzlichen Stunden, um mit sich selbst und ihren Gefühlen ins Reine zu kommen.

Eigentlich hatte Kathryn sich immer vorgestellt, nach der Rückkehr in den Alpha-Quadranten reine Freude und Erleichterung zu empfinden. Nun, da die Vorstellung Realität geworden war, sah alles anders aus.

Vor allen Dingen fühlte sie sich leer und ausgelaugt. Erst darunter schimmerte eine gewisse Freude durch. Doch diese Freude fühlte sich matt, stumpf und irgendwie leblos an. Es war mehr, als ob ihr Verstand sich freute, während ihre Emotionen im Transwarpkanal zurückgeblieben waren.
Natürlich freute sie sich, ihre Mutter und ihre Schwester wieder zu sehen.

Sie freute sich für ihre Crew und darüber, ihre Leute tatsächlich sicher nach Hause gebracht zu haben. Aber schon diese Freude war nicht mehr ungetrübt. Zu viele hatten es nicht geschafft. Joe Carey zum Beispiel. Kathryn hielt sich mit Gewalt davon ab, ausgerechnet an diesem Abend wieder einmal die Liste all jener Crew-Mitglieder durchzugehen, die es nicht geschafft hatten. Ihr Verstand wusste, sie kehrten dadurch nicht zurück. Zudem versuchte sie sich zu sagen, dass ihre Leute sich freiwillig für ein Leben auf einem Raumschiff und die damit verbundenen Risiken entschieden hatten. Und doch fühlte sich jeder einzelne Tod als Zeugnis ihres persönlichen Versagens an. Ihr Verstand sagte ihr, sie solle sich für die freuen, die nun wieder zu Hause in Alpha-Quadranten waren. Ihr Gefühl trauerte um diejenigen, die zurück im Delta-Quadranten geblieben waren.

Kathryn blinzelte die Feuchtigkeit in ihren Augen weg und wandte um. Ihr Blick schweifte durch ihr Quartier. Ihr Zuhause. Sieben Jahr lang hatte sie es als Provisorium angesehen, nun erschien der Gedanke seltsam, morgen nicht mehr hier einzuschlafen. Kathryn nahm das Crew-Foto vom Schreibtisch und strich zart darüber. Sie begann jetzt schon ihre Leute zu vermissen, dabei waren sie noch nicht einmal von Bord gegangen.

Abrupt stellte Kathryn das Foto wieder zurück. Verdammt, sie hatte Miral aufwachsen sehen wollen. Und Naomi. Sie hatte es sein wollen, die Icheb zu einem Sternenflotten-Offizier machte und gerade erst vor kurzem hatte sie angefangen, ihrer Freundschaft mit dem Doktor ganz neue Facetten hinzuzufügen. Es wird ihnen bestimmt allen gut gehen, versuchte sie sich zu trösten. Außerdem würde man sich immer wieder über den Weg laufen. Aber es wäre nicht mehr dasselbe…

Und was, wenn es ihnen nicht gut gehen würde? Wer konnte denn jetzt schon sagen, was mit ihnen allen passieren würde? Um sich selbst und die Sternenflotten-Mannschaft machte sich Kathryn keine Sorgen. Gerade in Bezug auf Tuvok war sie unendlich erleichtert und dankbar. Ihm würde man helfen können. Sie hatten schon alles dafür Notwendige in die Wege geleitet. Aber was würde aus dem Doktor werden? Wie würde die Föderation zu einem Hologramm stehen, das nun bürgerliche Rechte für sich einforderte? Welche Konsequenzen warteten auf die Besatzung der Equinox, die sich unethischen Handelns mitschuldig gemacht hatte? Wie würde man auf ehemalige Borg wie Seven und Icheb reagieren? An ihre Besatzungsmitglieder, die dem Maquis angehört hatten, wollte sie gar nicht erst denken.

Du solltest Vertrauen haben, Kathryn, versuchte sie sich zu beruhigen. Immerhin hatte sie bisher keinen Befehl erhalten, ihre Maquis-Mannschaftsmitglieder festzusetzen. Im Gegenteil, die bisherige Kommunikation mit Starfleet Command ließ eher darauf schließen, dass Chakotay, B’Elanna, Ayala und alle anderen längst als Sternenflotten-Angehörige betrachtet wurden. Kathryn konnte nur hoffen, dass es so bleiben würde. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, wie sie sich verhalten hätte, wäre ihr tatsächlich befohlen worden, die Maquis festzunehmen. Sie war dankbar, diese Entscheidung nicht treffen zu müssen. Allein die Vorstellung schien ihr absurd. Es wird alles gut werden, redete sie sich zu. Schließlich war es bei der Rückkehr der anderen Voyager aus der anderen Zeitlinie zumindest in dieser Hinsicht auch so gewesen. Warum sollte es dieses Mal anders sein?

Die andere Voyager. Die andere Zeitlinie. Kathryns Magen zog sich zusammen und sie begann eine rastlose Wanderung durch ihr Quartier. Sie hatte den Menschen nicht gemocht, zu dem Admiral Janeway – also sie – geworden war. Ein weiterer Grund, nicht rundum glücklich zu sein.

Auf ihrer Wanderung fand Kathryn sich plötzlich in ihrer Nasszelle wieder. Im Spiegel über dem Waschbecken versuchte sie den Admiral in ihren Zügen wiederzufinden. Wer bist du?, fragte sie ihr Spiegelbild bevor sie sich unvermittelt umdrehte und in ihr Quartier zurückkehrte.

Der Geist von Admiral Janeway ließ sie nicht los. War das ihr Schicksal? Andererseits – Admiral Janeway war zurückgekommen, um genau dieses Schicksal zu ändern. Diese Zeitlinie endete mit deren Eingriff in das temporale Gefüge. Captain Janeway musste nicht so werden wie der Admiral und was Chakotay und Seven betraf…

Kathryns Magen verkrampfte noch weiter. Die beiden hatten jedes Recht darauf, miteinander glücklich zu werden. Mit beiden verband sie etwas, das über all die Bindungen hinausging, die sie mit den anderen Besatzungsmitgliedern im Laufe der sieben Jahr geknüpft hatte. Alle beide waren ihr – jeder auf eine ganz eigene Weise – besonders ans Herz gewachsen. Sie freute sich für das Paar.

Wirklich?

Aber warum tat es dann so verdammt weh?

Kathryn schluckte, als sie spürte, wie sich etwas in ihr löste. Unvermittelt stand ihr die Wahrheit vor Augen. Sie hatte sich und ihre Bedürfnisse auf dieser Reise jeden einzelnen Tag zurückgestellt, egal wie schwer es gewesen war. Es war richtig gewesen und sie hatte es ertragen. Aber jetzt gehörte diese Zeit der Vergangenheit an, genau wie eine Captain Janeway, für die das Schiff Vorrang vor allem anderen haben musste. Die selbstauferlegten Fesseln, die gestern sie gestern noch gebunden hatten, waren mit einem Mal sinnlos geworden. Sie musste nicht mehr krampfhaft versuchen, eine Freundschaft aufrecht zu erhalten, wo doch eigentlich so viel mehr hätte sein sollen. Die Erkenntnis traf sie mit atemberaubender Grausamkeit. Die Rückkehr in den Alpha-Quadranten kam zu spät, Chakotay hatte inzwischen eine andere Wahl getroffen.

Das hatte er doch – oder nicht? Vielleicht hatte es noch nicht begonnen. Vielleicht waren die beiden noch gar kein Paar. Vielleicht war es eben nicht zu spät, sondern genau richtig.

Captain Kathryn Janeway war noch nie ein Feigling gewesen. Also traf sie eine Entscheidung und verließ ihr Quartier.
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