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Ein neues Leben

von Anke

Morgen

„Brücke an Captain Janeway.“

Es hatte zugegebenermaßen etwas extrem Surreales zu sehen, wie Captain Kathryn Janeway sich grummelnd durch Chakotays zerwühltes Bett zu ihrem Pyjama vorarbeitete und diesen nach ihrem Kommunikator abtastete. Chakotay musste mehrmals blinzeln, um sich davon zu überzeugen, dass das was er gerade wahrnahm der Realität entsprach. Ihre Haare waren zerzaust, die Augen noch klein von dem bisschen Schlaf, zu dem sie gefühlt gerade eben erst gekommen waren und ihr Körper so wunderbar und vollkommen und nackt. Sie wirkte verletzlich und stark und Chakotay glaubte, nie etwas Schöneres gesehen zu haben.

„Janeway hier.“

Sie hörte sich vollkommen professionell und gelassen an. Der Kontrast zwischen Kathryn in ihrer Rolle als Captain dieses Schiffes und den offensichtlichen Spuren der vergangenen Nacht machten die ganze Situation noch viel unwirklicher. Hingebungsvoll beobachtete Chakotay seinen Captain? Seine Geliebte? Göttin der letzten Nacht? Als ihm die letzte Formulierung einfiel, musste er sich ein Schmunzeln verkneifen – solche Überschwänglichkeit war nicht gerade sein Stil. Aber die vergangene Nacht rechtfertige überschwängliche Formulierungen durchaus. Bisher hatte er immer auf eine gewisse, leidlich vage Art und Weise gespürt, dass Kathryn seine tiefen Gefühle erwiderte. Nach dieser Nacht wusste er es. Sicher. Mit Haut und Haaren. Und der Rest war auch nicht schlecht gewesen. Dieses Mal konnte Chakotay sich ein zutiefst befriedigtes Grinsen nicht verkneifen. Nein, nicht nur nicht schlecht, ganz und gar großartig.

„Wir haben Bescheid vom Hauptquartier der Sternenflotte bekommen“, kam es derweilen unbarmherzig vom anderen Ende der Leitung. „In ungefähr einer Stunde werden die ersten Teams eintreffen, um das verabredete technische und biologische Assessment vorzunehmen.“

„Verstanden. Janeway Ende.“

Kathryn drehte sich um. „Es sieht so aus, als ob wir das Niemandsland bald verlassen.“ Sie lächelte schief und ein wenig traurig.

In Chakotay zog sich alles zusammen. Selten hatte sie ihm erlaubt, sie so verletzlich zu sehen. Er verstand die ungestellte Frage „Was nun? Was sollen wir jetzt nur machen? Willst du mich noch? Willst du mich wirklich?“

Er beugte sich vor und küsste sie lange und hingebungsvoll.

„Es sieht so aus“, sagte er dann. „Und dann beginnt ein neues Leben. Vermutlich werden wir eine Weile brauchen, uns daran zu gewöhnen und das Ein oder Andere muss noch geklärt werden.“ Seven, dachte er. „Aber wir haben sieben Jahre gewartet, also werden wir das auch schaffen und dann…“

„…machen wir da weiter, wo wir vor zwei Stunden aufgehört haben?“, fragte Kathryn und er stellte fest, dass ihn nichts, was in der letzten Nacht geschehen war auf dieses Grinsen vorbereitet hatte.


=/=

Die Besatzung der Voyager hatte erwartet, dass ihr erster Tag im Alpha-Quadranten turbulent werden würde. Doch wie so oft wurde die Erwartung von der Realität übertroffen. Es war, als ob ein Wirbelsturm über die Voyager hereingebrochen wäre.

Auf die Minute pünktlich hatten mehrere Teams hochqualifizierter Sternenflotten-Ingenieure, Sicherheitsexperten, Mediziner, Biologen, Exobiologen und weitere Spezialisten die Voyager geflutet und begonnen, das Schiff und seine Besatzung nach allen Regeln der Kunst zu durchleuchten.

Nicht allen hatte das gefallen. B’Elanna war aufgebracht, weil wildfremde Toh-pah es wagten, Hand an ihr Schiff zu legen. Der Doktor war aufgebracht, weil B’Elanna entgegen seiner Empfehlung das Wochenbett verließ und im Maschinenraum mit Argusaugen nach dem Rechten sah. B’Elanna war noch aufgebrachter, weil der Doktor ihr mit Toms Unterstützung zumindest untersagte, durch die Jeffries-Röhren zu kriechen. Wer konnte schon sagen, was diese Leute mit ihrem Schiff anstellten, sobald sie kein Auge mehr darauf hatte?

Tom und die kleine Miral waren irgendwann verschwunden und wurden auf Holodeck 1 wiedergefunden, wo Tom den Anflug auf das Sternenflotten-Hauptquartier übte und seine neugeborene Tochter von dem ganzen Trubel fernhielt.

Die Besatzungsmitglieder der Exobiologie beschwerten sich, dass „diese Sternenflotten-Leute“ den Abschluss ihrer Experimente störten – völlig ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei ihnen selbst ebenso um gestandene Offiziere der Sternenflotte handelte.

Crewman Chell war unglücklich, weil seine Küche durcheinander kam. Außerdem störte es ihn, dass Gruppe Mediziner das Kasino in eine provisorische Krankenstation verwandelt hatte, auf der sich jedes Crewmitglied – ja, auch der Captain – einem medizinischen Grundcheck unterziehen musste.

Überall standen Frachtkisten mit dem persönlichen Gepäck der Crew herum, die für den Transport auf die Erde vorbereitet wurden und mindestens drei Besatzungsmitglieder mussten vom Doktor versorgt werden, weil sie über herumliegende Ausrüstungsgegenstände gestolpert waren.

Zu allem Überfluss deklarierten einige besonders gründliche Bürokraten die Reste von Neelix‘ Leolawurzel-Vorräten als biologischen Kampfstoff.

Während die Crew der Voyager zusehen musste, wie man ihre Heimat auseinandernahm, kamen sie zu dem Schluss, dass es in all den Jahren im Delta-Quadranten nie einen chaotischeren Tag gegeben hätte als diesen ersten Tag zuhause. Doch genauso schnell, wie die Sternenflottenexperten das Schiff heimgesucht hatten, waren sie auch wieder verschwunden. Am frühen Abend war der Spuk vorbei. Der USS Voyager NCC-74656 wurde die Freigabe erteilt, auf dem Exerzierplatz der Sternenflotten-Akademie zu landen.

Beklommenheit legte sich über das Schiff als die Inspektionsteams die Voyager verlassen hatten und Tom auf dem Pilotensessel Platz nahm, um Schiff und Besatzung endgültig nach Hause zu bringen. Neben den Führungsoffizieren hatten sich noch einige andere Mannschaftsmitglieder auf der Brücke versammelt. Kathryn hatte B’Elanna und Miral ihren Sessel überlassen. Außerdem hatte Fähnrich Wildman ihre Tochter Naomi ausnahmsweise mit auf die Brücke nehmen dürfen. Nun teilten sich beide den Platz an Sams Station. Icheb stand neben Seven.

Kathryn selbst stand mitten auf der Brücke. Sie ließ ihren Blick von einem zum anderen schweifen und ihr wurde schmerzlich bewusst: dies war das letzte Mal, dass sie wirklich alle ihr gehörten. In einer Stunde schon würde sie nicht mehr ihr Captain sein. Sie schluckte, nickte dann Tuvok zu, der eine schiffsweite Com-Verbindung herstellte.

„Janeway an alle. Vermutlich wäre nun der Moment für eine große Rede. Doch gerade jetzt scheine ich keine passenden Worte zu finden, außer diesen: Sie wissen alle, dass die Voyager die außergewöhnlichste und großartigste Crew hatte, die die Sternenflotte je hervorgebracht hat und ich bin dankbar, ihr Captain gewesen zu sein. Unglaublich dankbar“, Kathryn biss sich auf die Lippen, um den Frosch in ihrem Hals zu unterdrücken. „Und nun werde ich meinen letzten Befehl auf dieser Mission aussprechen: Bringen Sie uns runter, Tom!“

Tom brachte sie runter. Und wie. Die kleine Übungs-Sitzung auf dem Holodeck hatte sich offenbar gelohnt. Der Flug über das nächtliche San Francisco mit abschließender Schleife um die aus dem Nebel ragende Golden Gate Bridge konnte nur als furios bezeichnet werden und wurde ihm eigentlich nur von zwei Gruppen Leuten übel genommen: Allen zukünftigen Kadetten der Flugausbildung, die genau diesen Anflug immer und immer wieder üben mussten und Miral, die es nicht in Ordnung fand, dass ihr Vater die Voyager so sanft gelandet hatte, dass sie diesen großen historischen Moment einfach verschlafen hatte.

Tuvok öffnete eine Com-Verbindung an die gesamte Besatzung: „Tuvok an alle Abteilungen. Die Landeprozedur der Voyager wurde vorschriftsgemäß abgeschlossen. Bitte stellen Sie sicher, dass Ihre Abteilungen ordnungsgemäß gesichert sind und versammeln Sie sich in der Shuttlerampe. Auf Anweisung der Anflugkontrolle wird diese uns heute als Ausstiegsschleuse dienen. “

Nach einigen Minuten nickte er. „Die Crew ist so gut wie vollzählig versammelt.“

Kathryn warf einen letzten Blick auf ihre Brücke. Sie hatte es nicht eilig. Auch sonst herrschte Schweigen, als die Besatzung der Brücke sich auf den Weg machte. Alle waren mit sich selbst beschäftigt. Sogar Harry erschien weniger enthusiastisch als es eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Kathryn beobachtete, wie ihr junger Fähnrich zum Abschied fast wehmütig mit der Hand über seine Konsole strich.

In der Shuttlerampe nahmen die Führungsoffiziere ein letztes Mal Aufstellung vor ihrer Crew, die in vorschriftsmäßigen geraden Reihen Aufstellung bezogen hatte. Eine Kompanie frisch gedrillter Elite-Kadetten hätte es kaum besser gekonnt. Kathryn fühlte die Ehrenbezeugung, die dahinter stand. Zu Beginn ihrer Reise hätten sich etliche dieser Leute, besonders die Maquis, eher aus der nächsten Luftschleuse gestürzt als gerade diesen extrem militärischen Part des Protokolls zu folgen. Sie waren so weit gekommen.

Kathryn und Chakotay nutzen die Gelegenheit, um sich noch einmal umzusehen. Am liebsten hätten sich die beiden sich von jedem einzelnen verschiedet. Aber dazu war jetzt nicht mehr genug Zeit. Die Türen der Shuttlerampe öffneten sich bereits. Flüchtig sah sich das Kommandoduo an, tauschte ein Lächeln, dessen wahre Bedeutung und dessen Versprechen nur sie beide verstanden. Für den Bruchteil einer Sekunde berührten ihre Hände einander. Dann war die Tür der Shuttlerampe vollkommen geöffnet. Kathryn glaubte, ein kollektives Luftschnappen zu hören, als die echte ungefilterte San Francisco-Luft die Shuttlerampe füllte. Bildete sie es sich ein oder konnte sie tatsächlich den Ozean riechen? Boothbys Rosen mussten Einbildung sein. Sie roch sie trotzdem.

Eine Ausstiegsrampe wurde herangefahren und Kathryn führe ihre Crew hinaus in ihren ersten Abend auf der Erde.

Was dann geschah, verlor sich für die meisten Besatzungsmitglieder der Voyager in einem diffusen Nebel. Admiral Nechayev hatte die Mission der Voyager offiziell für beendet erklärt. Der Präsident der Föderation war gekommen und hatte eine Ansprache gehalten. Dem Vernehmen nach war sie gut und würdig gewesen. Reporter und Schaulustige hatten sich um den Landeplatz gedrängt und verzweifelt versucht den perfekten Schnappschuss zu erhaschen – oder noch besser ein Interview mit einem der zurückgekehrten Helden. Professionelles Sicherheitspersonal sorgte dafür, dass die Crew der Voyager unbehelligt blieb, als man sie in Richtung Sternenflottenhauptquartier leitete. Für die meisten Besatzungsmitglieder setze die Erinnerung erst dann wieder ein, als sie dort abseits von jeder Öffentlichkeit endlich von ihren Lieben nach all den Jahren wiedersehen konnten.

Die zuständigen Mitarbeiter der Sternenflotte hatten sich wirklich Mühe gegeben, für jedes Besatzungsmitglied der Voyager jemanden zu finden, der ihn oder sie in Empfang nehmen konnte. Bei Kathryn war es einfach gewesen. Ihre Mutter und Schwester hatten sich bereits auf der Erde befunden. Auch B’Elanna und Tom wurden enthusiastisch von der Familie Paris und B’Elannas Vater begrüßt. Genauso wie Harry, der in einem ganzen Rudel von Kims unterging. Kathryn sah sich um: überall um sie herum fanden überschwängliche, emotionale Begrüßungen statt. Sogar Seven war von einer alten Dame in Beschlag genommen worden, die Kathryn als deren Tante Irene identifizierte. Seven schien sich erstaunlich wohl damit zu fühlen. Icheb war von Naomi und Sam zu einem Ktarianer in Sternenflotten-Uniform gezogen worden, bei dem es sich offensichtlich um Naomis Vater handelte. Kathryn sah, wie Fähnrich Vorik von einem Vulkanier in gelber Sternenflottenuniform steif begrüßt wurde. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine Begrüßung unter entfernten Bekannten. Doch die verblüffende Ähnlichkeit der beiden verriet Kathryn, dass Vorik gerade zum ersten Mal seit über sieben Jahren seinen Zwillingsbruder Taurik wiedersah. Tuvok ließ hingegen die enthusiastische Begrüßung von Captain Donna Noble, einer alten Kollegin aus der Akademie, gelassen über sich ergehen. Seine Familie würde voraussichtlich morgen eintreffen. Aber was war mit Chakotay? Für ihn konnte doch niemand da sein? Offensichtlich schon. Etwas verlegen stand er in einer Gruppe von Menschen, die ihm erstaunlich ähnlich sahen, ihn offensichtlich freudig begrüßten und wegzogen. Der Cousin aus Ohio, erinnerte sie sich. Ganz kurz spürte Kathryn den Impuls ihn zurück zu holen, aber dann wurde sie von ihrer Mutter und Schwester in Beschlag genommen und war ihrerseits für den Moment verloren. Und wie hatte Chakotay gesagt? Sie hatten sieben Jahre lang gewartet, da kam es auf ein wenig mehr auch nicht mehr an. Na ja, fast.
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