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In den Ketten der Katastrophe

von Racussa

Ein Counselor gegen drei Ärzte

Walanae zog den grün-weiß karierten Vorhang zur Seite und gab acht, dass ihre aufgesteckten Haare nicht die Hängevorrichtung des Vorhangs berührten. Dann kam sie zur ergonomischen Krankenliege, auf die Thyatira Sebennytos festgeschnallt war. Sie beobachtete die Vitalanzeigen über dem Bett und zog dann einen Hocker herbei, um sich neben die Liege setzen zu können. Zwei Tasten auf dem Infiltrator setzten die Sedativdosis herab. Während Walanae auf Thyatiras Erwachen wartete, las sie medizinische Notizen von einem mitgebrachten Datenbrett. Als Thyatira schließlich die Augen aufschlug, legte Walanae ihr liebevoll die Hand auf die Stirn. „Thyatira, schön, dass du wach bist!“ Thyatiras Augen suchten verwirrt die Umgebung ab: Grünlich schimmernde Metallverkleidungen an der Decke, der grün-weiß karierte Vorhang, der die zwei Milchglaswände rechts und links ihres Bettes zu einer Koje abschloss. Und dann fielen ihr ihre gefesselten Hände auf. Verwirrt blickte sie in das verschwommene, aber bekannte Gesicht der menschlichen Frau, deren violettes Uniformoberteil mit einem bodenlangen, schwarzen Rock kombiniert war. „Weißt du, wer ich bin, Thyatira?“ Thyatira suchte ein Wort zu formen, aber ihre Lippen gehorchten nicht ihrem Willen. „Oberarzt Mecar hat gesagt, dass temporale Amnesie eine mögliche Kurzzeitfolge der hier verwendeten Schmerzmittel ist. Du brauchst dir gar keine Sorgen zu machen, wir haben hier alles, was wir brauchen.“ Thyatira wollte sich aufrichten, doch die Handfesseln ließen keine größeren Bewegungen zu. Walanae betätigte einen Modifikator am Bett, so dass der obere Teil etwas aufgerichtet wurde. „Was ist geschehen? Wo bin ich?“

„Thyatira, es gab im Rahmen der Manöver einen vorzeitigen cardassianischen Übungsangriff, der auf dem Schiff einige minimale Schäden angerichtet hat. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, niemand ist gestorben. Eine Reinigungskraft hat ein Auge verloren, aber der Regenerationsprozess hat schon begonnen. Und Ak’Trun Akamakanscaff hat einige Verbrühungen erlitten, aber seine Breenkonstitution beschleunigt die Heilung massiv. Die Selay sind in diesem Sektor wirklich die besten Pfleger, die es gibt. Ihre Fähigkeiten in Hautregeneration sind fast so hervorragend wie die der Son’a.“

Walanae redet zu schnell, als dass Thyatira das alles verstehen konnte, aber als das Wort ‚Akamakanscaff‘ fiel, zuckte sie. Sie kannte den Namen, auch wenn sie sich nicht an das Gesicht dieses Mannes erinnern konnte. Hatte die violett gekleidete Frau mit der pompösen Turmfrisur gesagt, dass er ein Breen sei? „Ist Akamakanscaff ein Breen?“, fragte Thyatira schwach.

Walanae seufzte. „So schlimm ist es? Ak’Trun Akamakanscaff war der Zweite Offizier dieses Schiffes, der IRW Indagator. Wir bereiten uns auf eine Mission in den nephridischen Gürtel vor. Sechs Jahre der interspeziellen Beziehungen, der Forschung und des diplomatischen Austauschs. Ich bin Walanae Ophiuroidea, wir haben zusammen auf verschiedenen Schiffen gedient. Ich bin Counselor dieses Schiffes.“

Als Walanae ‚Indagator‘ sagte, blitzte es in Thyatiras Gehirn auf. Die dumpfen Kopfschmerzen wurden stärker. „Ich bin auf diesem Schiff. Der Indagator…“ Walanaes Lippen formten ein Lächeln der Ermunterung. „…der Captain?“ Wie ein Blitz durchfuhr es Thyatira und die Erinnerung kam schlagartig zurück, begleitet von einer heftigen Kopfschmerzwelle. 

Walanaes Lächeln erstarb. Die Counselor zögerte. Schließlich formulierte sie vorsichtig: „Während des Scheinangriffs…du hast wertvolle Zeit verstreichen lassen…und dann falsch reagiert. Es gibt Komplikationen, aber das Wichtigste ist, dass dir nichts geschehen ist. Und auch sonst kein Mitglied der Besatzung umgekommen ist. Das ist viel mehr, als wir bei manchen Flügen während des Dominionkrieges erreichen konnten.“ 

„Versuch nicht, mich zu therapieren. Ich möchte losgeschnallt werden und auf die Brücke!“ Walanae zog den Hocker etwas zurück und stand auf.

„Vielleicht ist es besser, du schläfst jetzt wieder ein wenig.“

„Wage es nicht, mich zu sedieren. Ich bringe dich vor einen Disziplinarsenat. Ich werde dich…“, doch die stärkere Dosis, die Walanae in das Vitalbrett eingegeben hatte, zeigte Wirkung und Thyatira verlor das Bewusstsein.

Walanae seufzte und schüttelte den Kopf. Sie verließ die Koje und trat in den breiteren Foyer-Bereich des Krankenzentrums. Oberarzt Mecar kam in Begleitung einer Selay und eines Menschen aus einem undurchsichtig abgetrennten Operationsbereich. „Dr. Setrik, ihre Kunstfertigkeit ist bemerkenswert.“, sagte der Romulaner zu der Selay, der menschliche Begleiter nickte.

„Für die Föderation wäre es ein großer Gewinn, wenn Sie uns Ihre Techniken der Reticularregeneration erklären könnten.“

Das Trio in den weißen Krankendienstuniformen traf auf Walanae. „Counselor, wie geht es unserer Patientin Nummer 1?“, fragte der romulanische Oberarzt.

Walanae schüttelte den Kopf: „Ich bin mir nicht sicher, aber ich fürchte, eine vorzeitige Entfernung der Fesseln ist noch nicht angeraten. Sie wird höchstwahrscheinlich aggressiv darauf reagieren, wenn man ihr ihre Degradierung und Absetzung mitteilt.“

Die Selay hielt ihren kobraartigen Kopf schräg. „Sollte nicht eher ein Psychiater das beurteilen? Dr. Siater wäre dafür sicher besser geeignet als eine Counselor ohne akademische Ausbildung.“

Bevor Walanae empört reagieren konnte, mischte sich der Mensch ein: „Dr. Setrik, bitte. Auf Föderationsschiffen haben Counselors eine wichtige Rolle. Sie beraten den Captain und therapieren die Mannschaft in offener Gesprächsform. Das ist eher Lebensberatung als Behandlung. Dafür ist Empathie wichtiger als Wissenschaft.“

Der Oberarzt schüttelte den Kopf: „Lieutenant Sebennytos ist ein Mensch und diese Praxis gewohnt. Auf einem rein-romulanischen Schiff könnten wir uns den Luxus einer so weichen Beratungsbehandlung nicht leisten. Ich wäre auch eher für ein psychiatrisches Gutachten. Aus medizinischer Sicht könnte man Sedativum und Fesseln durchaus schon weglassen. Die Folgen der Gehirnerschütterung sollten nur mehr der Bluterguss an den Schläfen und Kopfschmerzen sein. Aber wenn die Lieutenant andere gefährdet, so wie heute Morgen Pflegerin Sa, dann ist die Fixierung gerechtfertigt. Alternativ könnte man sie auch in ihr Quartier bringen und dort einschließen.“

Walanae schüttelte den Kopf. „Die Absetzung hat auch bewirkt, dass das Captainsquartier geräumt werden muss. Als Lieutenant steht nur ein einfaches Zimmer mit Bad zu. Aber die Quartiereinteilung ist abgeschlossen.“

Der menschliche Arzt richtete sich an Walanae: „Sie arbeiten doch im Zerstreuungsbereich, wo auch die Wohnsituation bearbeitet wird. Warum organisieren Sie nicht etwas Konstruktives? Schließlich sind Sie mit Lieutenant Sebennytos befreundet. Sie haben schon auf anderen Schiffen gemeinsam gedient.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte Walanae entrüstet.

„Aus ihrer medizinischen Datei.“ Der romulanische Oberarzt zog die Selay mit sich in den hinteren Bereich: „Ich denke, das wird jetzt ein innerföderationistisches Menschengespräch, bei dem unsere medizinische Expertise nicht mehr gefragt ist. Counselor, Dr. Mendes, ich empfehle mich.“

Als Oberarzt Mecar und Dr. Setrik den Raum verlassen hatten, sagte der menschliche Arzt leise zur Counselor: „Ich bin auf Ihrer Seite. Sie müssen mich nicht so angiften. Aber das ist kein Föderationsschiff. Suchen Sie einen Raum für Sebennytos, oder ich bitte den Föderationsbotschafter, sie bis zur Genesung auf die Enterprise oder die Voyager zu verlegen!“ Er drehte sich um, doch die Counselor hielt ihn zurück.

„Sie sind der Zweite Arzt hier an Bord, Sie werden doch wohl diesem romulanischen Spitzohr erklären können, dass Thyatira noch einen Tag länger hierbleiben kann, oder?“

„Oberarzt Dr. Mecar ist kein ‚romulanisches Spitzohr‘, er ist ein qualifizierter Kollege, von dem wir viel lernen können. Als Counselor sollten Sie das richtig beurteilen. Seien Sie nicht antiromulanisch!“

„Auf einem Sternenflottenschiff sitzt der Counselor auf der Brücke neben dem Captain, unser Wort ist Gesetz und Urteil zugleich, hier hat man mich in den Zerstreuungsbereich eingeordnet und dem Rang nach mit dem Masseur oder der Milchtechnologin gleichgestellt. Ich bin sogar in einem Doppelzimmer untergebracht. Das ist nicht die Art von Gleichberechtigung der Föderation, des Romulanischen Imperiums und der Unabhängigen, die mir vorgeschwebt ist. Aber die überschnelle Degradierung von Captain Sebennytos, um einen größeren diplomatischen Aufruhr zu verhindern, ist unverantwortlich. Ich verstehe, wenn sie gekränkt ist. Dafür müsste man sie nicht fesseln. Und Sie hat nicht – wie früher – Dinge getan, die das soziale Gefüge auf dem Schiff durcheinanderbringen.“

Der menschliche Arzt schüttelte Walanaes Arm ab. „Projizieren Sie gerade ihre eigene Kränkung auf Sebennytos? Dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie ihr helfen werden. Sie sollen beruhigen, nicht aufstacheln. Und was sind das für soziale Beunruhigungen? Müssen wir Verdacht schöpfen?“

„Sie reden schon wie ein Romulaner.“, entfuhr es Walanae ärgerlich. Mendes schüttelte den Kopf und ging. An der Türe wandte er sich um: „Ich weiß, wozu ein Masseur und eine Milchtechnologin auf diesem Schiff sind, aber ich beginne mehr und mehr an unserer Einstellung in Bezug auf Counselors zu zweifeln.“

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