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In den Ketten der Katastrophe

von Racussa

In Captain Picards Bereitschaftsraum

„Herein!“, knurrte Jean-Luc, als der Türsummer seines Bereitschaftsraums aktiviert wurde. Er schaute von seinem Display auf und runzelte verärgert die Stirn, als er Deanna und Beverly sah. „Beverly, was soll…“
„Captain, ich bin nicht aus privaten Gründen hier, Counselor Troi möchte mit Ihnen sprechen.“
Jean-Luc schüttelte verärgert den Kopf: „Nicht jetzt. Ich arbeite an einer Stellungnahme zu dem verheerenden Anschlag heute Morgen. Ich kontaktiere Sie, wenn ich Zeit habe.“
Er wandte den Blick wieder dem Schreiben auf dem Display zu. „Nein!“, sagte Beverly unaufgeregt, aber klar.
Verwundert hob Jean-Luc wieder den Blick. „Wie bitte, Doktor? Ich habe eine klare Aussage getätigt. Soll ich es als Befehl formulieren?“
Deanna ging zwei Schritte auf den Tisch des Captains zu. „Captain, ich fühle eine tiefe emotionale Unausgeglichenheit. Sie sollten etwas Abstand gewinnen, bevor Sie Ihre Stellungnahme an den Föderationsbotschafter absenden. Wir meinen es gut.“
Empört erhob sich Jean-Luc: „Counselor? Sind Sie von Sinnen? Ich habe objektiv die Regelverstöße der Cardassianer-Schiffe zusammengestellt, wie die Enterprise sie mit den Standardsensoren aufgezeichnet hat. Es besteht kein Zweifel daran, dass hier ein aggressiver Akt unprovoziert…“
„Es war eine Übung, bei der keine scharfen Waffen verwendet wurden. Und der Übungsangriff richtete sich nicht gegen die Föderation, sondern gegen ein romulanisches Schiff. Etwas Ruhe und vielleicht ein Spaziergang im Arboretum…“
„Haben Sie nicht gelesen, dass Captain Sebennytos für ein paar mindere Delikte degradiert und ihrer Funktion enthoben wurde. Das war ein abgekartetes Spiel. Und jetzt wollen die Cardassianer, dass wir den Mund halten, weil EINE Föderationsoffizierin ein bisschen zu langsam reagiert hat? Der Bericht der Enterprise ist objektiv, ich habe nichts Emotionales einfließen lassen. Ich kann sehr wohl zwischen meinen persönlichen Beurteilungen und realen Sachverhalten unterscheiden.“
„Jean-Luc, bitte!“, versuchte Beverly einzulenken. „Niemand möchte Sensorendaten verfälschen. Ich bin mir nur sicher, dass du empfohlen hast, die Kooperation mit der Cardassianischen Union bei der Indagator-Mission zu überdenken. Und du weißt, dass dein Wort bei Botschafter Aubigne großes Gewicht hat. Gib es zu, du wolltest ihm raten, Sebennytos wieder einzusetzen und die Cardassianerinnen aus der Mannschaft zu entfernen!“
Für einen Augenblick schaute Jean-Luc verschämt auf das Display. „Du nützt deine Kenntnisse meiner Person, um mich zu erpressen?“
Deanna kam noch einen Schritt näher: „Niemand möchte jemanden erpressen. Ich versichere Ihnen, alles, was ich von Beverly fühle, ist Liebe und Sorge um Ihr Wohl. Celtris III ist immer noch zu wach in Ihrer unterbewussten Traumaschicht. Das Sternenflotten-Psychologium auf Vulcan nennt das eine Supinationstraumatisierung, bei der die Mittelhirnsohle nach innen (in Richtung der Hypophyse) klappt. Dabei wird das Außenhirn, in dem Erinnerungen an große Folterschmerzen gespeichert sind, überdehnt. Umgangssprachlich wird die Verletzung als „Phantomfolter“ bezeichnet. Und selbst jetzt kann ich spüren, wie die Angst Ihre Wirbelsäule hinabfließt, die Angst vor neuen Stromschlägen, die Angst vor Hunger, Demütigung und die blankes Entsetzen auslösende Erinnerung an Gul Madred.“
„Es reicht!“ Jean-Luc schlug auf die Platte seines Schreibtischs. „Sie versuchen, mich emotional zu destabilisieren, weil Sie Ihrer Freundin Beverly einen Gefallen tun wollen. Das wirkt auf mich nicht sehr professionell. Doktor, Counselor, verlassen…“
„Commander Riker an Captain Picard.“ unterbrach die forsche Computerstimme.
„Picard hier.“, antwortete der Captain ohne Zögern.
„Admiral Janeway bittet um ein persönliches Gespräch. Sie möchte an Bord kommen. Wie soll ich antworten?“
„Ein persönliches Gespräch? Warum nicht über Telekommunikation?“
„Das hat sie nicht gesagt. Aber es schien dringend zu sein.“ Jean-Luc nickte.
„Sie holen die Admirälin in Transporterraum 1 ab, ich erwarte sie in der Besprechungslounge. Und lassen Sie heißen Kaffee und süß-saure Minifrühlingsrollen vorbereiten.“ Nachdem er den Kommunikator deaktiviert hatte, wandte er sich wieder an Beverly und Deanna. „Meine Damen, ich muss zu dem Treffen mit dem Admiral. Wir setzten das Gespräch später fort.“
Er ging und wandte sich in der offenen Türe nochmals um. „Nachdem ich meinen Bericht abgesandt habe.“
Zischend schloss sich die Türe und ließ Beverly und Deanna allein im Bereitschaftsraum zurück. Stumm schwammen die bunten Fische im Aquarium, auf dem Schreibtisch stand eine Tasse kalter Schwarzer Tee.
„Beverly, du bist ja auch völlig aufgewühlt. Lass uns ins 10 Vorne gehen, um eine Mousse au Chocolat zu essen.“
Beverly zögerte. „Deanna, du musst doch einsehen, dass wir das nicht zulassen können. Ich werde Dr. Bashir kontaktieren. Er ist auf dem cardassianischen Schiff bei Juniorlegat Garak. Er muss das Missverständnis doch aufklären können. Computer, stelle eine Verbindung zu Dr. Julian Bashir her.“
„Dr. Bashir ist nicht erreichbar.“ antwortete die Computerstimme wenige Sekunden später.
„Ich hatte nie etwas gegen seine Ehe mit Garak, aber ich verstehe nicht, warum er gerade jetzt nicht antwortet.“
„Beverly, Julian ist in einem moralischen Dilemma: Soll er seinem Ehemann loyal sein oder der Föderation. Und er befindet sich auf einem cardassianischen Schiff. Dort ist er Gast, nicht leitender medizinischer Offizier.“
Beverly ging um den Schreibtisch herum und starrte auf das immer noch offene Dokument. „Deanna, kennst du die Counselor der Indagator. Könntest du über sie herausfinden, was dort geschieht und wie das Schiff den cardassianischen Übungsangriff wahrnimmt. Vielleicht kann sie mit Sebennytos Kontakt aufnehmen und sie davon überzeugen, den Konflikt als nicht so bedeutend darzustellen?“
„Beverly, das wäre Amtsmissbrauch? Ich würde gegen Paragraph 3 der Föderationscounselorismusdirektive verstoßen.“, empörte sich Deanna.
Beverly schob ihr ein auf dem Tisch liegendes Pad zu. „Du kannst von hier aus Kontakt aufnehmen.“
Schweigend blickt sie auf die Counselor, die wiederum schweigend das Pad anblickte. „Ich werde nicht zulassen, dass Jean-Luc durch sein Trauma zerstört wird.“, fügte sie nach längerem Nachdenken hinzu. „Und aus Liebe tue ich alles!“ Ohne weiter auf Deanna zu achten, begann sie die virtuelle Tastatur des Captainsschreibtisches zu betätigen.
„Beverly! Hör sofort auf. Das ist der Computer des Captains.“
„Ja, und er hat ihn nicht deaktiviert, als er im Zorn den Bereitschaftsraum verlassen hat. Ich bin seine Frau! Und ich kann nicht zulassen, dass dieser gehässige Absatz von der aufzukündigenden Zusammenarbeit mit den Cardassianern so stehen bleibt.“ Sie tippte nervös einen Absatz.
„Beverly! Jean-Luc liest das Dokument doch sicher nochmals, bevor er es versendet. Und dann bist du vielleicht bald seine Exfrau.“
„Du kannst mir helfen, oder du kannst gehen, Deanna. Du musst nicht mitschuldig werden.“
Deanna blickte zur Türe und drehte sich unschlüssig in die Richtung. Während Beverly seufzte und weiterschrieb, wandte Deanna sich erneut um und nahm das Pad. Sie tippte ihren Counselorcode ein und begann zu tippen.
„Bestätigungscode vor Versenden eingeben.“ Die Computerstimme riss Deanna aus ihrer Recherche.
„Beverly, hör auf, du kannst die Nachricht doch nicht im Namen des Captains versenden.“
„Unrichtiger Versandcode.“ Mahnte die Computerstimme. „Zwei weitere Versuche.“
„Aoileach capall!“, fluchte Beverly und gab eine weitere Nummer ein.
„Du fluchst auf Irisch? Was heißt das?“
„Unrichtiger Versandcode.“ sagte die Computerstimme ohne Änderung des Tonfalls. „Ein weiterer Versuch.“
Beverly rieb sich die Stirn. „Pferdemist! Ich habe es mit dem Gründungsdatum der Föderation und mit meinem Geburtsdatum versucht. Jean-Luc ist nicht so kreativ. Er hat sicher einen Code, der ihn an etwas erinnert, dem er sich ganz verpflichtet fühlt. Vielleicht das Gründungsdatum von Chateau Picard? Oder die Regentschaftszeit von Pharao Thutmosis II., über den er seine archäologische Doktorarbeit geschrieben hat?“
Deannas Augen weiteten sich, als sie die Daten auf ihrem Pad las.
„Deanna! Hilf mir! Was ist für den Captain das Schützenswerteste und Wichtigste. Soll ich das Stapellaufdatum der Enterprise nehmen, oder der Stargazer?“
Deanna schloss für einen Moment des Nachdenkens die Augen, dann trat sie hinter Beverly und tippte eine Nummernfolge ein. Die Computerstimme antwortete: „Verschlüsselte Nachricht an Admiral Aubigne versandt.“
Beverly drehte sich auf dem Captainsessel zu Deanna, die ihrem Blick mit gerunzelter Stirn standhielt.
„Was hast du eingegeben? Und warum hilfst du mir plötzlich.“
„Captain Sebennytos und Counselor Ophiuroidea haben auch auf vier anderen Schiffen miteinander gedient.“
Beverly hob die Brauen. „Und?“
„Ich denke, wir sollten den Eifer deines Mannes bremsen, Thyatira Sebennytos um jeden Preis wieder zu einem Kommando zu verhelfen. Bei allen vorherigen Einsätzen hat sie sich als Funkerin und auch im Kampf gegen das Dominion als entschlossen und mutig herausgestellt. Ihre Noten auf der Akademie waren im oberen Drittel, nicht außergewöhnlich gut, aber besser als mittelmäßig. Und nun sieh dir das an!“
Sie schob Beverly das Pad zurück, auf dem Eintragungen aus der Psychoakte zu lesen waren. Beverlys Mund öffnete sich zu einem Protest, doch Deanna kam ihr zuvor. „Das sind verschlüsselte Psychoakten, ich dürfte sie dir gar nicht zeigen. Aber jede bisherige Versetzung war bedingt durch eine Disziplinarstrafe wegen sexueller Belästigung Untergebener. Und in jedem Verfahren hat Walanae Ophiuroidea den potentiellen Opfern ein Gutachten ausgestellt, das deren implizit provokatives Verhalten belegte, weshalb Sebennytos immer mit einem blauen Auge davon kam.“
„Warum würde die Sternenflotte so jemanden einer gemischten Operation vorsetzen? Botschafter Aubigne muss das doch auch gewusst haben.“
Deanna schüttelte den Kopf. „Wenn er nicht speziell nachgefragt hat, bestand kein Grund, ihm diese Vorgeschichte zu erzählen. Er ist Botschafter, wir sind Sternenflotte. Disziplinarangelegenheiten sind vertraulich. Aber ich verstehe das Sternenflottenkommando nicht, das Sebennytos dem Botschafter vorgeschlagen hat.“
„Janeway!“, knurrte Beverly. „Seit der Geschichte mit Shinzon ist sie mir unsympathisch. Nur weil sie sieben Jahre Deltaquadrant überstanden hat, ist sie jetzt schon Admiral, obwohl Jean-Luc länger dient und mehr für die Föderation getan hat. Und jetzt sitzt sie irgendwo im Sternenflottengeheimdienst und plant wer weiß was.“
Deanna löschte das Pad und legte es wieder so auf den Schreibtisch, wie es zuvor gelegen hatte.
„Vielleicht ist sie deshalb jetzt an Bord gekommen? Und möchte unter vier Augen und nicht über Funk mit dem Captain sprechen? Um ihn in den größeren Plan einzuweihen?“
Beverly stand von dem Sessel ihres Mannes auf. „Wir sind hier fertig, aber eines möchte ich noch wissen: Was für eine Zahlenkombination hat du eingegeben?“
Deanna schüttelte ihren Kopf und die Locken wirbelten. „Ich habe nur geraten. Es war Wesleys Immatrikulationsdatum auf der Sternenflottenakademie.“
„Wesley?“ Beverly war erstaunt.
„Das müssen wir nicht hier bespreche, Beverly. Aber jedermann sieht doch, wie sehr Jean-Luc Anteil an der Karriere von Deinem und Jacks Sohn nimmt. Kann es nicht sein, dass er ihm den Vater ersetzen wollte, den er ihm durch das Unglück auf der Stargazer genommen hatte? Oder dass er Wesley jene Karriere vorbereitet, die Jack durch seinen frühen Tod nie erfüllen konnte?“

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