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5x13 - Apotheosis #3

von Julian Wangler

Kapitel 1

6. März 2156
E.C.S. Horizon

Sein ganzes Leben lang war Travis Mayweather durch den Weltraum gezogen, mit sagenhaften Geschwindigkeiten, die sich die meisten Menschen auf der Erde kaum vorstellen konnten. Ihm war sogar das Privileg zuteil geworden, für eine Weile hinter dem Navigationspult des ersten Warp–fünf–Schiffes der Sternenflotte Platz zu nehmen. Schnell hatten ihm seine Ausweichmanöver und Reaktionsgeschwindigkeit einen Namen eingebracht, hatten die Enterprise unversehrt durch galaktische Stürme geführt – und ihr so manch verhängnisvollen Kontakt mit Minen, Torpedos oder den tödlichen Krallen tastender Waffenenergie erspart.

Es lag eine gewisse Ironie darin begründet, dass das Ausweichmanöver, welches ihn selbst retten sollte, zu spät kam. All sein Talent schien kaum mehr als vergeudete Mühe zu sein, in dem Moment, als die großen Kleckse übel riechenden Auswurfs Gesicht und Kleidung sprenkelten. Travis versteinerte. Er wagte gar nicht, an sich hinabzublicken; umso weniger, als er nun Gannets Gelächter in seinem Rücken hörte.

„Ups. Da sind wir wohl über das Bäuerchen hinausgeschossen.“

Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Lediglich eine unbedeutende Strahlungsspitze im Plasmafluss.“, erübrigte er monoton.

„Na, dann schlage ich vor, Sir, Sie werfen sicherheitshalber mal ’nen Blick auf die Sensoren. Da könnte jederzeit noch ’was nachkommen. Oder schau’n Sie einfach in den Spiegel.“

Travis ließ den angehaltenen Atem entweichen, während er seine Tochter musterte. Die schokofarbene Prinzessin erwiderte seinen Blick mit einem Amüsement, welches ihn beunruhigte. „Bei Dir macht sie das nicht. Nie.“

„Tja, die Gnade der mütterlichen Aura. Da kannst Du wohl nichts machen.“

„Spar Dir die Tour.“ Seine Unzufriedenheit brach allmählich durch, nachdem er es in den vergangenen Tagen schon mehrfach sprühfeucht abgekriegt hatte. „Was mach’ ich falsch?“

Gannet trat mit liebreizend–vernichtendem Lächeln neben ihn, und beide betrachteten sie ihre gemeinsame Zukunft. „Erstens: Du hältst den Löffel nicht richtig, und mit dem Groß–und–stark–Werden haste’s auch ’was zu gut gemeint. Aber das könnte Dir Deine Kleine noch verzeihen. Nicht hingegen, dass Du versuchst, sie mit pürierten Rohrmaden zu füttern.“

Wie auf Kommando hob er das Glas auf Augenhöhe. „Mist. Im Frachtraum hat Omag seinen Kram direkt neben unserem gebunkert. Ich muss mich vergriffen haben. Wieso hast Du mir nie ’was gesagt?“

Gannet zuckte die Achseln. Ihre Mundwinkel tänzelten auf und ab.

„Du hast mich ins Messer laufen lassen. Das ist nicht fair. Wieso?“

„Weil jeder Papa doch mal eintauchen muss ins Glück.“

„Glück?“, ächzte er entrüstet und verstand die Welt nicht mehr.

„Na, komm her, Du kleiner Wonneproppen.“

„Ich glaub’, Du Dich soeben auch vergriffen.“

Gannet schmiegte sich noch mehr an ihn. „Nein, bei diesem Regal lieg’ ich goldrichtig.“ Sie zeigte auf das kleine, zerbrechliche Wesen. „Sieh Sie Dir an, Honey. Das ist unsere Tochter.“

„Das ist sie.“, sagte Travis. Er betrachtete ihre süße River und mochte sich nicht recht vorstellen, wie es gewesen war, bevor sie vor zwei Monaten das Licht des Alls erblickte. „Und ich weiß, was Du mir sagen willst.“

„Was denn?“

Seine Augen kehrten zu Gannet zurück. „Dass die Horizon wohl kaum der richtige Sandkasten für sie ist. Dass wir nachdenken müssen.“

„Hab’ ich schon gemacht. Ich denke, sie hat ihren Sandkasten. Es ist nur eben nicht gefüllt mit Steinen, sondern mit Sternen.“

„Gannet, das musst Du nicht tun…“

Sie schob eine Hand vor. „Glaubst Du, ich hätte mich darauf eingelassen, ein Baby zu kriegen, wenn ich nicht gewusst hätte, was es Dir bedeutet, hier draußen zu sein? Das hier ist Dein Reich. Mittlerweile ist es mein’s geworden. Und es soll auch das Deines Mädchens sein.“

Travis verfiel in Nachdenklichkeit. „Früher oder später wird sie eine Schule besuchen müssen.“

„Was denkst Du denn?“ Sie bedachte ihn mit viel wissendem Blick. „Das ist längst Teil des Plans. Ihre Schule wird Ihr das Herz für den Weltraum öffnen. Ich hab’ mich umgeseh’n: Es gibt tolle intergalaktische Internate. Einige liegen auf unseren Handelsrouten. Da gibt’s Kinder von zwei Dutzend verschiedenen Spezies. Travis, ich möchte, dass sie selbstständig wird und eine Kämpferin. Ich will, dass sie imstande ist, über ihren eigenen Bauchnabel hinauszuseh’n.“

Er realisierte, was sich hinter Gannets Worten verbarg. Ehrfürchtig sah er sie an. „Seit wir wieder zusammen sind, hast Du mir ein Geschenk nach dem anderen gemacht. Womit hab’ ich das verdient?“

Langsam sprach sie: „Ist das Mindeste, was ich tun konnte, um meine ewigen Fehler wieder gut zu machen.“

Ihre Lippen berührten sich zu einem leidenschaftlichen Kuss.

Das Interkom klackte: [Travis, wir erreichen Draylax. Bitte komm hoch.]

„Gleich wird weiter gegessen, und zwar nichts Wurmiges mehr. So nahrhaft Rohrmaden auch sein mögen.“

Beide Eltern lachten, und Travis nahm River auf den Arm, ehe sie ihr gemeinsames Quartier verließen.


Auf dem A–Deck der Horizon angelangt, stießen sie zügig zu Rianna, Juan und Nora, die im vorderen Teil der Brücke bei Charlie Nichols’ Konsole standen. Auf dem Schirm schwoll ein Planet an, welcher Travis aus den Anfangstagen seiner Karriere als interstellarer Nomade wohlbekannt war. Hier hatte gewissermaßen alles begonnen. Hier hatte er im Alter eines Knaben zum ersten Mal eine Lebensform getroffen, die sich klar von den Menschen unterschied. Er würde wohl nie jenen Moment vergessen, als er mit seinem Vater in einer Raumhafenbar der Welt saß und eine einheimische Frau auftauchte, die sie bediente. Während sie die Bestellung in ihren kleinen Handcomputer eingegeben hatte, hielt sie ein halbes Dutzend Tabletts mit Spirituosen in die Höhe. Sie hatte drei Arme und Hände besessen.

Über der Horizon wölbte sich die Tagseite von Draylax und präsentierte ein beeindruckendes Muster aus braunen und ockerfarbenen Tönen. Graue, ein wenig bedrohlich wirkende Wolken glitten über die Berge am Äquator. Hoch über dem Terminator bemerkte Travis das Glitzern von Metall im Sonnenschein: das orbitale Kommunikationsnetz von Draylax, durch unglaublich dünn anmutende Kabel mit der schmalen, bewohnbaren Zone des Planeten verbunden. Wo die Leitungen in der wogenden Atmosphäre verschwanden, flackerte immer wieder Licht.

Travis wusste: Die starke Strahlung der draylaxianischen Sonne, die ausgeprägte Magnetosphäre der Welt sowie das Aufeinandertreffen der heißen und kalten Luftmassen dort unten machten ein solch sensibles KOM–Netz unumgänglich, wenn Draylax mit dem Rest des Alls in Kontakt stehen wollte. Überhaupt war es bemerkenswert, dass ein Planet, der nur wenig lebenswerte Zonen zu bieten hatte, in die Riege der bedeutenden Handelszentren der erforschten Galaxis aufgestiegen war. Große, orbitale Industrieanlagen und Transaktionskomplexe, neben denen durchschnittliche Frachter wie die Horizon winzig wirkten, rotierten um Draylax. Einige Fabriken spieen Wolken superheißen Gesteinsdampfes und verschmutzten damit das reine Vakuum des Alls. Es war normal, dass die Szene dominiert wurde von buntem Treiben; Ionenfrachter glitten dahin, deren Frachträume prall gefüllt waren.

Heute waren es sogar noch viel mehr Transportschiffe als sonst üblich. So weit das Auge reichte, glänzten Duratanhüllen im Schein des lokalen Sterns. Zig, nein Hunderte Schiffe.

Und auf vielen von ihnen prangte das Logo der Cargo Services.

„Dann sind sie also tatsächlich gekommen.“, brachte Travis hervor. „Alle sind sie gekommen.“

Rianna neben ihm nickte. „Das sind sie. Und sie wollen Dich hören.“

Er würde sprechen, jedoch erst im letzten Abschnitt der mehrtägigen Zusammenkunft. Travis warf einen Blick auf den Chronometer über dem Projektionsfeld, straffte seine Gestalt. „Dann sollten wir uns ’ranhalten. Wir sind nicht zu früh.“

„Ach ähm…“, machte Juan. „Wenn Ihr drüben seid, dürfte ich mich in der Zwischenzeit vielleicht um sie kümmern?“ Der massive Lateinamerikaner schielte in Rivers Richtung.

Travis sicherte sich mit einem Blick zu Gannet ab, die nickte. Dann reichte er das Baby an den gutmütigen Techniker. Juan nahm sie mustergültig an, und River schien nicht unzufrieden über die Wachablösung – ein erfreuliches Zeichen.

„Halt Omag von ihr fern.“, sagte Gannet. „Ich will nicht, dass sie sich zu Tode erschreckt.“

„Ich glaub’, als sie ihn das letzte Mal sah, fand sie ihn ziemlich ulkig.“

Gannet blies sich mit missmutiger Miene eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich seh’ den Tag kommen, an dem dieser schmierige Kerl noch Patenonkel werden möchte.“

„Travis,“, kam es von Rianna, „wir wünschen Dir alle viel Erfolg. Von dieser Versammlung hängt viel ab – für uns alle.“

„Das musst Du mir nicht zweimal sagen, Mom. Ich danke Dir.“

„Dein Vater wäre stolz auf Dich. Unglaublich stolz.“

Travis sah in die Gesichter seiner Familie, die ihn erwartungsvoll umgab. Ihm wurde plötzlich das Gefühl zuteil, sein ganzes Leben hätte darauf hinausgearbeitet. Trotz einiger Irrungen und Wirrungen hatte er am langen Ende die Tradition erfüllt.

Als er an Gannets Seite zum Lift schritt, dockte Charlie die Horizon an den Komplex, in dem er die Rede halten würde.

In der Rolle des neu gewählten Vorsitzenden der Gewerkschaft der Frachthändler.

Und jetzt wurde gestreikt.
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