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5x13 - Apotheosis #3

von Julian Wangler

Kapitel 2

Vati, schau mal, ich kann fliegen…

Mettus.

Er macht einen Wettlauf mit ihm durch die weiten Felder im Herzen der Pevgrin–Insel. Eine Herausforderung zwischen einem Vater und seinem Sohn.

Eine neue Szene: Der Junge klettert in sein Baumhaus und blickt auf ihn herab.

Vati, schau mal, ich kann fliegen…

Konturlose, graue Zeit jagt an ihm vorbei, macht ihn wieder jung und stark, voll von Optimismus.

Lebendig.

Mettus springt vom Baumhaus –

In weite, kräftige Arme, die ihn sicher auffangen. Sein Vater weiß, er würde ihn nie fallen lassen.

Vati, schau mal, ich kann fliegen…

Er steht plötzlich inmitten von hohem Gras. Im Glanze der prallen Sonne gewogen, wanken dichte, saftige Halme umher, getragen von sanfter Brise. Grillen zirpen, und letzter Tau trägt sich vom üppigen, duftenden Grün ab. Er sieht hinauf in ein strahlend blaues Himmelsbett.

Ein Frühlingsmorgen.

Er ist wieder im Paradies. Er ist wirklich hier.

Auf Denobula.

Von weit her – Stimmen. Lachen. Es kommt von Kindern, eindeutig.

Vati, schau mal, ich kann fliegen…

„Mettus? Mettus, bist Du hier?“

Aus einem schwachen Gefühl der Unruhe macht er einen Satz nach vorn. Er will sich einen Weg durchs Dickicht bahnen. Er will zu seinem Sohn gehen.

Doch schnell erkennt er, dass die Halme um ihn herum wachsen, weit in die Höhe, Meter um Meter, immer höher. Er packt sie, in dem Bestreben, sie zur Seite zu drücken oder sich hindurch schieben. Aber die Halme lassen sich nicht bewegen, lassen sich nicht biegen, sind hart wie Blei.

Sie sind überall um ihn herum.

Ein biologisches Gefängnis.

Die Stimme wird immer unsicherer. Vati, ich will mich nicht verirren. Lass mich nicht allein. Bitte.

Eine Veränderung zeichnet sich ab.

Mettus scheint unmittelbar neben ihm zu stehen. Aber er kann ihn nicht sehen. Er ist abgeschnitten durch den gräsernen Wall, der mittlerweile wie eine urgewaltige Ranke den Himmel erklommen hat und die Sonne verdeckt.

Vati, ich habe Angst. Ich habe solche Angst. Es kommt…

Er gerät in Panik. „Mettus! Wo bist Du? Sag mir, wo Du bist!“

Es kommt näher…

Verzweiflung ergreift Besitz von ihm. Unbeholfen beginnt er um sich zu schlagen, aber das Dickicht gibt einfach nicht nach. Nicht einmal ein bisschen.

VA–ATER!

Ein grauenhaftes Geräusch ertönt. Als würde ein Körper platzen und seinen Inhalt wie eine gesprungene Melone verteilen.

Dabei schreit er wie am Spieß.

Als es still wird, sinkt er in die Knie und beginnt zu weinen.

Dann eine neue Stimme. Es ist die von Feezal.

Warum hast Du uns den Rücken gekehrt? Warum hast Du uns zurückgelassen, Phlox?


„Nein.“

Ganz plötzlich erwachte Phlox und stellte fest, dass er im Pilotensitz des lunaren Transporters saß.

„Es war ein Traum. Nur ein Traum, Phlox.“ Die kratzige Stimme war in seinem Rücken erklungen.

Er drehte sich um und blickte in das verkrustete Antlitz Elizabeth Cutlers.

„Ich hatte gehofft, zumindest jetzt hätte ich Ruhe. Nicht einmal das ist mir geblieben.“

„Du kommst nicht zur Ruhe.“, sagte sie. „Wie kannst Du etwas einfordern, das Dein Innerstes gar nicht will?“

„Was will ich? Was, Elizabeth?“

Die lidlosen, erblindeten Augen weiteten sich für einen Moment. „Du willst leben. So wie wir alle.“

Phlox wandte sich halb ab. „Es gab Zeiten, da dachte ich, Denobulaner träumen nicht. Ich hatte gedacht… Ich weiß nicht mehr, was ich dachte. Die Welt erschien jedenfalls sehr viel einfacher gestrickt. Einfach genug, um immer einen neunmalklugen Rat bei der Hand zu haben. Die Menschheit hatte zu lernen, und ich war…so eine Art Verdauungsenzym.“

„Geh nicht so mit Dir ins Gericht, das wird Deiner Rolle nicht gerecht. Du warst viel mehr als irgendein Enzym.“, hielt Cutler dagegen. „Du hast uns unsere Reise nicht nur erleichtert. Ein weiser Mann, das bist Du, und das wirst Du immer bleiben.“

Leise seufzte er. „Ist schon gut, Elizabeth. Ist schon gut. Ich bin…einfach nur müde.“

„Möchtest Du Dich noch etwas ausruhen?“

„Weißt Du, die Ruhe, die ich nötig habe, bekomme ich nicht auf diese Weise. Noch nicht. Aber bald.“

„Phlox? Du hast sie nicht zurückgelassen.“

Sie las hinter seiner Stirn. In den Tagen und Stunden, da sie nun schon unterwegs waren, nicht zum ersten Mal. Die namenlosen Vorgänge, die in ihr am Werke waren, stellten ihn weiterhin vor ein großes Mysterium. Er hatte gelernt, damit zu leben, so wie mit vielem anderen, das er nicht mehr hinterfragte. Es war nicht mehr die Zeit, dem Warum nachzuspüren. Zumindest zeigte das Torbomin, welches er ihr injiziert hatte, vorübergehend eine stabilisierende Wirkung in Bezug auf die zelluläre Degeneration, unter der sie litt. Viel Zeit blieb jedoch nicht mehr.

Für uns beide nicht.

Und doch maß er seinem eigenen sich stetig verschlechternden gesundheitlichen Zustand so wenig Bedeutung bei wie nie zuvor. Ein Teil in ihm hatte sich bereits verschlossen. Eine Frist würde unwiderruflich verstreichen, und bis es soweit war, würde er die letzte Aufgabe erfüllen, die er sich gestellt hatte.

Die Kontrolle des Autopiloten pfiff.

„Was ist?“

Er nahm dem entsprechenden Display die Information ab. „Wir dringen gleich in tholianisches Gebiet ein.“

– – –

Pod 1

„Möchten Sie?“ In der Enge der Shuttlekapsel, die mithilfe des Zusatztriebwerks immer noch bei niedriger Warpgeschwindigkeit dahinflog, bot ihm Desirée Sulu einen kleinen Teller an, nachdem sie sich einen eigenen auf den Schoß gelegt hatte.

Trip beäugte die Nahrung.

„Es nennt sich Kuskus.“, klärte ihn die Asiatin auf. „Dazu Kichererbsen und Gemüse. Gerüchten zufolge soll es das Lieblingsgericht meines Vaters gewesen sein. Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern. Oder an ihn.“

Er ließ sich eine Gabel von ihr reichen und probierte eine Schippe. „Schmeckt nicht schlecht. Da fehlt bloß etwas Salz.“

„Die asiatische Küche greift nur in absoluten Notfällen zu Salz.“

Er nickte, und sie aßen weiter. Immer wieder vergewisserte sich Trip mit einigen flüchtigen Blicken der Navigationskonsole. Nach einer Weile hörte er hinter sich ein Klacken.

Er drehte sich um und verfolgte staunend, wie Sulu ein kleines, eckiges Objekt aus ihrem Rucksack hervorgeholt hatte, auf einen Knopf drückte – und es eindrucksvoll aufschnappte.

Binnen einer Sekunde zu einem gewundenen Schwert.

„Was zum…“ Fast hätte er den Grieß in hohem Bogen ausgespuckt. „Wo haben Sie das her? Was ist das?“

Sulu blieb gelassen, die Klinge betrachtend. „Das Einzige, das noch etwas über mich aussagt.“, sprach sie leise und besonnen. „Ich habe nachgeforscht. Meine Mutter hat mich im Kampf mit der Katana ausgebildet. Sie hat mich die Kunst der alten Samurai gelehrt. Das ist die einzige Begabung, die mir nach der Neuordnung durch die Technoschamanen geblieben ist. Ich beherrsche den Umgang mit ihr. Es muss etwas bedeuten, oder?“ Aus hoffnungsvollen Augen sah sie zu ihm.

Trip zögerte. Er hatte von Malcolm gehört, wie sie ihn ein ums andere Mal beim Fechten bezwungen hatte. Nie waren die Gründe für ihr beinahe unheimliches Talent geklärt worden. Jetzt, endlich, schien es eine Antwort zu geben. Trip versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen: Wäre auch ihm alles genommen worden an Memogrammen durch irgendeine fremde Macht, er würde sich vermutlich ebenso an alles klammern, selbst an eine antiquierte Klingenwaffe. „Das wär’ zu wünschen, ja.“, erwiderte er schließlich.

„Was wünschen Sie sich?“

„Was meinen Sie?“

Sulu drückte erneut den Knopf, woraufhin sich das Schwert wieder einfuhr. Den Ballen ließ sie im Rucksack verschwinden. „Müsste ich jemandem, der mir viel bedeutet, etwas vermachen, ich würde ihm die Schwertkunst weiterreichen.“, sagte sie. „Und falls die Öffentlichkeit eines Tages auf mich zurückschaut, sollte es das Erste sein, was sie mit mir verbindet.“

„Die Schwertmeisterin am Steuer der NX–01, was?“

So kurios er die Worte formuliert hatte, Sulu blieb ernst. „Mehr ist mir nicht geblieben. Verraten Sie mir: An was sollen sich die Leute erinnern, wenn Sie an Charles Tucker denken?“

Eine seltsame Frage. „Keine Ahnung.“

„Haben Sie nie über Ihr Erbe nachgedacht?“ Sie legte den Kopf an.

„Hab’ ich nicht.“, gestand er. „Ich glaube…“ Mit offenem Mund hielt er ein. „Ich glaube, sie sollen sich erinnern, wer ich war. Nicht, was ich wurde.“

Sulu seufzte. „Ich wünschte, ich wüsste, wer ich war. Sie wissen nicht, wie gut Sie es haben.“

So hab’ ich das noch gar nicht geseh’n., dachte er.

Er konnte nicht länger darüber nachsinnen, als der Annäherungsdetektor zirpte. „Wir erreichen jetzt das Vega–System.“

Zumindest hatte damit die verdammte Warterei ein Ende gefunden.
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