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Der Praktikant

von Shannon

Kapitel 1

Liebste Sarah,
nachdem ich der Hölle der Kaserne entronnen bin, habe ich heute zum ersten Mal die Erde aus dem Weltraum gesehen. Das ist in echt unglaublich viel schöner als im Fernsehen, ganz unbeschreiblich schön.
Die Raumstation ist auch super, es gibt alles hier, Kino, Disko, Spielhalle, Eislaufplatz, was du dir nur vorstellen kannst, damit sich die armen Raumfahrer schön die Zeit vertreiben können im Urlaub. Leider kann ich das alles gar nicht ausprobieren, weil ich am Nachmittag schon auf das Schiff gehen muss. Ich war nur schnell eine Stunde Eislaufen, und jetzt genieße ich zum ersten Mal wieder einen richtigen Kaffee nach der grauslichen Brühe in der Kaserne.
Dort hab ich mich zum Abschied nochmal richtig zum Trottel gemacht, als wir vorgestern gesagt bekamen, auf welche Raumschiffe wir kommen. Als es bei mir hieß, „Enterprise“, haben alle applaudiert, und als wir dann gehen durften, kam einer nach dem anderen, um mir zu gratulieren und mir zu sagen, wie sehr er mich beneidet – und ich konnte natürlich nicht meinen Mund halten, sondern musste fragen: „Was ist denn an diesem Schiff so besonders?“
Die Meldung wird in die Geschichte eingehen als der Gipfel von Rogers Peinlichkeiten. Es ist nämlich das Schiff von diesem berühmten Captain Kirk, der vor zwei Jahren ununterbrochen im Fernsehen war, weil er irgendwie die Welt gerettet hat, und ich hatte keine blasse Ahnung. Also in ein paar Stunden werde ich einen intergalaktischen Helden kennenlernen.
Wäre aber trotzdem lieber zu Hause bei dir, ich vermisse dich jetzt schon so schrecklich und kann mir gar nicht vorstellen, wie ich das noch zehn Monate aushalten soll. Deine Augen strahlen schöner als alle Sterne im ganzen Universum. - War das jetzt nicht poetisch? Ich kann sehen, was du jetzt für ein Gesicht machst, und hören, wie du sagst: „Oh, Roger, spiel nicht schon wieder den Clown!“ Dabei wollte ich nichts anderes sagen als: Ich liebe dich, mein Schatz! Und ich kann es nicht erwarten, wieder bei dir zu sein!
Sag deiner Mom viele liebe Grüße aus dem Weltraum!
In Liebe,
Dein Roger

Roger Jenkins schickte seine Nachricht ab, schulterte seinen Rucksack und verließ das Café auf Raumstation A-309 in Richtung Dock. Seine Ankunft auf dem berühmten Raumschiff Enterprise, das zwei Tage später abfliegen sollte, gestaltete sich jedoch ziemlich unspektakulär. Er kam an eine Schleuse, vor der ein Sicherheitsmann saß, der seine Dokumente sehen wollte und ihn nach eingehendem Studium derselben passieren ließ. Dann ging er durch einen langen Gang, an dessen anderem Ende wieder ein Sicherheitsmann saß. Der sah sich noch einmal die Dokumente an, drückte dann an seiner Konsole einen Knopf und sprach in das Interkom:
„Harlow an Brücke.“

Durch den Lautsprecher antwortete eine angenehme Frauenstimme: „Hier Brücke, Lieutenant Uhura?“

„Ich habe hier einen Mr. Jenkins, Praktikant für die Krankenstation. Wo darf ich ihn hinschicken?“

„Zuerst ins Quartier, bitte. Der Captain erwartet ihn um 18:00 in Besprechungsraum 1.“

„Verstanden. Harlow Ende.“

Damit wandte sich der Mann, offenbar Mr. Harlow, wieder Jenkins zu und sagte:
„Willkommen an Bord, Mr. Jenkins! Wir haben heute leider ein kleines technisches Problem, der Turbolift ist defekt. Gehen Sie bitte hier nach links bis zu Treppe A 23 und steigen Sie dann hinauf auf Deck 3 zu den Kadettenquartieren. Dort wird man Ihnen eine Kabine zuweisen.“

Jenkins bedankte sich höflich, fand die Tür zu Treppe A 23 und erlebte dort seinen ersten Schock: Auf der Tür stand nicht nur „A 23“, sondern auch „Deck 12“.

Das hieß neun Stockwerke Treppensteigen mit seinem schweren Rucksack. Die Treppen waren noch dazu steil und eng, so eng, dass keine zwei Menschen aneinander vorbeigekommen wären. Jenkins überlegte die ganze Zeit, was er tun sollte, wenn ihm jemand entgegenkam, aber es kam ihm nie jemand entgegen. Alle, die auf den verschiedenen Decks bei den linksseitigen Türen hereinkamen, gingen nach oben und durch die rechtsseitigen Türen wieder hinaus. Es waren gar nicht wenige Leute, aber niemand redete ihn an, und alle schienen es ziemlich eilig zu haben.

Ab Deck 9 wurde es ruhiger. Zwischen Deck 7 und 6 war er ganz allein bis auf einen großen, dünnen Mann in blauer Uniform, der zehn Stufen über ihm unterwegs war und eine Kiste voller Papiere schleppte. Er verlor einen Zettel, ohne es zu merken.

Außer seiner Oma kannte Jenkins niemanden, der Papier verwendete, wunderte sich sehr, so etwas auf einem Raumschiff zu sehen, hob den Zettel auf und wunderte sich noch mehr über die fremdartigen Zeichen darauf. Dann fiel ihm ein, dass es etwas wichtiges sein konnte, und er beeilte sich, den Mann mit den Papieren einzuholen.

„Sir!“ rief er. „Sir, Sie haben etwas verloren!“

Der Mann blieb stehen und drehte sich halb um, wobei er seine Last an der Wand abstützte. Jenkins blickte in ein Gesicht mit geschwungenen Brauen und spitzen Ohren, versuchte seine Überraschung zu verbergen und hielt dem Vulkanier den Zettel hin. Der nahm ihn mit seiner freien Hand und sagte mit einer tiefen Stimme: „Danke, Mister... Verzeihung, ich kenne Ihren Namen nicht?“

„Jenkins, Sir. Roger Jenkins.“

„Sehr erfreut, Mr. Jenkins. Ich bin Commander Spock, Wissenschaftsoffizier. Sind Sie als Passagier an Bord?“

Freundliche Worte, ausgesprochen mit steinerner Miene und in einem so unbeteiligten Ton wie beim Vorlesen einer Ersatzteilliste. Es passte nicht zusammen. Jenkins hatte zwar schon gehört, dass Vulkanier keine Gefühle hatten, aber er hatte noch nie mit einem gesprochen und fand es irritierend, um nicht zu sagen unheimlich.

Er versuchte, trotzdem normal zu antworten: „Nein, Sir. Ich gehöre ab heute zum medizinischen Personal. Ich studiere Medizin und mache ein zehnmonatiges Praktikum in Ihrer Krankenstation.“

„Ich wünsche Ihnen viel Glück,“ sagte Spock im gleichen Tonfall, drehte sich um und ging weiter.
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