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Der Praktikant

von Shannon

Kapitel 3

Viel Zeit, darüber nachzudenken, hatte er allerdings nicht, denn er wurde schonungslos eingeteilt, rannte den ganzen Tag von einem Patienten zum anderen, hatte bei Dienstschluss kaum fünf Minuten Pause gemacht und fiel am Abend streichfähig ins Bett. In den nächsten Tagen ging es so weiter. Niemand schien darauf Rücksicht zu nehmen, dass er neu war und eigentlich Zeit gebraucht hätte, um alles erst einmal kennenzulernen. Am Ende der ersten Woche war Jenkins fix und fertig und wusste, dass er etwas unternehmen musste. Weil er zu Chekov schon ein gewisses Vertrauen gefasst hatte, zog er ihn nach dem Abendessen beiseite und fragte:
„Sag, Pavel, gibt es hier an Bord eigentlich so etwas wie einen Ombudsmann?“

„Einen was?“

„Einen Ombudsmann. Eine Person, die dafür zuständig ist, in Konflikten zu vermitteln und an die man sich wenden kann, wenn man mit jemandem Probleme hat... also zum Beispiel, wenn man von Vorgesetzten schikaniert wird.“

Chekov schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. „Sowas gibt’s bei uns nicht. Wüsste auch nicht, dass wir das brauchen würden. Wer Probleme hat, redet darüber meistens mit einem Freund. Der Captain redet mit Dr. McCoy. Janice Rand redet mit Uhura. Ich rede mit Sulu, und das tut mir gut, weil er alles so locker nimmt.
Er hat einen phantastischen Humor, und wenn ich mit ihm geredet habe, komme ich meistens drauf, dass das Problem zu 90 % in meinem Kopf ist und in Wirklichkeit überhaupt nicht so schlimm. Und schikaniert worden bin ich an Bord der Enterprise noch nie. Hab‘ ich auch noch von niemand anderem gehört. Wir haben eigentlich ein sehr angenehmes Klima. Wenn ich mit einem Vorgesetzten ein Problem habe – also ein echtes Problem – dann rede ich das mit ihm direkt aus.“

„Das traust du dich?“ fragte Jenkins.

„Aber ja! Auch wenn’s der Captain ist. Du brauchst hier an Bord vor niemandem Angst zu haben. Man muss mit den höheren Offizieren natürlich höflich und respektvoll sprechen, aber solange man die Form beachtet, kann man ihnen wirklich alles sagen.“ Er sah Jenkins freundlich und besorgt an. „Hast du ein Problem mit Dr. McCoy?“

Jenkins nickte, und Chekov lud ihn in seine Kabine ein, um das Problem zu besprechen. Sie war kleiner als die, in der Jenkins wohnte, aber dafür hatte er sie für sich allein. Chekov schenkte für jeden ein Glas Wodka ein. Dann setzte er sich auf sein Bett. Jenkins nahm auf dem Schreibtischsessel Platz, erzählte, wie es ihm ging, und fragte am Ende: „Kannst du mir sagen, ob das normal ist?“

„Leider nein“, sagte Chekov. „Was auf der Krankenstation normal ist, davon habe ich keine Ahnung. Bei uns gibt es ganz genaue Vorschriften, wie lang wir arbeiten dürfen und wie oft wir Pause machen müssen, und da dürfen wir keine Minute davon abweichen. Was denkst du, ich sitze hier an den Feuerknöpfen, da kann ich mir Übermüdung echt nicht leisten...“

„Hast du wirklich schon einmal gekämpft?“ fragte Jenkins. „In einer echten Raumschlacht?“

„Nicht nur einmal. Aber das darfst du dir nicht so vorstellen wie im Fernsehen, oder in den Videospielen. Eine echte Raumschlacht ist kein Spaß, sondern eine ziemlich beschissene Sache.“

„Videospiele mit Raumschlachten mag ich überhaupt nicht“, sagte Jenkins. „Ich steh‘ eher auf Mystery, Schatzsuche...“

„Ah? Da haben wir ja noch etwas gemeinsam! Wir müssen einmal zusammen Polnaja Luna XXIV spielen, das ist herrlich... aber zurück zu deinem Problem. Wenn dir Dr. McCoy so viel Dienst aufbrummt, dass du nicht mehr kannst, dann sag ihm, dass du nicht mehr kannst! Respektvoll, natürlich, aber ganz offen und ehrlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das böswillig macht. Wahrscheinlich merkt er überhaupt nicht, dass er dich überfordert.“

Obwohl er todmüde war, schlief Jenkins in dieser Nacht nicht. Er bereitete sich darauf vor, sein Anliegen höflich und respektvoll, aber offen und ehrlich vorzutragen – auch wenn er sich gar nicht vorstellen konnte, dass McCoy ihn ausreden lassen würde. Als er am Morgen die Krankenstation betrat, war McCoy jedoch gar nicht da.

An seiner Stelle saß ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann im Bereitschaftszimmer. Als Jenkins hereinkam, stand er auf und schüttelte ihm die Hand. „Guten Morgen! Sie müssen Mr. Jenkins sein. Ich bin Dr. M’Benga – und Ihnen zutiefst dankbar, weil Sie letzte Woche für mich eingesprungen sind! Ärzte werden halt auch selbst einmal krank... aber dank Ihrer Hilfe hat Dr. McCoy auch ohne mich alles bewältigt, obwohl ziemlich viel los war. Er lässt Ihnen ausrichten, dass Sie einen wirklich ausgezeichneten Job gemacht haben ... und jetzt dürfen Sie einmal zwei Tage frei machen.“

Jenkins ging zurück in sein Quartier, schlief bis zum Mittagessen und ging danach wieder zu Chekov, um ihm alles zu erzählen.

„Na siehst du!“ sagte Chekov. „Dr. McCoy wollte dich gar nicht schikanieren!“

„Nein – aber ich verstehe nicht, warum er mir nicht gesagt hat, dass Dr. M’Benga krank war! Ich helfe ja gerne, und wenn ich gewusst hätte, dass es ein vorübergehender Engpass ist und nicht in alle Ewigkeit so weitergeht, dann hätte ich es auch leichter ausgehalten. Warum hat er mir die Sache nicht erklärt?“

„Ich glaube“, sagte Chekov, „darauf hat er einfach nur vergessen. Er hat verdammt viel um die Ohren und ist auch nicht mehr der Jüngste. Da muss man ein bisschen Verständnis haben. Und wenn er recht grantig tut, dann darfst du das nicht zu ernst nehmen.“

„Das hat mir Mr. Spock auch schon gesagt“, sagte Jenkins. „Was zwischen den beiden abrennt, versteh ich aber auch nicht ganz! Warum ist das so?“

„Das wissen sie wahrscheinlich selbst nicht mehr genau“, meinte Chekov. „Ich bin ja auch noch nicht so lang an Bord, aber ich hab‘ mir sagen lassen, dass es immer schon so war, seit sie sich das erste Mal begegnet sind. Wahrscheinlich hat sich jeder durch den anderen irgendwie provoziert gefühlt – und mit der Zeit ist ihnen die dauernde Streiterei so zur Gewohnheit geworden, dass sie heute schon gar nicht mehr anders können. Dabei hat jeder von beiden unzählige Male sein Leben eingesetzt, um das des andern zu retten. Und beide stehen sie unserem Captain näher als leibliche Brüder. Die drei zusammen sind ein unschlagbares Team!“

„Du meinst“, sagte Jenkins, „Commander Spock und Dr. McCoy sind in Wirklichkeit die besten Freunde, müssen sich aber trotzdem andauernd befetzen? Das ist doch total unlogisch!“

Chekov fiel rücklings aufs Bett und lachte, bis er keine Luft mehr bekam. „Entschuldigung“, keuchte er und wischte sich die Tränen ab. „Ich stell‘ mir nur gerade Mr. Spocks Gesicht vor, wenn jemand das zu ihm sagen würde!“

„Was soll daran komisch sein?“ fragte Jenkins verständnislos. „Sein Gesicht sieht doch immer völlig gleich aus!“

„Aber nein! Das kommt dir nur so vor. Wenn man ihn ein bisschen besser kennt, kann man manchmal schon sehen, was in ihm vorgeht. Man muss nur genau schauen. Apropos, ich muss zum Dienst! Mr. Spock hat heute Nachmittag das Kommando, und Unpünktlichkeit hat er gar nicht gern. Bleib ruhig noch ein bisschen hier, wenn du willst, du kannst auf meiner Konsole spielen. Musst nur die Sprache umstellen von Russisch auf Englisch. Da ist der Schlüssel, schließ bitte ab, wenn du gehst. Und am Abend könnten wir zusammen in die Sporthalle gehen.“

„Ihr habt eine Sporthalle an Bord?“

„Ja natürlich! Hat dir die noch keiner gezeigt? Dann wird’s aber höchste Zeit... oi, und für mich jetzt auch! Mach’s gut, bis nachher!“

„Danke, Pavel! Du bist ein richtiger Freund!“
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