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Die Ausdehnung

von Olli

Kapitel 4

Der erste Schritt

Captain Archer saß an seinem Schreibtisch und ging wieder einmal die wenigen Informationen durch, die über die Delphische Ausdehnung und die Xindi zur Verfügung standen. Aber irgendwie war er nicht bei der Sache, er kam immer wieder auf T’Pol. Archer schätzte die Frau als Offizier, als Person und als Freundin. Er hoffte, dass sie sich sein Angebot ernsthaft überlegen und sich schließlich dafür entscheiden würde. Er wusste, dass es hier an Bord der ENTERPRISE anders aussah als auf der Erde. Hier würde ein vulkanischer Sternenflottenoffizier akzeptiert werden, davon war er mittlerweile überzeugt. Aber auf der Erde und auf Vulkan? Was, wenn sie dieses Himmelfahrtskommando doch überleben sollten? Was, wenn sie zur Erde zurückkehren und Menschen, die jahrelang hart hatten arbeiten müssen, um ihre Beförderung zu bekommen, plötzlich ein vulkanischer Vorgesetzter vor die Nase gesetzt wird? Aber wie sicher war das schon? Kurz vor dem Start der ENTERPRISE aus dem Raumdock, hatte Admiral Forrest Archer zur Seite genommen und mit deutlichen Worten klar gemacht, was von ihm erwartet wurde. Die ENTERPRISE hatte den Auftrag den Angriff der Xindi auf die Erde aufzuhalten. Die sichere Rückkehr des Schiffes und seiner Crew hatte nur sekundäre Priorität. Der Admiral sagte deutlich, dass Archer tun sollte, was er für notwendig hielte. Alles, was in der Ausdehnung geschehen würde, würde auch dort bleiben. Sollte es die ENTERPRISE zurück zur Erde schaffen, würde niemand Fragen stellen und das kam von ganz oben. Niemand an Bord der ENTERPRISE wusste davon.

All das wälzte der Captain in seinem Kopf herum, während er mit leerem Blick auf den Monitor starrte und die Informationen darauf nicht wahrnahm.

Der Türmelder riss ihn aus seinen Gedanken. Archer schreckte hoch. Der Melder hatte schon zum zweiten Mal gesummt, oder?

„Herein!“ Archer fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand über die Augen, als die Vulkanierin eintrat und sich gleich hinter der Tür dem Menschen zuwandte.

„Captain.“

„T'Pol, was kann ich für Sie tun? Bitte nehmen Sie Platz.“ Archer nickte in Richtung eines Sessels.

Die Vulkanierin ließ sich auf die Kante der Sitzfläche nieder. War sie Archer den ganzen Tag über still und nachdenklich vorgekommen, so schien sie jetzt nur noch still, eigentlich nicht anders als sonst. Mit ruhiger Stimme ergriff sie das Wort. „Captain, ich habe über Ihr Angebot nachgedacht und möchte es annehmen.“

Der Captain blinzelte verblüfft. Mit einer so schnellen Entscheidung der Vulkanierin hatte er nicht gerechnet. Er war davon ausgegangen, dass sie zuerst noch mit ihm alles durchsprechen würde. Ein breites Lächeln konnte er aber dennoch nicht verbergen. „Ich bin froh, das zu hören. Sie haben sich richtig entschieden. Haben Sie noch irgendwelche Fragen oder soll ich mich gleich mit dem Admiral in Verbindung setzten?“

„Ich würde gerne wissen in welcher Position ich in die Sternenflotte übernommen würde“, fragte T'Pol.

„Darüber habe ich schon gestern mit Admiral Forrest gesprochen, als ich ihm den Vorschlag machte. Eine übernahme als Lieutenant-Commander und Wissenschaftsoffizier scheint mir durchaus realistisch. Was den Posten als Erster Offizier angeht, da käme außer Ihnen nur Trip in Frage. Er wäre bereit den Job zu übernehmen, wenn es sein muss aber er würde lieber bei seinem Reaktor bleiben. Er hasst Papierkram und Statistiken über den wöchentlichen Bettwäschetausch sind nicht gerade sein Ding. Er sagte, er wäre Ihnen ewig dankbar, wenn Sie ihn vor dieser Bürde bewahren könnten.“

„Ich sehe es durchaus nicht als Bürde an, mich mit Statistiken über Bettwäsche zu befassen. Saubere Bettwäsche scheint mir für die Moral an Bord fast genauso wichtig zu sein, wie ein zufriedener Koch.“

„Bitte?“

„Ist nicht wichtig, Sir.“

„Ah, schön. Also wenn Sie sonst keine Fragen haben…“

„Nein, Sir.“

Archer stand auf und trat an das Kom-Paneel am Kabinenschott. „Ensign Sato!“

„Ja, Sir“, ertönte die Stimme der jungen Frau aus dem Lautsprecher.

„Verbinden Sie mich mit Admiral Forrest, legen Sie das Gespräch in mein Quartier.“

„Aye, Sir.“

„Haben Sie schon Ihre Familie von Ihrem Entschluss in Kenntnis gesetzt T'Pol?“, wandte sich Archer wieder an die Vulkanierin.

„Ich hatte bis jetzt keine Zeit dazu.“

„Vielleicht sollten Sie das noch tun, bevor Ihre Leute es von jemand anderem hören.“

„Ich…“

„Captain“, wurden sie von der Stimme Ensign Satos unterbrochen. „Ich verbinde Sie jetzt mit Admiral Forrest.“

„Verstanden.“

Auf dem Monitor in Archers Quartier erschien das Gesicht des Admirals. „John, was kann ich für Sie tun?“

„Sir, ich möchte Sie davon in Kenntnis setzten, dass sich T'Pol entschieden hat der Sternenflotte beizutreten.“

Die Vulkanierin war bei diesen Worten aufgestanden und hinter Archer getreten, der auf seinem Stuhl saß. Der Admiral fixierte seinen Blick auf die Frau.

„Sind Sie sich damit auch wirklich sicher, T'Pol“, fragte der Admiral und musterte die Vulkanierin genau.

„Ja, Sir. Ich habe gründlich darüber nachgedacht und habe meine Entscheidung getroffen.“

„In Ordnung, ich habe morgen um 1000 Uhr Erdzeit einen Termin beim Oberbefehlshaber der Flotte und werde dann darauf zu sprechen kommen. T'Pol, ich könnte mir denken, dass Sie die Frage, ob Sie sich auch wirklich sicher sind, in den nächsten Tagen öfter zu hören bekommen. Ich glaube, dass Sie und Captain Archer ab morgen sehr viel Zeit mit Subraum-Kommunikation verbringen werden.“

„Verstanden, Sir“, die Antwort der Vulkanierin und des Menschen kam gleichzeitig.

Forrest konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. „Ich sehe, Sie scheinen tatsächlich gut zusammenzuarbeiten. Bis morgen. Forrest Ende“ Der Monitor wurde dunkel.

„Das hätten wir also geschafft“, erklärte der Captain und drehte sich mit seinem Stuhl zu T'Pol um.

„In der Tat, Sir.“

„Mit der Unterstützung des Admirals dürfte es kein Problem sein auch das Sternenflottenkommando zu überzeugen. Warten wir also ab, was morgen passiert.“

„Sir, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt in mein Quartier gehen und ein Gespräch mit meiner Familie führen.“

„Ja, das halte ich für eine gute Idee. Gute Nacht, T'Pol.“

„Sir.“

Die Vulkanierin verließ Archers Kabine und begab sich direkt in ihr Quartier. Sie nahm vor ihrem Schreibtisch Platz und aktivierte eine Verbindung zur Brücke. „Ensign Sato.“

„Ja, Ma’am?“

„Bitte stellen Sie eine Verbindung nach Vulkan her.“

„Sofort, Ma’am.“

T'Pol wollte gerade die Verbindung zur Brücke unterbrechen als noch einmal Ensign Satos Stimme ertönte.

„Sie haben sich also entschieden?“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich mich bereits entschieden habe?“

„Zuerst sprach der Captain mit Admiral Forrest und jetzt wollen Sie eine Verbindung nach Vulkan. Ich habe doch Recht, oder?“

„Ja. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Alles Weitere liegt jetzt beim Sternenflotten-Kommando.“

„Hervorragend! Ich hoffe nur, dass sich das Kommando auch richtig entscheidet.“

„Ensign, Sie sollten bis auf weiteres Stillschweigen bewahren. Bevor wir etwas bekannt machen, sollte die Entscheidung des Sternenflotten-Kommandos vorliegen.“

„Verstanden, Ma’am. Ihre Verbindung nach Vulkan steht jetzt.“

Nachdem T'Pol einige Codes eingegeben hatte, erschien auf dem Bildschirm das Gesicht ihrer Mutter.

* * * * * *

Als die Vulkanierin am nächsten Morgen zum Dienst auf der Brücke erschien, war im Grunde alles wie immer. Sie versah ihren Dienst, als ob nie etwas geschehen wäre, die Mannschaft hatte ihr Verhalten ebenso beibehalten wie die Offiziere. Sogar ihrem neuen Outfit schenkte niemand mehr besondere Beachtung.

Um 1100 Uhr Erdzeit ging der erste Anruf für Captain Archer ein. Zehn Tage lang verbrachten der Captain und T'Pol mehr Zeit mit Subraum-Kommunikation, als mit ihren dienstlichen Pflichten. Immer wieder meldete sich das Sternenflotten-Hauptquartier und schließlich sogar Botschafter Soval, der irgendwie von T’Pols Aufnahmeantrag erfahren hatte. Nach und Nach gelangen es dem Captain, T'Pol und den anderen Offizieren, die ebenfalls befragt wurden, alle Bedenken der Bürokraten aus dem Weg zu räumen.

Als die ENTERPRISE noch dreieinhalb Wochen von der Ausdehnung entfernt war, erreichte T'Pol eine Nachricht Captain Archers. Die Vulkanierin saß gerade im Schneidersitz auf dem Boden ihres Quartiers und meditierte, als sich der Kommunikator meldete.

„T'Pol.“

Die Frau sprang auf und betätigte einen Schalter. „Ja, Captain?“

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht gestört.“

„Nein, Sir.“

„Sehr gut. Bitte kommen Sie in die Messe.“

„Sofort, Sir. Worum geht es?“

„Das erfahren Sie wenn Sie da sind.“ Damit schaltete Archer die Verbindung ab.

T'Pol war verwirrt. Was hatte das Verhalten des Captains zu bedeuten? Es muss etwas vorgefallen sein - aber was? Schnell zog sie sich an und verließ ihr Quartier. Auf dem Weg zur Messe fiel T'Pol auf, dass erstaunlich wenige Besatzungsmitglieder in den Korridoren unterwegs waren. Als sie die Messe erreichte, betätigte sie den Türöffner und trat ein. Überrascht blieb sie stehen, fast die gesamte Crew war anwesend, der Raum war, wie die Menschen zu sagen pflegen, brechend voll. Unbehagen machte sich in T'Pol breit, zumal sie von allen angestarrt wurde. Zischend schloss sich die Tür hinter der Frau und sie spürte wie von rechts und links zwei Personen hinter sie traten. Die Vulkanierin versuchte sich zu beruhigen und fragte sich, was hier bloß los war.

Auf der anderen Seite des Raumes, unter einem der Fenster, stand Captain Archer vor einem Tisch und sah recht finster drein. „Commander Tucker, Lieutenant Reed! Führen Sie die Delinquentin vor!“

Delinquentin, dachte sich T'Pol, das bedeutet doch Straftäterin! Die beiden Männer traten noch eine Schritt näher an sie heran und T'Pol blieb gar keine andere Wahl, als vorwärts zu gehen. Für einen Sekundenbruchteil glaubte sie Furcht wahrzunehmen, dann nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Unwillkürlich drehte T'Pol den Kopf und blickte Ensign Sato an, die die Vulkanierin leicht anlächelte und unmerklich nickte. T'Pol beruhigte sich ein wenig, was immer hier auch vorging, so schlimm konnte es nicht sein.

Endlich stand sie vor Archer, der sie streng anblickte. „T'Pol, ich bin leider gezwungen Ihnen eine ernsthafte Rüge zu erteilen.“

„Sir, was…?“

„Ruhe!“

Archer nahm ein amtlich aussehendes Schriftstück zur Hand. „Vom Oberkommando der Sternenflotte an Jonathen Archer, Captain, USS ENTERPRISE. Mit sofortiger Wirkung wird dem Antrag der vulkanischen Bürgerin T'Pol auf Aufnahme in die Sternenflotte der Erde stattgegeben. Gezeichnet Nakamura, Admiral, Oberbefehlshaber.“

Der Captain konnte ein breites Grinsen nicht mehr unterdrücken, die Crew im Raum brach in lauten Jubel aus und applaudierte. Der Klumpen, der sich in T’Pols Magen gebildet hatte, war mit einem Mal verschwunden. Archer bemühte sich den Jubel im Raum zu übertönen.

„DENNOCH! ... DENNOCH!“ Langsam kehrte wieder Ruhe ein. „Dennoch muss ich Ihnen eine Rüge erteilen T'Pol.“

„Sir?“

„Sie sind nicht in korrekter Uniform. Wenn Sie eine dauerhafte Rüge in Ihrer Personalakte vermeiden wollen, dann sollten Sie schnellstens den korrekte Anzug herstellen.“ Archer drehte sich zum Tisch um und als er sich wieder umwandte hielt er einen zusammengefalteten blauen Sternflotten-Overall in den Händen. Als die Vulkanierin langsam ihre Hände hob, um den Overall entgegen zu nehmen, hätte Archer schwören können, dass die Mundwinkel der Frau für einen winzigen Augenblick zuckten.

T'Pol hielt den Overall wie eine kostbare Reliquie in beiden Händen. „Sir, ich… ich weiß nicht was ich sagen soll.“

„Ich glaube der heutige Tag wird nicht nur aus einem Grund in Erinnerung bleiben. Zuerst die Aufnahme der ersten Vulkanierin in die Flotte und jetzt auch noch eine sprachlose Vulkanierin.“ Wieder brach der Raum in Jubel aus.

Als sich der Captain endlich wieder Gehör verschafft hatte, war sein Gesicht wieder ernst. „Ich habe aber leider auch eine schlechte Nachricht für Sie, T'Pol.“

„Sir?“

„Leider konnte sich das Sternenflotten-Kommando nicht dazu entscheiden Sie im Range eines Lieutenant-Commanders in die Flotte aufzunehmen.“

Mit einem Mal herrschte im gesamten Raum entsetztes Schweigen.

Archer sprach weiter. „Man hat mir mitgeteilt, dass nach eingehender Prüfung Ihrer Unterlagen, ihrer Qualifikationen und unter Berücksichtigung Ihres Lebensalters und Ihres Dienstalters nur eine Übernahme als… Commander in Frage kommt.“ Mit diesen Worten legte Archer ein kleines Lederband mit drei goldenen Barren auf die Uniform, die T'Pol noch immer in den Händen hielt.

Die Vulkanierin hatte sich innerlich wieder gefasst, sie wandte sich an die versammelte Mannschaft und ergriff das Wort. „Sir, ich danke Ihnen für ihre Unterstützung. Ich danke Ihnen allen für die Unterstützung, die Sie mir in den letzten Tagen gewährt haben. Ich versichere Ihnen, dass ich mich voll und ganz für dieses Schiff und seine Crew einsetzten werde. Ebenso werde ich mich voll und ganz für den erfolgreichen Abschluss unserer Mission einsetzten. Darüber hinaus möchte ich Ihnen versichern, dass ich keine weiteren Befehlesverweigerungen begehen werde, wenigstens nicht in nächster Zeit.“

In der Messe herrschte verblüfftes Schweigen, als die Vulkanierin sich zum Ausgang begab, die Menge teilte sich vor ihre, wie einst das Rote Meer vor Moses. T'Pols Miene war ausdruckslos aber einige der Crewman, die in ihrer Nähe standen, schworen später, dass da ein blitzen oder funkeln in den Augen der Vulkanierin war, das man bei ihr noch nie wahrgenommen hatte. T’Pols Gedanken waren zwiespältig, zum einen war sie wirklich froh darüber, dass sie in die Sternenflotte aufgenommen worden war, zum anderen hatte der Captain ihr einen Heidenschrecken eingejagt, gleich zweimal! Logisch oder nicht, das würde sie ihm heimzahlen! Wie nannten die Menschen so etwas? Diabolisch!

„War das gerade ein Witz“, war eine Stimme aus der Menge zu hören.

„Ich glaube ja.“

„Irre!“

* * * * * *

Als T'Pol, Commander der Sternenflotte und Erster Offizier der USS ENTERPRISE, am nächsten Morgen aus ihrem Quartier trat, um ihren Dienst anzutreten, trug sie zum ersten Mal den blauen Overall, die drei auf Hochglanz polierten goldenen Barren blitzen an ihrer rechten Brust. Am Ärmel war das Abzeichen aufgenäht, das der Captain ihr vor zwei Wochen gebracht hatte aber außer ihr wusste das niemand.

Es würden noch viele Jahrzehnte vergehen, bevor sie die Uniform endgültig ablegen sollte.

Ende
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