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XIV Die Geraniendyspnoe

von Racussa

Toxische Kameradschaft

„Was für eine nette Gartenparty, Admiral!“ meinte Deanna mit einer freundlichen Geste Richtung Connaught Rossa, die ein schwarzes Witwenkleid mit kastilischer Spitze trug.
„Beverly hat auch vor kurzem ihren Mann verloren, Admiral Picard, den Sie sicher gekannt haben.“
Deanna deutete auf die neben ihr stehende Beverly Crusher, die ihre blaue Sternenflottenuniform trug und einen dezenten irischen Witwenschleier.

„Ich habe mich auch von Guinan scheiden lassen und das Verhältnis zu meinem Sohn Wesley ist ein bisschen…angespannt.“

Admiral Rossa deutete auf eine Blumenhecke am Rand der Gartenterrasse: „Haben Sie schon meine preisgekrönten Geranien gesehen?“ Die kastilische Spitze raschelte dezent, als die stattliche Frau an Beverly und Deanna vorbei zu den Blumen ging. „Ich pflege sie jeden Tag, bevor ich in den Dienst gehe, und gieße sie abends, wenn ich nachhause komme. Anders als Kinder oder Enkel können Pflanzen einen nie verlassen. Sind möglicherweise Pflanzen die einzigen wahren Kameraden von Menschen?“

Die Admiral drehte sich zu den beiden Frauen um: „Was meinen Sie?“

Deanna deutete auf die eine Ebene tiefer liegende Rasenebene, wo Jono und die Talarianer mit einem ausgefransten Stoffball und flamingoförmigen Schlägern ein nicht näher erkennbares Geschicklichkeitsspiel spielten.

„Ihr Enkelsohn Jeremiah hat gute Kameraden gefunden, aber ich habe auch von der Sternenflottenuniversität gehört, dass er eifrig lernt und auch dort einige Kontakte geschlossen hat, zu Wesley zum Beispiel.“

„Oder zu Duncan Amasow und dem Brunal Icheb.“

Connaught Rossa nickte. „Deshalb habe ich diese drei auch zu dem kleinen Imbiss eingeladen. Es gibt talarianische Spezialitäten wie Pàng Chéng, das ein aus gequetschten Sonnenblumenstängeln mit Öl zubereitetes Mus ist, oder Gengi Yòuzhì, gegrillte Hasenkinder in einer Sauce aus mir nicht aussprechlichen Gewürzen. Am späteren Abend wird auch Captain Endar zum Abendessen kommen. Er wünschte aber, dass er nur im engsten Kreis der Familie empfangen würde.“

Beverly strich sich den Schleier hinter die Schulter: „Er könnte von seinem Adoptivsohn lernen, dass nicht alle Menschenfrauen gefährlich sind.“

Ein dezentes Räuspern ließ die drei Damen umwenden. Ein Hausmädchen mit schwarzem Kleid und grüner Schürze knickste vor der Admiral und deutete auf die drei jungen Männer in Akademieuniformen: „Mylady, die Kadetten Wesley Crusher, Duncan Amasow und äh Icheb ohne Nachnamen.“

„Ist schon gut, Giselle, Brunali verwenden keine Nachnamen. Meine Herren, seien Sie willkommen in unserem bescheidenen Haus. Möchte Sie etwas Bowle? Giselle, bring drei Gläser von der Pfefferminzbowle!“ Rossa wandte sich wieder an Beverly und Deanna. „In der Heimat meiner Mutter, in Kastilien, wurde im Sommer auf dem Hof meiner Großmutter immer Pfefferminzebowle serviert. Und wenn die Gäste nicht alles austranken, durften wir Kinder davon nippen. Diesen Geschmack kann ich nicht vergessen. Auch die übriggebliebene Bowle wurde nie weggeschüttet, sondern eingedampft und zu Bonbons verarbeitet, die meine Großmutter ihren Kameradinnen aus den Eugenischen Kriegen sandte. Sie sprach immer davon, dass es der Geschmack der Freiheit, Kühle und Natürlichkeit sei, der sie damals hatte durchhalten lassen.“

„Mutter, es ist … schön … dich zu sehen. Es freut mich, dass du wieder am gesellschaftlichen Leben teilnimmst. Admiral, wenn Sie entschuldigen, gehe ich zu Jono.“

„Natürlich.“, Connaught Rossa nickte Wesley zu, der eilig die Stiegen hinunter lief und sich der Talarianergruppe näherte.

„Wesley fühlt sich angesichts seiner Mutter und Kadett Amasows unwohl, weil die beiden miteinander geschlafen haben.“, meinte Icheb trocken.

Die Admiral runzelte die Stirn: „Warum ist das ein Problem? Wenn Duncan und Wesley sich lieben, können sie auch miteinander schlafen.“

„Ich habe doch nicht mit Wesley geschlafen, sondern mit äh Dr. Crusher.“, meinte Duncan und lief leicht rot an.

Deanna versuchte die Situation zu retten: „Admiral, Icheb ist von Brunal einen sehr offenen Umgang gewohnt, auf der Erde ist es nicht üblich, allzu Privates bei ersten Begegnungen zu erzählen.“

Icheb zuckte mit den Schultern. „Im BORG-Kollektiv musste nie etwas erzählt werden, weil immer alle alles wussten und mit jeder Assimilation dieses Wissen wuchs. Ich werde auch zu den anderen Studenten gehen und gleich Bowle für alle mitnehmen.“

Icheb nahm der verdutzen Giselle das Tablett mit den drei Bowlengläsern aus der Hand. Er ging ebenfalls die Stiegen zur Spielewiese hinunter, allerdings danach kurz um das Gebäudeeck, um auf einem flacheren Rasenstück zu den Spielenden zu kommen.

„Icheb ist ein guter Kerl, auch wenn er manchmal seltsame Sachen sagt. Sie haben übrigens sehr gepflegte Geranien, Admiral. Geraniaceae stehen heute ja in vielen verschiedenen Modifikationen zur Verfügung, aber die Auswahl von schwarzen, blauen und silbernen Blüten spricht für ihr Traditionsbewusstsein.“

„Wieso das?“, fragte Beverly verwundert.

„Ein gespaltener schwarzer Adler auf silbernem Grund und ein silberner Schwertarm auf blauem Grund bilden das Wappen der irischen Provinz Connachta, aus der Admiral Rossas Vater stammte. Es galt lange Zeit als ärmste Provinz des Inselstaates.“

Beverly wandte sich an die Admiral: „Sie haben auch irische Wurzeln? Ich dachte Ihr Nachname wäre italienisch?“

„Wo ist Icheb?“ schrie plötzlich eine Stimme, begleitet von Stöckelschuhklappern auf dem Steinboden der Terrasse.

„Oberregeneratorin Musso? Was tun Sie denn hier?“, fragte Deanna erstaunt.

„Wo ist Icheb? Ich fürchte, er hat einen Witz falsch verstanden und begeht eine schreckliche Tat.“

„Also zur Zeit unseres gemeinsamen Studiums waren Sie ja nicht gerade für Ihren Humor bekannt. Sie haben mich sogar einmal beim Disziplinarsenat der Universität angezeigt, weil ich heimlich Schokoladenmousse während der Vorlesung genascht habe.“

Grace Musso starrte Deanna an: „Therapieren Sie eine Geranie, Sie Counselor! Connaught, wo ist Icheb?“

Die Admiral schüttelte den Kopf: „Grace, nur weil wir gemeinsam im Schützengraben vor San Francisco gelegen haben und in Würzburg einen operativen Nuklearschlag mit Thoriumcaprat vereitelten, kannst du doch nicht so in mein Haus stürmen. Icheb wird morgen wieder auf der Universität sein und ich…“

„Hilfe! Hilfe!“ Wie aufgeschreckte Hühner liefen die jungen Talarianer herum.

„Jeremiah ist in Lebensgefahr!“ Grace Musso stieß Beverly und Deanna zur Seite und hechte durch die Geranien, in deren Beet einer ihrer Schuhe stecken blieb. Sie rannte so schnell sie konnte über den Rasen zu der Gruppe und schob die Talarianer auseinander, um erstaunt zu sehen, wie Jono Icheb Mund zu Mund beatmete. „Was? Wie?“

Poso jaulte: „Zuerst haben wir uns nur für den blöden Streich in der Uni entschuldigt. Icheb hat dann mit uns zur Versöhnung angestoßen mit dieser ekelhaften Pfefferminzebrühe. Und dann ist er plötzlich kollabiert und hat nach Luft gejappst.“

Musso schob den Talarianer beiseite und fühlte Ichebs Puls. Sie öffnete die Halskrause der Kadettenuniform und tastete an Ichebs Luftröhre. „Wir brauchen sofort klares Wasser. Und irgendetwas Scharfes.“

„Ich habe ein Messer.“ sagte Pulau und zog eine feine Klinge aus seinem Stiefelschacht. Jangkok kam mit einem Handschuh voll Wassers zurück, das er aus dem Gartenbächlein geschöpft hatte.

„Jeremiah, du musst Ichebs Oberschenkelvene abpressen, ihr anderen, hebt ihn so hoch, dass sein linkes Bein der tiefste Punkt seines Körpers ist!“

Grace Musso ritzte mit dem Messer Ichebs Halshaut leicht an und träufelte Wasser darauf, dann nahm sie ein Aerosolspraygerät aus ihrer Handtasche und besprühte die feuchte Fläche. Jono hatte mit seinem Gürtel Ichebs Bein abgebunden, während Pulau, Poso und Tallo den Körper des Brunali hochhielten.

Inzwischen war auch Beverly angerannt gekommen mit Duncan.

„Ich bin Ärztin. Was machen Sie denn da?“

„Dieser Verrückte hat eine Dosis Céidinsligonat zu sich genommen. Dieses Spray mit Wasser vermengt behindert die atemlähmende Wirkung des Giftes.“

„Cèidinsligonat?“, fragte Beverly verwirrt.

Musso antwortete, während sie eine weitere Salve das Aerosols auf die aufgeritzt-benetzte Haut sprühte. „Das ist ein pflanzliches Gift, das nicht synthetisch hergestellt werden kann. Man gewinnt es aus einer nur in der ärmsten irischen Provinz endemischen Moosart.

Plötzlich begann Icheb zu husten. Er zappelte, doch die Talarianer hielten ihn fest und ließen ihn erst sanft zu Boden gleiten, als Grace Musso ihnen zunickte. Als der Brunal die Augen aufschlug, blickte er in entsetzte Gesichter.

„Wächst irgendwo in diesem Garten das irische Moos?“, fragte Duncan verwirrt.

Jono umarmte Icheb und klopfte ihm auf den Rücken. „Mann, du hast uns ja einen Schrecken eingejagt.“

Proso ließ sich in das Gras fallen: „Du kannst von Glück sagen, dass wir hier gerade Conalis gespielt haben. Jono hat dich gerettet.“

Und Pulau fügte hinzu: „Und wir haben ihm dabei geholfen.“

Grace Musso wischte sich das Gras von ihrem Rock und erhob sich. „Ach ja, und wir Frauen waren wohl nur Dekoration?“

Deanna, die inzwischen mit Admiral Rossa auch zu der Gruppe gekommen war, gab Grace ihren roten Lackschuh zurück. „Den haben Sie ihm Geranienbeet verloren. Was ist hier los, braucht jemand Hilfe?"

Icheb erhob sich, noch etwas wackelig, aber Jono und Jangkok stützten ihn. Er nickte dankbar in Richtung Deanna: „Counselor, es geht mir schon wieder gut. Mein Leben war in Gefahr, aber Jono hier und seine talarianischen Kameraden haben mich gerettet. Ich schulde ihm und euch vieren mein Leben.“

Grace Musso fuhr sich verzweifelt mit ihren gespreizten Fingern durch die Haare. „Ich hatte das doch nicht wörtlich gemeint.“

„Lassen Sie uns zum Haus zurückgehen und Tee trinken, das wird uns alle beruhigen.“, schlug Connaught Rossa vor.

Alle folgten ihr. Icheb, der den stützenden Jono sanft abgeschüttelt hatte, steckte Oberregeneratorin Musso eine winzige Phiole in das Dekolleté. Er flüsterte: „Wenn Freundschaft sich dadurch von Kameradschaft unterscheidet, das erste durch gemeinsame Interessen, zweitere aber durch das gemeinsame Überstehen tödlicher Gefahr entsteht, dann war es die einzig logische Möglichkeit, Jono oder mich in tödliche Gefahr zu bringen, wie Sie richtig sagten. Und jetzt hat er mich gerettet. Und ist so mein Kamerad geworden.“

Er folgte der Gruppe schneller, während Musso hysterisch den Kopf nach hinten warf: „Borg-Effizienz!“
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