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Aussichtslos

von Jana

Ruhe vor dem Sturm

"Warum haben die Langstreckensensoren den Kubus nicht bereits früher angezeigt?" Mit dieser Frage hatte Janeway die kurzfristig einberufene Lagebesprechung im Konferenzraum eröffnet. Sie hatte ihre linke Hand mehr in den Rücken als in die Hüfte gestemmt und hob die andere gestikulierend.
Harry rutschte sichtlich unangenehm berührt in seinem Sessel hin und her. Für derartige Meldungen war er zuständig und er hatte den Eindruck, dass diese Bemerkung gegen ihn gerichtet war. Dabei hatte Janeway nicht vor, irgendwelche Anschuldigungen auszusprechen. Sie wollte lediglich erfahren, wie sie von dem Borgschiff hatten überrascht werden können.
"Er ist wie aus dem Nichts aufgetaucht, Captain, ganz in der Nähe und hat sofort den Beschuss aufgenommen."
"Borgschiffe tauchen nicht einfach aus dem Nichts auf." Alle Anwesenden hörten deutlich die Gereiztheit in der Stimme ihres Captains, welche weiter um den Tisch ging und erst am Stuhl ihres Ersten Offiziers Halt machte, um dort einen Arm auf die Rückenlehne zu legen. Ihr war in diesem Moment nicht bewusst, dass sie den jungen Asiaten damit vor den Kopf stieß.
"Vielleicht haben Sie eine Tarnvorrichtung entwickelt", mutmaßte Tom und lehnte sich nach vorne, dadurch konnte er sich mit den Unterarmen auf dem Tisch abstützen. "Genügend Spezies mit diesem Wissen haben sie doch assimiliert", fügte er noch mit einem zynischen Lächeln hinzu.
Eine Weile herrschte Stille im Konferenzraum und jeder dachte über die Bedeutung und über die möglichen Konsequenzen dieser Worte nach.
Tuvok unterbrach die Stille, "Dies entspricht nicht dem üblichen Vorgehen der Borg. Aufgrund ihrer überlegenen Technologie halten sie eine Tarnvorrichtung vermutlich für irrelevant." Der Vulkanier hatte diese Schlussfolgerungen analytisch und ohne jegliche Spur von Witz vorgetragen, dennoch entlockte gerade der letzte Satz Tom und Harry ein Lachen. Selbst Chakotay konnte ein Schmunzeln nicht verhindern.
Janeway hingegen fiel bei dem Wort 'irrelevant' die Abwesenheit der Ex-Borg auf, die diese Phrase sehr häufig verwendete. "Wo ist Seven?", fragte sie und deutete auf den leeren Platz.
Der Doctor presste betrübt die Lippen gegeneinander, denn auch wenn er nur ein Hologramm und darauf programmiert war, fiel es ihm nicht leicht, traurige Botschaften zu überbringen. "Sie liegt auf der Krankenstation. Ihren Zustand als kritisch zu bezeichnen, ist noch eine Untertreibung", erklärte das MHN.
"Was ist geschehen?" Janeway überflog kurz die Gesichter jeder ihrer Offiziere, um zu erfahren, ob sie die einzige war, die von Sevens Zustand nichts wusste. B'Elanna nahm die Mitteilung am gefasstesten auf, alle anderen schienen genauso bestürzt zu sein wie sie selbst.
"Der einzige Grund, weshalb sie der Assimilierung bisher entging, ist wohl, dass der Prozess nicht auf die übliche Weise stattgefunden hat. Dadurch konnten nicht ausreichend viele Nanosonden frei gesetzt werden. Jedoch ist sie nicht außer Gefahr. Die Nanosonden assimilieren ständig rote Blutkörperchen. Sevens körpereigene Nanosonden kehren den Prozess zwar stetig um, aber es sieht schlecht aus." Betroffen senkte der Doctor den Kopf.
Chakotay lehnte sich vor, "Und wenn Sie die fremden Borgnanosonden ihrem Blut entnehmen?"
"Daran dachte ich zuerst auch, aber ich kann sie nicht von Sevens körpereigenen Nanosonden isolieren." Verzweiflung spiegelte sich in der Miene des holographischen Arztes wieder, der nur durch die Hilfe seines mobilen Emitters in der Lage war, die Krankenstation zu verlassen. "Beim derzeitigen Stand der Dinge können wir nur abwarten. Aber ich mache mir wenig Hoffnungen."
Janeway blickte abrupt auf und fixierte den Doctor. Kurz schob sich ihr Kinn nach vorn, eine alte Trotzreaktion. Ein kurzes Ohnmachtgefühl ergriff von ihr Besitz. - Dies waren definitiv zu viele schlechte Nachrichten auf einmal. Aber sie konnte an Sevens Zustand nichts ändern. Dringendere Angelegenheiten erforderten ihre Aufmerksamkeit. Dort war immer noch die schlummernde Bedrohung der Borg auf dem Maschinendeck. Doch zuerst wollte sie die Ungereimtheiten mit dem Kubus klären.
"Haben die Sensoren etwas Ungewöhnliches aufgezeichnet beim Auftauchen des Borgschiffes? War es vielleicht nur ein Transwarpkanal?", Kathryn musste sich ablenken. Nach einer plausiblen Erklärung suchend rieb sie sich die Stirn. Für sie schon unbemerkt hatte sie den Weg um den langgestreckten Tisch wieder aufgenommen.
"Durch den Angriff haben wir einige Sensorenlogbücher verloren, unter anderem auch diese." Harry hatte sich eingeschaltet. "Aber ein Transwarpkanal war es auf keinen Fall, daran könnte ich mich erinnern. Zwischen seinem Entstehen und dem Auftauchen des Schiffes hätte eine viel größere Zeitdifferenz gelegen."
"Vielleicht können Sie die Daten rekonstruieren, Harry. Ich will alles wissen, was zu dieser Zeit geschehen ist und sei es auch nur, dass die Positronen ihren Spin geändert haben und plötzlich in die andere Richtung drehten." Janeway tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch und verlieh ihren Worten damit mehr Gewicht.
Chakotay runzelte über dieses Verhalten Kathryns die Stirn, "Warum sind Sie versessen auf diese Daten, Captain?"
Es war Tuvok, der in seiner Funktion als Sicherheitschef, erklärend einsprang, "Andere Borgschiffe könnten die gleiche Fähigkeit haben und ebenso plötzlich erscheinen. Wenn wir das überraschende Auftauchen dieses Kubus erklären könnten, wären wir unter Umständen in der Lage, eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln."
Ein verstehendes Nicken zeigte sich von Seiten Chakotays. Dies war in der Tat sinnvoll, auch wenn ihn aus einem unerklärlichen Grund das Gefühl nicht losließ, dass es sich hierbei um einen Einzelfall handelte und dahinter gar keine neue Technologie der Borg steckte. Dennoch konnte es nicht schaden, Nachforschungen anzustellen. "Da gibt es noch etwas anderes, das mir ungewöhnlich erschien", brachte er in die Diskussion ein, "Wieso konnten wir ihn so einfach zerstören? Gegen einen taktischen Kubus des Typs zwei können die Waffen der Voyager so gut wie nichts ausrichten."
Janeway begrüßte, dass ihr Erster Offizier diesen Punkt angesprochen hatte, denn diese Frage lag ihr ebenfalls auf der Seele und sie wollte die Meinungen ihrer Offiziere dazu hören. Leise ließ sie sich in ihren Stuhl sinken, um gleich darauf die Hände ineinander zu verschränken und sie vor sich zu legen.
Nachdenkliche Stille durchzog den Raum, bevor Harry sich schließlich zu Wort meldete, "Den Borgkubus, der die Flotte bei Wolf 359 vernicht hat, zerstörte die Enterprise, indem sie den Drohnen an Bord den Befehl zum kollektiven Einschlafen gab. Dadurch aktivierte sich die Selbstzerstörung."
"Die Enterprise hatte damals durch Captain Picard einen direkten Kontakt zum Kollektiv, in unserem Fall war dem nicht so." Tuvok ergänzte die lückenhaften Informationen und verwarf damit zugleich die von Harry Kim aufgestellte Hypothese.
Neelix ergriff aufgeregt das Wort, "Vielleicht ist der Widerstand im Kollektiv so groß geworden, dass sie es wagen in die Offensive zu gehen." Er musste dabei an die Borgdrohnen denken, die sie über Unimatrix Zero aus dem Kollektiv befreit hatten.
"Das wären wirklich höchst erfreuliche Nachrichten, auch wenn ich nicht erpicht darauf bin, mitten in einen Bürgerkrieg zu geraten, schon gar nicht, wenn es um die Borg geht", lautete Janeways Kommentar hierzu.
"Ich möchte den Enthusiasmus Mr. Neelix´ nicht brechen, aber wir haben keinerlei Hinweise, die seine Theorie untermauern könnten. Wir müssen mit weiteren Borgaktivitäten in dieser Region rechnen." Tuvok fungierte wie immer als Stimmungsbremser.
Tom Paris brachte mit seiner üblichen schlaksigen Ausdrucksweise eine andere Vermutung ein: "Vielleicht waren sie schon sehr stark beschädigt und wir haben ihnen nur den Rest gegeben."
Der Gesichtsmimik Janeways und Commander Tuvoks zu urteilen, schenkten sie dieser Möglichkeit den meisten Glauben.
Die Chefingenieurin hatte bisher still der Besprechung gefolgt und auch weiterhin war ihr Blick auf einen weit entfernten Punkt gerichtet, "Vielleicht hängt das plötzliche Auftauchen mit der leichten Zerstörung zusammen."
Alle Anwesenden drehten ihren Stuhl in die Richtung der Halbklingonin und bedachten sie mit einem interessierten Blick.



Das Licht des roten Alarms blinkte auf allen Decks der Voyager, so auch auf diesem. Die Fähnriche Vornholt und McGates näherten sich vorsichtig und mit gezogenen Phasern der letzten bekannten Position von Sicherheitsteam drei. Vornholt schwitzte. Er hatte das Gefühl, dass die Temperatur und der Luftfeuchtigkeitsgrad um einiges gestiegen waren. Allerdings konnte er das nicht beschwören, denn es hätte durchaus sein können, dass ihm die Angst den Schweiß ins Gesicht trieb. Sein Puls raste unaufhaltsam, er glaubte, ihn hören zu können, denn es war totenstill auf dem Deck.
McGates fuhr nervös herum, er hatte das Gefühl, als wolle ihm das Herz aus der Brust springen. War da nicht eben ein hydraulisches Geräusch von einem Borggelenk gewesen? Nervös befeuchtete er sich die Lippen. Scham befiel ihn. Wie konnte er sich in einem so wichtigen Augenblick von Angst beherrschen lassen? Die Ausbilder sagten immer, man müsse einen klaren Kopf in solchen Situationen bewahren. Sie sagten aber auch, dass den Sicherheitsleuten die größte Ehre zustand. Jedoch hatte McGates niemals beobachtet, dass jemandem diese Ehre auch zuteil wurde. Sicherheitsleute wurden auf einem Raumschiff am häufigsten ersetzt. Sie waren diejenigen, die vorgeschickt wurden, wenn es Probleme gab. Doch viele kehrten von ihren Einsätzen nicht mehr zurück und niemand beweinte sie mit so viel Gefühl, wie sie es verdient hatten. Niemand glaubte, dass Sicherheitsleuten Ehrung zustand. Sie wurden ausgewechselt wie Objekte. Und niemand konnte nachvollziehen, was sie in den letzten Augenblicken ihres Lebens durchmachen mussten.
Vornholt stieß ihn an und deutete in den dunklen Korridor. Plötzlich sprangen zwei Gestalten mit gezogenen Phasern auf sie zu. Vornholt und McGates hatten ebenfalls ihre Waffen schussbereit.
"Mann, habt ihr uns einen Schrecken eingejagt", sagte einer der beiden Schatten, "wir dachten schon, ihr seid Borg."
McGates ließ seinen Phaser sinken, denn es handelte sich nur um das zweite Sicherheitsteam, das geschickt worden war, um die Funkstille von Allester und Byrnestein zu überprüfen. Er atmete tief durch und entspannte sich.

Alles ging viel zu schnell. McGates sah noch etwas hinter den anderen Sicherheitsleuten, da spürte er schon einen heißen Stich in seinem Hals. Er wirbelte um seine Achse und sah in das blasse Gesicht eines Borg. Das Feuer in seinem Hals breitete sich wie ein Orkan über seinen ganzen Körper aus, es fühlte sich an, als ob das Blut in ihm siedete. Vornholt kniete neben ihm und schrie vor Schmerzen. McGates spürte, wie die Willenskraft aus ihm wich, seine Persönlichkeit wurde bedrängt von anderen Stimmen in seinem Kopf, benommen taumelte er auf den Borg zu. Er klammerte sich an die Schläuche, die aus dessen Kopf ragten und zog sie hinaus, als er zu Boden sank. Kleine blaue Blitze züngelten über den Körper des Borg, sein Blick wurde noch ausdrucksloser und er kippte um.
McGates lag auf dem Boden, sein Körper zuckte epileptisch, ohne dass er es verhindern konnte. Er hatte den Eindruck, dass es niemals aufhören würde und dass es schon eine Ewigkeit dauerte. Für Vornholt hatte die Tortur geendet, seine Hände umschlossen noch fest den Phaser. McGates beneidete ihn und er fing an zu weinen, weil er wusste, dass niemand Vornholt gedenken würde. Ein Verlustbericht - Mehr würde es nicht geben, für keinen von ihnen hier.
Doch dann hörte jede emotionelle Regung in McGates auf. Er war nicht mehr McGates. Er war Borg geworden. Borg war eine überlegene Spezies. Sie belasteten sich nicht mit primitiven Gefühlen. Sie assimilierten, um jedem Lebewesen eine solche Existenz zu gewährleisten. Borg verstanden nicht, warum man sich gegen die Erlösung wehrte. Der Terraner namens Vornholt hatte unlogisch gehandelt.



"Captain, ich erhalte keine Antwort mehr von einigen Sicherheitsteams, die wir um das Maschinendeck herum postiert haben." Ayala hatte diese Mitteilung über das Interkom an die Brückenoffiziere gesprochen, welche noch immer in der Besprechung saßen. Der ehemalige Maquis, der während Tuvoks Abwesenheit seinen Dienst meistens an der taktischen Station verrichtete, wiederholte den Ruf an die Sicherheitsteams.
"Das Maschinendeck war doch versiegelt worden. Die Borg können nicht ausbrechen, oder?" Noch ehe Janeway ihre Frage beendet hatte, war sie sich der Antwort schon bewusst, sie konnte sie aus B'Elannas Gesicht förmlich ablesen.
"Mit den Informationen, die sie durch die Assimilierung von Lieutenant Hoffram gewonnen haben, kennen sie die Voyager genau so gut wie wir", lautete der nichts beschönende Kommentar der Chefingenieurin.
Janeways Wangenknochen traten hervor, das geschah immer, wenn sie ihre Kiefer mahlend aufeinander presste. Sie hatte die Borg im Maschinenraum als geringere Gefahrenquelle eingestuft, als den Kubus, der sie angegriffen hatte. Anscheinend stellte sich dies nun als fatale Unterschätzung heraus. In all den Auseinandersetzungen mit den Borg war sie doch nicht etwa abgestumpft und leichtfertig gegenüber der drohenden Gefahr geworden?
"Captain, die Sensoren registrieren viel mehr Borglebenszeichen auf der Voyager als vor der Explosion des Kubus", fuhr Lieutenant Ayala fort.
"Sie müssen sich noch herüber gebeamt haben", analysierte Chakotay die letzte Information von Ayala und sah seinem Captain ins Gesicht, in dem sich zwiespältige Emotionen widerspiegelten.
Kathryn hörte wie im Hintergrund der Interkomverbindung Schaltflächen gedrückt wurden. Ihre Augen wanderten unruhig auf der Tischplatte hin und her. Hatte sie die Lage falsch eingeschätzt? Konnten sie die Borg in Schach halten? Es war nicht das erste Mal, dass sich mehrere Drohnen auf der Voyager aufhielten. Jedoch hatten sie damals einen kooperativen Pakt, der ihnen eine sichere Passage durch den Borgraum gewährleistete, was auch beinhaltete, dass ihre Crew nicht assimiliert wurde. - Dieses Mal verhielt es sich ganz anders. Die Borg hatten ihre Aggressivität bereits offen gezeigt. Noch hinzu kam, dass die Sektion, in der sie sich aufhielten, nicht einfach isoliert werden konnte, wie einst der Frachtraum. Es würde schwer werden, wenn es nicht sogar ein aussichtsloses Unterfangen wäre.



Ein gellender Schrei drang bis auf Deck zehn. Dort standen die Sicherheitsleute dicht an dicht.
"Das ist Jefferson. Wir müssen ihm helfen!"
Hamilton stürzte auf die Leiter zu, um auf das untere Deck zu klettern. Zwei Sicherheitsleute hielten ihn davon zurück. Der eine hatte eine große Wunde auf der Stirn, die nur notdürftig versorgt worden war.
"Warst du schon mal bei einer Assimilation dabei? Wenn Jefferson erst mal so weit ist, dass er so schreit, dann kannst du ihm auch nicht mehr helfen. Ich war dabei. Ich bin ihnen gerade noch mal entkommen", er deutete auf die tiefe Schramme auf seiner Stirn, "Jones hatte es erwischt. Hüte dich vor Assimilierten! Sie kennen dich nicht mehr. Nachdem ich den Borg ausgeschaltet hatte, der uns angegriffen hatten, wollte ich Jones in die Krankenstation bringen. Zum Dank ging er auf mich los. Ich musste ihn töten, um dem Schicksal, assimiliert zu werden, zu entgehen."
"Wie konntest du nur?! Er war einer von uns!", Hamiltons Kopf war rot vor Zorn. Er bebte förmlich.
"Er war Borg! Er kannte so etwas wie Mitgefühl nicht mehr! Und du musst auch vergessen was Mitgefühl ist, wenn du überleben willst!"



"Ich fasse zusammen: Wir haben eine unbekannte Anzahl von Borgdrohnen an Bord, die nicht länger auf das Maschinendeck beschränkt sind." Janeway hatte sich nun wieder erhoben. "Vorschläge?", fragte sie in die Runde und stemmte sich auf den Konferenztisch.
"Können ... können wir sie nicht einfach von Bord beamen?", schlug Neelix schüchtern vor. Ihm war sichtlich unwohl und seine sonst so heiteren Gesichtszügen zeigten ernsthafte Besorgnis.
"Das wäre zu schön, um wahr zu sein", kam der Einwand vom Doctor. Er hatte, nicht zuletzt aufgrund Sevens Anwesenheit auf der Voyager, die größte Erfahrung, was die Physiologie der Borg anging. "Leider zerstreut das Transpondersignal, welches die Borg permanent senden, unseren Transporterstrahl. Wir können ihre Muster nicht erfassen."
Tuvok griff das Thema weiter auf, "Der eingebaute Transponder der Borg ist wie eine Signalboje. Es sendet ständig über Subraum und könnte andere Borgschiffe anlocken."
"Können wir die Signale blockieren, B'Elanna?", fragte Janeway sofort.
Die Chefingenieurin überlegte kurz, "Ja, ich denke, wir können ein Eindämmungsfeld um die Voyager errichten."
Mit einem knappen Nicken wies Kathryn B'Elanna an, sofort mit der Einrichtung eines solchen Feldes zu beginnen, sollte die Besprechung beendet sein. Damit war dieser Punkt geklärt.
"Wir sollten die Phaser auf rotierende Frequenzen einstellen", meinte Tom Paris.
"Das wird nicht ausreichen. Darauf werden sie sich innerhalb weniger Schüsse angepasst haben", erwiderte Chakotay. Natürlich wussten das alle Anwesenden, es war immerhin nicht ihr erstes Zusammentreffen mit den Borg. Aber es war Chakotays Aufgabe als Erster Offizier, darauf hinzuweisen. Einstmals, wenn auch nur für kurze Zeit, war er Teil eines kleinen Kollektives gewesen, welches ihn missbraucht hatte, um seine Ziele zu erreichen. Er hatte sich dem Einfluss der Stimmen nicht entziehen können und war ihnen willenlos gefolgt. Die Vorstellung lebenslang eine Drohne zu sein, jeglicher Individualität beraubt zu werden, erfüllte ihn mit Schrecken.
"Gift", sagte der Doctor plötzlich und starrte gedankenversunken an die Decke.
"Wie bitte?"
"Nun", fuhr er in seiner liebenswert belehrenden Art fort, "die Borg sind teilweise auch organisch. Wenn man ihnen Gift injiziert, würden sie genauso sterben wie wir", erläuterte er.
Irgendwie fühlte sich Janeway durch diese Maßnahme an die Todesstrafe erinnert, die noch im späten einundzwanzigsten Jahrhundert auf der Erde praktiziert wurde. Sie hatte diese Art der Bestrafung stets als unmenschlich angesehen. Doch dies war nicht die Zeit für ethische Bedenken. Ganz sicher würden die Borg keinerlei Gnade zeigen. "Veranlassen Sie alles Notwendige", wies sie ihn daher an. "Irgendwelche anderen Vorschläge?" Janeway schaute fragend in die Runde.
"Wir sollten die Sicherheitsleute mit Hieb- und Stichwaffen ausstatten, wenn sich die Borg den Phasern angepasst haben, können sie sich damit verteidigen." Der Vorschlag war von Tuvok gekommen, hätte aber auch genauso gut von B'Elanna stammen können. Zwar hatte sie ihrem klingonischen Erbe stets den Rücken zugekehrt, da dies der Grund dafür gewesen war, dass ihr Vater sie und ihre Mutter verlassen hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Aber in letzter Zeit befasste sie sich mehr und mehr mit den traditionellen Kampftechniken, wohl auch, um ihre Aggressionen abbauen zu können.
"Gute Idee, tun Sie es. Gibt es noch mehr, das wir als Waffe einsetzen können?"
"Naniten", entfuhr es Chakotay.
"Was ... was sind Naniten?", stotterte Neelix irritiert. Davon hatte er noch nie etwas gehört.
"Das sind Kleinstroboter, die in der Lage sind Metalle zu zersetzen."
Nun wieder euphorischer meldete sich der Doctor zu Wort, "Ja, sie könnten die mechanischen Komponenten der Borg außer Gefecht setzen. Ohne diese sind sie nicht funktionstüchtig."
"Aber Naniten brauchen zu lange, um den mechanischen Teil der Borg außer Gefecht zu setzen", warf B'Elanna ein.
"Nicht das neuere Modell, das ich in meiner Freizeit entwickelt habe", widersprach Chakotay.
Janeway bemaß ihren Ersten Offizier mit einem verwunderten Blick, der nicht einer gewissen Skepsis entbehrte. Er experimentierte in seiner Freizeit mit Naniten? In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, wie wenig sie eigentlich über Chakotay wusste, wenn es um Außerdienstliches ging.
"Können Sie die Naniten bei den Borg einschleusen?", fragte sie während sie weiter um den Konferenztisch schritt.
"Ich denke, das wäre mit einigen Modifikationen an den Phasergewehren möglich."
Wieder nickte Janeway anerkennend.
"Captain, es ist nicht auszuschließen, dass weitere Besatzungsmitglieder assimiliert werden", merkte der Doctor vorsichtig an. "Es ist innovativ, ich weiß", lobte er seine herausragenden Fähigkeiten, "aber es wäre mit Hilfe von Sevens Nanosonden eventuell möglich eine Art Antiserum zu schaffen, mit der die Assimilation wieder rückgängig gemacht werden kann."
"Sie sprechen von der gleichen Technik, mit der Sie Seven aus dem Kollektiv befreiten?"
"Nein, damals musste ich komplett anders vorgehen. Es war ein langwieriger Prozess, in dem wir Stück für Stück die meisten ihrer Implantate entfernt haben. Es hat Wochen gedauert. - Was ich vorschlage, ist ein Gegenmittel, das den ursprünglichen Metabolismus fast umgehend wieder herstellt, ohne dass irgendwelche Bluttransfusionen wie bei Ihnen, Commander Tuvok und Lieutenant Torres damals notwendig werden."
Janeway dachte nur ungern an ihre Assimilierung angesichts der Geschehnisse um Unimatrix Zero zurück. Zwar hatte der subdermale Suppressor verhindert, dass das Hive sie erfassen konnte und sie hatten als Individuen agieren können, doch die Ausstattung mit Borgtechnologie war weiterhin ein Trauma, das sie von Zeit zu Zeit in ihren Träumen heimsuchte und sie schweißgebadet aufwachen ließ. Wie sehr wünschte sie sich in diesen Augenblicken jemanden neben sich, der sie in den Arm nehmen und sie in Sicherheit wiegen würde. Kathryn konnte nicht verhindern, dass ein sehnsuchtsvoller Blick zu Chakotay wanderte. War es zu spät dafür?
Aufgrund ihrer früheren Erfahrung legte Kathryn Janeway keinen gesteigerten Wert darauf, dem Kollektiv anzugehören und wenn nötig wäre sie bereit die Voyager zu zerstören, um ihre Crew vor der Versklavung zu bewahren.
"Eine ausgezeichnete Idee, Doctor. Mr. Paris wird Ihnen assistieren." Beide Angesprochenen nickten bestätigend.
Neelix machte trotz aller vorgetragener Vorschläge ein wehleidiges Gesicht, "Wenn Seven uns nur helfen könnte."
Niemand jedoch kommentierte diese Bemerkung laut, jeder hing dabei seinen eigenen Gedanken nach und stellte sich vor wie die Borg auf der Krankenstation um ihr Leben kämpfte.
"Wenn es weiter nichts gibt ...", wollte Janeway die Sitzung bereits beenden, sie hatten ohnehin schon genügend Zeit mit Reden verloren. Zeit, die die Borg sicher nicht ungenutzt hatten verstreichen lassen. "Commander Chakotay, ich werde Ihnen bei der Modifizierung der Phasergewehre helfen. Tuvok, Sie leiten die Sicherheitsteams. Mr. Kim, Sie halten die Stellung auf der Brücke. Der Rest hat seine Befehle. Wegtreten."
"Captain", verhinderte Tuvok den allgemeinen Aufbruch, "Es ist nicht ausgeschlossen, dass jemand von der Brückencrew assimiliert wird."
"Was wollen Sie damit sagen?", bohrte Janeway nach und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Warum gefiel ihr seine Anspielung nicht im Geringsten?
"Bei einer Assimilierung erfahren die Borg alles über dieses Individuum. Sie hätten damit Zugriff auf die Kommandocodes für die Voyager und könnten diese mit Leichtigkeit in ihre Gewalt bringen. Ich schlage daher vor, den Computer so zu programmieren, dass bei einem solchen Fall die Kommandocodes sofort an den rangniedrigeren Offizier übergehen."
Janeway spitzte ihre Lippen, "Eine sinnvolle Maßnahme, hoffen wir, dass sie nicht notwendig wird."
Tuvok gab mit einem leichten Kopfneigen zum Ausdruck, dass er sich dieser Angelegenheit annehmen würden und damit verließen die Offiziere den Konferenzraum.



"Hey, wo bleibt denn die Verstärkung? Die Borg versuchen, durch die Jeffreysröhre hinaufzuklettern. Wir können sie bald nicht mehr aufhalten." Olsen stand an der Leiter, über die die Borg immer wieder hinaufkletterten. Er hatte sich nur für einen kurzen Augenblick umgedreht, doch das genügte dem Borg, um ihn am Bein zu packen und zu Fall zu bringen.
Der Sicherheitsmann neben ihm schoss auf die Drohne, damit diese Olsen nicht nach unten ziehen konnte. Doch dies nützte dem Crewman nichts mehr, der Borg hatte ihn so ruckartig umgerissen, das er mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen und sofort tot war.



"Ich wusste nicht, dass Sie in Ihrer Freizeit Forschungen über Naniten anstellen, Commander", begann Janeway eine zwanglose Unterhaltung, indes sie an der Modifizierung der Phasergewehre arbeiteten.
"Sie wissen vieles nicht über mich, Captain", kam die ausweichende Antwort.
Janeway horchte und schaute auf, fand aber nur ein geheimnisvolles Lächeln im Gesicht ihres Ersten Offiziers. Irrte sie sich oder hatte in seinen Worten ein leiser Vorwurf mitgeklungen? Er hatte Recht. Sie wusste so gut wie nichts über seine Freizeitaktivitäten an Bord. Zwar hatte sie ihn auf New Earth rund um die Uhr gesehen, aber ob er hier ähnlichen Beschäftigungen nachging, war ihr nicht bekannt. Ein leichter Anflug des Bedauerns überkam sie und schnell blickte sie wieder auf ihre Arbeit, um sich zu konzentrieren.
"Vielleicht könnten wir das ändern", entgegnete sie vielsagend und konnte sein verdutztes Gesicht bei diesen Worten förmlich vor sich sehen. Irgendwie wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben.
Chakotay hatte tatsächlich irritiert aufgeschaut und musterte seinen Captain von hinten. Diese Frau würde ihm immer ein Rätsel bleiben. "Wie meinen Sie das?", fragte er vorsichtig, wohlwissend, dass er sich damit auf dünnes Eis begab.
"Wie essen zwar regelmäßig zu Abend, aber ...", Janeway drehte sich um und Chakotay überkam der Eindruck, dass sie ihn verführerisch anlächelte, "Was halten sie davon, ab und an einen gemeinsamen Nachmittag auf dem Holodeck zu verbringen?"
Er antwortete nicht, sondern stand wie vom Donner gerührt in der einen Hand ein Phasergewehr in der anderen eine Energiezelle.
"Selbstverständlich erst, wenn das hier vorbei ist", fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Sie wunderte sich über sich selbst, dass sie die Enttäuschung vom vorangegangen Abendessen so schnell verwunden hatte. Vielleicht konnte sie Chakotay mit ihrem Angebot aus der Reserve locken. Auch wenn sie nur herausfinden würde, dass er tatsächlich nichts mehr für sie empfand, damit könnte sie irgendwann, irgendwie leben, aber nicht mit der Ungewissheit und vor allen Dingen nicht mit dem Wissen, die letzte Chance vergeben zu haben. Sie musste die Initiative ergreifen.
"Ähm ... ja, gerne. Warum nicht?", erwiderte Chakotay schließlich, war aber noch vollkommen perplex über Janeways Offensive.
Seit der Besprechung der Senioroffiziere war nunmehr eine Stunde vergangen.
"Janeway an Brücke, wir sind jetzt auf dem Weg zum Sicherheitsperimeter." Doch das Klopfen auf den Insigniencommunicator wurde nur mit einem Sirren beantwortet. Sie wechselte einen Blick mit Chakotay, der daraufhin auf sein eigenes Gerät tippte. - Mit dem gleichen Ergebnis.
"Die Kommunikation ist ausgefallen."
Sie stieß einen leisen Fluch aus, zum zweiten Mal schon heute. Unter normalen Umständen achtete sie besser auf ihre Äußerungen, um der Crew mit gutem Beispiel voran zu gehen.
"Die Borg?", fragte Chakotay. Die Hände hatte er in die Hüften gestemmt.
"Worauf Sie Gift nehmen können", zischte Kathryn zurück, ihr Charme war verflogen. Sie war aufgebracht, das sah er ihr an. Sie hatte sich jedoch so weit unter Kontrolle, dass sie es nicht an ihm ausließ.
Er versuchte es mit einem Scherz, "Effizient", und lächelte sie an. Doch es stellte sich nicht die gewünschte Reaktion ein.
Weiterhin hatte sie ihren Blick stur auf einen nur für sie sichtbaren Punkt gerichtet, "Ein bisschen zu effizient, wenn Sie mich fragen."
"Wir sollten die modifizierten Gewehre nach unten bringen. Dem letzten Bericht zufolge mussten die Teams immer weiter zurück weichen."
Wieder schob Janeway im Trotz ihr Kinn nach vorn. "Sie haben Recht." Der Ausfall der Kommunikation war zwar ein Hindernis, aber keines, was sie aufhalten würde.
Chakotay warf ihr ein modifiziertes Phasergewehr zu. Die Naniten befanden sich in schmalen Adaptern, die den Energiezellen ähnlich sahen. Sie mit den Phasergewehren zu koppeln war leicht, da die Schnittstelle standardisiert war. Die meiste Zeit hatten Janeway und er benötigt, die Naniten in die Adapter zu laden. Der einzig spürbare Unterschied zu sonst war der kräftige Rückstoß. Die Naniten mussten stark beschleunigt werden, damit sich der Strahl nicht zerstreute. Falls das passieren sollte, würden die Naniten ihr Ziel verfehlen und könnten sich frei auf dem Schiff verbreiten. Dies wäre jedoch eine große Gefahr für die Besatzung, denn die Naniten kümmerte es nicht, ob sie Borgmechanismen oder Sternenflottentechnologie zerstörten. Alles in allem also ein gefährliches Unterfangen. Denn falls jemand daneben schießen sollte ...
*Gar nicht erst daran denken!* Vielleicht würde der Nanitenstrahl aber auch vom Schutzschild der Borg abgelenkt werden, wenn sie sich erst einmal angepasst hatten. *Bloß nicht daran denken, Chakotay*, mahnte er sich selbst.
"Bereit?", sagte er laut, schnappte sich selbst ein Gewehr, sowie den Koffer mit den Adaptern und blickte Janeway aufmunternd an.
"Bereit!", kam es euphorisch zurück. Das leise Seufzen ließ aber auf ihren wahren Gemütszustand schließen.
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