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Dschungelfieber

von Eva

Kapitel 1

Sterben hatte nach dem Aufwachen am Morgen nicht auf dem Zettel ihrer persönlichen Wünsche gestanden. Mit ihrem Tod rechnete sie frühestens in sechs oder sieben Jahrzehnten. Als der Flyer aber immer heftiger zu vibrieren begann, unkontrolliert nach recht und links schwankte, schlich sich bei ihr der Gedanke ein, dass sie ihre Erwartungen vielleicht nicht ganz so langfristig ansetzen sollte. Sie warf einen Blick auf Chakotay, dessen Gesicht vor Anstrengung gezeichnet war. Fest umkrallten seine Hände die Steuerknüppel, in der Hoffnung, die Kontrolle über das kleine Schiff wiederzuerlangen. Vergebens. Ungebremst rasten sie auf den Planeten zu, der bedrohlich an Größe gewann. Ein wogendes grünes Meer kam auf sie zu. Kathryn hörte ein kreischendes Knirschen, als sie die ersten Baumwipfel streiften. Das Letzte, was sie bewusst wahrnahm, war ein dumpfer Aufprall, der sie aus ihrem Sessel hob.

****

Langsam schwanden die Nebelschwaden, die sich für einen Moment über ihr Bewusstsein gelegt hatten. Sie atmete tief durch und hob vorsichtig die Augenlider. Dämmerlicht, nur durchbrochen durch das unruhige Flackern der Systeme und eine gespenstische Stille umgab sie. Sekunden später hatten sich ihre Augen an das Halbdunkel gewöhnt und sie nahm vereinzelte Konturen wahr. Die unsanfte Landung hatte sie aus ihrem Sitz und quer durch das Innere des Flyers geschleudert. Vorsichtig bewegte sie die einzelnen Gliedmaßen und seufzte erleichtert. Sie hatte, bis vielleicht auf ein paar blaue Flecke, diesen Absturz ziemlich glimpflich überstanden. Kathryn Janeway versuchte, sich aus ihrer leicht verdrehten Lage aufzurichten, um wieder auf die Füße zu kommen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Kopf und entlockte ihr einen Schrei der Pein. Für einen Moment drückte sie die Fingerspitzen gegen die Schläfen und atmete mehrmals tief durch, bis das Stechen hinter ihrer Stirn in ein dumpfes Pochen überging.

Ein Poltern, gefolgt von einem schmerzerfüllten Laut, der kurz darauf in Fluchen überging, durchschnitt die Stille.
"Chakotay?" Vorsichtig zog sich Kathryn an der Konsole, die sich über ihren Kopf befand, hoch. Ihre Finger krallen sich in die Lehne des Sessels, als alles um sie herum zu schwanken begann. "Chakotay?", rief sie nochmals in die Dunkelheit hinein.
"Ich bin hier", erklang die beruhigende Stimme des Ersten Offiziers dicht hinter ihr.
Kathryn atmete erleichtert auf und spürte gleich darauf seine warme Hand auf ihrer Schulter. "Alles in Ordnung?" Ihre Finger lösten sich von der Lehne des Sessels, als sie wieder sicher auf ihren Füßen stand. Sie zuckte zusammen, als sie sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und dabei auf eine offene Wunde an der Stirn traf.
"Ja", erwiderte Chakotay, obwohl sein Kopf und seine linke Schulter auf sehr unangenehme Weise Bekanntschaft mit dem Boden des Flyers gemacht hatten. Es würde nicht allzu lange dauern, bis eine Beule seinen Hinterkopf zierte. Alles andere hatte die Bruchlandung ohne schwerwiegenden Schaden überstanden. "Und mit Ihnen?"
"Nur Schädelbrummen und einen Kratzer auf der Stirn", beantwortete sie seine Frage. "Der Rest ist heil geblieben", setzte sie mit einem schiefen Lächeln hinzu und bewegte wie zur Bestätigung Arme und Beine.
Erleichterung erfasste ihn bei ihrer Antwort. Sanft drückte Chakotay sie in den Sessel. "Lassen Sie mal sehen."
"Das ist nur ein Kratzer. Ich werde es überleben", fuhr Kathryn auf und sprang vom Sessel.
"Sitzen bleiben!" Fest drückten sie Chakotays Hände wieder auf den Platz. "Rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis die Wunde versorgt ist", warnte er in gefährlich leisem Tonfall. Er kannte ihren Dickkopf. "Sonst..."
"Sonst was?", stichelte Kathryn und in ihren Augen funkelte es schon wieder angriffslustig. "Wollen Sie mich knebeln? Mit dem Phaser betäuben?"
"Fordern Sie mich nicht heraus!", drohte Chakotay und machte sich auf den Weg, um den Hautregenerator zu holen.
"Als ob ich das je tun würde", rief sie ihm hinterher, ließ ihren Kopf gegen die Lehne gleiten und schloss die Augen. Sie war kurz davor, in eine leichte Trance zu fallen, als sie die Wärme von Chakotays Hand unter ihrem Kinn spürte. Halb öffnete sie die Lider und sah sich direkt seinem Gesicht gegenüber, in dem ein besorgter Ausdruck stand. "Nun machen Sie schon. Ich würde ganz gerne erfahren, wo wir gestrandet sind", drängelte sie und Ungeduld machte sich auf ihrem Gesicht breit. Leicht stupste sie gegen Chakotays Arm.
Wortlos richtete er das Licht des Handstrahlers so aus, dass die blendende Helligkeit nicht in Kathryns Augen fiel, ihm aber einen ausreichenden Blick auf die Wunde gewährte. Gleichmäßig fuhr er mit dem Hautregenerator über die geschundene Haut und schüttelte leicht mit Kopf, als Kathryn unruhig hin und her zu rutschen begann.
"Ich verstehe den Doctor immer besser", murmelte er und schaltete, nachdem nichts mehr auf die Verletzung hinwies, das Gerät ab und legte es achtlos auf eine der Konsolen. Abschätzend glitten seine Augen über die vormals verletzte Stelle. "So gut wie neu."
"Danke." Prüfend fuhr sich Kathryn über die Stirn. "Das mit dem Doctor habe ich gehört."
Chakotay lachte leise, als er den beleidigten Ton in ihrer Stimme vernahm. "Gut. Vielleicht sollten wir erst einmal den Flyer inspizieren und feststellen, wie groß der Schaden ist", schlug er vor und ließ sich schwungvoll in den Pilotensessel gleiten.
"Tom wird sich freuen", witzelte Kathryn, während sie sich aus dem Sessel stemmte und zu Chakotay trat, dessen Finger bereits über das Pult huschten. "Ich sollte versuchen, ob ich ein paar Daten über unseren Aufenthaltsort erhalten kann", schlug sie vor und ließ sich an einer der hinteren Konsolen nieder.
"Zumindest ist der Flyer diesmal noch in einem Stück", tröstete er Kathryn und spielte auf jenen Zwischenfall an, als Tom, nach einer mehr als gewagten Außenmission des Captains, in wochenlanger Kleinarbeit den in tausend Stücke zerstörten Flyer wieder zusammengesetzt hatte. "Und ich versichere ihm auch, dass Sie es nicht mit Absicht getan haben." Er drehte sich zu ihr um und grinste frech.
"Sehr witzig", entgegnete Kathryn eisig. "Nur verwechseln Sie da eine Kleinigkeit. Nicht ich bin geflogen, sondern Sie." Sie unterbrach ihre Analyse für einen Moment, stützte den Kopf auf die Handfläche und beobachtete Chakotay, der routiniert den Flyer auf seine Einsatzbereitschaft prüfte. Das Licht des Strahles an seinem Handgelenk tanzte auf und ab und warf helle Kreise auf die dunklen Wände. Hin und wieder ertönte ein Brummen, das ein unbehagliches Gefühl in ihrer Magengegend zur Folge hatte. Sie wand sich wieder ihrer eigenen Arbeit zu. Ein Schlag, der darauf hinwies, dass Chakotays Faust eine unschuldige Konsole malträtierte, ließ sie auffahren. "Was?" Der Ausdruck, der in seinen Augen lag, als er sich zu ihr drehte, ließ das Unbehagen in Kathryn noch ein wenig wachsen.
"Was auch immer uns getroffen hat. Alle Systeme wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. So wie es aussieht, sitzen wir fest", gab er zurück und zuckte die Schultern. "Ach, und ehe Sie fragen, den Replikator hat es leider auch erwischt."
"Na hervorragend." Sie sprang von ihrem Sitz auf und nun war es ihre Faust, die wütend gegen die Wand krachte.
Tuvok befand sich derzeit mit dem Schiff im Orbit des Planeten Colanei. Neelix hatte sich wieder einmal als wertvoller Verhandlungspartner erwiesen. Auch wenn er an Bord des Schiffes mit einem untrüglichen Instinkt von einem Fettnapf in den anderen stolperte, seine Redseligkeit so manchen Crewmen, einschließlich ihr, an manchen Tagen an die Grenze der Geduld brachte, bei Handelsabkommen, besonders bei denjenigen, die sich äußerst schwierig gestalteten, bewies er ein Feingefühl, das man ihm und seiner quirligen Art nicht zugetraut hätte. Ihm war es zu verdanken, dass die Colaneis, ein scheues, sehr von der Außenwelt zurückgezogen lebendes Volk, sie mit wertvollen Nahrungsmitteln versorgten.
Sie und Chakotay waren derweil mit dem Flyer zum Planeten Gorraes aufgebrochen. Zwar fast einen Tag entfernt, hatten sie diesen Flug unternommen, nachdem vom Führungsrat des Planeten die Botschaft eingegangen war, dass dieser ihnen dringend benötigte Ersatzteile zur Verfügung stellen konnte. Er verband ihr Handelsabkommen mit der Einladung zu einem Kurzaufenthalt auf Gorraes, nachdem er erfuhr, dass die Crew Nahrungsmittel von ihrem Nachbarplaneten erhalten und die Abwicklung mindestens drei Tage in Anspruch nehmen würde. Da weder sie noch Chakotay während dieser Zeit dringend benötigt wurden, und Neelix gemeinsam mit Tuvok bezüglich der Colaneis alles fest im Griff hatte, nahmen sie das Angebot an. Gern hätten sie noch etwas mehr Zeit auf Gorraes verbracht, doch wollten sie pünktlich bei den Rendezvouskoordinaten mit der Voyager eintreffen, mussten sie nach knapp anderthalb Tagen Gorraes wieder verlassen. Sicherlich wären sie auch zur vereinbarten Zeit an ihrem Zielort angelangt, hätte das Schicksal nicht wieder mit voller Macht zugeschlagen.
Kathryn hatte nicht bemerkt, dass Chakotay neben sie getreten war. Beschwichtigend legte er eine Hand auf ihren Arm. "Wir setzen einen Notruf ab. Wenn der Flyer nicht zur vereinbarten Zeit am Treffpunkt ist, wird Tuvok nach uns suchen." Seine Stimme klang warm und ein aufmunterndes Lächeln legte sich auf seine Züge. "Auch wenn es wohl eine Weile dauern wird."
"Eine Weile ist gut", knurrte Kathryn und für den Bruchteil einer Sekunde legte sich ein resignierender Ausdruck auf ihr Gesicht, als sie daran dachte, dass sie nicht nur den Rest des Tages, sondern auch die Nacht auf dem Planeten gefangen waren.
"Es kann natürlich auch sein", scherzte Chakotay und blickte zu ihr, "dass die Crew es noch etwas länger genießen möchte, einmal ohne ihren gestrengen Captain zu sein und uns noch ein paar Tage länger hier schmoren lässt."
"Ich finde das überhaupt nicht lustig, Commander", schimpfte Kathryn und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie seinen erheiterten Gesichtsausdruck sah. Sie spürte, wie Chakotays Ruhe langsam auf sie überging. "Es scheint mein Schicksal zu sein, dass mir solche Abenteuer immer in Ihrer Gesellschaft passieren."
Ruckartig nahm er seine Hand von ihrem Arm. "War das ein Vorwurf?", fragte Chakotay schärfer als beabsichtigt und ein missbilligender Zug umspielte seine Lippen.
"Nein. Nur eine Feststellung", korrigierte sie sanft.
"Wäre Ihnen die Gesellschaft des Doctors lieber?", fragte er bissig.
*Lieber nicht, aber einfacher*, dachte Kathryn, sprach diesen Gedanken jedoch nicht aus. Wie von selbst legte sich ihre Hand auf seinen Brustkorb. "Chakotay, Sie wissen, wie ich es meine", sagte sie leise und sah auf.
"Weiß ich das?" Sanft legte sich seine warme Hand auf die ihre und durchdringend schaute er sie an.
Zeit und Raum lösten sich für einen Augenblick auf, als sich ihre Blicke trafen. Jeder schien in diesem Moment die Gedanken des Anderes zu spüren.
Chakotay versuchte, seinen leicht beschleunigten Atem unter Kontrolle zu bringen, konnte aber nicht verhindern, dass seine Stimme rau wie Sandpapier klang. "Ich sollte mich um den Notruf kümmern", sagte er und löste so die Magie, die sie für einen Augenblick umgeben hatte, auf. Zart drückte er ihre Fingerspitzen, ehe er seine Hand senkte und sich in Richtung seiner Konsole drehte.
Kathryn blickte auf seinen Rücken und versuchte, die Kontrolle, die sie für einen Moment verloren hatte, wiederzufinden. Sie schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Erst als sie spürte, dass ihr aufgewühltes Inneres langsam wieder zur Ruhe kam, wand sie sich ihrer Station zu.

"Die Umweltbedingungen kommen den unsrigen recht nahe. Sieht man einmal von einer", Kathryn stöhnte leise auf, "momentan herrschenden Temperatur von fast fünfunddreißig Grad ab. Außer auf eine reiche Fauna und Flora deutet nichts auf etwaige Bewohner hin." Prüfend glitt ihr Blick nochmals über die Sensordaten.
"Nun, dann brauchen wir uns wenigstens nicht entschuldigen, dass wir ohne Einladung in ihr Territorium eingedrungen sind", entgegnete Chakotay mit einem Schulterzucken und wand sich Richtung Ausgang.
"Dann wüssten wir aber zumindest, wo wir gelandet sind", rief Kathryn ihm hinterher und griff nach Phaser und Tricorder. Über die Schulter hinweg warf sie einen letzten Blick durch den Innenraum, ehe sie Chakotay folgte. Sie feixte, als ein Ächzen zu vernehmen war. "Soll ich Ihnen helfen?", fragte sie höflich, doch das Lachen in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
"Nein, danke", kam es gepresst aus Richtung Ausgang zurück, dessen Schott sich durch den Aufprall nur durch Muskelkraft öffnen ließ. Sekunden später ertönte ein befreites Aufatmen. "Geschafft." Chakotay wischte sich die Schweißperlen von der Stirn und trat aus dem Flyer.
Kathryn hob die Hand gegen die Augen, als sie gleißende Helligkeit traf. Heiße Luft schlug ihr entgegen und nahm ihr für einen Augenblick den Atem. Tief atmete sie mehrmals durch, um ihre Lungen an die ungewohnte Lufttemperatur zu gewöhnen.
"Zauberhaft", flüsterte sie, nachdem sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Gebannt sah sie sich um. Grüne Sträucher, bunte Pflanzen, Bäume, die so hoch waren, dass man glaubte, sie berührten mit ihrem Blätterdach den Himmel, erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Von irgendwoher erklang ganz sacht das Plätschern eines Flusses, es summte und zirpte um sie herum und ein moschusartiger Duft lag in der Luft. Tief nahm sie die Schönheit, die sie umgab, in sich auf. Sie zuckte erschrocken zusammen, als sich eine Hand auf ihren Arm legte. Vertieft in den Anblick, der sich ihr bot, hatte sie Chakotay nicht kommen hören.
"Es ist schön, nicht wahr?", lächelte er über ihren verklärten Gesichtsausdruck.
"Ja", entgegnete sie und begann sich ihrer Uniformjacke zu entledigen. "Nur ein wenig heiß." Sie wischte sich mit dem Unterarm über das Gesicht, auf dem bereits die ersten Schweißtropfen schimmerten.
"Wir hätten es schlimmer treffen können", entgegnete Chakotay und folgte ihrem Beispiel, indem er seine Uniformjacke lässig auf die ihre fallen ließ. "Tuvok wird sicherlich keine Probleme haben, den Flyer zu lokalisieren." Seine Finger fuhren unter den Kragen seines Shirts, um sich ein wenig Luft zu verschaffen.
Kathryn betrachtete prüfend die Außenhülle des Shuttles. Das hieß, jene Stellen, die unter dem Grün, das es bedeckte, hervorlugten. Diese sahen recht unversehrt aus und sie hoffte, dass dies auch für den Rest galt. "Wieso?" Ihr Blick folgte Chakotays ausgestrecktem Arm. Ein Laut der Verwunderung entwich ihr, als sie die fast fünfzig Meter lange Furche erblickte, die der Flyer hinterlassen hatte. "Besser, als wenn wir mit einem donnernden Aufschlag gelandet wären", stellte sie humorvoll fest und blickte zu Chakotay, der einen leisen Seufzer ausstieß. "Sind Sie bereit, für ein kleines Abenteuer, Commander?" Schalk tanzte in ihren Augen, als sie sich umdrehte.
"Kann ich darüber noch etwas nachdenken?", erkundigte er sich mit todernster Miene und wich geschickt dem Boxhieb aus, so dass Kathryns Faust ins Leere traf.
"Keine Chance", gab sie gedehnt zurück und programmierte den Tricorder, der in ihrer Hand lag. Eines wollte sie möglichst vermeiden. - Den Rückweg zum Flyer nicht mehr zu finden. "Bereit?", fragte Kathryn und befestigte das Gerät an ihrer Hose. "Dann lassen Sie uns losgehen."

****
Eine grüne Wand breitete sich vor ihnen aus. Nirgendwo gab es einen Pfad, alles war dicht bewachsen und vermittelte ihnen das Gefühl, sich mitten im Dschungel zu befinden. Gigantische Bäume mit silberfarbenen Stämmen, so dick, dass sich ohne Mühe zwei Menschen dahinter verstecken konnten ragten empor und durch das dichte Blätterdach hoch über ihren Köpfen drangen nur noch vereinzelte Sonnenstrahlen bis auf den Boden. Kathryn war zumute, als stünden sie in einer riesigen Kathedrale. Moos wuchs an den Stämmen empor und von den Zweigen hingen dicke Schlinggewächse herab. Zwischen den Zweigen leuchtete es purpurfarben auf. Schwärme von zierlichen Vögeln, die sie an die Sittiche der Erde erinnerten, saßen versteckt im dichten Grün und veranstalteten ein ohrenbetäubendes Spektakel. Insekten, mit schimmernden blauen Flügeln und länglichen weißen Körpern, ließen sich geruhsam auf die wie Gold schimmernde Blüten nieder, mit denen die Büsche um sie herum übersät waren. Kleine Tierchen huschten über den Boden, um kurz darauf im Dickicht zu verschwinden. Es war ein undurchdringliches Gewirr aus Bäumen und Sträuchern und doch wunderschön.
"So müssen einmal die Regenwälder der Erde vor Hunderten von Jahren ausgesehen haben, ehe die Menschheit begann, sie aus Gier nach Geld und Macht niederzuholzen", durchbrach Kathryn das andächtige Schweigen, das seit geraumer Zeit zwischen ihr und Chakotay herrschte. Obwohl das dichte Blätterdach nur wenige Sonnenstrahlen durchließ, war es feucht und heiß. Kathryn blies sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und zupfte an ihrem Shirt, das dunkle Flecken aufwies. Der Schweiß rann ihr an Brust und Rücken hinab und ließ das Kleidungsstück wie eine zweite Haut an ihr kleben. Sie schaute zu Chakotay, der vor einem mit violetten Blüten bewachsenen kleinen Strauch in die Hocke gegangen war. Ihm schien die Hitze weniger auszumachen als ihr.
"Sie duften fast wie Veilchen", stellte er erstaunt fest und fuhr vorsichtig mit den Fingerspitzen über die hauchdünnen Blütenblätter. "Schade, das wir die Kamera des Doctors nicht zur Verfügung haben. Ich hätte diese Motive gerne eingefangen." Bedauernd betrachtete er die Blüte zwischen seinen Fingerspitzen.
"Wenn wir wieder an Bord sind, werde ich sie Ihnen in einem Aquarell verewigen", versprach Kathryn und legte zum Trost eine Hand auf seine Schulter.
Chakotay drehte den Kopf in ihre Richtung und blickte auf. "Ach ja?" Skepsis stand in seinen Augen. Er kannte ihr künstlerisches Talent. "Ist das ein Versprechen?"
"Natürlich", entgegnete sie, "allerdings kann es ein Weilchen dauern. Wie Sie wissen, habe ich noch die eine oder andere kleine Verpflichtung." Schelmisch blickte sie zu ihm herab.
Grinsend fragte Chakotay: "Sie werden es aber fertig haben, ehe wir wieder auf der Erde sind."
"Wenn ich mir viel Mühe gebe", ging Kathryn auf seinen lockeren Tonfall ein.
Chakotay schenkte den Blüten einen letzten Blick, ehe er sich wieder aufrichtete. "Jetzt weiß ich, worauf ich mich die nächsten dreißig Jahre freuen kann", witzelte er und grinste von einem Ohr zum anderen. Aus Gründen der eigenen Sicherheit trat er ein paar Schritte von Kathryn weg.
Langsam, mit einem listigen Ausdruck im Gesicht, ging sie auf Chakotay zu. "Commander", Kathryn hatte Mühe nicht zu lachen, als sie sah, wie Chakotay mit jedem Schritt, den sie auf ihn zuging, einen zurückwich, "Sie wissen, was ich mit Offizieren mache, die versuchen, mich auf den Arm zu nehmen?" Schadenfreude tanzte in ihren Augen, als sie erfasste, was in weniger als dreißig Sekunden passieren würde.
"Mit Ihrem Schmorbraten foltern?", rutschte es Chakotay unvermittelt heraus und er biss sich auf die Lippen. *Und mit noch ein paar anderen Gerichten*, dachte er im Stillen. Kathryn Janeway mochte viele Talente haben, Kochen gehörte aber eindeutig nicht dazu. Mehr als einmal hatten ihn leichte Magenschmerzen nach einem von ihr zubereiteten Mahl geplagt und den Schlaf geraubt. Er schätzte ihre Mühe und behielt so diesen kleinen, wenn auch unangenehmen Nebeneffekt lieber für sich. Das Einzige, was sie selbst im Schlaf beherrschen würde, war die Herstellung von Kaffee. Und der stellte sowieso ihr Grundnahrungsmittel dar.
"Autsch." Plötzlich versperrte ihm etwas Hartes an seinem Rücken, das sich verdammt nach einem Baumstamm anfühlte, den Weg. Vielleicht hätte er doch lieber, statt in Kathryns blitzende Augen zu sehen, ab und zu einmal einen Blick aus den Augenwinkeln riskieren sollen. Nun war es zu spät. Er spürte ihre Hand, die sich hart auf seine Brust legte und ihn unsanft gegen die Rinde des Baumstammes drückte.
Kleine Feuerkaskaden tanzten in Kathryns Augen. "Welch ein Glück für Sie, dass Sie Vegetarier sind."
"Das würde ich nun nicht gerade sagen", murmelte Chakotay leise, aber für Kathryn noch gut verständlich, vor sich hin.
Kathryn blickte ihn einen Moment irritiert an, nicht sicher, wie sie diese Aussage nun wieder interpretieren sollte. Sie beschloss, dieser zu einem späteren Zeitpunkt auf den Grund gehen. "Chakotay", hielt sie mit sanfter Stimme entgegen, "glauben Sie mir, bei Ihnen würde ich mir schon eine besondere Art der Folter einfallen lassen." Kathryn hatte zwar keinen blassen Schimmer, was sie im Fall der Fälle wirklich in Betracht ziehen würde, aber dies war sowieso zweitrangig. Sie wollte ihn nur ein wenig schockieren und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war ihr dies auch gelungen.
Chakotays Kinnlade klappte herunter, sein Pulsschlag beschleunigte sich, als Bilder durch seinen Geist schossen, die bei näherer Betrachtungsweise dem Ausdruck "Folter" recht nahe kamen. Er schluckte schwer. Nein, das würde sie niemals tun. Oder doch? Chakotay schüttelte sich, hob den Blick und sah sich einem Augenpaar gegenüber, in dem es belustigt funkelte. Oder meinte sie vielleicht etwas ganz anderes damit? Vielleicht etwas, was er schon Hunderte von Male in seinen Träumen erlebt hatte? Chakotay spürte, wie ihn bei diesem Gedanken ein wohliges Gefühl durchlief und ein verklärter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht.
Kathryn schüttelte leicht den Kopf. *Chakotay, Sie liegen vollkommen falsch*, dachte sie amüsiert, als sie sein Gesicht betrachtete, das nur allzu deutlich widerspiegelte, was ihm gerade durch den Kopf schwirrte. "Lassen Sie uns weitergehen", leicht schlug sie ihm auf die Brust, "ehe Ihnen noch ein paar unbedachte Dinge herausrutschen." Mit diesen Worten drehte sie sich um und nahm ihren ursprünglichen Weg wieder auf.
Chakotay blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. "Spielverderber", formten seine Lippen lautlos hinter ihrem Rücken.
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