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Jenseits der Zeit - Teil 1

von Sylvia Voss

Carina und Worf

Flammen loderten hoch aus dem Abgrund. Über ihnen waberte die Luft und an der Decke der Höhle flackerte ihr Widerschein. Schwarze Felsnadeln stachen aus der Tiefe empor.

Die Hitze nahm Carina den Atem und sie suchte Halt an der glatten Felswand, während sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit umsah. Von dem riesigen Raum ging eine fast greifbare Bedrohung aus. Trotz der Flammen lag Düsternis über dem riesigen Raum, das Feuer konnte ihn nicht erhellen. Einzelne grelle Feuerkugeln rasten knisternd und zischend hin und her.

In Carina stieg Panik auf, sie konnte sich nicht erinnern, wie sie hierhergekommen war. Der Schweiß lief ihr in die Augen und die Kleidung klebte am Körper. Blinzelnd schob sie sich langsam an der Wand entlang.

Da, eine Bewegung auf der anderen Seite der Höhle ließ sie erstarren. Auf einer der Felskante erhob sich ein großer Mann in graumetallischer Uniform vom Boden. Vor ihm stand eine kräftige Frau mittleren Alters mit langem blondem Haar. Sie trug ein weißes Kleid und in ihren Armen lag ein schweres Buch.

Carina hustete und rief: „Hallo, hier, helft mir!“ Aber ihre Stimme drang nicht durch das Brausen des Feuers.

Die beiden Figuren bewegten sich lauernd umeinander herum.

In diesem Moment sprang eine dritte Person ins flackernde Licht. Ein großgewachsener dunkelhäutiger Mann. Carina sah einen schwarzen Anzug und auf den Schultern schimmerte es rot. Die Frau rief ihn an, dann warf sie ihm das Buch zu.

Fast gleichzeitig schleuderte der Graue eine grelle Flamme in ihre Richtung und die Frau verbrannte spurlos im Feuer.

Carina schrie und fiel auf ihre Knie.

Gegenüber bewegte sich der Mann mit dem Buch langsam und wie unter Zwang auf den Grauen zu. Carina fühlte seine Verzweiflung und seinen Kampf, dem Gegner zu widerstehen, aber wie unter Zwang näherte er sich ihm, bis der Graue ihm das Buch entriss.

Eine Flammenzunge schoss empor und der Graue hob einen Arm, um auch den Schwarzen zu vernichten.

Vor Angst und Verzweiflung zitternd senkte Carina den Blick, sie wollte das Schreckliche nicht mit ansehen müssen. Aber, als wäre sie mit dem dunklen Mann geistig verbunden, fühlte sie seinen starken Willen und feste Entschlossenheit.

Sie zwang sich zum Hinschauen und sah, wie sich ganz plötzlich der Mann auf den Grauen warf. Er umklammerte ihn und das Buch und stürzte sie beide in den lodernden Abgrund.

Aus der Tiefe schossen unzählige körperlose flackernde Flammenwesen empor. Mit schrillem Heulen jagten sie hin und her. Obwohl sich Carina die Ohren zuhielt, konnte sie das Kreischen bis in ihr tiefstes Innere fühlen.

Die Hitze nahm Carina den Atem, sie rang nach Luft und dann verlor sie sich in

Dunkelheit und Stille.

Verwirrt schlug Carina die Augen auf und schleuderte ihr Kopfkissen von sich. Sie atmete tief durch und dann war sie wach. Zu Hause, in ihrem Bett, dampfend vor Hitze unter Kissen und Decken.

Dieser Traum war so erschreckend real gewesen, wie sie sich an keinen anderen erinnern konnte. Die beklemmenden Bilder standen ihr noch lebhaft vor Augen und nur langsam konnte sie sich zurück in ihre Umgebung finden. Sie meinte noch das Brausen des Feuers zu hören und fühlte die Hitze auf ihrer Haut. Ihr war schwindelig.

Jetzt brauchte sie unbedingt eine kühle Dusche! Taumelnd machte sie sich auf den Weg und sah aus den Augenwinkeln den Kommunikationsterminal blinken.

„Nach dem Frühstück“, entschied sie. Im Bad erhaschte sie einen kurzen Blick in den Spiegel, und wie so oft überkam sie ein leichter Schreck. Ihr Spiegelbild zeigte mitleidslos ihr Alter, ihr Empfinden aber war so jung wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Die offensichtliche Widersprüchlichkeit zwischen Außen und Innen machte ihr oft zu schaffen.

Schnell wischte sie die negativen Gedanken beiseite, ignorierte ihr weißes kurzes Haar und die ersten Falten. „Schließlich kann man Falten auch rein physikalisch als Folge von Gravitation sehen“, sagte sie sich und genoss den erfrischenden Wasserstrahl.

Eine Stunde später sah sie auf dem Bildschirm das lächelnde runde Gesicht ihrer Freundin Mia, ihr Mann Peter schaute ihr über die Schulter.

„Wann kommst du endlich zum Wandern, du hast es versprochen“, fragte Mia.

„Das Herbstlaub hier in Neuengland ist gerade besonders schön. Aber ich fürchte, wir müssen dich mal wieder unter Druck setzen, sonst reißt du dich nicht von deiner Arbeit los, was auch immer das im Moment ist.“

Carina seufzte als sie das vorwurfsvolle Gesicht von Peter sah und fühlte sich schuldig, ihre liebsten Freunde enttäuscht zu haben. Sie hatte nur wenige Freunde, die ihr umso kostbarer waren.

Es gab nicht viele Menschen, die ihre Art zu leben und zu denken teilten. Mit Klatsch über die alltäglichen Dinge des Lebens und mit größeren Festlichkeiten konnte sie noch nie etwas anfangen. Sie liebte den Gedankenaustausch im kleinen Kreis Gleichgesinnter, die ihre Vorliebe für Naturwissenschaften und die Kulturen außerirdischer Spezies teilten.

Auch mochte sie ihren engsten Lebensraum nicht mit jemandem teilen und so hatte es sich ergeben, dass sie allein lebte und das auch für gut befand.

Aber Mia hatte recht, das Wandern, die frische Luft und die herrlichen Farben des Herbstes würden bestimmt ihre Gedanken ordnen. Heute würde sie mit etwas Glück die schwierigen Verhandlungen über ein Kulturabkommen zwischen Vulkan und Andoria abschließen können. Sie hatte noch einen Trumpf im Ärmel, der den Ausschlag geben sollte. Dann, endlich, wollte sie weiter in ihrem Studium der bajoranischen Kultur fortfahren, die sie in ihren Bann gezogen hatte.

In etwa zwei Wochen, so versprach sie Mia und Peter in ihrer Antwort, könne das Wandern losgehen.

Sie schickte ihre Aufzeichnung ab und wendete sich dem heutigen Tag zu.

„Was ziehe ich an“, grübelte sie vor dem Schrank. „Es muss seriös und sachlich sein. Die Vulkanier lieben die Schönheit von Kleidung und Stoffen, die Andorianer legen viel Wert auf Praktisches und Schlichtes.“

Sie griff nach einem dunkelblauen Hosenanzug aus weich fließendem Wollstoff, das würden die Andorianer schätzen. Dazu befestigte sie einen langen Schal aus schimmernder purpurner Seide auf ihrer linken Schulter. Das würde den Sinn für Ästhetik der Vulkanier ansprechen.

Und so sah sie sich auch selbst am liebsten. Sie trug nur dezente einfarbige Hosen und setzte Akzente mit farbigen Oberteilen, Schals und Gürteln.

Ein letzter zufriedener Blick in den Spiegel und dann fiel die Tür hinter ihr zu.

Das helle Licht des frühen Vormittags erleuchtete die Eingangshalle des Kulturinstituts der Föderation der Planeten.

Carina sah zwei kleine Gruppen von Humanoiden auf sich zu kommen. Sie hielten betont Abstand voneinander, strebten aber wie Carina dem Sitzungsraum zu.

In der Nähe der Tür beschleunigte die eine Gruppe plötzlich ihren Schritt und trat als erste ein.

„Typisch Andorianer“, dachte Carina und blickte auf die Rücken der blauhäutigen schlanken Gestalten. Die beiden trompetenartigen Fühler auf ihren Köpfen bewegten sich hin und her, als ob sie die Umgebung abtasteten. Ihr kurzes, fast weißes Haar bildete einen scharfen Kontrast zur hellblauen Haut.

Andorianer lebten in einer straffen Militärgesellschaft. Ihr Stolz, ihre Neigung zum Jähzorn und ihr Misstrauen hatten sich auch in mehr als zweihundertjähriger Zugehörigkeit zur Föderation der Planeten nicht verringert. Besonders den Vulkaniern begegneten sie mit Misstrauen, ihr Verhältnis war seit Hunderten von Jahren gespannt.

Carina ließ mit einer leichten Neigung des Kopfes der vulkanischen Delegation den Vortritt.Sie waren noch größer gewachsen als die Andorianer und Carina fühlte sich mit ihren knapp ein Meter sechzig zwergenhaft klein.

Die Vulkanier bewegten sich wie immer gemessen und würdevoll in ihren langen Gewändern. Das auffallendste Merkmal waren ihre spitzen Ohren.

Alle trugen das gleiche kurzgeschnittene Haar über den schrägen Augenbrauen und ihr Gesichtsausdruck war ruhig und gleichmütig.

Das ganze Leben eines Vulkaniers verlangte ständiges Arbeiten an sich selbst, denn sie waren von Natur aus eine gewalttätige Spezies. Das hatte sie an den Rand der Selbstzerstörung gebracht, bis sie vor etwa zweitausend Erdenjahren durch die Lehre des Surak gerettet wurden. Seit der Zeit unterwarfen sich die Vulkanier der alles beherrschenden Logik, Selbstdisziplin und Gefühlsunterdrückung.

Carina trug ihr Haar auf vulkanische Weise und war täglich dankbar für das Praktische dieser Frisur.

Auch hielt sie viel von Logik und Disziplin, war aber davon überzeugt, dass Menschen bei gleicher Unterdrückung ihrer Emotionen krank werden würden. Sie hielt mehr davon, Gefühle zu leben und in kreative Bahnen zu lenken.

Nachdem alle Platz genommen hatten, eröffnete Carina das Gespräch: „Beide Gruppen haben in der letzten Sitzung den Wunsch nach einem Kulturaustausch bekräftigt. Sie konnten sich aber nicht auf einen Standort für das zu gründende Institut einigen.“

Die Andorianer bewegten unruhig ihre Fühler und Carina erwartete bei dem leisesten Vorwurf einen heftigen Wutausbruch, es wäre nicht der erste gewesen. Ihr Delegationsleiter Shirk erhob sich und bat in hartem Ton um das Wort.

Carina nickte.

„Wir weisen darauf hin, dass wir für unsere Weigerung auf Vulkan zu bauen, gute Gründe haben“, sagte er angriffslustig.

„Wie wir alle wissen, hat Vulkan eine hohe Gravitation, eine dünne Atmosphäre und ein heißes trockenes Klima. Dieser Planet ist für die Gesundheit von Andorianern hoch belastend. Seine drei Sonnen erhellen den Himmel in roter Farbe, die uns unangenehm ist. Vulkan umkreist 40-Eridani A, der bekanntlich eine orange K-Spektralklasse aufweist, sehr eng. Die entfernte Sonne C ist eine flackernd rote M-Klasse und die kleine weiße Zwergsonne B, die C umkreist, hat nicht genug Leuchtkraft, um Andorianern auf Vulkan eine Erleichterung zu verschaffen.“

Bei dieser Wiederholung der allseits bekannten Tatsachen überraschte es Carina, ein leichtes Anheben einer Augenbraue der vulkanischen Delegationsleiterin T`Par zu beobachten.

„Vielleicht hat sie schon zu lange Umgang mit Menschen“, dachte Carina. Shirk fuhr fort: “Es ist daher für Andorianer nicht zumutbar, in einer so schädlichen Umgebung zu leben.“Er setzte sich und sah wütend in die Runde. Carina wandte sich an T`Par. „Möchten Sie darauf antworten?“

T`Par nickte und stand auf. „Es ist nur logisch, dass ich unter diesen Umständen auch noch einmal unsere Bedenken über eine Arbeitsumgebung auf Andoria deutlich mache. Ihre Heimatsonne Prokyon ist von der Spektralklasse F, weißleuchtend und groß. Sie erzeugt für Vulkanier unerträglich grelles Licht und hat auch noch einen weißen grellen Zwergbegleiter.

Unsere Spezies hat zwar eine Nickhaut, die wir bei Gefahr vor die Pupille ziehen können, aber das ist nur für kurze Zeiträume möglich. Sie sehen also, für Vulkanier ist das dauerhafte Leben auf Andoria unzumutbar.“

Nachdem sich T`Par gesetzt hatte, begann eine langatmige Debatte, an deren Ende Carina den Planeten Aldus Prime der roten Doppelsonne Ross 614, der innerhalb einer Tagesreise sowohl von Vulkan als auch von Andoria erreichbar wäre, ins Gespräch brachte.

Aber ihr Vorschlag wurde von den Andorianern abgelehnt. Man sei nicht bereit, zwischen Andoria und Aldus Prime hin und her zu pendeln, nur um dem roten Lichtspektrum auszuweichen.

Das Gespräch versiegte und trotziges Schweigen breitet sich aus. Carina spürte schmerzhaft ihre verspannten Muskeln und sehnte sich nach einem Ende dieser fruchtlosen Diskussion. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihren lange vorbereiteten letzten Vorschlag zu unterbreiten.

„Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen, Ihre Argumente deutlich zu machen“, sagte sie in Richtung beider Delegationen.

„Seit einigen Wochen arbeiten wir an einem Vertrag über den Kulturaustausch zwischen Ihren beiden Welten. Sie beide haben wertvolle Anregungen beigesteuert und haben sich aufeinander zubewegt. Ich weiß sehr wohl zu schätzen, dass nun über alle Punkte, bis auf den des Standortes, Einigkeit herrscht.“

Den Vulkaniern sah man keine Gemütsbewegung an, aber die Andorianer konnten sich ein säuerliches Lächeln nicht verkneifen.

„Da dieser Vertrag für den friedlichen Umgang so enger Nachbarn außerordentlich zum gegenseitigen Verständnis und Respekt beitragen wird, soll er an der einen Frage des Standortes nicht scheitern.“

Der Zweifel in den Mienen aller Beteiligten sprach Bände.

Carina machte eine Pause, um die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Ich kann Ihnen nach intensiven Gesprächen mit den zuständigen Behörden ein letztes Angebot unterbreiten.“

Allen war klar, dass die Verhandlungen bei einer Ablehnung zum Scheitern verurteilt waren.

„Errichten Sie Ihr gemeinsames Kulturinstitut auf unserem Planeten Erde.“ Shirk warf sich in seinem Stuhl nach hinten und richtete seine Fühler gerade auf Carina aus, seine Delegierten flüsterten leise miteinander.

Carina blickte auf T`Par und sah Interesse in ihren dunklen Augen aufglimmen. Einige vulkanische Delegierte warfen sich Blicke zu.

Die Spannung in Carinas Nacken lockerte sich ein wenig. Jetzt konnte sie die Bombe platzen lassen.

„Außerdem konnte ich ein Angebot des bekannten Architekten Rata Melara von Risa erhalten, der Ihnen seinen Entwurf präsentieren möchte.“

Aufgeregtes Flüstern auf Seiten der Andorianer zischelte zu Carina herüber und über T`Pars Gesicht huschte ein anerkennender Ausdruck.

Carina fuhr fort: „Rata Melara ist einer der größten Architekten beider Quadranten und ich bin sehr dankbar für sein Interesse. Seine Gabe, sich in die Bedürfnisse der verschiedenen Spezies einzufühlen und Bauwerke von großer Schönheit und Funktionalität zu erschaffen, hat ihm auf vielen Welten hohes Ansehen eingebracht.“

Alle blickten still auf Carina.

„Er hat mir zugesagt, ein Gebäude zu errichten, in dem die Bedürfnisse beider Völker berücksichtigt werden, verbunden durch einen Zwischentrakt mit den Umweltbedingungen der Erde, so dass sowohl Andorianer als auch Vulkanier“, sie nickte jeweils zu den betreffenden Gruppen, „einen höchstmöglichen Komfort genießen werden. Auf Ihre gemeinsamen Projekte scheint dann diese für Sie beide verträgliche Sonne Sol vom Spektraltyp G5, die genau zwischen den Typen F und K platziert ist.“

Carina hörte ein tiefes Aufatmen aus der Runde und endete: „Der Vormittag ist weit fortgeschritten. Sie werden darüber nachdenken und vielleicht auch Ihre Heimatregierungen kontaktieren wollen. Ich schlage daher vor, dass wir uns um

16.00 Uhr hier wieder treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.“ Die Delegationen stimmten zu, erhoben sich und verließen mit schnellen Schritten den Sitzungsraum. Carina schaute ihnen nach und bemerkte wieder einmal, wie sehr doch das spezielle Licht einer Sonne die Lebewesen in ihrer Nähe beeinflusste. Die helle weiße Sonne der Andorianer hatte die kalten Farben ihres Äußeren hervorgebracht und die roten Sonnen von Vulkan die dunklen Töne und warmen Farben, die die Bewohner ihres Planeten so würdevoll trugen.

Das Sekretariat summte vor Aktivität, als Carina durch den langgestreckten Raum schritt.

„Hallo, Emma“, begrüßte sie die Abteilungsleiterin. Emma Jones blickte von einem Padd auf, legte es sofort aus der Hand und schaute Carina an. „Seit langem habe ich nicht diesen Hoffnungsschimmer auf Ihrem Gesicht gesehen, Carina. Haben Sie es endlich geschafft, die Widerspenstigen zu vereinen?“

„Ich hoffe es“, erwiderte Carina. „Wenn sie diesmal nicht zustimmen, werde ich die Verhandlungen für gescheitert erklären, und sie wissen das auch. Mehr Vorschläge habe ich nicht zu machen. Aber ich bin zuversichtlich. Ich möchte Sie bitten, alle Unterlagen für die Vertragsunterzeichnung vorzubereiten. Sie sagten, bis auf den Standort des Institutes sei alles fertig?“

Emma Jones nickte und wies auf einen Stapel Padds.

„Man wird mich der Voreiligkeit bezichtigen, aber das nehme ich in Kauf. Hier sind die restlichen Modalitäten. Schaffen Sie es bis 15.30 Uhr?“ Emma warf einen Blick auf das Padd.

„Rata Melara!“ rief sie begeistert. „Ein Bauwerk von ihm auf der Erde wäre ein ungeheurer Gewinn. Natürlich schaffen wir es.“

Dankbar schüttelte Carina ihr die Hand.

Als sie durch die Halle dem Ausgang zustrebte, hob sie den Kopf und bemerkte den hellen Sonnenschein über der Bucht von San Francisco. Spontan entschloss sie sich, ihr Mittagessen im spanischen Restaurant neben der weitläufigen Terrasse des Institutes einzunehmen.

Zum Kochen hatte sie nie Lust gehabt, sie hielt das für Zeitverschwendung. Es gab in der näheren Umgebung eine Reihe Restaurants, die frische und abwechslungsreiche Kost boten.

Ihre kleine Wohnung lag ganz in der Nähe und aus ihren Fenstern überblickte sie die Bucht bis hin zur Golden Gate Brücke. Wenn sie das Haus nicht verlassen wollte, bediente sie sich am Replikator, mit dem jede Wohnung ausgestattet war. Nur ihren Tee brühte sie sich ganz altmodisch lieber selbst auf. Nach einem leichten Mahl ging sie in der Herbstsonne auf der Institutsterrasse auf und ab und genoss den milden Wind auf ihrem Gesicht.

Sie hatte Emma Jones die Wahrheit gesagt. Ihre Geduld war erschöpft.

Sie wollte sich endlich wieder mit der faszinierenden Welt von Bajor befassen. Erst seit etwa zehn Jahren rückte dieser Planet immer mehr in das Interesse der Föderation, nachdem im Denorios-Gürtel das erste bekannte stabile Wurmloch entdeckt worden war. Die provisorische Regierung Bajors hatte sofort mit Hilfe der Föderation der Planeten seine große Raumstation Deep Space Nine von ihrer Umlaufbahn um den siebten Planeten vor das Wurmloch verlegt und kontrollierte seitdem den Zugang zum siebzigtausend Lichtjahre entfernten Idran-System im Gamma-Quadranten. Bajor war nicht Mitglied der Föderation, aber es gab Bestrebungen, ihr beizutreten.

Die Station wurde auf Wunsch der bajoranischen Regierung gemeinsam mit der mächtigen Föderation betrieben, weil Bajor nach über vierzigjähriger Besetzung und Ausplünderung durch die benachbarten Cardassianer noch nicht stark genug war, um die Begehrlichkeiten einiger Welten, wie Cardassia Prime, dem Klingonischen Reich oder den Romulanern nach der Kontrolle des Wurmloches, allein abzuwehren. Die Föderation hatte den ersten Kommandanten gestellt.

Jetzt leitete ein bajoranischer Offizier die Station, die von vielen verschiedenen Spezies bewohnt wurde. In den nunmehr neun Jahren der Präsenz der Föderation zum Schutz von Bajor, dessen Sonne von seinen Bewohnern B`hava`el genannt wurde, war auch einiges über die bajoranische Geschichte bekannt geworden.

Die mehr als zweihunderttausend Jahre der reichen Kultur und Religion hatten Carina tief berührt. Schon seit einiger Zeit arbeitete sie an Vergleichen der bajoranischen Religion mit verschiedenen anderen Religionen, insbesondere mit dem irdischen Buddhismus fand sie Ähnlichkeiten und mit der vulkanischen Logik Gegensätzliches.

Gerade war sie auf alte Schriften über die Propheten gestoßen. Die Bajoraner beteten zu ihnen und glaubten ihren Sitz im Wurmloch gefunden zu haben.

Der interplanetare Kulturaustausch fiel auch in Carinas Zuständigkeit als Professorin für exoterrestrische Kulturwissenschaften und Sonderbeauftragte der Föderation und sie war eine geschickte Diplomatin. Aber jetzt würde sie die Verhandlungen mit Andoria und Vulkan beenden. Auf die eine oder die andere Weise. Carina war sicher, diesen Entschluss heute deutlich gemacht zu haben.

Vielleicht würde ein wenig Druck endlich die Entscheidung herbeiführen. Sie sah auf ihre Uhr und eilte ins Gebäude, um die Verträge abzuholen.

Kurz nacheinander trafen die Delegationen im Sitzungsraum ein. Carina versuchte, in ihren Gesichtern und Gesten zu lesen und Hoffnung keimte in ihr auf.

Shirk bat um das Wort: „Sehr verehrte Professor Klaas und verehrte Mitglieder der vulkanischen Delegation. Die ehrenwerten Angebote der Regierung der Erde und des berühmten Architekten Rata Melara aus Risa haben uns überzeugt und die andorianische Regierung veranlasst, dem Vertragswerk zuzustimmen.“ Er setzte sich mit dem Ausdruck der Befriedigung und blickte Carina freundlich an.

„Na, sieh mal an“, dachte sie, „ Andorianer können ja auch nett sein.“

Nun erhob sich T`Par. Carina hatte noch niemals einen Vulkanier lächeln sehen, aber die Miene der Delegationsleiterin ließ den Schluss zu, dass wenigstens zeitweise Ruhe und Distanz durch einen positiven Ausdruck ersetzt werden konnten. „Wir konnten uns ebenfalls den logischen und effektiven Schlussfolgerungen des Vorschlags nicht verschließen und sind von unserer Regierung autorisiert worden, den Vertrag auf der Basis der genannten Bedingungen zu unterzeichnen.“

Einen Moment war es ganz still im Raum.

Carina war erfüllt von Dankbarkeit und Erleichterung. Dann straffte sie ihren Körper, stand auf und dankte den Anwesenden. Sie legte die Padds mit den Verträgen auf den Tisch und übersah das ironische Zucken von T`Pars Augenbraue. Ja, sie hatte gespürt, dies wäre der Durchbruch und wenn sie auch etwas voreilig die Vorbereitungen betrieben hatte, so gab es jetzt kein Zurück mehr.

Die Delegationen zeichneten die Vereinbarungen ab und Carina ergriff noch einmal das Wort. „Der Regierung der Erde ist es eine Ehre, eine festliche Zeremonie auszurichten, in der der Erfolg aller Ihrer Bemühungen gefeiert werden wird.“

Sie machte eine Pause, um ihre Gefühle zu kontrollieren.

„Ich danke Ihnen allen für diese fruchtbare Zusammenarbeit und wünsche Ihrer zukünftigen Arbeit viel Erfolg. Möge Ihr Abkommen andere Völker ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen.“

Die Anwesenden nickten Carina freundlich zu. Es wurde auch ihr für Geduld, Ausdauer und Kreativität gedankt. Besonders gewürdigt wurden ihre profunden Kenntnisse der beiden Kulturen und ihrer Eigenheiten, die das Klima der Verhandlungen positiv gestaltet hatten.

Am Ende der Reden schloss Carina die Versammlung: „Unsere Protokollabteilung wird Ihnen Einladungen zur Feier zukommen lassen. Dort werden wir uns alle wiedersehen. Ich wünsche Ihnen einen guten Abend.“ Während Carina ihre Unterlagen einsammelte verließen die Delegationen den Raum, und als ob plötzlich unsichtbare Mauern gefallen wären, mischten sich die Gesprächsteilnehmer. Carina sah T`Par aufmerksam den lebhaften Ausführungen von Shirk lauschen. Aus der Gruppe der Berater klang sogar andorianisches Lachen herüber und gemeinsam strebten alle dem Ausgang zu.

„Nur noch die Formalitäten erledigen, dann gehe ich nach Hause und gönne mir einen entspannten stillen Abend“, dachte Carina und betrat die Räume der Protokollabteilung.

Leises Murmeln erfüllte den Festsaal, in dem gerade die Reden und Glückwünsche zum Abkommen über den künftigen Kulturaustausch zwischen Vulkan und Andoria geendet hatten. Carina fand sich in einer Gruppe Diplomaten wieder, die schon über ganz neue Zukunftsmöglichkeiten diskutierte. Wenn es Andorianern und Vulkaniern gelungen war, ihr Jahrhunderte altes Misstrauen beiseite zu schieben, dann, wer weiß, gäbe es auch Annäherungen zwischen Romulus und der Erde, oder, versuchte jemand zu übertrumpfen: „Vielleicht sogar zwischen Romulanern und Klingonen“! Aber so eine Utopie konnte sich dann doch niemand der Anwesenden vorstellen.

Carina blickte in die Versammlung all dieser festlich gekleideten Humanoiden, sie sah die prachtvollen Gewänder der Vulkanier. Die Andorianer trugen glänzende Stoffe wodurch ihre Kleidung weniger militärisch wirkte.

Aus einer Gruppe von Sternenflottenoffizieren in Gala-Uniform klang lautes Gelächter. Die Stimmung im Raum war entspannt und freundlich und Carina entschied, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, sich heimlich zu verdrücken.

Als sie sich dem Ausgang näherte, fühlte sie sich beobachtet. Vorsichtig musterte sie die Reihen der Anwesenden und sah gerade noch den Blick eines unauffälligen Mannes im grauen hochgeschlossenen Anzug. Sofort wendete er sich von ihr ab und verschwand in einer Gruppe Menschen. Ein Schauer lief Carinas Rücken entlang, der Blick war ihr unheimlich. Schnell drängte sie sich zur Tür und atmete erst auf, als der milde Landwind ihren Kopf kühlte.

Eilig ging sie die Promenade entlang. Über ihr, vor dem Hintergrund des Sternenhimmels, zogen die orbitalen Raumstationen ihre Bahnen. Seit der ersten internationalen Raumstation zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts hatte sich die Welt sehr verändert, niemand hätte damals geglaubt, dass interplanetare Reisen möglich wären. Carina war dankbar, in dieser Zeit an diesem Ort zu leben. Vierhundert Jahre Raumfahrt hatten das Tor zur Galaxis mit seiner Unzahl von bewohnten Planeten geöffnet. Wie aufregend war es für eine Wissenschaftlerin, an all dem Neuen und Überraschenden teilhaben zu können.

Sie folgte der baumbestandenen Promenade um einen Bogen nach Norden und sah den Ausblick, den sie am meisten in San Francisco liebte. Am Ende der lichterglänzenden Bucht schob sich die leuchtende Silhouette der Golden Gate Brücke ins Blickfeld und ganz in ihrer Nähe leuchteten die unzähligen Fenster des Sternenflottenoberkommandos und der Akademie herüber.

Jetzt war sie angekommen und schloss die Haustür zu dem Appartementhaus auf, in dem sie in einer kleinen Wohnung lebte. Aus irgendeinem Grund drehte sie sich noch einmal kurz um und meinte, eine schnelle Bewegung unter den Bäumen zu sehen. Eilig ließ sie die Tür ins Schloss fallen und erst als ihre Wohnungstür zuschnappte, entspannten sich ihre Muskeln.

„Du siehst Gespenster“, schalt sie sich. Für sie als Morgenmensch war es spät geworden, aber es dauerte lange, ehe sie in einen unruhigen Schlaf fiel.

Am Ende der Gasse hatten sie ihm aufgelauert. Worf sah sich einer Gruppe von Kriegern gegenüber, die im Schatten der Häuser auf ihn zukamen. Er erkannte das Zeichen der Duras- Familie auf den metallenen Schärpen über dem Brustharnisch.

„Vielleicht ist heute ein guter Tag zum Sterben“, dachte er. Aber er würde es ihnen schwer machen.

„Seid ihr so feige, dass ihr mit so vielen kommt?“ rief er ihnen zu und versuchte sich strategisch günstig vor die Wand eines Hauses zu stellen. „Und wo ist der Feigling Toral? Lässt er andere die Drecksarbeit für sich machen?“

Sie schrien laute Verwünschungen und schlugen auf ihn ein. Nur mühsam konnte er den Schwüngen der Bat`leths ausweichen. Ein Messerstich traf ihn in die Seite und er stolperte. Voller Wut schlug er um sich und verschaffte sich einen Vorteil, als er einem taumelnden Krieger sein Mek`leth entreißen konnte, aber die kleine Waffe zerbrach nach wenigen harten Schlägen.

Aus einer Wunde auf seiner mächtigen Klingonenstirn rann ihm Blut in die Augen, er konnte seine Angreifer nur noch verschwommen sehen. Mit einem lauten Schrei wehrte er den nächsten Schlag ab, jeden Moment konnte ihn der tödliche Hieb treffen.

Aber sein Gegner sank plötzlich zu Boden, getroffen von Waffenfeuer. Die Strahlen schossen kreuz und quer durch die enge Gasse. Worf wirbelte herum, bereit, sich neuem Angriff zu stellen. Er wurde gepackt, wehrte sich vehement, als er eine Stimme hörte:“Worf, ich bin es! Norath, aus dem Hause Martok!“ Worf sank in die Knie, dann fühlte er sich ergriffen und weggeschleppt, ehe es dunkel um ihn wurde.

Er fühlte Hände an seinem Körper und riss sich los.

„Halte still!“ befahl eine raue weibliche Stimme. „Wir sind gleich fertig.“ Mühsam öffnete Worf seine geschwollenen Augen und sah in das strenge schöne Gesicht von Lady Sirella, Ehefrau seines Familienoberhauptes, des Kanzlers des klingonischen Reiches Martok und Herrin des Hauses.

Langsam ließ er sich wieder sinken, eine Ärztin führte den Hautregenerator über seine Wunden.

„Wie komme ich hierher?“ murmelte er.

„Wir wussten, dass dir der Duras-Clan auf den Fersen war und haben dir Norath mit einigen Männern entgegengeschickt. Wie oft habe ich dich gewarnt. Toral sucht Rache für den Tod seines Vaters und hat geschworen, dich zu töten.“

Sie sah ihn besorgt an. „Seit du hier auf Kronos bist, bist du nicht mehr derselbe. Was ist los mit dir, Worf. Suchst du den Tod“?

Er schaute weg und schwieg. Lady Sirella wartete noch einen Moment und ging dann zur Tür.

„Morgen wird alles verheilt sein, bleibe bis dahin liegen“, befahl sie. Die Ärztin nickte Worf zu, nahm ihre Tasche und folgte Sirella hinaus.

Worf blickte sich in seinem vertrauten Zimmer um. Alles war unverändert und er entspannte die Muskeln. Vorsichtig bewegte er Arme und Beine, betastete seinen Kopf und seine Rippen. Norath war gerade noch rechtzeitig gekommen. Auch mit seiner langjährigen Kampferfahrung hätte er nicht mehr lange standhalten können.

Seine Sternenflottenuniform lag sauber über einem Stuhl. Trotz seines Ranges als Botschafter der Föderation beim klingonischen Hohen Rat trug er sie am liebsten.

Erst hier, als er das erste Mal in seinem Leben längere Zeit auf Kronos lebte, wurde ihm bewusst, wie sehr ihn die Erde und die Sternenflotte geprägt hatten. Bei Menschen aufgewachsen, fiel es ihm schwer, auf diesem harten Planeten mit den extremen Jahreszeiten und unter seinem kriegerischen Volk zu leben. Er war nirgendwo zu Hause, weder auf der Erde als Klingone, noch als Botschafter der Föderation und als Sternenflottenoffizier auf Kronos. Nur mit seiner Frau Jadzia hatte er ein Zuhause gehabt, damals, in der kurzen glücklichen Zeit auf DS9.

Er stöhnte, als ihn die Erinnerung an seine tote Frau überfiel.

Der Dax-Symbiont, mit dem sie als Trill vereinigt gewesen war, hatte mit allen ihren Erinnerungen überlebt. Eine junge Trill, Ezri Tigan, hatte ihn bekommen. Sie war nicht darauf vorbereitet. Aber die Reise nach Trill hätte der Symbiont nicht überlebt. Sie hieß nun Ezri Dax und lebte als therapeutische Beraterin weiter auf DS9. Worf mochte Ezri, aber eine kurze verbotene Affäre mit ihr hatte ihm auch deutlich gemacht: Ezri war nicht Jadzia. Er hatte nicht den Symbionten geliebt, sondern diese wunderschöne große Frau mit dem aufregenden Fleckenband der Trill von den Schläfen bis zu den Füßen.

Schlank und elegant war sie und eine geschickte Kämpferin mit dem Bat`leth. Manchmal sah er ihr Gesicht vor sich, die leuchtenden blauen Augen, das schelmische Lächeln, das sie so unwiderstehlich machte, umrahmt von langem dunklem Haar.

Er barg das Gesicht in den Händen. Ihn, den ruppigen Klingonen mit der gewaltigen Stirn seines Volkes, hatte sie gewählt.

Seit ein Pah-Geist sie getötet hatte, suchte er insgeheim den Tod. Er wollte ihr in die klingonische Totenwelt Sto`vo`kor folgen. Mit einer großen Heldentat, der Zerstörung einer feindlichen Schiffswerft, hatten er, Martok und ihre Freunde die Tore des Sto´vo´kor für eine Trill geöffnet. Lady Sirella hatte recht, er wollte sie wiedersehen.

Sein Blick fiel auf die schweren dunklen Möbel und dann auf die kleine reichgeschmückte Truhe, in der er seine Erinnerungen an sie bewahrte. Er brauchte nicht hineinzusehen, er wusste ganz genau, was sich darin befand: Bilder von ihrer Hochzeit, ein Haarband und andere Kleinigkeiten. Das Kostbarste aber war ein Fetzen Tuch, benetzt mit ihrem Blut. Sie waren beide bei der Rettungsaktion für einen Föderationsspion in einen Hinterhalt gerieten. Er hatte die Mission entgegen ihren Befehlen abgebrochen und seine Frau gerettet.

Jetzt, wo er allein war, musste er seinen Schmerz nicht länger verbergen. Die Zukunft lag düster vor ihm, er gehörte nirgendwo hin.

Lange starrte er aus dem Fenster in die hereinbrechende Dunkelheit.

Die Halle des Hauses Martok war erfüllt vom Lachen und Schreien einer großen Gruppe klingonischer Männer und Frauen, deren Schatten im Licht der Feuerstellen an den Wänden tanzten. Dort hingen Waffen und Trophäen vieler Kriege und zeugten von der großen Ehre des Hauses.

In einer Ecke schlugen zwei Krieger aufeinander ein, angefeuert von den Umstehenden.

Die Mitte des Raumes beherrschte ein riesiger Kessel, gefüllt mit Blutwein, aus dem sich jeder seinen Becher randvoll schöpfte. Auf den Tischen türmten sich die Speisen, Fleisch und frischer Gagh, noch lebhaft ringelnd.

Gerade wurde unter großem Beifall ein Lied zu Ehren von Kahless dem Unvergesslichen gesungen, als Worf eintrat.

„Worf“, brüllte Martok. „Komm her, iss und trink und feiere deinen glorreichen Kampf gegen die feige Brut des Duras.“

Worf drängte sich durch das Getümmel und nahm neben Kanzler Martok Platz.

Er war noch nicht wieder hergestellt und vielleicht sah er deshalb das ganze Gewimmel wie aus einiger Ferne. „Hätte nicht Kahless die Ehre eines Kriegers als das höchste Gut gepriesen, diese Rasse hätte sich in ihrer Kampfeswut schon lange ausgelöscht“, dachte er. „Nur der Ehrenkodex macht dieses Volk überhaupt regierbar. Von welcher anderen Zivilisation hat man je gehört, die ihre eigenen Götter erschlagen hatte, wie es die Klingonen taten.“

Worf griff nach einem großen Becher Blutwein, trank, und fühlte ihn heiß die Kehle herunter rinnen. Gerade wollte er Martok für seine Unterstützung danken, als er durch einen Tumult am Eingang abgelenkt wurde.

Zwei junge Männer führten einen Targ herein, der wild um sich biss.

„Ihr glaubt wohl, dies sei ein Targ wie jeder andere, den ich mir gezähmt hätte“, brüllte Martok durch das Geschrei. „Aber hört her!“ Der Lärm ließ nach. Einer guten Geschichte konnte kein Klingone widerstehen und aus den besten machten sie grandiose Opern.

„Hatte ich nicht schon erzählt, dass ich in meiner Jugend einen besonders wilden Targ im Hause hatte?“

Zustimmendes Gemurmel.

„In seinem hohen Alter nutzte er eine offene Tür und verschwand. Gerade, als Lady Sirella hier eingezogen war.“

Er sah vielsagend zu seiner Frau hinüber. Die warf ihm einen wütenden Blick zu.

„Nie wieder gab es einen Targ wie jenen, so viele ich danach noch hatte. Und dann, vor ein paar Monaten, hörte ich von Jorath, Sohn von Kolas.“

„Den schlappen Wissenschaftler im biologischen Forschungszentrum?“ rief eine Stimme aus dem Hintergrund.

Martok hatte heute einen guten Tag, er blitzte mit seinem einen Auge in Richtung des Zwischenrufers.

„Ohne Wissenschaftler hätten wir nicht die Mittel, unseren Feinden ebenbürtig zu bleiben. Die muss es auch geben!“

Auf den Gesichtern in seiner Umgebung malte sich Zweifel. Was konnte es glorreicheres geben als Kampf und Sieg?

„Vor einiger Zeit fand ich das alte zerfetzte Beißspielzeug meines alten Targ, aus reiner Sentimentalität nicht weggeworfen.“

Einige Umsitzende nickten. An so ein Tier konnte man sich gewöhnen.

„Ja“, blickte Martok in die Runde“, da hatte ich doch die Idee, mein altes Tier klonen zu lassen, genug Material war am Spielzeug übriggeblieben. Und hier ist er“, schrie er triumphierend. „Original mein alter Targ.“

Alle Augen schauten auf das tobende Tier.

„Ein Prachtstück, das muss man zugeben“, sagte Norath. Mit weiteren Lobpreisungen hielt er sich nach einem Blick auf Lady Sirella zurück. Worf sprang so heftig auf, dass sein Stuhl kippte und zu Boden fiel.

„Na, was sagst du dazu, Worf?“ Schmerzhaft fühlte Worf den freundschaftlichen Stoß an seinen gerade geheilten Rippen.

„Ja, Martok“, presste er heraus. „Sehr gut gelungen.“

Martok wandte sich den anderen wieder zu und prahlte laut mit seinem Tier.

Worf stand eine Weile wie gelähmt, dann kämpfte er sich zur Tür durch. In Lady Sirellas Augen blitzte es auf. Gleich nach ihm verließ sie die Halle und folgte ihm. Sie ergriff seinen Arm und zwang ihn, sie anzusehen.

„Denke nicht einmal darüber nach“, sagte sie scharf.

„Woher…?“ riss er sich los.

„Dein Gesicht ist ein offenes Buch“, schnappte Sirella. „Lass uns rausgehen, dann wird dein Verstand wieder klar.“

Sie traten in die stürmische Nacht. Worf drehte sich zu ihr um und, obwohl sie eine strenge Frau war, rührten sie sein Schmerz und seine Hoffnungslosigkeit. Sie schluckte ihre Vorwürfe herunter und blieb still.

Nach einer Weile fragte sie leise: „So schlimm ist es?“ Worf konnte nur nicken. Sie gingen langsam dem Wohntrakt zu. Lady Sirella hielt ihren Kopf nachdenklich gesenkt. In der Eingangshalle brannte ein wärmendes Feuer im offenen Kamin, zwei große Lehnstühle standen rechts und links daneben. Sirella wies auf den einen.

„Setz dich, lass mich nachdenken.“ Sie ließ sich in dem anderen Stuhl nieder und blickte in die Flammen. Worf wagte nicht, sie zu stören. Draußen heulte der Wind und trug Fetzen von Stimmen und Gesang aus dem Festsaal herüber.

Lange saßen sie so. Worf legte ab und zu einen Kloben Holz nach und grübelte vor sich hin.

Dann hob Lady Sirella den Kopf. „So könnte es gehen“, sagte sie zu Worf, der aus seinen Gedanken hochschreckte.

„Jorath ist ein großer Wissenschaftler. Wenn jemand den Körper von Jadzia wieder erschaffen kann, ist er es“. Sie stockte. In Worfs Augen glomm Hoffnung auf. „Sieh Worf, zuerst war ich gegen deine Heirat mit einer Trill.“ Er nickte und erinnerte sich an die Streitereien.

„Aber“, fuhr Sirella fort, „ich habe Jadzia achten und schätzen gelernt. Sie war außergewöhnlich. Jadzia ist aber kein Tier, sie hatte Geist, Seele und Persönlichkeit. Jorath kann nur den Körper erschaffen.“

Worf sackte etwas zusammen.

„Es gibt aber den neuen Wirt des Dax-Symbionten. In ihr lebt Jadzia weiter.“

„Ezri“, rief Worf.

„Ja.“ nickte Sirella. „Wenn man eine Möglichkeit finden könnte, Ezris Erinnerungen auf den neuen Körper zu übertragen, dann könnte Jadzia, wenn auch ohne Symbionten, ein normal langes Trill-Leben mit dir verbringen.“ Worf sprang auf und durchmaß mit langen Schritten den Raum.

„Aber ihre Seele ist im Sto`vo`kor“, sagte er heiser.“Niemals ist eine Seele von dort zurückgekommen.“

„Du musst nach Boreth und den geistlichen Imperator Kahless um Rat fragen“, schlug Sirella vor. „Nur er wird dir sagen, ob Jadzias Seele wieder einen Körper bewohnen kann.“

Worf schaute Sirella dankbar an. „Ich werde morgen abreisen“, bestimmte er. Dann verbeugte er sich vor Lady Sirella und ging mit schnellen Schritten in sein Zimmer.

Immerzu sah sie dieses Gesicht an. Intensiv saugten sich die Augen des dunkelhäutigen Mannes in ihrem Blick fest. Sein Kopf war kahl rasiert, um Kinn und Oberlippe zog sich ein schmaler Bart, die Augenbrauen dünn und unauffällig, der Blick der braunen Augen ließ sie nicht los. Er wollte ihr etwas mitteilen, aber kein Wort kam über seine Lippen.

„Was willst du von mir“, rief Carina, aber sie konnte auch sich selbst nicht hören. Das Gesicht verblasste langsam, bis zuletzt fühlte sie die Gegenwart von Gedanken, die sich nicht in Worten mitteilten. Als letztes verschwand der Ausdruck seiner Augen. Sie streckte ihm ihre Arme entgegen, wollte ihn festhalten, aber sein Gesicht war fort.

Und nun zog es sie selbst in dieses Nichts hinein, sie fühlte, wie sie begann, sich aufzulösen. Sie wollte schreien, hatte aber keinen Mund mehr. Das Nichts ergriff ihren Geist, Dunkelheit breitete sich aus. Dann, ganz kurz, traf sie ein weißer Lichtstrahl und blaue Wirbel umgaben sie – ein Weg raus aus der Finsternis!

Heftiges Herzklopfen rissen Carina aus dem Schlaf. Angst und Grauen ließen sie aus dem Bett springen und von einem Zimmer zum anderen jagen, immer wieder, hin und zurück. Dabei keuchte sie:“ Nein, nein, nein! Ich will nicht sterben!“

Eine solche Panik hatte sie schon lange nicht mehr gehabt, nur Ablenkung konnte ihr jetzt noch helfen.

Der Schlaf hatte sie wehrlos gemacht, die Angst konnte sich anschleichen, der sie bei Tageslicht gelernt hatte zu entkommen.

Sie rannte zum Fenster und riss die Vorhänge auf.

Weit öffnete sie die Flügel und kühlte ihr Gesicht in der frischen Nachtluft. Langsam ließ die Panik in ihr nach. „Könnte ich doch meine Ängste so gut kontrollieren wie meinen Verstand“, dachte sie traurig.

Im Osten breitete sich ein schmaler Streifen blassen Lichtes aus und tröstete sie mit der Aussicht auf den neuen Tag.

Langsam beruhigte sich ihr Herz. Mit weichen Knien brühte sie sich einen Tee auf und nach einer Weile ließ ihre Schwäche nach.

„Arbeit ist jetzt das Beste für mich“, dachte sie. „Viel Arbeit.“

Sie traf früh im Institut ein und begann sofort mit der lange vernachlässigten Arbeit, aber immer wieder schweiften ihre Gedanken ab zu dem Gesicht aus ihrem Traum. Es war ein freundliches Gesicht, aufmerksam und gesammelt. Dieser Mann hatte etwas von ihr gewollt. Was nur? Sie kannte ihn nicht, hatte ihn nie gesehen.

Wirklich nicht?

Und dann war plötzlich die Verbindung da. Ein leichtes Erschrecken folgte der Erkenntnis: Dies war der Mann aus dem Traum, den sie vor einigen Tagen so intensiv erlebt hatte. Dieser Mann hatte sich und den Angreifer zusammen mit dem geheimnisvollen Buch in den feurigen Abgrund gestürzt.

Carina stand mit zitternden Beinen von ihrem Arbeitsterminal auf. „Jetzt ist es soweit“, dachte sie beunruhigt. „Nun, wo die Anspannung der langen Verhandlungen vorüber ist, klappe ich zusammen. Wo ist nur die Adresse dieses Vulkaniers, der mich vor einigen Jahren in Meditationsübungen einweisen wollte? Vielleicht ist das ja doch eine gute Idee. Aber jetzt wird es erst einmal eine Tasse Tee tun müssen.“

Mit dem duftenden wärmenden Getränk stand sie dann am Fenster und genoss den Ausblick, den sie sich so oft wie möglich gönnte. Von hier oben konnte sie weit entfernt die weißen Gebäude der Sternenflottenakademie inmitten ihres baumbestandenen Parks erkennen. Oft fühlte sie bei diesem Anblick einen kleinen Stich im Herzen. Wie gerne wäre sie Wissenschaftsoffizier bei der Sternenflotte geworden und hätte all die Wunder der Galaxie selbst entdecken dürfen. Aber sie wurde schwer raumkrank und konnte ihre panische Flugangst nicht überwinden. Schon im ersten Auswahlverfahren war sie als untauglich ausgeschlossen worden.

Nun bearbeitete sie die Erkenntnisse der Expeditionen und hatte sich zu einer gefragten Expertin in Kultur- und Religionswissenschaften entwickelt. Da wartete Neues von Bajor auf sie und mit frischer Energie wandte sie sich wieder ihrer Arbeit wieder zu. In einer gewissen Weise, sie konnte gar nicht beschreiben wie, berührte die Kultur dieses spirituellen Volkes ihre Seele. Sie freute sich, dass sie nun endlich dafür Zeit hatte.

Zur selben Zeit stand Admiral William Ross mit einem Becher Kaffee am Fenster seines Büros beim Oberkommando der Sternenflotte. Als er das Öffnen der Tür hörte, wandte er sich um. Eine junge Frau steckte den Kopf durch den Türspalt.

„Ihr Besuch ist da, Sir“, sagte Jenny Myers. „Schicken Sie ihn rein, Fähnrich“, antwortet er und trat an seinen Schreibtisch.

Leise schloss der Besucher die Tür hinter sich. Alles an ihm war leise und unauffällig, sein Gesicht, so alltäglich, dass man es sofort wieder vergaß.

„So sollte ein Agent wohl auch sein“, dachte der Admiral. „Sektion einunddreißig sucht seine Mitarbeiter immer sehr sorgfältig aus, nichts ist verheerender für Geheimoperationen als ein Held.“

Er zeigte auf einen Stuhl ihm gegenüber. Der Besucher musterte die Padds, die den Schreibtisch bedeckten. „Ich sehe, Sie haben die Nachrichten aus Bajor gelesen.“ „Ja“, nickte Ross. „Sie bestätigen meine Befürchtungen, dass der

`Kreis` wieder aktiv ist.“ Der Agent nickte. „Es wird Zeit, Ihren Plan umzusetzen, sonst wird ein neuer Kai gewählt, der den Beitritt zur Föderation ablehnt. Wir können die Kontrolle über das Wurmloch nicht allein den Bajoranern überlassen.“

Admiral Ross straffte sich. „Sie haben recht. Wir müssen handeln.“

Er griff nach einem anderen Padd. „Ihr Dossier hört sich vielversprechend an. Die Leistungen sind überdurchschnittlich, sie ist verschwiegen und geschickt. Der Vertrag zwischen Andoria und Vulkan ist ein großer Erfolg. Wer so entgegengesetzte Temperamente zum Wohl aller vereinen kann, verdient Respekt. Haben Sie sie gesehen?“

„Ja, gestern Abend auf der Feier. Aber ich glaube, sie hat mich bemerkt. Sie hat gute Instinkte.“

Der Admiral blickte auf. „Bringen Sie sie her. Es ist Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Sie wird noch ein paar Tage zum Einarbeiten brauchen und wenn die Voyager in zwei Wochen nach Deep Space Nine fliegt, möchte ich sie an Bord sehen.“

Zögernd erhob sich der Agent. „Da wäre noch etwas, das Sie wissen sollten, Admiral“, sagte er langsam. Ross hob den Kopf. „Sie ist, nun ja, wie soll ich sagen…, sie wirkt so klein und zerbrechlich.“

Der Admiral lächelte: „Es scheint, als sei bei dieser Dame alles etwas konzentrierter. Außerdem kann es nicht schaden, wenn man zu Anfang unterschätzt wird. Ist ihr Alter ein Problem?“ „Nein, sie ist ihren einundsechzig Jahren entsprechend gesund und ihre Raumkrankheit kann inzwischen gut behandelt werden. Wir müssen sie nur davon überzeugen. Setzen Sie ihren Charme ein“, sagte er ironisch im Hinausgehen zum Admiral.

Ross sah ihm nach. Er hätte schon nicht mehr beschreiben können, wie er aussah. Dann wendete er sich wieder dem Dossier über Carina Klaas zu. „Es kann ja nicht schaden, einige Argumente zu finden, die diese Dame überzeugen müssen. Fühlt sie sich nicht zu Bajor besonders hingezogen?“ dachte er.

Das klare Herbstwetter war Wind und Regen gewichen. Carina saß in der Bibliothek. Es dämmerte bereits und sie forderte: „Computer, Licht, Spot auf meinen Arbeitsplatz.“ Sofort erhellte ein freundlicher Lichtschein ihren Schreibtisch. Sie blätterte durch alte Handschriften, scannte sie in den Handcomputer und ließ den Text übersetzen. „Das hier ist mindestens zehntausend Jahre alt“, staunte sie. „Wie vertrauensvoll von Vedek Parem Gabor, uns solche Kostbarkeiten zum Studium zu überlassen.“

Sie erinnerte sich an die Eigenheiten bajoranischer Namen und Familien. Zuerst kam der Familienname, weil die Familie der wichtigste Aspekt im Leben der Bajoraner ist, dann der Vorname. Jedes Familienmitglied trug den gleichen speziell gestalteten Schmuck am rechten Ohr, der wie ein Wappen unverwechselbar war. Ein Teil des Ohrrings wurde oben an der Ohrmuschel befestigt und war mit feinen Kettchen am größeren Schmuckteil des Ohrläppchens verbunden. Carina fand diesen Ausdruck von Identität, Zugehörigkeit und Schönheit beeindruckend.

„Gabor als Vorname, hört sich vertrauenerweckend an“, dachte sie und erinnerte sich an einen freundlichen Mitschüler gleichen Namens. „Schade, dass ich ihn nie kennenlernen werde.“

Sie blätterte weiter und konzentrierte sich ganz auf den Text. Er beschrieb das unheilvolle Wirken von Feuergeistern, Pah-Geister genannt, die in tiefe Höhlen unter einer Bergkette auf Bajor von den Propheten eingeschlossen wurden, als sie drohten, alle Einwohner zu unterwerfen und zur Anbetung zu zwingen. Ohne zu wissen warum, fühlte sich Carina beunruhigt. Sie hatte bisher nichts über die Pah-Geister gewusst und konnte keinen Zusammenhang zu ihrem Leben herstellen. Trotzdem, da war etwas Unerfreuliches bei dem Gedanken.

Sie schaute hoch und versuchte durch die Tropfen auf der Fensterscheibe die Bucht und die Lichter des Ufers zu erkennen. Plötzlich wurde sie gewahr, dass sie nicht allein war. Im Spiegelbild der Scheibe sah sie einen Mann, der unhörbar hinter sie getreten war. Sie fuhr herum und war so erschrocken, dass sie einen Schrei ausstieß.

„Oh, bitte verzeihen Sie“, sagte der Mann. „Ich hatte nicht die Absicht Sie zu beunruhigen.“

Seine Stimme klang leise, aber deutlich. Carina erkannte den Mann wieder, der ihr auf dem Empfang aufgefallen war.

„Ich habe Sie schon einmal gesehen“, sagte sie scharf. „Was wollen Sie von mir?“

„Ich überbringe eine Einladung von Admiral Ross vom Sternenflottenoberkommando. Er wünscht Ihre Fachkenntnisse für ein wichtiges Projekt in Anspruch zu nehmen. Es ist von großer politischer Bedeutung und unbedingt erforderlich, dass Sie sich sein Anliegen anhören.“

Wut stieg in Carina hoch. Nein, nicht jetzt. Sie brauchte Erholung und wollte sich endlich um ihre Studien kümmern. Der Mann sah ihre Widerspenstigkeit und lächelte, als er den Köder auswarf. „Es geht um Bajor und um das Wohlergehen seiner Bewohner“, sagte er mit weichem Klang.

Carina war sich seiner Gefährlichkeit trotz des verbindlichen Tons sofort bewusst. „Ein Agent“, vermutete sie. Es wäre unklug, sich der Einladung zu widersetzen. Und, ob sie wollte oder nicht, den Angelhaken `Bajor` hatte sie sofort verschluckt. „Ich werde den Admiral aufsuchen“, stimmte sie nach kurzem Zögern zu.

„Auf diesem Chip finden Sie alle notwendigen Angaben, wo das Treffen stadtfinden wird.“ Der Agent überreichte ihr den kleinen optronischen Chip, verbeugte sich kurz und war in den Schatten der Bibliothek verschwunden. Hätte Carina nicht den Chip in ihrer Hand gehalten, hätte sie an einen Traum geglaubt, so unwirklich erschienen ihr die letzten Minuten.

Sie rieb sich die Augen. Mit dem konzentrierten Arbeiten war es für heute vorbei und sie konnte sich nicht des Gefühls erwehren, dass sich Entscheidendes vorbereitete.

„Wohin wird mich das führen“, fragte sie sich beunruhigt, als sie die Bibliothek verließ und in den Regen hinaustrat.

Wolkenfetzen umhüllten die Gipfel.

Der scharfe Gebirgswind schnitt ihm in die Haut. Nach einem langen Aufstieg sah Worf die vertraute Silhouette des Klosters endlich vor sich. Schon oft hatte er hier Frieden gesucht, wenn seine zerrissene Seele die Orientierung verloren hatte.

Abt Koroth empfing ihn.“Ich grüße dich, Worf“, sagte er. „Wir wussten schon, dass du kommst.“

Worf schaute ihn erstaunt an.

„Kahless hat uns mitgeteilt, dass er dich erwartet.“

Obwohl ihn diese Nachricht traf, zeigte Worf keine Regung.

„Wann kann ich mit ihm sprechen?“

„Er ist bereit“, antwortete Koroth und führte ihn in die Zentrale Halle. Nichts hatte sich hier verändert, seit Jahrhunderten war alles vorbereitet für die Rückkehr von Kahless dem Unvergesslichen. Besungene und verehrte Waffen schmückten die Seitenwände. Aus der Mitte der Rückwand schaute zwischen rotgeflammten Säulen ein großes Portrait des Helden jedem Eintretenden entgegen.

Zwei Stufen erhöht stand der Thron, auf dem ein Bat´leth lag, das darauf wartete, geschwungen zu werden.

Im Erdenjahr 2369 war es den Mönchen von Boreth gelungen, einen Klon von Kahless ins Leben zu rufen. Sein Charakter wurde nach den alten Schriften und Legenden gestaltet, aber er unterschied sich doch von seinem Vorgänger und konnte die Stellung eines militärischen Anführers nicht ausfüllen, so wurde er seit der Zeit als das geistliche Oberhaupt der Klingonen verehrt.

Und Kahless trat aus dem Schatten ins flackernde Licht der Fackeln, setzte sich auf den Thron und legte das Bat´leth quer über seine Knie.

Worf verneigte sich tief.

Kahless fasste ihn scharf ins Auge. „Nimm dir einen Stuhl und setze dich neben mich. Koroth, lass uns allein.“

Der Abt zog sich zurück und Kahless wandte sich Worf zu: „Nun teile mir dein Anliegen mit.“

Langsam, nach Worten suchend und stockend sprach Worf über seinen Wunsch, die Seele seiner Frau aus dem Sto`vo`kor zurück ins Leben zu holen. Als er geendet hatte, schwieg Kahless lange und blieb in sich versunken. Worf verlor alle Hoffnung. Aber als Kahless wieder sprach, klang seine Stimme nicht abweisend.

„Deine Frau war eine Trill, die die Erinnerungen von sieben Leben und die Erfahrungen von mehr als dreihundert Jahren in sich trug. Und, nicht zu vergessen, der Dax-Symbiont hat als Curzon Dax das Khitomer-Abkommen ausgehandelt, das uns Frieden mit der Föderation brachte.“

Er schwieg wieder eine Weile, Worf wagte nicht, ihn zu unterbrechen.

„In diesem Fall, weil es sich nicht um eine Klingonin handelt, sehe ich die Möglichkeit, dass ihr erlaubt wird, das Sto`vo`kor eine Weile zu verlassen, um dann an deiner Seite nach eurem gemeinsamen Tod ehrenvoll dorthin zurückzukehren.“

Worf atmete hörbar ein.

„Aber“, erhob Kahless die Stimme, „sie muss gefragt werden, ob sie dazu bereit ist und es muss eine Möglichkeit geschaffen werden, Körper, Geist und Seele zu vereinigen.“

„Wie gelange ich ins Sto`vo`kor, um sie zu fragen?“ rief Worf.

„Du gehst nicht“, beschied ihn Kahless. „Nur mein Geist hat Zutritt und ich werde gehen. Ziehe dich in Meditation und Übungen zurück, ich werde dich rufen lassen.“

Kahless stand auf und verließ die Halle durch eine Seitentür.

Aus einem unruhigen Schlaf erwachte Worf in seiner kahlen Unterkunft. Die Kerzen waren niedergebrannt und er fühlte die Kälte und Härte des steinernen Bodens.

Er lauschte.

Ja, es waren noch immer die monotonen Gesänge aus der Tiefe des Klosters zu hören, mit denen die Mönche den Weg ihres Imperators begleiteten.

Er trank etwas Wasser und trat ans Fenster. Sonst wolkenverhangen, konnte er heute Morgen von diesem Berggipfel aus weit über das Gebirge sehen, über dem große Raubvögel kreisten. In der Ferne erreichten die ersten Strahlen der roten Sonne von Boreth den Wolkensaum und tauchten ihn in blutroten Glanz.

Worf sprach seine vorgeschriebenen Litaneien und bereitete sich auf einen weiteren Tag der Meditationen vor.

Da erhob er seinen Kopf und lauschte wieder.

Der Gesang war verstummt. Tiefe Stille breitete sich aus. Er faltete seine Decke, setzte sich nieder und wartete.

Schritte näherten sich. Es war Koroth.

„Kahless ist von seiner Reise zurück und erwartet dich“, forderte er Worf auf.

Mit zitterndem Herzen, aber äußerlich unbewegt betrat Worf die Zentrale Halle. Kahless saß zusammengesunken auf seinem Thron und hielt die Augen geschlossen. Worf wartete. Als Kahless seine Augen endlich öffnete, sah er, wie erschöpft der Imperator war.

„Ich bringe Nachricht von Jadzia“, sagte er und winkte Worf näher zu sich.

„Mein Geist hat sie gesehen. Sie ist wegen ihrer Heldentaten geachtet und geehrt, aber sie fühlt sich einsam ohne dich und ist des ewigen Festes in der Großen Halle müde.“

Worf senkte den Kopf.

„Sie bat mich, dir folgendes auszurichten: `Meine Seele und mein Geist können mit Hilfe von Ezri Dax mit meinem Körper verbunden werden. Ich bin bereit, ohne den Dax-Symbionten zu leben. Die Vereinigung braucht die Hilfe von vulkanischer Gedankenverschmelzung. Aber damit sie von Dauer ist, sind weitere Maßnahmen notwendig, die ich nicht kenne. Finde sie heraus und ich bin bereit, dem Ruf zu folgen`.

Ich verabschiedete mich von ihr im Eingang des Sto`vo`kor und die Tore waren weit geöffnet.“

Worf sank in die Knie und küsste Kahless die Hand.

„Nun gehe, mein Sohn. Schwere Herausforderungen warten auf dich, und, wer weiß, vielleicht werden eines Tages Lieder gesungen werden über eine große Liebe, die den Tod besiegte.“

Worf erhob sich. „Ich danke dir, großer Kahless.“

Aufrecht und stolz ging er hinaus. Welcher Kampf könnte ehrenvoller sein als der, eine Seele aus dem Sto`vo`kor zu holen.

Er würde siegreich sein!

Lautes Gelächter klang aus Admiral Ross` Büro. Neugierig schaute Fähnrich Myers in Richtung der Tür. Wie aufregend, dass sie den berühmten Admiral Kathryn Janeway hineingeführt hatte. Aber nun war es still und sie wendete sich wieder ihrer Arbeit zu.

Admiral Ross hatte seine Besucherin zur Sitzgruppe gebeten, beide nippten an ihrem Kaffee und genossen ihn sichtlich.

„Ich kann es kaum glauben“, sagte er. „Annika Hansen hat Admiral Paris rausgeworfen?“

„Nun, nicht direkt“, antwortete Janeway. „Er besichtigte die Umbauten auf der `Voyager`. Annika, sie möchte immer noch `Seven of Nine` genannt werden, war gerade mit Messungen beschäftigt, unterbrach seine Ausführungen und bemerkte, wenn er keine Ahnung von ihrer Arbeit hätte, sei, Zitat: „seine Meinung offensichtlich irrelevant.“ Lieutenant Commander Barclay ist ob dieser Respektlosigkeit fast in Ohnmacht gefallen.“

„Wie hat der Admiral reagiert?“ fragte Ross.

„Nun, in Anbetracht dessen, dass er ohne Seven weder die `Voyager` noch seinen Sohn wiedergesehen hätte, zog er es vor, den Rückzug in eine andere Abteilung anzutreten.“

Ross schüttelte den Kopf und Janeway lächelte in Erinnerung an Sevens Eigenheiten vor sich hin.

„Ja“, sagte Ross. „Damit sind wir beim Thema. Ich habe Sie hergebeten, um Ihnen die weiteren Missionen Ihrer, wie sagen Sie immer, `Familie` mitzuteilen.“

„In sieben Jahren Gefahr und so weit entfernt von der Erde wächst man zusammen“, warf Janeway ein.

Der Admiral nickte und fuhr dann fort: „Gehen wir die Leute nacheinander durch.

Lieutenant Harry Kim wird vorerst auf der `Voyager` bleiben.

Commander Tuvok hat nach seiner Heilung um einen längeren Urlaub gebeten. Er möchte einige Jahre mit seiner Familie auf Vulkan verbringen und seine Kinder aufwachsen sehen. Möglicherweise wird er danach zur Sternenflotte zurückkehren.“

„Ja, er hat es mir mitgeteilt“, stimmte Janeway zu. „Aber er sprach von noch einer Mission?“

„Dazu komme ich noch. Annika, äh,` Seven of Nine` wird jetzt nach Beendigung ihrer Befragung über die Borg als Wissenschaftlerin auf der `Titan` ihren Dienst aufnehmen.“

Ross bemerkte Janeways besorgten Blick.

„Seien Sie ganz beruhigt, wir werden das junge Glück nicht trennen.

Commander Chakotay wird Erster Offizier auf der `Titan`. Nein, lassen Sie mich erst ausreden. Ich weiß, dass Sie ihn zur Beförderung vorgeschlagen haben. Aber Sie und Ihre Crew befanden sich in einer Ausnahmesituation. Wir wollen erst sicher sein, dass ein ehemaliger Maquis auch regulären Dienst tun kann, ehe er ein eigenes Kommando bekommt. Er hat dieser Regelung zugestimmt und wird unter Captain Riker sechs Monate Dienst tun. Dann wird er ein Schiff bekommen.“

Janeway atmete hörbar auf und entspannte sich.

„Was den holografischen Doktor betrifft…, können Sie ihn nicht dazu bewegen, sich einen Namen zu wählen? Er hat sich nach einem Vorschlag von Dr. Zimmerman mit Dr. Bashir von DS 9 zu einer Forschungsarbeit mit Borg24 Nanosonden zusammengetan. DS 9 wurde nach dem Krieg mit dem Dominion besonders gut ausgestattet. Wir befinden uns dort im Grenzgebiet.“

Janeway lauschte mit wachsendem Interesse.

„Das bringt mich zu zwei weiteren Mitgliedern Ihrer Crew. B`Elanna Torres wird neue Chefingenieurin auf DS 9. Sie braucht Herausforderungen. Ein Routinejob würde sie langweilen.“

„Und was ist mit Tom und ihrem Kind Miral?“ fragte Janeway erstaunt.

„Sie werden es nicht glauben, aber Tom hat um Urlaub von der Sternenflotte gebeten. Er will sich auf DS 9 einem neuen Holo-Roman widmen und wird das Kind betreuen. Admiral Paris ist erleichtert, seinen Sohn sesshaft werden zu sehen.“

Janeway schüttelte den Kopf. „Das ist wirklich kaum zu glauben, da fehlt ja nur noch Neelix in der Aufzählung.“

„Wir haben neulich erst wieder über `Pathfinder` mit ihm Kontakt gehabt, er macht wirklich gute Arbeit da draußen.“

Ross machte eine kurze Pause. „Und dann wären da noch Sie.“

„Ich?“ fragte Janeway überrascht. „Ich habe doch bereits meinen Schreibtisch in der Admiralität.“

„Ja, aber der kann warten.“ Ross erhob sich und Janeway folgte seinem Beispiel.

„In Anbetracht Ihrer großen Verdienste und der Tatsache, dass Ihre Rückkehr zur Erde etwas überraschend erfolgte, erteilt Ihnen das Oberkommando den Auftrag, Ihre Crewmitglieder mit der `Voyager` nach DS 9 zu bringen. Sie werden sich dort mit der `Titan` treffen. Das wird Ihnen Gelegenheit geben, ungestört Zeit miteinander zu verbringen und in Ruhe einen vorläufigen Abschied voneinander zu nehmen“.

In Janeways Augen schimmerte es verdächtig feucht.

„Danke, Admiral Ross“, sagte sie und er hörte in ihrer Stimme ein leichtes Zittern. „Sie wissen, die `Voyager Crew` bedeutet mir sehr viel. In der Tat waren die letzten sechs Monate zu hektisch, um Kontakte zu pflegen. Es ist ein wunderbares Geschenk.“

Admiral Ross schüttelte ihr freundlich die Hand. „Ihre Reise beginnt in zwei Wochen. Ach, ehe ich es vergesse: Es könnte sein, dass ein Passagier mit an Bord kommt.“

„Er ist willkommen“, verabschiedete sich Janeway.

Fähnrich Myers geleitete sie hinaus und freute sich über das glückliche Gesicht ihrer Heldin.

Jorath, Sohn von Kolas und Leiter der biochemischen Abteilung des Wissenschaftsministeriums blickte Worf entsetzt an. „Noch niemals habe ich einen Humanoiden geklont“, rief er.

Worf nickte. „Wenn es jemanden gibt, der das kann, sind Sie es. Zweifeln Sie an der Möglichkeit, wie ich sie vorgeschlagen habe?“

Jorath stützte sich auf seinen Labortisch. „Nein, technisch mag es gehen, aber praktisch gibt es keinen Vulkanier auf Kronos. Und was ist mit dem, was hinzugefügt werden muss?“

Worf hatte sich diese Frage immer wieder gestellt. „Das geht über unsere Möglichkeiten. Nehmen Sie alles, was Sie brauchen, wir werden nach Deep Space Nine fliegen. Dr. Bashir ist ein Genie und Ezri Dax lebt bei ihm. Dort gibt es die besten Einrichtungen beider Quadranten.“

Er packte Jorath am Ärmel. „Sie müssen es versuchen. Denken Sie an die Chancen! Sie können die neueste Föderationstechnologie studieren.“ Unwillig riss Jorath sich los. „In der Föderation ist das Klonen von Menschen verboten!“

Worf ließ nicht nach.

„Es sind Jadzias Freunde dort. Sie werden alles tun, was in ihrer Macht steht.“

„Und was ist mit der anderen Dax? Wird sie das mit sich machen lassen. Es ist nicht ungefährlich.“

Eine Weile überlegte Worf. „Das werden wir sehen, wenn wir dort sind. Vergessen Sie nicht, sie trägt Jadzias Erinnerungen und Jadzia war eine mutige Frau.“

Noch eine weitere Stunde redete Worf dem zögernden Wissenschaftler zu, dann gab Jorath nach. Mit Dr. Bashir in den besten Labors zu arbeiten, reizte ihn sehr.

„Die Klingonen schätzen die Wissenschaften nicht“, sagte er grimmig und dachte an den Spott, den er ertragen musste.

Worf atmete erleichtert auf. „Ich kümmere mich um den Transport.“ Jorath sah Worf nach, dann drehte er sich um und musterte sein Labor.

Als Carina das Büro von Admiral Ross betrat, fühlte sie sich ganz entgegen ihrer sonstigen Natur befangen. Längere Zeit hatte sie vor dem Gebäude verharrt, die Welt, die es verkörperte, war zugleich Begehren und Angst. Aber sie hatte Erfahrung genug, sich ihre Unsicherheit niemals anmerken zu lassen. Nun stand sie einem mittelgroßen Mann mit breiten Schultern und dunklem welligen Haar in Sternenflottenuniform gegenüber. Am Kragen leuchteten die Rangabzeichen, das Oberteil in roter Kommandofarbe.

Beide musterten sich aufmerksam. Ross sah eine kleine schlanke Frau mit kurzem weißen Haar und graugrünen klugen Augen. Sie stand sehr aufrecht und jeder, der sie sah, wusste sofort, dass sie Respekt verlangte und bekam.

„Bitte nehmen Sie doch Platz, Frau Klaas“, bot der Admiral einen Stuhl an. Er setzte sich an den Schreibtisch und nahm ein Padd in die Hand. „Ihr Dossier“, erklärte er.

Über Carinas Gesicht flog Unmut. „Wie kommen Sie dazu, in meinem Leben herum zu graben?“ fragte sie kalt.

„Sehr schön, sie lässt sich nicht einschüchtern“, dachte Ross. „Das gehört zur Routine, wenn wir jemanden auswählen, der für uns arbeiten soll.“

Carina hob die Augenbrauen. „Sie bitten mich, für Sie zu arbeiten? Welche meiner Fähigkeiten könnte Sie interessieren?“

„Wir haben eine besondere Sache zu untersuchen, die mit Bajor zusammenhängt. Man hat Sie darüber informiert? Gut so. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass, egal ob Sie den Auftrag übernehmen oder nicht, der ganze Vorgang der strikten Geheimhaltung unterliegt.“

Carina nickte.

„Die Föderation wünscht einen Beitritt Bajors. Leider gibt es auf dem Planeten Gruppierungen, die das verhindern wollen. Die Bajoraner sind ein sehr spirituelles Volk.“

Carina nickte wieder.

„Im Moment wird um das höchste geistliche Amt des Kai gerungen, die Wahlen finden in einigen Wochen statt. Natürlich sind wir an einem der Föderation zugeneigten Kandidaten interessiert.“

„Ist das ein politischer Auftrag?“ fragte Carina.

„Nein, das werden unsere Diplomaten behandeln. Es ist nur sehr wenigen bekannt, dass der erste Kommandant der Station Deep Space Nine, Captain Benjamin Sisko, von der bajoranischen Bevölkerung als Abgesandter ihrer Propheten verehrt wurde.“

„Wurde?“

„Ja, vor etwa zweieinhalb Jahren, kurz nach dem Ende des Dominion-Krieges, verschwand er auf Bajor. Seine Frau behauptete später, er hätte sich ihr in einer Vision gezeigt und er befände sich für eine unbestimmte Zeit bei den Propheten, um mit ihnen Erfahrungen und Gedanken auszutauschen.“

„Die Bajoraner glauben, die Propheten leben im Wurmloch und nur daher sei es stabil“, bemerkte Carina, die immer erstaunter zuhörte.

„Ja, in der Tat. Und nun komme ich zu Ihrer Aufgabe: Eine Möglichkeit, Sisko zu finden und ihn zurückzubringen! Die Föderation braucht seinen Einfluss, Bajor zum Beitritt zu bewegen. Man kann den Vorteil, dass sich das Wurmloch im Föderationsgebiet befindet, für die Sicherheit des Alpha-Quadranten gar nicht hoch genug einschätzen. Wir brauchen Ihre Kenntnisse, einen Weg zu finden, um mit Sisko zu kommunizieren. Sind Sie dazu bereit?“

Carina zögerte einen Moment.

„Ja“, sagte sie leise.

„Hier sind alle Fakten, die Sie brauchen, das Institut hat Sie freigestellt. Fangen Sie sofort an.“

Er übergab Carina eine Anzahl isolinearer Chips, die sie sorgfältig in der Innentasche ihrer Jacke verstaute. Sie stand auf.

„Ich werde mein Möglichstes tun, aber ich kann nichts versprechen. Wie eilig ist es?“

„Am besten vorgestern“, versuchte Ross zu scherzen, aber sie sah den Ernst in seinem Gesicht.

„Ich melde mich“, entgegnete Carina.

Als sie das Gebäude verließ, stieg eine freudige Erwartung in ihr auf. Das war ja eine aufregende Sache. Sie würde zu Hause arbeiten, das war sicherer. Gesetzt den Fall, sie fände einen Weg, wer würde wohl den Auftrag ausführen?

Sie schaute unwillkürlich zum Himmel. Zu ihrem Erstaunen mischte sich ein wenig Bedauern in die Freude, noch sehr viel mehr bisher Unbekanntes über Bajor zu erfahren. Aber gleich darauf dachte sie erleichtert: „Gut, dass ich hier in Sicherheit bleiben kann.“

Zwei Tage später schaute sie aus ihrem Fenster über die Bucht und sah den Abendnebel aufsteigen. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit dem Gelesenen. Mehr als einmal hatte es sie von ihrem Terminal hochgerissen, als sie erkannte, wie tief sie wider Willen in die Aufgabe verstrickt war. Den schlimmsten Moment erlebte sie, als sie ein Bild von Captain Sisko sah: Er war der dunkle Mann aus ihren Träumen!

Ihre erste Reaktion war Flucht. Darin wollte sie nicht verwickelt werden. Es drängte sich der Gedanke auf, dass sie nicht zufällig für diese Aufgabe ausgesucht worden war.

Sie wusste nun, dass Sisko in die Feuerhöhlen von Bajor gestürzt war, sie hatte es gesehen! Und hatte er sie nicht wortlos aufgefordert, ihn zu suchen?

Carina fürchtet sich vor den Entscheidungen, die sie treffen musste.

Und am Ende fand sie auch die Lösung, die Ross von ihr erwartete. Es gab keinen Zweifel.

Morgen würde sie dem Admiral das Ergebnis mitteilen. Und was dann?

Schon seit fast einer Stunde hörte Fähnrich Myers kaum einen Ton aus dem Büro des Admirals. Mehrere Besucher hatte sie abgewimmelt, weil er nicht gestört werden wollte. Was er nur so lange mit Frau Klaas zu verhandeln hatte? Admiral Ross las konzentriert die letzten Sätze in Carinas Bericht. Dann blickte er auf und sie sah erleichtert in seine zuversichtliche Miene.

„Ja“, sagte er. „Ja, ich stimme Ihnen zu, das ist ein erfolgversprechender Weg.“ Er überlegte, ging zum Fenster und blickte zur Brücke. „Erinnern Sie sich an das Feuerwerk, als die `Voyager nach sieben Jahren im Delta-Quadranten nach Hause kam und über diese Brücke dort einflog? Niemand hatte geglaubt, das Schiff und seine Besatzung je wiederzusehen.“

Er wartete ihre Zustimmung nicht ab. Keiner, der das gesehen hatte, würde den Anblick je vergessen. Dann drehte er sich zu Carina um.

“Jetzt kommt der Knall`“, dachte sie verzagt „Was mache ich nur?“

Ross räusperte sich und blickte ihr fest in die Augen.

„Das Sternenflottenoberkommando möchte Sie nach Bajor senden. Wir sind der Meinung, dass nur Sie diese Mission zu einem erfolgreichen Abschluss führen können. In zehn Tagen fliegt die `Voyager` nach DS9 und würde Sie dort hinbringen. Von der Station gehen regelmäßige Shuttleflüge nach Bajor.

Colonel Kira Nerys leitet die Station. Sie ist Bajoranerin und hat die besten Verbindungen.“

Carina setzte zu einer Antwort an, aber Ross bat Sie mit einer kleinen Handbewegung, ihm noch zuzuhören.

„Ich weiß von Ihren Schwierigkeiten mit der Raumkrankheit. Der Doktor der Voyager hat eine Methode entwickelt, das Problem dauerhaft aus der Welt zu schaffen. Ich schicke ihn sofort zu Ihnen nach Hause. Bitte, stimmen Sie zu.“ Mit dünner Stimme bat Carina um zwei Stunden Bedenkzeit, danach würde sie ihm ihre Entscheidung mitteilen.

Admiral Ross sah ihr beunruhigt nach, als sie den Raum verließ.

Sie wählte den Weg in den benachbarten Garten der Sternenflottenakademie. Carina ging die Pfade auf und ab und wusste nicht, was sie tun sollte. Lehnte sie ab, würde sie es vermutlich den Rest ihres Lebens bedauern.

„So lange ist es ja auch nicht mehr, die Hälfte habe ich hinter mir“, dachte sie. Aber wäre sie in der Lage, ihre Angst zu überwinden? Wenn sie zustimmte, glaubte sie, würde sie die Erde nie wieder sehen. Es war so ihre Art, immer das Schlimmste anzunehmen. Jedes mal, wenn sie sich einer Operation unterziehen musste, schloss sie mit dem Leben ab. Sie konnte nicht glauben, dass sie so viel Glück hätte, das zu überleben. Deshalb vermied sie auch jeden Flug. Ganz bestimmt würde das Shuttle abstürzen, gerade weil sie an Bord war. War alles gut gegangen, konnte sie eine zeit lang gar nicht glauben, überlebt zu haben.

„Ganz schön krank“, diagnostizierte sie sich selbst.

Sie blickte über das blaue Wasser der Bucht. Leichter Wind erzeugte kleine zappelige Wellen mit weißen Schaumrändern.

„Es wäre ein Abschied für immer“, widerstand das Gefühl der Vernunft.

„Ich kann es nicht“, sagte sie sich wieder. „Lieber Reue als tot.“

Mit weichen Knien setzte sie sich auf eine Bank und schaute dem Nicken der blau strahlenden Herbstastern zu.

Ein alter Mann kam den Weg entlang. Er grüßte, dann verhielt er seinen Schritt.

„Darf ich mich zu Ihnen setzen? Meine alten Beine wollen nicht mehr so, wie ich es will.“

Carina nickte ihm freundlich zu. Er musterte sie aufmerksam, dann saßen sie eine Weile still nebeneinander und schauten über die gepflegte Parkanlage.

„Ich war viele Jahre hier der Obergärtner“, unterbrach der Alte die Stille. Carina wandte sich ihm zu.

„Ja, deshalb komme ich noch gerne und oft hierher. Unter meiner Leitung wurde der Garten gestaltet und gepflegt.“ Zufrieden lächelte er. „Und außerdem muss ich doch kontrollieren, was mein Nachfolger so anstellt“, scherzte er. Wieder blickte er umher. „Es ist sehr befriedigend, dies alles zu hinterlassen und gibt mir das Gefühl, nicht umsonst gelebt zu haben.“

Damit stand er auf, schaute Carina noch einmal fest an und ging langsam weiter. Wie ein Schlag in den Magen hatten seine letzten Worte Carina getroffen. Und was würde sie hinterlassen? Was würde von ihrer Arbeit und ihr selbst bleiben?

„Nicht viel“, gestand sie sich ein. Jedenfalls nicht, wenn sie so weiter machte wie bisher. Möglicherweise würde sie bei der Erfüllung dieser herausfordernden Aufgabe sterben und nie auf die Erde zurückkehren.

„Aber dann kann ich in meiner letzten Minute sagen, dass ich wenigstens versucht habe, meinem Leben einen Sinn zu geben“.

Wie hieß es doch in einem Choral: „Und wenn ich auch scheitere, so habe ich doch gut gekämpft.“

Mit neuer Entschlossenheit erhob sie sich und ging mit festen Schritten dem Komplex der Sternenflotte entgegen, um Admiral Ross mitzuteilen, dass sie den Auftrag annehmen würde.

Im Runabout `King` begann der Transporter zu summen und kurz darauf materialisierten sich Worf und Jorath auf der Plattform.

Jorath sah sich um. „Feines Föderationsschiff“, sagte er und räumte sein Gepäck ins Ausrüstungslager.

„Als Botschafter steht mir ein Runabout zu. Sie sind größer und verfügen über einen höheren Warpfaktor als ein Shuttle“, knurrte Worf und ließ sich an der Steuerung nieder. Jorath setzte sich neben ihn.

„Wie lange werden wir brauchen?“ fragte er.

„Etwa sechzig Tage“, antwortete Worf und startete die Maschinen.

Jorath machte ein langes Gesicht. Sechzig Tage mit einem wortkargen Worf begeisterten ihn nicht. Dafür würde er sich intensiv mit seinem Projekt befassen können.

Worf sah ihn von der Seite an. „Ich habe alle klingonischen Opern in der Datenbank“, versuchte er Jorath aufzumuntern, hatte aber keinen großen Erfolg damit.

Sie waren seit zehn Tagen unterwegs, als die Langstreckensensoren des Runabout Alarm schlugen.

Mit einem Satz sprang Worf an die Kontrollen. Wie aus dem Nichts enttarnte sich vor ihnen ein klingonischer Bird-of-Prey der Scout-Klasse.

„Computer, Schilde“, brüllte Worf.

Die Kommunikation summte und auf dem Bildschirm erschien das grinsende Gesicht von Toral, Sohn des Duras.

„Erkennst du das Schiff wieder, Worf? Ja, richtig, es ist die `IKS Vorn`, hier hast du meinen Vater getötet! Jetzt ist es das letzte, was du sehen wirst, endlich genieße ich meine Rache.“ Er lachte laut.

Worf mahlte mit den Kiefern. An den Flügelspitzen der `Vorn` blitzten die grünen Strahlen der Disruptorkanonen auf und die `King` wurde aus der Bahn geworfen.

Jorath fluchte und hielt sich an der Konsole fest.

„Dein Vater hat die Mutter meines Sohnes getötet“, schrie Worf und versuchte, dem Angriff zu entkommen. Hinter ihm sprühten Funken aus einer gerissenen Leitung.

„Fahr zur Hölle, Worf!“ kreischte Toral und schaltete die Kommunikation aus. Worf flog hastige Ausweichmanöver und schoss mit Phasern und Photonentorpedos auf den Angreifer. Aber er konnte die Schilde der `Vorn` nicht durchdringen.

„Schilde runter auf zehn Prozent“, rief Jorath durch das Krachen der Einschläge.

„Vermutlich ist heute ein guter Tag zum Sterben“, dachte er. Sein Klingonenblut brauste und er fühlte zum ersten Mal den Rausch des Kampfes. So würde er auch als Wissenschaftler im Kampf fallen und siegreich ins Sto`vo`kor einziehen.

„Schilde ausgefallen“, sagte ruhig und erwartete den letzten Schlag. Plötzlich sah er durch das Fenster einen riesigen Schatten aus dem Nichts auftauchen und sich über die beiden kämpfenden Schiffe schieben. Worf entspannte sich. Neben dem Vor`cha Angriffskreuzer wirkten die `Vorn` und die `King` winzig.

Sofort nach dem Enttarnen nahm der Kreuzer die `Vorn` unter Beschuss. Sie versuchte in wilden Manövern zu fliehen, aus einem Flügel schossen Explosionen, sie taumelte und dann machte ein letzter Treffer allem ein Ende. Worf und Jorath sahen die flackernden Trümmer auseinanderfliegen und verlöschen.

Der Kreuzer rief sie. Auf dem Schirm erschien das narbige einäugige Gesicht des Kanzlers.

„Das war knapp“, sagte Worf. „Danke, Martok.“

Martok grinste. „Ich habe schon lange darauf gewartet, das unehrenhafte Gesindel der Durasfamilie endgültig zu erledigen. Wir wollten euch aber nicht die Freude des Kampfes nehmen.“

Worf lachte, das war typisch für Martok. Jorath blickte irritiert.

Martok wandte sich ihm zu: „Worf sollte Sie wohl jetzt darüber aufklären, dass wir die ganze Zeit in der Nähe waren und auf Toral gewartet haben. Ich habe es nicht gern, wenn ein Mitglied meines Hauses angegriffen wird. – Worf, lege an Schleuse drei an, wir werden dein Schiff reparieren. Aber zuerst feiern wir den Sieg, der Blutwein wartet schon!“

Mit lautem Gelächter schaltete er den Bildschirm ab.

Während Worf das Runabout andockte, sagte Jorath kein Wort. Auf dem Weg zum Quartier des Kanzlers packte er ihn plötzlich an der Uniform und drängte ihn an die Wand. Dicht vor seinem Gesicht zischte er: „Das machen Sie nie wieder mit mir, oder ich werde Sie töten!“

Worf riss sich los, kampfbereit standen sie sich gegenüber.

„Wir konnten kein Risiko eingehen, niemand durfte davon erfahren.“

Eine Weile starrten sie sich an. Dann fing Jorath an zu grinsen. „Ich habe den Kampf genossen“, gab er zu. Worf schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und einträchtig gingen sie weiter.

Wenig später prahlten sie beim Blutwein mit ihren Heldentaten und sangen Lieder über ruhmvolle Schlachten.

Heute wurde der Sieg gefeiert, morgen begannen die Reparaturen an der `King` und in weniger als zwei Tagen würden sie wieder unterwegs sein nach Deep Space Nine.

Einige Stunden später bereute Carina ihre Entscheidung schon, aber nun musste sie die Folgen tragen.

Es klingelte an der Tür. „Ich bin das medizinisch-holografische Notfallprogramm MHN der `Voyager`, gemeinhin als `der Doktor` bekannt. Admiral Ross bat mich, Sie aufzusuchen. Darf ich reinkommen?“

Er war mittelgroß, mit einem Kranz dunkler Haare um seine Halbglatze und trug eine Sternenflottenuniform mit dem blauen Schulterteil der wissenschaftlichen Abteilungen.

Carina nickte verwirrt. Ein Hologramm? Wie konnte er außerhalb einer holografischen Abteilung existieren?

Er bemerkte ihr Zögern. „Ich bin in der glücklichen Lage, durch diesen tragbaren Holo-Emitter“, er zeigte auf ein flaches Gerät an seinem linken Ärmel, „frei in meinen Bewegungen zu sein. Nur interessehalber: Haben Sie meinen Roman `Hologramme brauchen Freiheit` gesehen? Nein? Na, macht nichts, ich werde ihn an Bord der `Voyager` vorführen.“

„Roman?“ dachte Carina. „Was kommt noch? Ist er wirklich Arzt?“

„Sie werden in den Genuss einer von mir entwickelten Behandlungsmethode zur Eliminierung von Raumkrankheit kommen. Ich darf wohl sagen, dass das ein beachtlicher Fortschritt in der Medizin ist.“ Er sah sie stolz an.

„Ja“, sagte Carina. „Wie geht das vor sich?“

„Ich werde Ihnen ein Hypo-Spray verabreichen. Es könnte Ihnen kurzzeitig ein wenig schwindelig werden. Sie sollten sich vorsichtshalber niederlegen. Ich bleibe bei Ihnen, bis die Symptome abgeklungen sind.“

Während er seine Tasche auspackte, summte er vor sich hin.

„Opernarien,“ erkannte Carina. „Ich gehe einem Schauspieler auf den Leim.“ Der Doktor bemerkte ihr Erstaunen.

„Ja, ja, ich habe während der langen Jahre im Delta-Quadranten meine Subroutinen erheblich ausgebaut, um meine Persönlichkeit über das medizinische Wissen von mehr als zweihundert Spezies hinaus weiter zu entwickeln. Ich darf wohl behaupten, dass ich ganz passabel singe. Möchten Sie etwas hören?“

Schwach winkte Carina ab. „Nein, danke. Bringen wir es hinter uns.“

Der Doktor verabreichte das Spray, setzte sich zu ihr ans Bett und fühlte ihren Puls.

„Na, na, Ihr Herz schlägt ja Purzelbäume“, sagte er. „Sie brauchen sich nicht zu beunruhigen. Die kleinen Helfer sind schon bei der Arbeit und bauen Ihr Innenohrsystem um. In wenigen Minuten ist es wie neu.“

„Helfer?“ schnappte Carina nach Luft. „Welche Helfer?“

„Natürlich diese fantastischen Nanosonden, die ich Ihnen verabreicht habe“, beruhigte der Arzt.

Carina wollte sich nicht beruhigen lassen. Sie schoss in die Höhe, lag aber im selben Moment wieder flach, ihr war elend und schwindelig. „Nanosonden?“ flüsterte sie. „Was für Nanosonden?“

„`Seven of Nine` hat zu Beginn meiner Arbeit einige gespendet. Ich konnte sie reichlich replizieren und sie auf diese Aufgabe programmieren. Borg- Nanosonden sind sonst nicht zu haben. Sie sollten Seven dankbar sein und sich nicht so aufregen“, wies sie der Doktor zurecht.

Carina hörte nur `Borg`, wer Seven war, war ihr in dem Moment völlig egal.

„Sie wollen sagen, Sie haben mir Borg-Technologie injiziert?“ fragte sie alarmiert.

„Völlig harmlos, ich habe sie im Allgemeinen ganz gut unter Kontrolle.“

„Im Allgemeinen“, konnte Carina nur wiederholen. Sie hatte zwar mit ihrem letzten Stündchen gerechnet, aber doch nicht so schnell! Eine Weile lag sie ganz still, der Raum schwankte. Der Doktor beobachtete sie aufmerksam. Dann, langsam, hörte das Zimmer auf, sich um sie zu drehen und ihr Blick wurde klar.

„Na also“, frohlockte der Doktor. „Alles ist sehr gut gelaufen. Ich kann Ihnen versprechen, unter was auch immer Sie in Ihrem zukünftigen Leben leiden werden, See- oder Raumkrankheit wird es nicht sein.“

„Auch keine Seekrankheit mehr? Gut. – Danke, das habe ich nie zu hoffen gewagt.“

Der Doktor lächelte stolz. Carina erholte sich und setzte sich auf.

„Und was beunruhigt Sie noch? Ich bin Arzt und kein Therapeut, aber dass Sie etwas bedrückt, sehe ich schon. Ärzte unterliegen der Schweigepflicht. Wollen Sie es mir nicht sagen?“

Carina schaute in sein freundliches Gesicht und hatte vergessen, dass er ein Hologramm war. Da fasste sie sich ein Herz und erzählte ihm von ihrer Angst. Der Doktor wiegte seinen Kopf hin und her. „Sie werden es nicht glauben, aber auch ich kann Angst empfinden und weiß, wie lähmend sie ist. Ich werde Ihnen ein Medikament geben. Die Wirkung wird zwei Wochen anhalten. Wenn die Wirkung nachlässt, sind Sie schon einige Tage auf der `Voyager` und haben sich an das Bordleben gewöhnt. Ich bin immer in der Nähe und habe ein Auge auf Sie.“

Carina dankte ihm und ließ sich erleichtert wieder in die Kissen sinken. Sie erhielt eine weitere Injektion und gleich entspannte sich ihr Körper. Wie müde sie doch auf einmal war.

Der Doktor wandte sich zum Gehen. „Die Crew der `Voyager` hat nicht vor, Sie in Schwierigkeiten zu bringen“, sagte er über die Schulter. „Sie fliegen mit dem bestausgerüsteten Schiff, das zurzeit in Dienst ist. Alles prima Borg-Technik.

Danke, ich finde selbst hinaus. Wir sehen uns in zehn Tagen.“ Und weg war er.

Carina schaute zum Fenster hinüber, von Osten zog schon die Dunkelheit herauf.

„Ich werde in zehn Tagen zu den Sternen fliegen.- Ich glaube es nicht! Ich glaube es einfach nicht!“

Ehe sie den Gedanken noch weiter spinnen konnte, war sie eingeschlafen.

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