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Jenseits der Zeit - Teil 1

von Sylvia Voss

Voyager

Carina nahm Abschied.

Am letzten Tag vor der Reise ging sie altvertraute Wege, prägte sich alle Schönheit der Erde ein und versuchte, dabei die Fassung zu bewahren. Erst wenn man etwas verliert, wird es kostbar.

Nur Mia und Peter kannten ihre Pläne. Ihre Tochter Lea hatte die Gelegenheit ergriffen, eine Zeit lang in San Francisco zu leben und war am Morgen begeistert in Carinas Wohnung eingezogen. Das machte es leichter.

Sie hatte nur eine Tasche mit der notwendigsten Kleidung gepackt. Ihr wichtigster Besitz nahm nicht viel Platz ein, auf einer Anzahl optronischer Datenchips hatte sie holografische Bilder, Lieblingsbücher und Musik gespeichert. Die Tasche stand schon auf dem kleinen Gravitontransporter bereit. Die Erde machte ihr die Abreise schwer. Ein goldener Herbsttag ging zu Ende, der Mond glänzte schon am Himmel und auf seiner dunklen Seite schimmerten die Lichter der Mondstationen. Der Duft von Blumen, Wasser und Herbstlaub zog bis zu ihrem geöffneten Fenster.

Mühsam riss sich Carina los. Sie wollte sich nicht im Abschiedsschmerz verlieren und entschloss sich, mit Lea bei einer Flasche Wein den Abend zu verplaudern. Ganz bestimmt würde sie in dieser Nacht kein Auge zumachen.

Wie schön kann doch ein technisches Gerät sein. Fasziniert betrachtete Carina am nächsten Morgen das silberglänzende Shuttle, das sie zur Voyager bringen sollte. Fähnrich Myers wartete schon auf sie.

„Admiral Ross lässt Sie grüßen. Ich werde Sie zum Raumdock bringen. Bitte hier einsteigen.“

Carina freute sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Sie hatte es abgelehnt, auf die `Voyager` gebeamt zu werden, sie wollte es mit der Abenteuerlust nicht gleich übertreiben.

Jetzt würde es sich zeigen, ob ihre Raumkrankheit wirklich geheilt war.

Das Shuttle summte, Lampen erglühten und die Erde schrumpfte unter Carina zusammen. Sie klammerte sich mit feuchten Händen an ihren Sitz. Die Brücke, die Stadt, in wenigen Sekunden waren sie nicht mehr von der Landmasse zu unterscheiden. Der Horizont wölbte sich, die Atmosphäre schimmerte dünn und zart. Weiße Wolkenwirbel überzogen Meer und Land und die Erde strahlte kostbar wie ein blauer Edelstein. Der Himmel schwärzte sich und dort, vor den prachtvollen Sternen, hing das riesige Raumdock.

Carina atmete tief durch, sie wartete auf die bekannte Übelkeit. Aber die Nanosonden hatten gute Arbeit geleistet. Sie fühlte sich wohl. Das Shuttle flog ins Innere des Docks.

„Dort liegt die `Voyager`.“ Jenny Myers zeigte auf ein Schiff in der Nähe der Ausgangstore. Carina beugte sich vor und sah eine ungewöhnliche Form, langgestreckt, pfeilförmig, mit vielen Fenstern und zwei beweglichen Warpgondeln, im Licht der Scheinwerfer silbergrau.

„Schnell und zuverlässig sieht sie aus“, dachte Carina. Gerade wurde eine Panzerung auf- und weggeklappt, wie eine Welle von Schuppen lief sie über den Rumpf.

„Es sieht so aus, als könne die `Voyager` einiges aushalten?“ fragte sie den Fähnrich.

„Oh ja, die Besatzung hat die neueste Borg-Technik aus dem Deltaquadranten mitgebracht. Es soll sogar Zukunftstechnologie dabei sein. Ich kann mir gar nicht erklären, wie sie daran gekommen sind.“ Dann fiel ihr ein, dass sie darüber vermutlich nicht reden durfte. „Das ist aber alles ganz geheim und ich weiß gar nichts darüber. – Wir müssen einen Moment warten, bis der Test beendet ist. Ich fliege Sie in der Zeit einmal um das Schiff herum.“

Auf der Oberseite las Carina in großen Lettern: U.S.S. Voyager NCC-74656. Dann glitt das Shuttle an den Seiten entlang. Hinter einigen Fenstern sah Carina Leute arbeiten, Lichter gingen an und aus. Je länger sie das Schiff betrachtete, desto zuversichtlicher wurde sie, dass es sie wirklich unbeschadet nach DS9 bringen würde. An der Rückseite erreichten sie das Rampentor.

Ein blauer Traktorstrahl erfasste das Shuttle und zog es in den Hangar. Bis der Druck reguliert war, hatte Carina etwas Zeit, sich umzusehen. Die Wände bestanden aus hellgrauem Metall, der Boden war dunkelgrau, mit Markierungen versehen. Im Hintergrund parkten drei Shuttles und ein dreieckiges Schiff mit integrierten Warpspulen und verstärkter Außenhaut. Auf seiner Seite stand der Name: `Delta Flyer`.

Eine Galerie umlief die Wände des Hangars in halber Höhe. Der Raum umfasste zwei Decksektionen und ließ Platz zum Navigieren.

Hinter ihnen schloss sich ein Kraftfeld. Die Tür hob sich und eine junge Frau in Uniform begrüßte sie.

„Ich bin Marla Gilmore. Herzlich willkommen an Bord. Ich werde Ihnen Ihr Quartier zeigen und Sie einweisen.“

Carina verabschiedete sich von Jenny Myers und folgte Marla durch eine zischende doppelte Schiebetür in einen Korridor.

„Wir befinden uns hier auf Deck zehn“, erklärte Marla und berührte eine technische Abbildung der `Voyager` an der Wand.

„Das Schiff wurde 2371 in Dienst gestellt. Es ist 344 m lang, wiegt 1,5 Millionen Tonnen und hat eine Besatzung von 150 Crewmen aus der Föderation und Bajor.“

In Marlas Stimme klang Stolz, auf diesem besonderen Schiff dienen zu dürfen. „Alle Decks und Zugänge sind hier einzusehen. Der Computer nimmt jetzt ein Sprachmuster von Ihnen auf, dann erkennt er Sie und Sie bekommen Ihre spezielle Zugangsberechtigung. Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihre Funktion.“

„Ich heiße Carina Klaas und bin Passagier an Bord dieses Schiffes.“ Der Computer antwortete mit einem akustischen Ton und eine weibliche Stimme sagte: „Stimmenmuster registriert, unteres Level freigeschaltet.“ Marla nickte zufrieden. „Ich gebe Ihnen hier einen Kommunikator. Wenn Sie ihn berühren und eine Person oder Abteilung nennen, haben Sie sofort

Audiokontakt. Außerdem ist ein Universalübersetzer integriert.“ Sie steckte Carina ein kleines silbernes Abzeichen in der Form des Sternenflottenwappens an die Jacke. „Das müssen Sie immer tragen. Wir können Sie dann sofort orten.“

Der Gang bog sich und sie erreichten eine Fahrstuhltür.

„Dies ist einer von mehreren Turbo-Lifts. Er bringt Sie in kürzester Zeit zum angegebenen Ziel. – Deck sechs.“

Summend setzte sich der Lift in Bewegung und innerhalb weniger Sekunden waren sie angekommen.

Nach einigen Schritten den Gang entlang zeigte Marla auf die Tastatur neben einer Tür. „Nennen Sie Ihren Namen und berühren Sie dieses Feld.“ Carina tat wie geheißen und die Tür glitt zur Seite.

Marla bugsierte Carinas Gepäck ins Innere. „Dies ist Ihr Quartier, Sie merken sich am besten die Nummer. Hier ist Ihr kombinierter Schlaf- und Wohnbereich und nebenan ist das Bad.“ Sie zeigte auf einen Durchgang. Carina war angenehm überrascht, so viel Platz zur Verfügung zu haben, die Einrichtung war zweckmäßig und freundlich. Dankbar erblickte sie ein großes Fenster, ein Innenquartier hätte sie bedrückt.

Marla führte sie an den Arbeitsplatz. „Hier können Sie alle Daten aus dem Computer abrufen und speichern. Und dort an der Wand ist der Replikator angebracht.“ Carina nickte, ein ähnliches Modell hatte sie in ihrer Wohnung. „Wir verfügen über mehrere Holodecks, viele Programme sind frei zugänglich. Sie werden sicher etwas finden, das Ihnen zusagt.“

Marla musterte Carina. „Sind Sie zum ersten Mal auf einem Raumschiff?“ „Ja. Schon in einem Shuttle wurde ich raumkrank. Aber jetzt hat mich der Doktor geheilt.“

Marla lächelte. „Die Krankenstation liegt auf Deck fünf und die Messe auf Deck zwei, Sektion dreizehn. Dort treffen Sie in etwa einer Stunde die meisten Offiziere beim Essen. Vielleicht sind auch die anderen Passagiere da. Kommen Sie doch dorthin und lernen Sie sie kennen.“

„Sie haben noch mehr Passagiere?“ fragte Carina erstaunt.

„Ja, Chief O`Brien ist mit seiner Frau Keiko und Sohn Kirayoshi an Bord und die Tochter von Lieutenant Wildman, Naomi, begleitet ihre Mutter.“

Es waren Kinder an Bord! Carina konnte es nicht fassen. Marla sah ihr Erstaunen. „Auch Chefingenieurin Torres hat ihre Tochter Miral bei sich, erst sechs Monate alt. Der Vater, Lieutenant Paris, ist unser Pilot.“

Carina schüttelte den Kopf. Da hatte sie gedacht, jede Raumfahrt sei ein Himmelfahrtskommando. Es war ihr völlig entgangen, dass viele Familien bereits ständig auf Raumschiffen lebten. Vielleicht gewöhnte sie sich ja auch daran.

„Ich werde Sie jetzt in Ruhe auspacken lassen. Den Gravitontransporter nehme ich mit. Wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich über den Kommunikator“, verabschiedete sich Marla.

„Danke für Ihre Hilfe“, antwortete Carina.

Dann war sie allein. Langsam ging sie im Raum umher, spähte durchs Fenster auf das geschäftige Treiben im Raumdock. Sie hoffte, sie würde sich hier wohlfühlen.

Aber erst einen Tee! Zu Hause brühte sie ihn sich immer frisch auf. Ob Replikatortee wohl schmeckte? „Computer, Tee“, sagte sie zur Konsole. „Wählen Sie zwischen indischem, chinesischem, bajoranischem….“

„Chinesischer grüner Tee, Suchong, sechzig Grad Celsius“, unterbrach Carina und in einem Leuchten und Summen materialisierte sich eine große chinesische Tasse mit duftendem Tee in der Ausgabe. Vorsichtig probierte sie. Das war gut! Sie hatte nicht erwartet, einen so feinen Geschmack replizieren zu können. Mit der Tasse in beiden Händen ließ sie sich auf der Bettcouch nieder. Gleich würde sie ihre Tasche auspacken und sich auf den Weg in die Krankenstation machen, um sich beim Doktor zu melden.

Gleich.

Sie schloss die Augen und trank in kleinen Schlucken.

Verflixt, schon wieder verlaufen. Seufzend berührte Carina die Schalttafel. „Computer, Standort anzeigen.“ Auf dem Schiffsplan erschien ein roter Punkt. „Computer, Weg zur Krankenstation anzeigen.“ Ein grüner Streifen lief ein kleines Stück weiter. Nur noch wenige Schritte um die nächste Biegung und sie war da.

Alle Bereiche auf der Krankenstation waren halbkreisförmig angelegt. Gleich rechts neben der Tür standen drei Biobetten und in einem Extrabereich sah Carina ein Spezialbett, umstanden von verschiedenen Apparaturen. Links von der Tür saß der Doktor in seinem Büro, einen großen Bildschirm hinter sich. Ein Durchgang führte von dort ins Labor.

Der Doktor kam sofort auf Carina zu und begrüßte sie: „Hallo, da sind Sie ja. Herzlich willkommen. Wie geht es Ihnen?“

Carina setzte ein schiefes Lächeln auf. „Die Raumkrankheit scheint geheilt zu sein, aber meine Angst habe ich noch nicht besiegt.“

„Wenn Sie erlauben, ziehe ich Commander Tuvok ins Vertrauen. Er könnte Ihnen helfen. Nein, warten Sie, lehnen Sie nicht sofort ab. Er ist Vulkanier! Sie brauchen nicht zu befürchten, dass er darüber spricht. Er hat große Erfahrung in Meditationstechniken.“

Carina überlegte. Es war offensichtlich, dass sie nur profitieren konnte. „Hat er denn Zeit für mich?“

„ Ich werde ihn fragen“, versprach der Doktor.

Nach einer kurzen Untersuchung mit dem Tricorder entließ er sie. „Ich hoffe, Sie werden meine Vorträge besuchen“, rief er hinter ihr her, aber Carina tat so, als hätte sie es nicht mehr gehört. Ein grauslicher medizinischer Vortrag war das Letzte, was sie sich anhören wollte.

Direkt unterhalb der Brücke gelegen, hatte Deck zwei nicht die Ausmaße der anderen Decks und Carina fand die Messe sofort. Sie betrat einen großzügig angelegten Raum, seine Fenster öffneten sich in Flugrichtung nach vorn. Der Blick musste grandios sein! Grauer Teppich bedeckte den Boden, passend zu Wänden und Einrichtung. Die Tische hatten unterschiedliche Ausmaße, so dass man sich zu verschieden großen Gruppen zusammenfinden konnte. In einer Ecke standen Sessel um einen niedrigen Tisch. Neben der Tür befanden sich Replikatoren in der Wand und gegenüber zog sich eine hohe Anrichte durch den Raum. Darauf standen Kaffee- und Teekannen, Tassen, Teller und Körbe mit Obst und Gebäck. Eine dahinterliegende Küche schien nicht in Betrieb zu sein. Als Carina eintrat, wendeten sich ihr kurz die Köpfe zu und von einem Tisch in der Nähe erhoben sich zwei Offiziere. Der Jüngere, asiatischer Herkunft, trug gelbe Schulterteile. Der andere, ein blonder Mann in den Dreißigern, zeigte das Rot des Kommandos. Sie lächelten Carina an und stellten sich vor.

„Mein Name ist Harry Kim, Wissenschaftsoffizier, und dies ist unser Pilot Tom Paris. Möchten Sie sich zu uns setzen?“

Carina dankte und nahm Platz. „Ich heiße Carina Klaas, nennen Sie mich einfach Carina.“

„Was möchten Sie essen? Ich werde es Ihnen holen“, fragte Harry. Carina überlegte eine Weile und bat ihn dann um Spagetti Bolognese. Er ging zum Replikator und kurz darauf stand das dampfende Gericht vor ihr. Die beiden Männer schauten sie neugierig an.

„Dürfen wir fragen, welche Aufgaben Sie nach DS9 führen?“ begann Tom das Gespräch. „Ich studiere die bajoranische Kultur und Religion und werde von DS9 weiter nach Bajor fliegen, gab Carina Auskunft.“ „Wir haben einige Besatzungsmitglieder von Bajor“, warf Harry ein. „Vielleicht möchten Sie sie kennenlernen?“

In diesem Moment klang eine raue weibliche Stimme durch den Raum: „Führungsoffiziere auf die Brücke!“

Die beiden Männer sprangen auf. „Kommen Sie doch heute Abend zu einem kleinen Umtrunk und lernen Sie die anderen kennen.“ Und weg waren sie. Noch während Carina beim Nachtisch, einem Eisbecher, saß, spürte sie ein leichtes Vibrieren und Summen. Dann, ganz langsam, bewegte sich das Dock. „Nein, die `Voyager` legt ab, es geht los“, dachte sie und ging ans Fenster. Vor sich sah sie die Tore des Docks auseinandergleiten und den Blick auf die Schwärze des Weltalls freigeben. Tausende von Sternen standen still leuchtend vor ihr, sie funkelten nicht, hier gab es keine Luft. „Nun ist es zu spät, jetzt bin ich gefangen“.

Die `Voyager` hatte das Dock verlassen und nahm Kurs aus dem Sonnensystem heraus.

Carina stand und schaute und vergaß über der unbeschreiblichen Schönheit ihre Furcht.

In ihrem Quartier angekommen, vertiefte sie sich in die Akten über den Dominion- Krieg und die wichtige Rolle, die DS9 gespielt hatte. Was die Besatzung unter Captain Sisko geleistet hatte, war beispielhaft. Colonel Kira, Dr. Bashir und Ezri Dax waren noch da. Auch Benjamin Siskos Sohn Jake berichtete noch immer von diesem Außenposten als Reporter an die Föderationsnachrichten. Als sie zu dem Namen des Chefingenieurs kam,

erwartet sie eine Überraschung: Er hieß Miles O`Brien! Hatte nicht Marla von einem Chief O`Brien gesprochen? Das wäre eine wunderbare Gelegenheit, aus erster Hand von Benjamin Sisko zu hören. Ja, er war es. Und seine Familie hatte ebenfalls dort gelebt.

Carina lief aufgeregt hin und her. „Hoffentlich lernen ich sie schon heute kennen“, dachte sie. Als sie sich gerade ausmalte, wie sie das Gespräch unauffällig auf den Captain bringen konnte, vernahm sie eine Veränderung im Fluggeräusch. Plötzlich begannen sich die Sterne vor ihrem Fenster in die Länge zu ziehen, bildeten bunte Streifen, an denen das Schiff entlang raste.

„Wir sind auf Warp gegangen“, wusste Carina sofort. Sie horchte in sich hinein. Fühlte sie etwas Fremdes? Nein, sie nahm von der aberwitzigen Geschwindigkeit, mit der sich die Warpblase durch den Raum faltete, nichts wahr.

Langsam entspannte sie sich wieder und bemerkte, dass sie hungrig war, Zeit für ein Abendessen. Das Angebot des Replikators war umfangreich und schmackhaft. Nachdem sie das Geschirr wieder in den Verwertungskreislauf gegeben hatte, zog sie ihren dunkelblauen Hosenanzug an und band sich einen silbernen Schal um die Hüften. Immerhin würde sie eine Reihe junger Männer treffen. Sie grinste ihrem Spiegelbild zu und machte sich auf den Weg, neugierig auf Bekanntschaften und Gespräche.

Zischend öffnete sich die Schiebetür und gab den Blick frei auf eine Ansammlung von Offizieren, die sich in kleinen Gruppen zusammengefunden hatten und sich lebhaft unterhielten.

Zwei Anwesende trugen keine Uniform. Die eine war nach Carinas Vermutung Keiko O`Brien, die andere stand nahe dem Eingang neben dem Doktor. Sie war groß und schlank mit blondem Haarknoten und trug einen eng anliegenden Anzug aus festem blauschimmerndem Gewebe. Als besonders ungewöhnlich fielen Carina sofort silbermetallische Implantate an ihrem Körper auf. Ein Bogen zog sich schläfenseits um ihr linkes Auge, ein Stern saß unter dem rechten Ohr und über die linke Hand, die ein Glas hielt, zogen sich lange metallische Streifen bis zu den Fingerkuppen.

Über Carinas Rücken lief ein Schauer, noch niemals war sie einer Borg begegnet. Obwohl Seven nun schon fünf Jahre vom Kollektiv getrennt war und der Doktor ihr das menschliche Aussehen zurückgegeben hatte, hing ihr das Fremde an wie ein Schatten.

Ehe Carina auch nur ein Wort sagen konnte, kam der Doktor auf sie zu. „Guten Abend, Carina. Ich führe Sie herum und stelle sie allen vor. Hier ist unsere Wissenschaftlerin im astrometrischen Labor, Seven of Nine. Leider wird sie uns am Ende der Reise verlassen und neue Aufgaben übernehmen.“

In seiner Stimme klang so viel Bedauern und Trauer mit, dass Carina aufmerksam wurde. Wieder fragte sie sich, ob dieses Hologramm Gefühle hatte oder sogar lieben konnte?

„Hallo“, sagte Seven und schaute Carina intensiv mit großen blauen Augen an.

„Welch eine Anmut und Schönheit“, dachte Carina und bedauerte sich selbst.

Schon zog der Doktor sie weiter, Seven folgte ihnen.

Harry Kim lächelte Carina zu. Neben ihm stand eine Frau mit dunkelblondem kurzem Haar. An ihrem Kragen glänzten die Abzeichen eines Admirals. Von dem Blick ihrer graubraunen Augen fühlte sich Carina förmlich durchbohrt und auf irgendeine Weise ertappt. Der Doktor stellte Carina vor und Kathryn Janeway schüttelte ihr die Hand. „Guten Abend“, sagte der Admiral und Carina erkannte sofort die raue Stimme, die sie mittags gehört hatte.

Auch der breitschultrige Mann neben ihr schüttelte Carinas Hand und wurde ihr als Commander Chakotay, erster Offizier, vorgestellt. Über seinem linken Auge zog sich eine fächerförmige Tätowierung bis ins schwarze glatte Haar, dunkle Augen und ein brauner Teint wiesen auf indianische Vorfahren hin.

Als der Doktor mit Carina weiterging, blieb Seven neben ihm stehen. Beide lächelten sich an. „Aha“, dachte Carina, „da gehören zwei zusammen.“

In der Sesselgruppe saßen vier Personen. Tom Paris war Carina schon bekannt und grinste ihr entgegen.

„Das ist meine Frau, B`Elanna Torres“, sagte er und legte der jungen Frau neben ihm den Arm um die Schultern.

„Was für eine schöne Frau“, dachte Carina. War Seven von der kühlen Schönheit eines sonnigen Wintertages, so glühte in B`Elannas braunen Augen ein verborgener Vulkan. Ihr Gesicht war oval, die Lippen voll und rot, ihr braunes Haar trug sie kinnlang. Auf der Stirn zeigte sich ihre halbklingonische Abstammung. Carina fragte sich, wie sie wohl mit den zwei Seelen in sich zurecht kam. Sie musste eine Herausforderung für ihren Mann sein.

Aus einem Sessel erhob sich ein großer Mann mit rotem Gesicht und lockigem blondem Haar, das von weißen Fäden durchzogen war.

„Miles O`Brien“, sagte er mit knarrender Stimme. „Und dies ist meine Frau Keiko.“ „Wie nett, Sie kennenzulernen“, strahlte Keiko. „Setzen Sie sich doch zu uns.“ „Etwas später gern“, antwortete Carina. „Der Doktor möchte mich noch jemandem vorstellen.“

Ein schlanker dunkelhäutiger Vulkanier blickte ihr ernst entgegen. „Commander Tuvok, dies ist Carina, wir sprachen über sie. – Ja, nun kennen Sie alle hier, Carina, ich werde mich mal wieder zu den anderen gesellen.“

Carina begrüßte den Commander, blieb neben ihm stehen und betrachtete die Umgebung. Zwei Crewmen reichten Getränke und Snacks herum. Sie hörte einzelne Gesprächsfetzen und Gelächter und fuhr ein wenig zusammen, als Tuvok sie plötzlich ansprach.

„Sie haben die Gespräche zwischen Andoria und Vulkan vermittelt“, stellte er fest. „Ich möchte Ihnen dafür meinen Respekt aussprechen.“

„Oh, danke“. Carina schaute zu ihm empor. „Ich bin froh, dass dieses gute Ergebnis erreicht werden konnte.“ Wieder schwiegen sie eine Weile. Tuvok schien sich in dem fröhlichen Gedränge nicht wohl zu fühlen. Carina überlegte, ob man einen Vulkanier wohl etwas Privates fragen dürfte. Ach was, er konnte ihr den Kopf nicht abreißen, vielleicht würde er mit ihr arbeiten, da sollte man sich etwas kennenlernen dürfen. Sie fasste sich ein Herz und fragte ihn nach seinen Plänen. Würde er auf der `Voyager` bleiben?

„Wenn wir zurück auf der Erde sind, nehme ich Urlaub von der Sternenflotte und werde einige Jahre auf Vulkan verbringen. Ich möchte mich meiner Familie und verschiedenen Studien widmen.“

Carina nickte verständnisvoll. Diese Crew hatte sieben Jahre im Deltaquadranten verbracht und erst einen kurzen Urlaub gehabt. Sie nahm sich vor, die freigegebenen Logbucheintragungen der `Voyager` zu lesen. Jetzt, da sie die Personen kannte, füllten sich die trockenen Informationen mit Leben. Tuvok beugte sich ein wenig zu ihr herunter. „Der Doktor informierte mich darüber, dass Sie am Erlernen von Meditationstechniken interessiert sind. Wäre es Ihnen recht, wenn ich Sie an den Abenden aufsuche? Dann könnten Sie sich anschließend gleich zur Ruhe begeben und so das Erlernte vertiefen.“ Carina schaute zu den dunklen Augen des Vulkaniers empor und sah zu ihrer Erleichterung Verständnis, Diskretion und eine lange Lebenserfahrung. „Ja, danke. Das wird mir sicher eine große Hilfe sein.“

„Dann möchte ich mich verabschieden. Wir sehen uns morgen.“

Als er an Admiral Janeway vorbeiging, sprach sie ihn an: „Tuvok, Sie wollen schon gehen?“

„Ich überprüfe nur noch den Arbeitsplan der Nachtschicht auf der Brücke.“ Ehe ihn jemand hindern konnte, war er gegangen. Seine Kollegen lachten. Sie schienen dieses Verhalten von ihm gewöhnt zu sein.

Keiko bot Carina einen Platz an ihrer Seite an. „Erzählen Sie etwas von sich.“ „Ihr Leben war bestimmt aufregender als das meine“, wehrte Carina ab und ließ sich auf der Couch nieder.

In kurzer Zeit war sie in die verschiedensten Gesprächsthemen verwickelt.

Sie hörte von den sieben Jahren der O`Briens auf DS9, von Keikos Erlebnissen als Lehrerin dort, als sie keine Möglichkeit hatte, in ihrem Beruf als Botanikerin zu arbeiten. Von der seltsamen Freundschaft des Jake Sisko mit dem Ferengi Nog, der nun als erster seiner Spezies bei der Sternenflotte diente. Er hatte sich in harten Kämpfen bewährt und seine speziellen Ferengieigenschaften, seine Geschäftstüchtigkeit und feinstes Hörvermögen zum Wohl der Kameraden eingesetzt. Sein Vater Rom war der `Große Nagus` auf Ferengina und sein Onkel Quark betrieb eine gutgehende Bar auf dem Promenadendeck von DS9. Nach eingehenden Erörterungen über Kinderbetreuung auf der Station im Besonderen und das Leben mit Kindern im Weltall im Allgemeinen, wechselte das Thema zu technischen Problemen.

B`Elanna sollte den Chefingenieursposten auf DS9 übernehmen und der Chief würde sie in alle Besonderheiten des technischen Stationsbetriebes einarbeiten. Es schien besonders schwierig zu sein, cardassianische, bajoranische und Föderationstechnik zu vereinen. Seit der Chief vor zweieinhalb Jahren an die Sternenflottenakademie auf der Erde berufen wurde, hatten wechselnde Teams mit mehr oder weniger Erfolg versucht, die Station auszubauen. Jetzt wollte die Sternenflotte mit der neuesten Technologie aus dem Deltaquadranten nicht nur ihre Schiffe ausrüsten, sondern auch die Stationen. Und niemand wäre da besser geeignet als B`Elanna Torres, da waren sich alle Anwesenden einig. Etwas später erfuhr Carina von Harry Kim, dass sie in Neelix` ehemaligem

Quartier wohnte und hörte Anekdoten über den hilfsbereiten und freundlichen Talaxianer, der die `Voyager` kurz vor Ende der Reise verlassen hatte, um in einer Kolonie seines Volkes zu leben. Ohne seine Kochkünste und der Fähigkeit, neue Nahrungsmittel aufzuspüren, wäre die Versorgung der Crew sicher schwierig gewesen. Jetzt musste nicht mehr an Energie gespart werden und Replikatoren übernahmen die Nahrungsversorgung. Aber einige Mitglieder der Crew hatten soviel Freude am Kochen und Backen gefunden, dass sie es sich nicht nehmen ließen, ab und zu die Küche wieder in Betrieb zu nehmen und ihre Kameraden zum Essen einzuladen.

Die Gruppe um Admiral Janeway diskutierte über die neuen Aufgaben von Seven und Chakotay auf der `Titan`, die sie bei DS9 treffen würden.

Nach einigen Stunden spürte Carina die Anstrengungen des Tages und verabschiedete sich.

„Haben Sie Lust auf einen Kaffee oder Tee in meinem Bereitschaftsraum?“ fragte Janeway. „Dann zeige ich Ihnen auch die Brücke.“ Carina nahm die Einladung gerne an und der Admiral versprach, ihr Bescheid zu geben.

„Sie will mich aushorchen“, dachte Carina auf dem Weg in ihr Quartier. „Ihr erscheint das Interesse von Admiral Ross an meiner Arbeit ungewöhnlich und sie will wissen, was dahintersteckt. Ich muss auf der Hut sein.“ Sie würde sich am besten schon einmal eine gute Erklärung ausdenken und musste damit rechnen, einem geschickten Verhör unterzogen zu werden. Bei dem Gedanken wurde ihr mulmig. Aber heute war sie zu müde, dazu brauchte sie einen klaren Kopf. Sie ließ den Computer die Fenster verdunkeln und ging sofort zu Bett. Der erste Tag war geschafft.

Am nächsten Abend kam Tuvok. Er hatte Carina gebeten, eine kleine Decke für den Glastisch und einen Leuchter mit Kerzen zu besorgen. „Es ist von Vorteil, die Umgebung den gewünschten Gedanken anzupassen“, sagte er in seiner gewohnt geradlinigen Art. Er zündete die Kerzen an und löschte alles künstliche Licht.

Carina war aufgeregt und fühlte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Sie wusste nicht, wohin mit ihren kalten Händen. Tuvok setzte sich Carina gegenüber und zeigte ihr die richtige Haltung.

„Das Bedrückende an der Angst, ist die Angst vor der Angst“, begann er. „Wir werden zunächst einige Entspannungsübungen machen und uns dann erarbeiten, dass vorgestellte Situationen nicht angstbesetzt sind.“ Carina nickte beklommen.

„Schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich ein durch Wind bewegtes Meer vor…

– Sehen Sie die hohen Wellen an, den wolkenreichen Himmel… – Nun lassen Sie es vom Horizont her aufklaren… – Blau schimmert durch die Wolken, der Wind lässt nach… – Sehen Sie die Wellen, sie beruhigen sich, sie flachen ab… – Die Sonne scheint durch die Wolken… – Das Meer leuchtet im Blau des Himmels, die Wellen sind nur leicht bewegt, Sie fühlen sich beruhigt.“ Carina hörte seine Stimme und begann sich zu entspannen.

Nach einer Stunde der verschiedensten Übungen verabschiedete sich Tuvok.

Carina löschte die Kerzen und wunderte sich, dass der Feueralarm nicht reagiert hatte. Morgen würde er wiederkommen und sie freute sich darauf.

Einige Tage später stand Carina vor der Tür des Holodecks. Sie wollte sich in einer schönen Landschaft entspannen und hatte sich ein altmodisches Buch anstelle eines Padds mitgebracht. Sie liebte den Geruch von Büchern und das Rascheln der Seiten, so konnte sie besser in ihre Phantasie eintauchen.

Als sie sah, dass ein Programm lief, zögerte sie. „Computer, Programm identifizieren.“ „Es läuft das Programm O`Brien 14-3.“

Dann würde sie vermutlich Keiko treffen, das gefiel Carina und sie trat ein. Augenblicklich stand sie an einem Seeufer, ein flacher Strand zog sich bis ans Wasser. Der Blick reichte über den See bis zu einer Ortschaft am anderen Ufer und am Horizont erhob sich ein Gebirge. Die Sonne schien freundlich warm. Auf einer Blumenwiese in der Nähe saß Keiko in einem Liegestuhl. Um sie herum spielten zwei Kinder Fangen und ein drittes strampelte im Gras an ihrer Seite.

„Hallo, wie schön Sie zu sehen“, rief sie Carina zu. “Setzen Sie sich zu mir – Computer, zweiten Liegestuhl generieren.“

Carina lächelte und ließ sich nieder. „Wer sind die Kinder?“ fragte sie. Nur ein Junge von etwa sieben Jahren schien ihr ein O`Brien zu sein.

„Das ist mein Sohn Kirayoshi, er wurde auf DS9 geboren. Unsere ältere Tochter Molly haben wir auf der Erde bei den Großeltern gelassen, sie geht dort zur Schule.“

„Wenn wir zurück auf der Erde sind, gehe ich auch wieder zur Schule“, erklärte das blonde Mädchen. Über die Mitte ihrer Stirn zog sich ein senkrechter Streifen feiner Zacken empor. Carina schätzte sie auf etwa zehn Jahre.

„Dies hier ist Naomi Wildman, die Tochter von Lt. Samantha Wildman“, stellte Keiko sie vor. „Naomi wurde im Deltaquadranten auf der `Voyager` geboren und hat sich bis zur `Assistentin des Captains` emporgearbeitet. Sie passt auch oft auf Miral auf.“ Keiko wies auf das zappelnde Kleinkind. Miral zeigte auf ihrer Stirn blasse Anzeichen klingonischer Abstammung. „Sie ist die Tochter von B`Elanna und Tom“, erinnerte sich Carina. Sie schaute noch einmal Naomi an. „Du siehst aber viel älter aus, als du sein kannst.“

„Mein Vater ist Ktarianer, deshalb wachse ich schneller als andere Kinder“, antwortete Naomi und rannte lachend hinter Kirayoshi her.

„Wie ist Bajor?“ fragte Carina und reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. „Bajor, ja das wunderschöne Bajor“, sagte Keiko träumerisch. „Es ist der schönste Planet, den ich in meiner Laufbahn als Botanikerin gesehen habe. Außer, natürlich, der Erde, aber die ist Heimat und ohne Konkurrenz.“ „Erzählen Sie mir davon“, bat Carina.

Keiko ließ sich nicht lange bitten und schwärmte von grünen Landschaften, fruchtbaren Tälern und der weichen duftenden Luft. „Überall wachsen Blumen und es gibt nur wenige unfruchtbare Landstriche, meistens im Gebirge gelegen. Ein wahres Paradies für Pflanzenfreunde. – Wo werden Sie wohnen?“ fragte sie Carina.

„Ich weiß es noch nicht. Ich soll mich an Colonel Kira wenden, sie wird mir meine Unterkunft vermitteln.“

Bei der Erwähnung des Colonels lächelte Keiko. „Nerys ist mehr als eine Freundin für uns“, sagte sie. „Als ich während der Schwangerschaft einen Unfall hatte, ist es Dr. Bashir gelungen, das Baby auf sie zu übertragen und so zu retten. Sie hat es auch geboren. Deshalb hat sie auch ein besonderes Verhältnis zu Kirayoshi und freut sich sehr auf unseren Besuch. Ich glaube, nach Jadzias Tod und Odos Heimkehr zu seinem Volk fühlt sie sich einsam.“ Carina sah Keiko fragend an.

„Kira war mit dem Formwandler Odo bis zum Ende des Dominion-Kriegen zusammen. Er ist dann in die große Verbindung zurückgegangen, um sein Volk zu heilen und sie an seinen Erfahrungen mit den `Solids`, das sind alle, die nicht formwandeln, teilhaben zu lassen.“

„Und wer war Jadzia?“ fragte Carina. „Hoffentlich bin ich nicht zu neugierig.“ Keiko warf Carina einen prüfenden Blick zu. „Nein, Sie sehen nicht indiskret aus“, beruhigte sie sie. „Jadzia war Kiras beste Freundin, eine vereinigte Trill, und wurde von einem Pagh-Geist getötet. Dr. Bashir konnte den Dax-Symbionten retten. Er lebt jetzt in Ezri Dax.“

Diesen Namen hatte Carina in den DS9 Akten gelesen. „Dr. Bashir ist wohl ein ganz besonders fähiger Arzt?“ „Er ist der Beste“, sagte Keiko einfach.

Carina schaute eine Weile den spielenden Kindern zu. Keiko nahm Miral hoch und wiegte sie in ihren Armen.

„Ein schrecklicher Verlust für Kira war auch das Verschwinden von Captain Sisko. Kasidy, seine Frau, weiß aus einer Vision, dass er bei den Propheten ist. Er hat wohl auch gesagt, dass er wiederkommen wird, aber wann das sein wird, steht im wahrsten Sinne in den Sternen. Kira und er haben sich blind aufeinander verlassen und sich gegenseitig oft das Leben gerettet. Sie leitet die Station perfekt, aber sein Rat und Beistand fehlen ihr sehr. Wenn sie zu den Propheten betet, wird sie ihn sicher mit einschließen.“

Glücklich über die unverhoffte Gelegenheit, über Benjamin Sisko sprechen zu können, richtet sich Carina in ihrem Liegestuhl auf. „Wie war er? Wie hat er seine Aufgabe als Abgesandter der Propheten angenommen?“

Keiko blickte erstaunt auf. Carina beeilte sich hinzuzufügen, dass sie im Rahmen ihrer Studien auch den Einfluss der bajoranischen Religion auf politische Entscheidungen untersuchen wollte. Ein menschlicher Sternenflottenoffizier wurde als langersehnter Abgesandter gottähnlicher Wesen erkannt, das musste Auswirkungen in viele Richtungen haben.

Carinas Argumente leuchteten Keiko ein. „Ja, wie war er? Ich glaube, jeder der ihn kannte, wird sich an verschieden Seiten seines Wesens erinnern. Für uns war er der beste und zuverlässigste Freund. Er konnte fröhlich und ausgelassen sein, besonders beim Baseball. Seinem Sohn Jake war er ein zärtlicher und fürsorglicher Vater, dabei tolerant und verständnisvoll. Er hat ihn immer in seinem Bestreben, ein guter Schriftsteller zu werden, unterstützt. Von Miles weiß ich, dass er aber auch, wenn es notwendig war, hart durchgreifen konnte. Unter ihm gab es keine Disziplinlosigkeit. Wir haben ihm viel zu verdanken,

auch Miles´ Leben. Wie er seine Berufung zum Abgesandten der Propheten erlebt hat, kann Ihnen sicher Kira Nerys besser beschreiben. Für sie war er eben nicht nur ihr Vorgesetzter, sondern auch eine religiöse Leitfigur.“

Keiko versank in Gedanken und Carina fragte sich, welche Erinnerungen wohl

gerade vor ihrem inneren Auge auftauchten. Nach einer Weile sprach sie weiter: „Während Miles B`Elanna auf der Station einarbeitet, werden Kirayoshi und ich auf Bajor leben. Wir wohnen im Kloster Dakeen auf einer nördlichen Insel, herrlich am Bergeshang gelegen. Ich beende dort zusammen mit einigen Botanikern des Klosters eine Arbeit über die Blütenpflanzen der Region.

Kommen Sie uns doch besuchen.“

„Ja, gerne“, freute sich Carina.

Miral schlief auf Keikos Schoß, die beiden anderen Kinder sammelten Steine am Seeufer, ein leichter Wind spielte in ihren Haaren.

„Wie friedlich es hier ist“, seufzte Carina. „Kennen Sie die Flugroute nach DS9?“

„Nicht genau, aber gehen Sie doch in die Astrometrie. Seven kann ihnen alle Fragen beantworten.“

Carina nahm sich vor, diesem Rat am Nachmittag zu folgen. Jetzt wollte sie nur die Gesellschaft von Keiko und den Kindern genießen. An das Summen der Maschinen hatte sie sich gewöhnt, aber ein mulmiges Gefühl war geblieben, da kam die Ablenkung auf dem Holodeck sehr gelegen.

Als sich die Tür zum astrometrischen Labor auf Deck zehn öffnete, blieb Carina überrascht stehen. Auf der Innenfläche einer großen Kuppel, die sich über den halben Raum erstreckte, bewegten sich farbige Sterngebiete. Dann erschien an ihrer Stelle eine Sonne mit rotierenden Planeten, viele Daten erklärten die Zusammenhänge.

Seven of Nine stand mit dem Rücken zur Tür und gab mit verblüffender Schnelligkeit Befehle in eine Konsole vor ihr ein. Hinter ihr waren zwei weitere Arbeitsplätze angebracht, auch an den Seitenwänden konnte man an verschiedenen Stationen arbeiten.

Seven drehte sich zu Carina um. „Kommen Sie herein, haben Sie ein Anliegen?“ „Ja“, antwortete Carina und schaute sich interessiert um. „Haben Sie Zeit, mir unsere Flugroute zu erklären?“

Seven berührte einige Felder auf ihrem Display und schon erschien in der Kuppel ein Raumabschnitt mit Sternsystemen. Ein kleines Symbol zeigte die `Voyager` und ihre Bewegung an.

„Wir befinden uns gerade hier, haben Caldik passiert und werden in Kürze die gelben Doppelsonnen von Trill erreichen“, erklärte sie und zeigte auf das Sternenflottensymbol. „Dieses ist unser geplanter Kurs, er führt uns vorbei an Regulon, einem sehr interessanten Dreifachsystem aus einer roten, gelben und blauen Sonne, und wenn wir den roten Zwergstern Koralis passiert haben, sind es weniger als zwei Tage bis DS9.“ Seven folgte mit einer weiten Armbewegung der angezeigten Route.

Carina betrachtet aufmerksam die Raumsektoren, die noch vor ihnen lagen.

„Wie schnell können Sie fremde Schiffe orten?“ fragte sie.

„Manchmal schon, wenn sie noch viele Stunden entfernt sind. Aber es gibt auch unbekannte Technologien, die sich sehr schnell nähern. Auch können wir Transwarptunnel nicht effizient aufspüren.“

Carina ging an den Wänden entlang und versuchte, die technischen Anzeigen zu verstehen, ohne viel Erfolg.

„Ich kann Ihnen unsere Reiseroute mit den täglichen Veränderungen in Ihr Quartier senden“, schlug Seven vor. „Dann wissen Sie immer genau, wo wir sind.“

Carina stimmte begeistert zu. Dann fiel ihr eine in die Wand eingelassene Klappe auf. Sie trug die Beschriftung: `Phaser Typ 2`. Seven bemerkte Carinas Zögern. „Wir können an vielen verschiedenen Stellen auf Waffen zugreifen.“ Carinas Herz klopfte. „Darf ich eine sehen?“ Nach kurzem Nachdenken öffnete Seven die Klappe mit ihrer Zugangsberechtigung. Sie nahm eine Pistole, entfernte die Energiezelle und schloss die Klappe wieder. Carina fühlte eine Gänsehaut, als das kalte Metall ihre Hand berührte.

„Hier oben, mit diesen Tasten, stellen Sie die Stärke des Strahls ein, von leicht betäuben, so, bis zu töten, in dieser Einstellung. Die Anzeige gibt den momentanen Status an.“

Carina gab das schlanke handliche Gerät an Seven zurück.“Hoffentlich brauchen wir keine Waffen.“

„Das hoffen wir immer. Aber wir sind vorbereitet.“ Seven verschloss den Phaser sorgfältig im Wandschrank. „Haben Sie noch ein Anliegen?“

„Im Moment nicht, danke“, antwortete Carina und machte sich auf den Weg zur Messe. Wenn sie Glück hatte, traf sie dort Harry und Tom. In Gesellschaft der beiden jungen Männer gab es immer etwas zu lachen und das brauchte sie jetzt dringend.

Die Tage vergingen und Routine spielte sich ein.

Nach dem Frühstück trainierte Carina im Sportraum, dann arbeitete sie in ihrem Quartier. Nachmittags genoss sie verschiedene Holoprogramme. Mit Keiko und den Kindern verbrachte sie dort angenehme Stunden, etwa an einem Strand oder in einem Garten. Die Illusion war so perfekt, dass sie zeitweise vergaß, dass sie sich in einem Raumschiff befand. Gern besuchte sie den Ort `Fair Haven`, ein Programm, das Tom Paris zur Freude der ganzen Crew erschaffen hatte. An den Abenden kam Commander Tuvok und unterwies sie in meditativen Übungen. Zwei Tage vor ihrer geplanten Ankunft rief Admiral Janeway sie zu sich. Carina war gespannt, Deck eins kennenzulernen.

Der Turbolift öffnete sich direkt auf der Brücke.

Carina sah einen fast kreisförmigen Raum vor sich, alle Wände waren mit Displays bedeckt. Rechts von Carina arbeitete Tuvok an einer Station, links zog sich ein Feld von Plänen und Anzeigen die ganze rückwärtige Wand entlang. Gleich daneben diskutierten Harry Kim und Seven über ein Display gebeugt. Eine Stufe führte in den Kommandobereich hinab, zwei Sessel beherrschten diese Ebene. Im rechten saß Admiral Janeway, im linken der Erste Offizier Chakotay. Sie unterbrachen ihr Gespräch und der Admiral stand auf, um Carina zu begrüßen. Chakotay nickte ihr zu, klappte dann eine Arbeitsstation zwischen den Sesseln herunter und konzentrierte sich auf die Anzeigen.

Im entfernteren Teil der Brücke, nochmals zwei Stufen abwärts, drehte sich Tom Paris auf seinem Stuhl herum und winkte Carina zu. Vor ihm bog sich ein Halbkreis mit verschiedenen Stationen. Die Carina gegenüberliegende Wand wurde von einem großen Bildschirm eingenommen, der aber nicht in Betrieb war.

Janeway nahm Carinas Arm und führte sie herum. „Commander Tuvok arbeitet an der taktischen Station, Waffen und Sicherheitskontrollen. Wir sind immer vorbereitet.“

Carina fragte sich, ob sie so ängstlich aussah, dass sie beruhigt werden musste. „Die Station dort drüben ist die Operationsstation, kurz Ops genannt, das ist Harrys Bereich. Dort laufen auch alle wissenschaftlichen Daten zusammen. Tom ist verantwortlich für die Flugkontrolle, die sogenannte Conn. Er ist für alle Flugmanöver zuständig und kontrolliert die Navigation. Aber es können auch andere Funktionen auf die Conn übertragen werden. Die beiden kleineren Stationen neben dem Bildschirm sind nicht regelmäßig besetzt.“

Von einer der Stationen grüßte Marla Gilmore. Es herrschte eine Atmosphäre der Aufmerksamkeit, aber soweit Carina sehen konnte, verbiss sich niemand in seine Arbeit, alles war hundertfach erprobte Routine. Janeway öffnete eine Tür neben der taktischen Station.

„Lassen Sie uns einen Kaffee in meinem Bereitschaftsraum trinken. Oder möchten Sie lieber Tee?“

„Ja, danke, Tee.“

Carina holte überrascht Luft. Dieser Raum trug unzweifelhaft eine sehr persönliche Note. Gleich neben der Tür stand eine Konsole mit einer planetenähnlichen Skulptur. Geradeaus, hinter dem umfangreichen Arbeitsbereich mit einem bequemen Sessel wurde das übliche Grau der Wände durch hellgrüne Paneele überspannt. Ein schmales Regal war dort eingearbeitet, auf dem Kunstgegenstände und einige Bücher standen.

Janeway bat Carina zwei Stufen empor auf einer geschwungenen Couch unter drei großen Fenstern Platz zu nehmen. Das Grün wiederholte sich im Bezug und im Abschluss des durchsichtigen Geländers, das den Sitzbereich vom Arbeitsplatz trennte. Während Janeway am Replikator stand, wanderten Carinas Augen zu zwei Stühlen vor dem Schreibtisch und in ihrer Phantasie sah sie arme Sünderlein peinlichst befragt werden.

In den Fensternischen standen Töpfe mit Grünpflanzen. „Bonsais?“ fragte sie interessiert.

„Wir können nicht viel Platz zum Wachsen bieten.“ Janeway balancierte silbernes Geschirr zum niedrigen runden Couchtisch. „Ich verbringe hier viel Zeit und umgebe mich gern mit Erinnerungsstücken von zu Hause und Pflanzen machen einen Raum wohnlich. Diese weiße Orchidee hat mir Commander Tuvok geschenkt, er hat viel Erfolg mit der Zucht.“

„Sie hat mich beobachtet“, dachte Carina und rührte in ihrem Tee.

Über das Gesicht des Admirals huschte ein Schatten des Bedauerns. „Ich werde die `Voyager` vermissen. Admiral Kirk hat einmal gesagt, dass man nur als Captain eines Raumschiffs etwas bewirken kann. Vermutlich war ihm der Admiralsschreibtisch nicht abenteuerlich genug. Aber nach den letzten aufreibenden Jahren sehne ich mich nach einer ruhigeren Aufgabe. Schließlich gehen alle Kinder irgendwann aus dem Haus.“ Carina sah sie fragend an.

„Ich nenne die Crew meine Familie. Sicherlich werde ich ihren weiteren Weg beobachten, aber nach dieser Reise werden wir nie wieder alle zusammen sein.“ Sie schwieg und schaute in ihre Kaffeetasse, als ob sie dort die Zukunft sehen könnte. Als sie den Kopf wieder hob, waren die Schatten verflogen.

„Aber erzählen Sie doch von sich.“ Carina gab einen kurzen Bericht über Leben und Arbeit.

„Und woher kennen Sie Admiral Ross?“

„Aha“, dachte Carina, „jetzt kommen wir zum Kern.“ Sie sprach von ihrem Beitrag zu den Vulkan- Andoria Verhandlungen und dass Admiral Ross sie aufgefordert habe, auf Bajor die Bedingungen für einen Beitritt zur Föderation zu studieren. „Er möchte wissen, welche Rücksichten genommen werden müssen. Meine Aufgabe ist es, historische Hintergründe zu studieren und die Programme der Kandidaten für die Wahl des religiösen Führers zu beurteilen“, schloss Carina ihre Ausführungen.

In Janeways Augen funkelte der Spott. „Sie glaubt mir kein Wort“, dachte Carina unbehaglich und hoffte, ihre Miene sei ausreichend harmlos. Janeway beugte sich zur Zuckerdose vor. „Und mit wem werden Sie auf Bajor Kontakt aufnehmen. Haben Sie bestimmte Anwei...“

Mitten im Satz wurde sie unterbrochen. „Admiral, bitte kommen Sie sofort auf die Brücke“, klang Chakotays Stimme aus dem Kommunikator. Janeway sprang auf und war in Sekundenschnelle durch die Tür.

Carina lief hinter ihr her und lehnte sich möglichst unauffällig neben der Tür an die Wand. Keiner achtete auf sie. Niemals in ihrem Leben würde sie die folgenden Minuten vergessen. Die Atmosphäre auf der Brücke hatte sich schlagartig verändert. Der Admiral beherrschte den Raum. „Bericht!“

„Die Sensoren messen ansteigende Neutrinowerte. Ein Transwarptunnel öffnet sich.“ Harry und Seven arbeiteten an den Displays, alle Anwesenden sahen ernst und aufmerksam auf Admiral Janeway.

„Tuvok, Status?“

„Alle Systeme bereit.“

„Auf den Schirm!“

Der große Bildschirm zeigte einen blauschimmernden Raumwirbel. Im selben Augenblick schoss eine riesige grüne Kugel aus dem Wirbel, ein künstliches metallisches Objekt, die Außenhaut bedeckt mit Sensoren. Hinter ihr schloss sich der Kanal.

„Borg!“ Sevens Stimme klang beherrscht.

Carina traf das Wort wie ein Faustschlag in die Magengrube. Das Blut schoss ihr in den Kopf und sie suchte Halt an der Wand. „Schilde! Panzerung! Waffen in Bereitschaft!“

Janeways Befehle schallten klar und fest durch den Raum. Sofort hörte Carina das Klacken der Panzerung und die Bestätigungen der Stationen.

Der Admiral stand vor dem Schirm und stemmte die Hände in die Hüften. Ein greller grüner Lichtstrahl fing die `Voyager` ein, tastete sich über und durch das ganze Schiff.

„Wir werden gescannt“, hörte Carina Tuvoks Stimme neben sich.

Marla Gilmore trat an die Wand, entnahm der Klappe mehrere Waffen und verteilte sie. Vor Carina zögerte sie kurz, blickte zu Janeway und Chakotay, aber keiner von beiden nahm Notiz. Carina streckte unwillkürlich die Hand aus und ergriff den Phaser. Durch das Dröhnen ihres Herzschlags erinnerte sie sich an Sevens Stimme: „…mit diesen Tasten…von Betäuben bis zu töten...“ Sie blickte auf das Gerät und wie ohne ihr Zutun stellten ihre Finger den Phaser auf `töten`. Carina schaute von einem zum anderen. Tuvok ließ keine Regung erkennen, Harry und Seven beschäftigten sich an ihrer Station, Tom hatte die Hände leicht angehoben, bereit, sofort zu reagieren. Chakotay saß in seinem Sessel und beobachtete den Schirm. Ihre Gesichter waren wachsam und entschlossen.

Der Strahl tastete über die Brücke, über die Menschen. Carina fühlte ein leichtes Prickeln, als er über sie glitt. Sie lehnte sich fester an die Wand und versuchte, das Zittern ihrer Knie zu unterdrücken.

„Lebendig werden sie mich nicht kriegen“, dachte sie entschlossen. Sie würde sich lieber selbst töten, als von den Borg assimiliert zu werden. Vielleicht hätte sie ja noch die Chance, einige von `denen` mitzunehmen. Der Gedanke erfüllte sie mit hässlicher Freude.

Der Strahl verlosch. Unbeweglich hing die Borgsphäre vor der Voyager im Raum. Niemand sprach, Carina hörte nur das Atmen der anderen. Auf Marlas Oberlippe glänzten kleine Schweißtröpfchen. „Seven, haben Sie Verbindung zum Kollektiv?“

Seven horchte in sich hinein und schüttelte den Kopf. „Keine Verbindung.“

Noch niemals war Carina die Zeit so lang geworden wie in dieser Stille. Ihr Herz hämmerte.

Immer noch nichts.

Janeway zog die Augenbrauen hoch und sah Chakotay an.

„Heute nicht assimilieren? Ist bei uns Widerstand nicht zwecklos?“ Dann Harrys Stimme: „Sie aktivieren ihren Antrieb.“

Die Sphäre drehte sich und dann schoss sie blitzschnell in einen neu erzeugten Strudel und verschwand zusammen mit der Raumverzerrung.

„Sie sind weg. Keine Anzeichen mehr bei den Langstreckensensoren.“

„Wieso hört sich Harry so dumpf an“, dachte Carina. In ihrem Kopf befahl eine Stimme: „Du musst die Waffe ausschalten, du musst sie ausschalten!“ Irgendwie brachte sie ihre zitternden Hände dazu, dem Befehl zu folgen. Sie sah Marla auf sich zukommen, um ihr den Phaser abzunehmen. In ihren Händen begann es zu kribbeln und die Brücke glitt vor ihr weg. Carina fühlte einen Knack in ihrem Kopf, der durch den ganzen Körper lief und dann kam der Boden ganz schnell auf sie zu.

Langsam ließ das Rauschen nach und Carina fühlte sich wieder bei sich, sehr erschöpft. Sie lag auf einem Bett!

Vorsichtig öffnete sie die Augen und blickte direkt in das lächelnde Gesicht des Doktors. „Na, da sind wir ja wieder“, sagte er fröhlich und berührte seinen Kommunikator. „Doktor an den Admiral.“ „Sprechen Sie.“ „Unser Gast ist wieder bei Bewusstsein.“ „Sehr gut. Grüßen Sie sie. Ich werde sie später besuchen.“

Carina spürte eine warme Hand auf ihrer kalten. Sie drehte den Kopf und sah in Keikos freundliche Augen. „Ich friere“, sagte sie leise. Keiko deckte sie mit einer weiteren Decke zu. Der Doktor trat wieder in ihr Blickfeld, ein Hypospray in der Hand. „Das wird Ihnen auf die Beine helfen.“

„Warum haben uns die Borg nicht angegriffen?“ fragte Carina den Arzt. „Sie haben wohl festgestellt, dass wir ihnen mit unserer neuen Technologie gewachsen sind“, sagte er nachdenklich. „Bevor wir den Delta-Quadranten verlassen haben, konnten wir den großen Komplex der Borg-Königin zerstören, auch sie wurde vernichtet. Wir flohen durch Borg- Transwarpkanäle, die wir hinter uns zerstört haben. Die Sphäre war auf dem Weg in den Delta-Quadranten. Sie hat noch einen langen Weg vor sich und das Kollektiv wollte ihr Schiff vermutlich keinem unnötigen Risiko aussetzen.“

„Die `Voyager` ist so gut ausgerüstet, dass die Borg nicht wagen, es anzugreifen? Das wusste ich nicht.“

Der Doktor nickte Carina noch einmal beruhigend zu und ging in sein Büro. „Ich bleibe, bis es Ihnen besser geht“, sagte Keiko und zog den Stuhl näher ans Bett.

Es war tröstlich, ihre Hand zu halten. Carina schloss wieder die Augen.

Da waren zwei Dinge, an die sie sich unbedingt erinnern musste! Ja, das erste war der Knack, der durch sie hindurchgegangen war. Carina spürte ihm nach, was hatte er in ihr bewirkt? Waren die Panikattacken jetzt vorbei? Sie musste mit Tuvok darüber reden.

Was war das andere? Es war wichtig! Was war es nur? Und dann wusste sie es: Es war die Erinnerung an die Freude bei dem Gedanken, zu töten. So blickte sie in einen Abgrund in sich hinein und was sie dort sah, gefiel ihr nicht. Sie drückte Keikos Hand und hoffte inständig, dieser Versuchung nie wieder zu begegnen.

Und dann waren sie da. Soweit Carina wusste, hatte es keine weiteren Vorfälle gegeben. Am vorherigen Abend gab es einen kleinen Umtrunk in der Messe und Carina hatte sich dort von der Crew verabschiedet. Obwohl ihr alle versicherten, man bleibe in Kontakt, wusste sie aus Erfahrung, dass die neuen Eindrücke jeden von ihnen zu sehr in Anspruch nehmen würden. Sie hatte den Abend mit allen Sinnen aufgenommen, sich die Gesichter und Stimmen eingeprägt, die Umgebung, das Schiff, ihr Quartier. Das wollte sie wie einen Schatz in ihrer Erinnerung bewahren.

Sie stand allein am Fenster, als sie hörte, wie die `Voyager` in den Impulsantrieb wechselte. Planeten und Monde glitten an ihr vorbei, sie näherten sich dem Denorios- Plasmagürtel und ein langsam anwachsendes Objekt lenkte Carinas Blick auf sich.

Sie hatte Abbildungen von DS9 gesehen, aber die Station dort wirklich im schwarzen Raum hängen zu sehen, war überwältigend. Licht und Schatten, scharf voneinander getrennt, malten unzählige Muster auf ihre Oberfläche. Sie war viel größer, als Carina gedacht hatte. Das Aussehen wich von allem ab, was sie aus der Föderation kannte. Ein riesiges Wagenrad mit doppeltem Ring umgab die Achse, an deren unterem Ende die Energieversorgung rot glühte und an ihrem oberen Ende bezeichneten große Kommunikationseinheiten das Operationszentrum, die Ops. Ringe und Achse durch drei breite Speichen miteinander verbunden.

Senkrecht zu den Speichen ragte nach oben und nach unten riesige Andockpylone, die wie sechs gebogene Rippen der Anlage eine kugelförmige Begrenzung gaben. An einigen Pylonen hingen große Raumschiffe und kleinere drängten sich an den Andockstationen im äußeren Ring.

Der innere Ring beherbergte die Wohnquartiere, unzählige Fenster leuchteten in die Dunkelheit. Unterhalb der Ops wölbte sich die ringförmige Promenade. Carina konnte während des Anfluges gar nicht alle Einzelheiten erfassen, aber die fremdartige Schönheit faszinierte sie.

Die `Voyager` näherte sich ihrer Andockstation am oberen Pylon, als plötzlich ein Blitz aus dem Dunkel des Raumes aufleuchtete und sich ein riesiger blau und silbern sprühender Wirbel auftat. Goldenes Licht strömte aus seinem Innern und wie auf dem Strahl reitend erschien ein Raumschiff.

Carina stand wie erstarrt, mit offenem Mund hielt sie den Atem an. Sie fühlte sich förmlich hineingezogen in diesen Glanz und sehnte sich danach, ganz ins Licht einzutauchen.

So schnell wie er erschienen war, verschwand der Wirbel und ließ Carina mit einem Gefühl der Leere zurück. Das also war das Wurmloch, die Heimat der Propheten und Verbindung zum Gammaquadranten. Carina gefiel die prosaische Bezeichnung nicht. Sie würde dieses wundervolle Phänomen ab sofort wie die Bajoraner Himmelstempel nennen.

Ein leichter Ruck ging durch die `Voyager`, sie hatten angelegt. Carina ergriff ihre Tasche. Ein letzter Blick von der Tür zurück, den Gang hinunter und mit dem Turbolift zur Luftschleuse. Ein zahnradähnliches rotgestrichenes Schott rollte zur Seite und sie betrat die Station.

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