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Jenseits der Zeit - Teil 1

von Sylvia Voss

Deep Space Nine

Lt. Commander John Hemmings hatte den Eindruck, dass alle ankommenden Schiffe gleichzeitig anlegen wollten. Wenn nur nicht gerade jetzt Colonel Kira über seine Schulter zu spähen versuchte. Sie musste doch wissen, dass er auf seine ruhige schottische Art alles im Griff hatte, aber eines der wenigen Dinge, die ihn nervös machten, war ihr Atem in seinem Nacken. Er fing einen verständnisvollen Blick von Lt. Pala Reti auf. Die hübsche blonde Bajoranerin hatte ihm nach seiner Ankunft vor fast zwei Jahren die verzwickten Zuständigkeiten auf der Station nach dem Verschwinden von Captain Sisko erklärt. Mittlerweile waren sie Freunde.

Colonel Kira leitete die Station in Siskos Sinn, wie sie bei jeder passenden Gelegenheit betonte. Wenn sie wütend wurde, war nicht gut Kirschen mit ihr essen. Mit energischer Hand regelte sie die nicht immer reibungsfreie Zusammenarbeit von Föderationsangehörigen und Bajoranern.

Von ihrer Zeit beim bajoranischen Widerstand gegen die cardassianische Besatzung wurde mit größter Hochachtung gesprochen und während des Dominion- Krieges hatte sie maßgeblichen Anteil am Sieg der Föderation. Obwohl nur von mittlerer Größe, waren ihre Schlagkraft und Durchsetzungsfähigkeit legendär.

Aber Hemmings war der Erste Offizier und höchster Repräsentant der Föderation auf dieser Station und wollte nicht mit Captain Sisko verglichen werden. Allein vom Äußeren waren kaum größere Gegensätze möglich, war Sisko dunkelhäutig, so zeigte Hemmings blasse Haut seine Emotionen durch eine feine Röte an und das rotblonde Haar verriet ihn als Nordländer der Erde. Mit seiner geradlinigen ehrlichen Art hatte er sich den Respekt der Crew erworben und war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Allein Colonel Kiras Temperament ließ ihn manchmal zurückzucken.

Dankbar bemerkte er, dass sie sich Pala zuwandte. Mit schnellen Schritten stieg sie die Stufen zur wissenschaftlichen Station hinauf und beugte sich über die Anzeigen. Der goldblonde Kopf von Pala und das kastanienbraune Haar von Kira bildeten einen reizvollen Kontrast, der auch Hemmings nicht entging. Vielleicht sollte er Pala zu einem privaten Abendessen einladen, wer weiß, ob sich da etwas anspinnen ließe. Wenn der Dienst nicht beeinträchtigt wurde, hatte die Sternenflotte gegen Liebesbeziehungen nichts einzuwenden. Er schaute noch einmal zu den beiden Frauen hinüber. Die gekräuselte Nasenwurzel ihres Volkes verlieh dem Gesichtsausdruck eine gewisse Vorwitzigkeit. Da sich Gegensätze bekanntlich anzogen, fühlte er sich mit seinem eher trockenen Naturell in ihrer Gegenwart leicht und beschwingt. Am rechten Ohr trugen die beiden Frauen wie jeder Bajoraner ihren familientypischen Ohrschmuck. Von einer kleinen Klammer an der oberen Ohrmuschel hing eine feine Kette bis zum Schmuck am Ohrläppchen, an dem die Familie zu erkennen war und milderte die Strenge der braunen Uniform.

Hemmings verließ den runden Ops-Tisch in der Mitte des Raumes und betrat die Komm-Station. Die kreisrunde Ops- Zentrale ermöglichte ein effektives Arbeiten auf verschiedenen Ebenen. Alle Stationen waren in kürzester Zeit erreichbar. Die Ingenieursbucht lag auf einer tieferen Ebene, etwas höher schlossen sich Transporterplattform, Turbolift, die wissenschaftliche und die Kommunikationsabteilungen an, alle Stationen hatten Augenkontakt und konnten schnell reagieren. Gegenüber der Eingangstür führten mehrere Stufen zum Büro des Stationskommandanten auf die höchste Ebene.

Als DS9 noch Terok Nor hieß, residierte hier Gul Dukat mit eiserner Hand über Zwangsarbeiter und Besatzung. Nach dem Abzug der Cardassianer leitete Benjamin Sisko sieben Jahre lang die nun bajoranische Station als Beauftragter der Föderation und konnte ihre Zerstörung mehrfach verhindern. Colonel Kira stand ihm treu und kampfeslustig zur Seite. Sie hatte das Büro nicht verändert und jedes Mal, wenn sie den abgegriffenen Baseball, den Sisko auf dem Schreibtisch liegengelassen hatte, in die Hand nahm, hoffte sie inständig, sie würde ihn nur bis zu seiner Rückkehr vertreten.

Er war nicht nur ihr vorgesetzter Offizier und Freund gewesen, alle Bajoraner sahen in Benjamin Sisko den Abgesandten ihrer Propheten, der sich zurzeit im Himmelstempel aufhielt und eines Tages zum Wohle Bajors zurückkehren würde.

Hemmings konnte die tiefe Religiösität des bajoranischen Volkes nicht immer nachvollziehen, akzeptierte und achtete sie aber.

Von seinem Platz hinter dem ausladenden geschwungenen Schreibtisch konnte der Kommandant durch die Glasfenster der Schiebetür alle Aktivitäten in der Ops verfolgen. Von außen nicht sichtbar stand in einer Ecke des Büros eine Sitzgruppe, Replikator und verschiedene Regale waren in die Wand integriert. Wie die ganze Station wurde die Ops vom cardassianischen Stil dominiert, den eine besondere Vorliebe für das Oval auszeichnete.

Auf dem Eingangskanal ertönte eine besondere Kennung und ließ Kira aufmerken.

Hemmings meldete die Ankunft des Runabout `King`.

„Auf den Schirm“, rief Kira. Das Gesicht des Klingonen füllte den Bildschirm. „Worf! Wie schön, Sie zu sehen. Wollen Sie Ihre alten Freunde besuchen?“ „Ich bitte um Genehmigung zum Andocken“, sagte Worf.

„Genehmigung erteilt. Wir sehen uns in Kürze. – Hemmings, begrüßen Sie mit mir den Botschafter“, sagte Kira und eilte zum Turbolift.

An der Andockschleuse öffnete sich das Rolltor und begeistert begrüßte der Colonel den Klingonen.

„Wir vermissen Sie auf der Station, die Zeit unserer Zusammenarbeit war denkwürdig.“ „Und ehrenhaft“, erwiderte Worf. Kira stellte Hemmings vor. Beide Männer musterten sich kurz und neigten den Kopf.

„Mein Reisebegleiter: Jorath, Sohn von Kolas“, trat Worf beiseite und wies auf den nachfolgenden Klingonen.

„Commander Hemmings, bitte begleiten Sie Jorath zu seinem Quartier und lassen Sie für den Botschafter seine früheren Räume herrichten. – Oder wünschen Sie ein anderes Quartier?“

„Nein, danke. Das ist angemessen.“ Trotz der beherrschten Worte sah Kira ein schmerzliches Zucken über Worfs Gesicht huschen und fühlte auch selbst die Lücke, die der Verlust ihrer Freundin hinterlassen hatte.

„Haben Sie Zeit für ein Gespräch?“ Seine Bitte klang drängend und Kira fragte sich, was ihn wohl auf die Station getrieben hatte. Gab es Probleme mit dem klingonischen Reich in diesem Sektor?

Als sie die Ops betraten, wurde Worf von seinen Erinnerungen eingeholt. Hier hatte er seinen Dienst verrichtet. An der Wissenschaftsstation arbeitete eine blonde Bajoranerin, aber in seinen Gedanken sah er seine geliebte Jadzia dort stehen und ihm auf ihre ganz besondere Weise zulächeln. Er schluckte und folgte Kira die Stufen zum Büro hinauf. Alles war wie früher, auch der Baseball lag auf dem Schreibtisch, als warte er auf die Rückkehr des Captains. Kira bot ihm einen Sessel in der Sitzgruppe an, aber Worf bevorzugte den Stuhl und setzte sich mit dem Rücken zur Tür. Kira nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz. Die beiden Türflügel schlossen sich und die Ops-Crew, die Worf mit neugierigen Augen verfolgt hatte, lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ungeduldige Frachterkapitäne und flackernde Kontrollanzeigen.

Pala hatte sich erst kurze Zeit einer kleinen Fluktuation in der Nähe des Wurmlochs gewidmet, als sie aus den Augenwinkeln eine plötzliche Bewegung hinter den Glasscheiben der Bürotür wahrnahm. Kira war heftig aufgesprungen und ihr Stuhl drohte nach hinten zu kippen. Einen Moment starrte sie Worf ungläubig an, dann lief sie mit großen Schritten hin und her, hielt vor ihm an und redete gestikulierend auf ihn ein. Der Klingone saß steif und unbeweglich, unnachgiebig und entschlossen. Kira konnte ihr Temperament oft nicht im Zaum halten, aber ihre Reaktion war ungewöhnlich heftig und Pala fragte sich, ob sie erfahren würde, was Kira so aus der Fassung gebracht hatte.

„Das Klonen von Humanoiden ist in der Föderation verboten!“ warf Kira Worf entgegen. „Nicht im klingonischen Reich und Bajor gehört nicht der Föderation an“, erwiderte er stur.

Kira ließ sich wieder in ihren Stuhl fallen. Der Gedanke, Jadzia zurück ins Leben zu holen, war ungeheuer anziehend, aber da waren zu viele ungeklärte Fragen, nicht zuletzt die, ob man alles was man tun konnte auch tun dürfe. „Erzählen Sie mir Ihren Plan ganz genau und ausführlich.“

Worf entspannte sich ein wenig, er sah einen Hoffnungsschimmer am Horizont und begann mit seinem Bericht. Kira hörte mit gesenktem Kopf zu. In ihr regte sich alter Kampfgeist. Hatte sie nicht schon aussichtslose Situationen doch noch zum Erfolg geführt? Und Jadzias Tod war so sinnlos gewesen. Im Tempel der Propheten von einem Pah- Geist getötet in dem Moment, wo sie für die Möglichkeit einer Schwangerschaft danken wollte. Zweifellos schuldeten die Propheten ihr etwas! Aber Worf unterschätzte die Schwierigkeiten. Die ganze Sache musste unter unbedingter Geheimhaltung durchgeführt werden. Wer war vertrauenswürdig? Verriet sie nicht auch die Grundsätze der Föderation, die sie bisher auf der Station durchgesetzt hatte? „Er hat mich schon in Versuchung geführt“, dachte sie.

Als er geendet hatte, stand Kira auf, drehte ihm den Rücken zu und starrte aus dem Fenster in den Sternenhimmel. Auf was würde sie sich da einlassen? Was würden die Propheten dazu sagen? War es möglich, dass der Abgesandte und die Propheten versuchten, ein Unglück wieder gut zu machen und sie, Kira Nerys war das Werkzeug dafür? Durfte sie sich in dem Fall widersetzen? Sie brauchte mehr Informationen. Zuerst musste von unabhängigen, loyalen und kenntnisreichen Fachleuten der Erfolg als wahrscheinlich bestätigt werden. Man konnte nicht einfach ein Wesen erschaffen und es im Falle des Misserfolges sich selbst überlassen.

Sie drehte sich um und begegnete Worfs flehendem Blick. Er fühlte sich ertappt und senkte die Augen.

„Als erstes müssen wir mit Ezri reden, ohne ihre Einwilligung werden wir gar nichts unternehmen. Ich werde Sie benachrichtigen, wann wir sie aufsuchen.“ Worf atmete tief auf. Seine Hoffnung, Kira würde Jadzia so sehr vermissen, dass sie sich seinen Argumenten nicht verschließen würde, wuchs. Er verließ das Büro mit einiger Zuversicht und machte sich auf den Weg zu Jorath, um ihn über den Stand der Dinge zu unterrichten.

Kira schaute ihm nach. Hoffentlich hatte sie ihm nicht zu viel Hoffnung gemacht. Sie nahm sich vor, am Abend den Tempel zu besuchen und die Propheten um ein Zeichen zu bitten.

Ezri Dax, therapeutische Beraterin von DS9 und Dr. Julian Bashir hatten es sich in ihrem Quartier nach einem anstrengenden Arbeitstag gemütlich gemacht. Ezri lehnte sich an seine Schulter und hörte einer Anekdote zu, die er gesten- und wortreich ausführte. Dabei leuchteten seine braunen Augen vor Vergnügen und ab und zu strich er sich eine dunkle Haarlocke aus der Stirn.

„Du hättest Quarks Gesicht sehen sollen, als ich die Gesundheitsprüfung seiner Bar anordnete. Eine cardassianische Ratte zwischen den Speisen ist schließlich Grund genug. Er schrie Zeter und Mordio, zitierte Erwerbsregeln und wollte mich verklagen. Ich habe ihm vorgeschlagen, das gleich bei Colonel Kira in die Wege zu leiten. Das hat ihn zum Schweigen gebracht.“

Er lächelte bei der Erinnerung an den wütenden Ferengi, der Einbußen bei der Ausbeutung seiner Gäste befürchtete. Ezri hob den Kopf.

„Da fällt mir ein, Nerys hat ihren Besuch angekündigt. Sie wollte um diese Zeit schon da sein und einen Überraschungsgast mitbringen. Ich weiß, wir wollten einen Abend ganz für uns haben, aber es schien ihr sehr wichtig zu sein. Ich hoffe, du bist nicht zu sehr enttäuscht?“

Julian seufzte, aber als er der zierlichen Trill in ihre dunkelblauen strahlenden Augen sah, konnte er ihr nicht böse sein. Er strich ihr über das braune glatte Haar und fuhr zärtlich mit den Fingern dem Muster der typischen Flecken nach. „Wir werden das Fleckenzählen dann wohl etwas verschieben müssen“, scherzte er. „Weißt du, welche Weinsorte Nerys bevorzugt?“

Er stand auf und spähte in den Schrank. „Wir haben noch den Kendra Wein, ich bin sicher, den mag sie.“

Der Türmelder summte. „Komm herein“, rief Ezri. Das Schott glitt beiseite und in der offenen Tür stand Kira Nerys, so breit lächelnd, dass sich ihre runden Augen zu freundlichen Schlitzen zusammengezogen hatten und hinter ihr verdunkelte die breite Silhouette von Worf das Licht des Ganges.

„Worf“, rief Ezri. „Ich hätte nie gedacht, dass du die Überraschung bist.“ Ezris Herz flatterte einen Moment, ehe es wieder gleichmäßig weiterschlug. Immerhin trug ihr Dax-Symbiont die Erinnerungen von Jadzia und für einen Moment fühlte sie Jadzias Liebe zu Worf, aber dann war sie wieder ganz Ezri, die nun glücklich mit Julian lebte.

Eine Weile später saßen sie um den Tisch herum, Worf hatte seinen Pflaumensaft bekommen, die anderen tranken Wein. Zufrieden schaute Julian in sein Glas, das Aroma trug alle Vorzüge des sonnigen Anbaugebietes in sich und er freute sich auf einen entspannten Abend.

Worf schwieg und drehte sein Glas in den Händen. Ezri wurde beklommen zu Mute, was war los? Sie kannte doch Worf. Als sie seinem Blick begegnete, wendete er sich Kira zu.

„Colonel, bitte bringen Sie mein Anliegen vor.“

Kira nickte und setzte ihr Weinglas ab. Julian schaute erstaunt von einem zum anderen.

„Heraus damit, was ist hier eigentlich los?“

Kira räusperte sich. „Ja, hm, Worf glaubt, eine Möglichkeit gefunden zu haben, Jadzia ins Leben zurückkehren zu lassen. Wir möchten darüber mit Ezri reden.“ „Nein!“ Ezri war fassungslos. Sie sprang auf und starrte Worf an. „Was hast du dir da ausgedacht? Kannst du dich nicht mit Tatsachen abfinden? Lass Jadzia in Frieden ruhen!“

„Das ist es ja gerade“, murmelte Worf. „Sie ruht nicht in Frieden.“

„Wie soll ich das verstehen, ihr habt ihr die Türen des Sto`vo`kor geöffnet.“ „Aber sie ist nicht glücklich dort, allein unter all den lärmenden Klingonen.“ „Woher weißt du das?“ schnappte Ezri. Ihr war schwindelig und sie sah etwas Schlimmes auf sich zu kommen. Was würde von ihr verlangt werden?

„Was es auch ist, ich will nicht! Ich will meinen mühsam erkämpften Frieden nicht aufs Spiel setzen. Es war schlimm genug, ohne Vorbereitung mit dem Dax-Symbionten vereinigt zu werden“, dachte sie verzweifelt. Schwer fiel sie auf die Couch zurück. Julian legte tröstend seinen Arm um ihre Schulter.“Höre dir an, was er zu sagen hat. Niemand wird von dir Unmögliches erwarten. Worf und Nerys sind deine Freunde.“

Ezri seufzte und nickte Worf zu. Noch einmal begann er seinen Bericht. Als er zum Besuch bei Kahless kam und dessen Gespräch mit Jadzia beschrieb, malte sich Trauer in Ezris Gesicht. Sie senkte den Kopf.

„Wäre Jadzia glücklich im Sto`vo`kor, würde ich die Jahre bis zu unserer Wiedervereinigung ehrenhaft ertragen“, redete Worf weiter. „Aber unter diesen Umständen will ich versuchen, sie zurückzuholen, bis wir am Ende unseres Lebens gemeinsam in die ewigen Hallen der Krieger eintreten.“

In der folgenden Stille hing jeder seinen Gedanken nach. „Wie soll das Ganze vor sich gehen?“ fragte Julian, in dem die wissenschaftliche Neugier erwachte.

Während Worf über Joraths Erfolge sprach und von der Notwendigkeit, eine vulkanische Gedankenverschmelzung durchzuführen, glaubte Ezri, in einem Alptraum gefangen zu sein. Erst am Ende seiner Ausführungen gab Worf zu, dass noch eine Komponente fehle, die wesentlich für den Erfolg sei.

„Deshalb bin ich hier. Julian, Sie sind der beste Wissenschaftler, den ich kenne. Helfen Sie mir.“

Der Arzt hatte in Gedanken versunken zugehört. Sein genetisch verbessertes Gehirn arbeitete hoch konzentriert. Drei Augenpaare richteten sich auf ihn. „Ich will Jadzias Erinnerungen nicht verlieren. Sie ist ich, man kann uns nicht trennen“, flüsterte Ezri.

„Das muss vermutlich nicht sein“, beruhigte er sie. Worf düstere Miene hellte sich auf. Er hasste es, Ezri in diese Verwirrung zu stürzen. Er hatte sie gern und wollte ihr nicht schaden.

„Haben Sie eine Idee?“

„Ja, in zwei Tagen erwarten wir die `Voyager`.“ Kira nickte zustimmend. „Der holografische Doktor kommt auf die Station, um mit mir über Borg-Nanosonden zu forschen. Ich habe mich schon mit seinen Berichten befasst und es scheint mir möglich, Nanosonden für den Transport der Erinnerungsengramme einzusetzen. Ich glaube, Ezri würde nichts verlieren, wir könnten die Erinnerungen womöglich kopieren.“

„Dann hätten Jadzia und ich die gleichen Erinnerungen?“ rief Ezri aufgebracht.

„Ihr wäret wie Schwestern“, warf Kira ein.

“Du hast dich schon überreden lassen“, fuhr Ezri sie an.

„Nein, ich will nur alle Fakten, damit du eine wissenschaftlich abgesicherte Grundlage hast um deine, und nur deine Entscheidung zu treffen.“

Ezri schwieg. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken und der Symbiont bewegte sich unruhig.

Julian ergriff wieder das Wort. „Ehe wir uns über die Einzelheiten unterhalten, müssen wir als erstes den ethischen und als zweites den rechtlichen Aspekt betrachten.“ „Ganz richtig“, stimmte Kira zu. „Sollte die Prozedur ohne Nachteile für Ezri machbar sein, stellt sich die Frage, ob sie auch vertretbar ist. In der Föderation ist das Klonen von Humanoiden illegal. Die Beteiligten müssen sich darüber klar sein, dass ihre Handlung strafbar ist.“

Worf öffnete den Mund, aber Kira wischte seine Einwände im Vorfeld beiseite. „Auch Sie sind noch Offizier der Föderation, sowie Ezri, Julian, der holografische Doktor und womöglich auch der Vulkanier, wer auch immer das sein wird. Ehe wir mit jemandem über das Projekt sprechen, müssen wir sicher sein, nicht sofort angezeigt zu werden. Auch können wir den Aufbau ohne das Wissen eines Ingenieurs nicht bewerkstelligen.“ Kira zögerte und überlegte. „Chief O`Brien kommt auch mit der `Voyager`, um die neue Chefingenieurin einzuarbeiten. Selbst wenn er nicht einverstanden ist, würde er nichts verraten.“ Julian ging zum Arbeitsterminal. „Mir ist da etwas eingefallen“, murmelte er und betätigte die Tasten. „Ja, da ist der Vorgang.“ Er las einige Zeilen und wandte sich zu den anderen. „Den Doktor könntet ihr mir überlassen, ich habe da eine Idee.“

Ezri war viel zu erschöpft, um ihn um Einzelheiten zu bitten. Enttäuscht bemerkte sie, wie die Idee von ihm Besitz ergriff. Er hatte Jadzia einmal geliebt und war immer bereit, Risiken einzugehen. Durch die genetischen Eingriffe in sein Gehirn, die ihm Genialität verliehen hatten, fühlte er sich oft als Außenseiter und würde sich durch Verbote nicht hindern lassen, wenn er von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt wäre. Auf der anderen Seite liebte er sie und würde jede ihrer Entscheidungen mittragen. Er würde nicht versuchen, sie zu beeinflussen.

Nach einem Blick auf Ezris blasses Gesicht, erhob sich Kira.

„Ezri, wenn du nicht aus voller Überzeugung zustimmst, werden wir das Projekt nicht in Angriff nehmen. Wir alle haben jetzt einige Tage Zeit, unsere Positionen zu überdenken, die Risiken und die ethischen Fragen für uns selbst zu beantworten. Nur wenn alle Fragen restlos geklärt sind, werde ich meine Zustimmung geben. – Kommen Sie Worf, Ezri braucht Ruhe.“

Kira küsste Ezri auf die Wange und die lächelte mühsam zurück. Julian verabschiedete die Beiden an der Tür. Dann setzte er sich neben Ezri, die zusammengesunken auf der Couch hockte. Als er sie zärtlich in den Arm nahm, strömten Tränen über ihr Gesicht. „Oh, Julian, was soll ich nur tun?“

Worf hatte es nicht in seinem Quartier ausgehalten, die Untätigkeit war schwer zu ertragen. Nun stand er auf der Galerie über dem Promenadendeck und beobachtet das Gewimmel unter ihm. Er hatte seinen Aussichtsposten gerade gegenüber der Eingangsschleuse gewählt. Links daneben lag die Krankenstation, gefolgt von dem kreisförmigen goldleuchtenden Eingang in den bajoranischen Tempel. Einige Läden schlossen sich an, das Büro des Sicherheitschefs war auf der linken Seite als letztes zu erkennen. Rechts von der Schleuse konnte Worf gerade noch die zahlreichen weit geöffneten Türen von Quarks Bar sehen, die bogenförmige Struktur der Promenade ließ einen weiteren Ausblick nicht zu. Eine Gruppe Bajoraner näherte sich dem Tempel. Umringt von Mönchen in ihren roten Roben trugen sie ein mit kostbarem Stoff verhülltes Objekt hinein. Kurze Zeit darauf erklangen Gebete und Musik aus der offenen Tür.

Das Verbindungstor zu den Andockrampen rollte beiseite, Reisende mit Gepäck und Taschen strömten hindurch. Worf sah Dr. Bashir aus der Krankenstation kommen und vor dem Eingang Posten beziehen. Von der anderen Seite kam Colonel Kira und stellte sich neben ihn. Nach einer Weile ließ der Strom der Reisenden, die mit dem Shuttle aus Bajor eingetroffen waren, nach. Jetzt müssten die Leute von der `Voyager` kommen. Da kamen die Ersten.

Worf freute sich, Chief O`Brien, seine Frau Keiko und den Jungen zu sehen. O`Brien und Bashir klopften sich fröhlich auf die Schulter, sie freuten sich offensichtlich auf ihre gemeinsamen Aktivitäten im Sport und auf dem Holodeck. Keiko umarmte Kira und Kirayoshi umklammerte deren Bein, bis sie sich bückte und das Kind hochhob. Die Wiedersehensfreude stand allen ins Gesicht geschrieben. O`Brien drehte sich um und aus dem Tor trat eine weitere Familie. Worf beugte sich überrascht vor. Diese Frau hatte klingonisches Blut in sich! Das musste die neue Chefingenieurin sein. Der schlanke blonde Mann neben ihr trug ein kleines Kind auf dem Arm. Kira begrüßte die Familie herzlich und stellte Dr. Bashir vor. Nach einigen Minuten winkte O`Brien den Neuankömmlingen zu und lenkte ihre Schritte in Richtung der Quartiere. Neugierig blickte die Ingenieurin umher und entdeckte Worf auf seinem Aussichtsposten. Er war in der Sternenflotte so bekannt, dass sie sofort wissen musste, wer er war. Er neigte den Kopf und sie erwiderte den Gruß.

Es war gut, klingonisches Erbe auf der Station anzutreffen. Worf fühlte sich als einziger seiner Spezies auf der Station manchmal einsam und freute sich über die Ankunft von B`Elanna Torres.

Kira und Bashir standen noch immer am Tor. Worf konnte Kira lachen hören, als er auf sie einredete. Dann trat der Stationsarzt einige Schritte in den Gang und kam in Begleitung eines mittelgroßen Mannes mit Halbglatze wieder zum Vorschein. Am Ärmel seiner blauabgesetzten Uniform fiel Worf ein kleines unbekanntes Gerät auf. Der Doktor der `Voyager`! Als Hologramm konnte er nur mit diesem persönlichen tragbaren Emitter das Holodeck verlassen. Kira begrüßte ihn und dann zog Dr. Bashir seinen Kollegen in die Krankenstation. Kira verharrte weiter auf ihrem Platz. Worf fragte sich, auf wen sie noch wartete, die Crew der Voyager würde erst später auf die Station kommen. Zuerst musste das Schiff gesichert werden.

Inzwischen ging Kira am Tor auf und ab und spähte immer wieder in den Gang. Jetzt zögerte sie. Eine kleine grauhaarige Frau mit Reisetasche trat auf die Promenade und schaute sich suchend um. Kira ging auf sie zu und sprach sie an. Die Frau nickte. Kira wies ihr den Weg und beide verschwanden um die Biegung.

Worf wartete noch eine Weile auf weitere Ereignisse, aber der Strom der Reisenden war abgeebbt. Sein Blick blieb an einem Mann direkt unter ihm hängen, als langjähriger Sicherheitsoffizier roch er förmlich ein geplantes Delikt.

Der Mann bewegte sich langsam auf eine Gruppe Besucher zu, die in der Auslage eines Geschäftes stöberte. Dann stolperte er und hielt sich an einer stark geschminkten Idanianerin fest. Mit einem Wortschwall und vielen Verbeugungen entschuldigte er sich und trat eilig den Rückzug an. Aber schon nach wenigen Schritten spürte er eine schwere Hand auf seiner Schulter und Worfs grollende Stimme forderte ihn zum Mitkommen auf. Wütend trat er aus, aber der eiserne Griff ließ ihn nicht los. Ausgerechnet ein Offizier der Sternenflotte musste ihn erwischen und die gewaltige Statur des Klingonen ließ den Gedanken an Flucht im Keim ersticken. Praktischerweise lag das Büro des Sicherheitschefs gleich nebenan. Die Schiebetür mit dem sternförmigen Muster glitt zischend beiseite und Word warf den Mann mit ausholendem Schwung direkt vor den Schreibtisch des Sicherheitschefs.

Müde blickte Rega Mur von seiner Arbeit auf. „Was soll das?“ fragte er ablehnend.

„Ich habe diesen Mann beim Diebstahl beobachtet“, polterte Worf, hob sein Opfer auf, drehte ihn auf den Kopf und schüttelte ihn. Aus den Taschen fielen

verschiedene Schmuckstücke. Worf pflanzte den Mann wieder auf seine Beine. „Aufheben! Auf den Schreibtisch legen“, donnerte er ihn an. Eingeschüchtert befolgte er den Befehl und blickte dann ergeben den Sicherheitschef an.

„Das ist ein Missverständnis, ich kann das erklären, bitte glauben Sie mir.“ Rega Mur seufzte. Er war so müde. Vielleicht sollte er doch einmal Dr. Bashir aufsuchen.

„Also schreiben wir ein Protokoll.“ Er nahm die Aussagen des mutmaßlichen Diebes und Worfs zu den Akten.

„Sie dürfen die Station nicht verlassen und müssen sich bis zur Klärung dieser Angelegenheit jeden Morgen bei mir melden“, beschied er den blassen Sünder, der erleichtert entwischte.

„Wollen Sie ihn nicht festsetzen?“ fragte Worf empört.

„Nein, das ist nur ein kleiner Fisch. Für alle Spitzbuben hätten wir gar nicht genug Arrestzellen.“

Wütend wandte sich Worf zum Gehen. „Zu Zeiten von Odo wehte hier ein anderer Wind. Es sieht so aus, als hätten Sie die Station nicht unter Kontrolle!“ Ehe die Tür sich hinter ihm schloss, hörte er noch ein trotziges „Ich bin nicht Odo!“

Worf nahm sich vor, mit Colonel Kira über die Sicherheit der Station zu reden.

Kira schreckte hoch als der Türmelder summte. Sie sah auf die Uhr: 03.05.

Wer zum Teufel störte sie um diese Zeit? Fluchend zog sie sich ihren Hausmantel über und öffnete.

„Ezri! Was ist passiert? Komm herein, du siehst ja schrecklich aus.“

Ezri legte Kira die Hand auf die Schulter. „Nerys, ich brauche deine Hilfe.“ Blass und übernächtigt ließ sie sich auf die Couch verfrachten und von der besorgten Kira mit einer Decke versorgen.

„Computer, bajoranischer Ruhetee! – Das wird dir gut tun“, sagte Kira und brachte den dampfenden Becher. Ezri blies auf den Tee und nippte vorsichtig.

Kira ließ sich im Sessel nieder.

„Wie kann ich dir helfen?“

„Was würdest du an meiner Stelle tun?“ fragte Ezri gequält.

Kira zog den Atem ein, lehnte sich zurück, legte den Kopf auf das Polster und blickte zur Decke.

„Mir kam der Gedanke, ob die Propheten die Wiederkehr Jadzias wünschen. Im Kampf der Propheten um den Himmelstempel gegen die Pagh- Geister wurde Jadzia als unschuldiges Opfer sinnlos getötet als sie versuchte, den Drehkörper zu schützen. Der Abgesandte ist dort. Er war Jadzia und vor ihr Curzon Dax tief verbunden. Vielleicht wird so versucht, ein Unrecht wieder gut zu machen?-Aber ich will dich nicht beeinflussen. Du allein musst entscheiden.“

„Das ist es ja. Wenn ich wüsste, dass ich etwas Gutes damit bewirken kann, wäre die Entscheidung leichter. Aber vielleicht helfe ich, ein Monster zu erschaffen? Oder ein unglückliches Lebewesen, zum Leiden verdammt. – Wenn ich nur wüsste, wo ich Klarheit finden kann!“ Ruckartig hob Kira den Kopf.

„Ich glaube, ich kann dir wirklich helfen.“

In Ezris traurigen Augen glomm ein Hoffnungsfunken auf. „Wie?“

Kira erhob sich. „Erhol dich noch einen Moment, ich ziehe mich an und dann führe ich dich an einen Ort, an dem du vielleicht eine Antwort finden kannst.“ Als sie aus dem Turbolift stiegen, lag die Promenade still und abgedunkelt vor ihnen. Die Türen zu Quarks Bar waren verschlossen, aus der Krankenstation schien ein schwacher Lichtstrahl. Die Nachtschicht war auf ihrem Posten. Kira verlangsamte ihre Schritte. Aus dem kreisförmigen Eingang zum bajoranischen Tempel schimmerte gedämpftes Licht. Kira fasste Ezri am Ellenbogen und durchschritt mit ihr das goldene Tor.

Im warmen Schein der wandhohen bajoranischen Symbole standen wachsam zwei Mönche im Vorraum und blickten ihnen entgegen.

„Wir erbitten den Rat der Propheten“, sprach Kira sie an. Die beiden Mönche neigten den Kopf und gaben den Eingang in den Sakralraum frei.

Ezri hatte schon an Feierlichkeiten im Tempel teilgenommen, aber in der Stille dieser Nacht ergriff sie die Schönheit des Raumes. An den Seitenwänden standen je drei goldene Bildnisse bedeutender Vedeks und schimmerten im Licht der Kerzen auf hohen Ständern. Ein dunkelroter Teppich verschluckte jeden Schritt, als sich die beiden Frauen der längsovalen Nische am Ende des Raumes näherten.

Auf einer schlanken konkaven Säule stand in ihr, von hinten vom hohen Paneel mit dem heiligen Symbol aus Oval und Kreis beleuchtet, der Drehkörper der Prophezeiung, eingeschlossen in ein Behältnis, aus dessen vier Seiten aus eiförmigen Edelsteinen ein sanfter Schein drang.

Ezri stockte der Atem und sie verhielt den Schritt. „Ich bin keine Bajoranerin, weshalb sollten eure Propheten zu mir sprechen?“

Kira zog sie weiter. „Benjamin Sisko war auch kein Bajoraner und die Träne der Propheten, die ihr einfach Drehkörper nennt, hat ihm Visionen geschenkt. Ich glaube, dies ist deine einzige Möglichkeit, Antworten zu finden. Wenn du gar nichts siehst, ist das auch eine Antwort.“

Ezri nickte. Was konnte schon passieren? Die Chance, dem inneren Zwiespalt zu entkommen, wollte sie nutzen.

„Was muss ich tun?“ flüsterte sie.

„Schau nur in das Licht, alles kommt von selbst.“ Kira öffnete den Schrein an einer Kante. Helles Licht drang hinaus und Ezri erblickte die frei schwebende Träne der Propheten. Weiße und blaue Strahlen ließen sie glitzern wie Diamanten in der Drehbewegung der zwei an der Spitze miteinander verbundenen Kegel.

„Ich warte draußen“, hauchte Kira, aber Ezri hörte sie nicht mehr.

Es war Nacht, sternlose Dunkelheit umfing Ezri. Der Boden schwankte. Unwillkürlich griff sie nach Halt und berührte raues Holz. Sie versuchte, sich zu orientieren. Wasser plätscherte. Ein Schiff, sie musste auf einem Schiff sein. Feuchter Nebel legte sich auf ihr Gesicht und sie erschauerte.

Plötzlich öffnete sich die Tür zur Kajüte, der flackernde Schein einer Feuerstelle durchdrang die Dunkelheit, um gleich wieder durch eine riesige Silhouette, schwarz vor den Flammen, gedämpft zu werden.

„Macht euch bereit“, grollte der Schatten. „Wir sind gleich da. Ihr werdet nur einen Blick durch die Tore des Sto´vo´kor werfen dürfen. Der Eintritt ist euch versagt.“

Ezri stemmte sich von ihrem harten Sitz hoch und schaute sich um. Dunkle Gestalten hockten neben ihr an der Reling, die Gesichter nur unklar zu erkennen. Sie zählte sechs.

„Wird auch Zeit“, knurrte eine alte Männerstimme neben ihr. Ezri zuckte zusammen. Diese Stimme kannte sie! „Curzon! Wieso bist du hier?“ fast blieb ihr die Sprache im Halse stecken.

„Wir sind alle hier, hm, na ja, außer Joran, der hält das Unterfangen für Humbug.“

„Ja, wir anderen sind hier, um dir zu helfen“, rief eine lebhafte Frauenstimme.

Ezri erkannte Lela, den ersten Wirt des Dax-Symbionten. Weiteres zustimmendes Gemurmel. „Wir werden dich nicht allein lassen und dir helfen, Jadzia zu sehen“, hörte Ezri das kräftige Organ von Torias, so forsch wie immer.

Es erschien ihr ganz natürlich, die vorherigen Wirte des Dax-Symbionten in ihrer leibhaftigen Gestalt neben sich zu sehen. Wie tröstlich, nicht allein zu sein, selbst der schüchterne Tobin war dabei.

„Wo sind wir?“ fragte sie.

“Auf der klingonischen Barke des Todes“, antwortete Curzon. „Aber diesmal bringt sie nicht klingonische Seelen nach Gre`thor, der Hölle, sondern sie legt am Wassertor des Sto`vo`kor an, denn uns wurde zugesagt, Jadzia zu sehen.“ „Hört sich nach einem Deal der Propheten mit den Klingonen an“, kicherte Lela.

„Still!“ Tobin drehte sich entsetzt um. „Mach keine Scherze!“

Eine Mauer, schwärzer als die Dunkelheit, wuchs vor ihnen empor und ein Stoß durchlief das Schiff. Es hatte an einem ehernen Tor angelegt. Der Schiffer warf ein Tau um die Torsäule und zurrte die Barke fest. Niemand sprach.

Durch das Tor lief ein Zittern und mit Knarren und Knirschen öffneten sich die schweren Flügel. Ein Gang wurde sichtbar, an den Wänden steckten Fackeln und beleuchteten flackernd das Innere. Aus der Ferne klangen Musik und Gesang, dazu rhythmisches Stampfen und Gelächter.

Dann näherten sich Schritte, langsam und fest. Ezri kniff die Augen zusammen. Eine hochgewachsene Frau in einem langen blutroten Kleid näherte sich. Goldene Applikationen auf den Ärmeln und ein goldener Gürtel reflektierten das Licht der Fackeln. Ausschnitte auf den Schultern und ein tiefes Dekolleté unterstrichen ihre Weiblichkeit, aber am hellsten sprühte das Licht in einem prachtvollen Stirndiadem aus purem Gold in ihrem langen dunklen Haar. Lela, Emony und Audrid seufzten tief auf.

„Sie trägt ihr Hochzeitskleid“, ergänzte Ezri.

Die männlichen Wirte enthielten sich eines Kommentars und wechselten nur vielsagende Blicke.

Und dann stand Jadzia in all ihrer Pracht vor ihnen.

„Wie schön, euch zu sehen“, lächelte sie.

Curzon stand auf. „Wir grüßen dich, Jadzia. Wie geht es meinen Freunden Kang, Kor und Koloth?“

„Sie genießen das immerwährende Fest in vollen Zügen“, lachte Jadzia.

Ezri wusste, das Jadzia Curzons Vorliebe für alles Klingonische übernommen hatte. Irgendetwas bohrte in Ezris Gehirn. Sie waren hier, um eine wichtige Frage zu stellen. Wie lautete sie nur? Jetzt hatte sie ein Ende des Gedankens erwischt, und während ihre Begleiter mit Jadzia Erinnerungen austauschten, wusste sie plötzlich wieder um ihre Mission.

Ezri nahm ihren ganzen Mut zusammen und erhob die Stimme.

„Wir sind aus einem bestimmten Grund hier!“

Das übrige Gespräch verstummte. Alle sahen sie an. Ezri räusperte sich. „Will deine Seele in einen neuen Körper zurückkehren.“ Jadzia wurde ernst.

„Ich liebe die klingonische Welt und bin stolz darauf, hier im Sto`vo`kor weilen zu dürfen. Aber ich bin auch Trill und Wissenschaftlerin. Ich vermisse Worf sehr und ich vermisse meine Arbeit. Als Kahless` Geist mich aufsuchte und mich fragte, ob ich mir ein neues körperliches Leben vorstellen könnte, wurde mir klar, wie viel noch auf mich wartet. Ich möchte Kinder mit Worf.“ Zustimmendes Gemurmel von Emony und Audrid, die beide Kinder gehabt hatten.

„Ich empfinde mein leibliches Leben unvollendet, abgerissen.“

„Ja, so ist es“, bekannte Torias, der in jungen Jahren bei einem Shuttle Unfall ums Leben gekommen war.

„Als Trill habe ich die Erlaubnis, diesen Ort für einige Zeit zu verlassen, um mein körperliches Leben zu vollenden. Was sind diese Jahre angesichts einer Ewigkeit?“

„Aber du wirst ohne Symbionten leben müssen“, warf Ezri ein.

Ein Schatten lief über Jadzias schönes Gesicht. „Ich weiß, aber ich habe die Erinnerungen und das Wissen von sieben Leben. Diesen Reichtum werde ich behalten, obwohl mir die Stimme des Symbionten sehr fehlen wird.“

„Du wirst auch meine Erinnerungen bis zum Tag unserer Verbindung bekommen“, sagte Ezri leise.

Jadzia beugte sich zu ihr hinunter. „Das ist ein großes Geschenk, wir werden sein wie Schwestern, die die Erinnerung an die gemeinsame Zeit in der Familie teilen.“

Ezri nickte. Sie wusste, sie konnte sich auf Jadzia verlassen. Aber etwas musste sie noch loswerden.

„Es kann gefährlich werden, es kann schief gehen.“

Jadzia nickte und dann spielte wieder ein verschmitztes Lächeln um ihren Mund. „Seit wann haben wir Risiken gescheut? Sieh, was wir gewinnen können. Und wir haben bei unseren Freunden alles Wissen und alle Hilfe, die wir brauchen.“ Ezris Gefährten schauten sie an. Sie senkte den Kopf. Aus ihrem tiefsten Innern stieg die Gewissheit, die sie für ihre Entscheidung brauchte. Sie stand vor Jadzia, hob den Kopf und blickte ihr in die Augen.

„So soll es sein. Wir werden uns wiedersehen.“

Jadzia beugte sich zu ihr hinab und hauchte einen Kuss auf ihre Wange.

Als wenn ein Bann gebrochen war, redeten alle durcheinander. Jadzia wandte sich zum Gehen. „Dann werde ich die Zeit hier noch voll auskosten, auf soviel Spaß muss ich für einige Zeit wohl verzichten“, rief sie fröhlich, winkte ihnen zu und ging schnell und energisch ihren Weg zurück. Hinter ihr schlossen sich die Tore.

Ezri setzte sich an die Reling. Sie merkte kaum, dass das Schiff ablegte. Leichter Wind kam auf, das Plätschern wurde lauter, es schwoll an, es wandelte sich in einen Ton, in eine Stimme.

„Ezri, geht es dir gut?“

Ezri fuhr herum. Der Raum verfestigte sich, warmes Licht umfasste sie, sie war wieder zurück. Kira stand im Eingang und beobachtete sie besorgt. Tief aufatmend nickte Ezri und schloss den Schrein. „Ja, es geht mir gut.“

„Hast du Antworten gefunden.“

„Ich habe Antworten gefunden“, bestätigte sie, als sie wieder auf die Promenade traten. „Danke, dass du mich hierher gebracht hast.“ Die beiden Mönche sahen ihnen nach und wechselten einen Blick des Einverständnisses.

„Nerys, bitte sage meine Termine für heute Vormittag ab, ich glaube, ich habe Schlaf nachzuholen“, damit bog Ezri ab zu ihrem Quartier. Kira schaute auf die Uhr. Es lohnte nicht, sich noch einmal hinzulegen. Sie würde am besten gleich auf die Ops gehen und die neuen Dienstpläne durchsehen.

Die beiden Ärzte beugten sich gerade über eine Versuchsanordnung und besprachen die Ergebnisse, als Dr. Bashir die Eingangstür zischen hörte. „Einen Moment, ich komme sofort“, rief er über die Schulter.

„Keine Eile, ich bin ganz gesund“, hörte er eine fröhliche Stimme. Julian schaute um die Ecke.

„Arjin, Sie habe ich ja lange nicht gesehen!“ begrüßte er den jungen Trill. „Wie geht es Ihnen?“

„Arjin Flores, seit einiger Zeit.“

„Sie sind vereinigt! Herzlichen Glückwunsch! Was treibt Sie her?“ „Eine Routineuntersuchung, ehe ich meinen Dienst als neuer Pilot auf der `Voyager` antrete“, antwortete der junge Mann stolz. Dr. Bashir nahm ihn in Augenschein. „Gut sehen Sie aus. Sind Sie schon mit Ihrem Symbionten im Einklang?“

„Ja. Der letzte Wirt bekleidete jahrzehntelang einen Verwaltungsposten in der Trill-Administration, aber die zwei anderen Wirte führten ein weniger eintöniges Leben. Ich bin der Vierte und habe alle Erinnerungen aufgenommen. Es geht mir gut.“

„Auf die `Voyager` gehen Sie. Da warten interessante Aufgaben auf Sie.“ Julian hatte Arjin einige Jahre zuvor kennengelernt, als ihm zur Vorbereitung auf seine Vereinigung Jadzia Dax als Praxisdozentin zugeteilt wurde. Sie hatte Arjin tief beeindruckt und ihn dazu gebracht, seinen Wunsch nach der Vereinigung kritisch zu hinterfragen. Nach zweifelnden Monaten war er sich sicher, dass es sein eigener Wunsch war und nicht nur der seines Vaters.

Die Untersuchung war schnell abgeschlossen. Man tauschte noch gemeinsame Erinnerungen aus und Arjin sagte traurig, dass er meinte, hinter jeder Biegung müsse eigentlich Jadzia auftauchen und ihn zu außergewöhnlichen Aktivitäten animieren.

„Ich vermisse sie sehr.“ „So wie wir alle“, stimmte Julian zu. Sah Arjin da ein bestimmtes Interesse in Blick des Arztes auftauchen? Sicher hatte er sich getäuscht. Er verließ die Krankenstation, um sich bei Admiral Janeway zu melden. Julian sah ihm nach. Wer weiß, wozu so ein öder Verwaltungsposten noch gut sein würde.

Mit grimmigem Gesicht stapfte Worf die Stufen zum Büro des Stationskommandanten empor. Colonel Kira würde doch wohl nicht die Konferenz absagen wollen, die in einer halben Stunde beginnen sollte und an der erstmals die meisten der am Jadzia-Projekt Beteiligten zusammentreffen sollten. Er hatte wohl bemerkt, dass ihm die Crew nach einem Blick auf sein dunkles bärtiges Gesicht aus dem Weg ging, aber es war ihm egal. Er würde um seine Frau kämpfen!

Kira wischte eine Handvoll Info- Padds beiseite, als Worf eintrat. „Botschafter, ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten“, begann sie ohne Umschweife. „Wir sprachen über die Sicherheitslage auf der Station.“ Worf brummte zustimmend.

„Heute Morgen erhielt ich die Nachricht über eine ernste Erkrankung des Sicherheitschefs Rega. Sie haben als Sicherheitsoffizier auf der Enterprise gedient und vier Jahre hier an verantwortlicher Stelle. Würden Sie das Amt des Sicherheitschefs bis zur Wiederherstellung von Rega übernehmen?“

Worf schluckte. Eine Last fiel von ihm und er straffte die Schultern. „Es ist mir eine Ehre. Ich bitte darum, mit meinem Sternenflottenrang angesprochen zu werden. Meinen Botschafterstatus werde ich ruhen lassen.“ „Commander Worf, ich danke Ihnen.“

Erleichtert lehnte sich Kira zurück. Mit Worf als Chef der Sicherheit würde das vor ihnen liegende Projekt auch einfacher durchzuführen sein. Sie gab ihre Anweisungen in die Datenbank und erhob sich.

„Sie haben die notwendigen Zugangsberechtigungen und können alle Informationen abrufen. – Kommen Sie, die Konferenz wartet auf uns.“

Arjin betrachtete voller Vorfreude die Brücke der `Voyager`. Tom Paris zeigte ihm die Besonderheiten des Schiffs und Arjin dachte, dass er über die `Voyager` wie über ein lebendiges Wesen sprach. Aber auch Captain Kirk und Montgomery Scott hatten ihre `Enterprise` mehr als die Frauen geliebt, was bei Kirk viel heißen wollte.

Die Tür zum Bereitschaftsraum des Captains öffnete sich und Admiral Janeway betrat, begleitet von einer zierlichen Frau asiatischer Herkunft, die Brücke.

„Wenn Sie noch Material für die Krankenstation brauchen, wenden Sie sich an Dr. Bashir. Wir freuen uns, Sie an Bord zu haben, Dr. Ogawa.“

„Die neue Bordärztin“, ging es Arjin durch den Kopf. „Sie sieht freundlich und kompetent aus.“

„Lt. Arjin Flores meldet sich zum Dienst, Admiral“, nahm er Haltung an. „Stehen Sie bequem, Lieutenant. Ich sehe, Sie werden schon eingewiesen. Sie haben bisher nur auf Trill-Schiffen gedient?“

Ehe Arjin antworten konnte, wurde das Gespräch vom Kommunikationsoffizier unterbrochen.

„Eine Subraumnachricht für den Admiral!“

„In meinen Bereitschaftsraum. – Lt. Flores, wir sehen uns später.“

Janeway ließ sich an ihrem Arbeitsplatz nieder und schaltete den Bildschirm an. „Captain Riker, was gibt es?“

Das bärtige Gesicht von Cpt. William Riker zeigte Spuren von Schlafmangel. „Wir werden aufgehalten. Die Erforschung der neuen Nachschubrouten vom Kalandra Sektor zum Argolis- Haufen hat uns mit unerwarteten Raumanomalien konfrontiert. Der Warpantrieb ist beschädigt und wir hatten zwei Hüllenbrüche.“ „Gut, dass Sie die Instabilitäten entdeckt haben. Wo sind Sie jetzt?“

„Wir haben an der Lyra-Station Alpha angelegt, aber deren Möglichkeiten sind begrenzt, so dass wir etwas mehr Zeit brauchen. Wenn keine weiteren Hindernisse auftreten, werden wir DS9 in etwa zehn Tagen erreichen.“ Janeway nickte. „Meine Crew wird sich über den verlängerten Aufenthalt freuen. Wir sehen uns in zehn Tagen. Janeway Ende.“

Das Gesicht von Cpt. Riker verschwand vom Schirm. Der Admiral betätigte die schiffsweite Kommunikation.

„Hier spricht Admiral Janeway. Die Voyager wird weitere zehn Tage an der Station bleiben. Wir werden die Zeit für einen Systemcheck des Warp- und Impulsantriebes nutzen. Ich erwarte die Dienst- und Arbeitspläne in zwei Stunden.“

„Admiral Janeway an Colonel Kira .“

“Kira hier“, klang es aus dem Komm-System.

„Colonel, die `Titan` wird sich verspäten. Wir müssen unseren Aufenthalt um zehn Tage verlängern. Ist das ein Problem?“ „Nein, ist es nicht.“

„Danke, Janeway Ende.“

Der Admiral ließ sich in ihrem Sessel zurücksinken. Die neue Situation gab ihr zehn Tage mehr Zeit, auf ihrem vertrauten Schiff zu bleiben, ehe der Schreibtischjob ihr Leben von Grund auf verändern würde. Die Beförderung war natürlich eine große Ehre gewesen, aber ihr kam die Warnung von Captain Kirk in den Sinn, der jeden Raumschiffkommandanten davor warnte, sich von seinem Schiff fortloben zu lassen, nur dort könne er das befriedigende Gefühl erleben, etwas bewegen zu können.

Sie würde jeden Tag auf der `Voyager` auskosten.

Plötzlich fühlte sie sich in gehobener Stimmung.

„Kathryn, warum gehst du nicht auf die Promenade und kaufst ein paar hübsche

Geschenke“, sagte sie zu sich selbst und schaltete den Terminal aus.

Im Konferenzraum wunderte sich Chief O`Brien, zu welchem Thema er ohne B`Elanna Torres gehört werden sollte. Ezri Dax stand am Fenster und wandte dem Raum den Rücken zu, in der Scheibe spiegelte sich ihr nachdenkliches Gesicht. Dr. Bashir und der Doktor der `Voyager` sprachen in einer Ecke leise miteinander und am Tisch saß ein ihm unbekannter mürrischer Klingone, der verstohlen die beiden Ärzte beobachtete.

„Guten Morgen, Counselor“, sprach er Ezri an. „Können Sie mir sagen, weshalb ich hier bin?“ Sie wandte sich ihm zu. „Colonel Kira und Worf werden Sie informieren. Sie müssten jeden Moment hier eintreffen.“

„Ich habe Worf kurz bei unserer Ankunft gesehen, aber noch nicht mit ihm gesprochen. Ich freue mich, einen so langjährigen Freund und Kollegen wiederzusehen. Wissen Sie eigentlich, dass er bei der Geburt von Molly geholfen hat?“ Ezri schüttelte den Kopf. „ Wir verdanken ihm viel“, schloss er. „Hat sich Ihre Kollegin Torres schon eingelebt?“

„Ich glaube, die Arbeit wird ihr zusagen. Sie liebt die Herausforderungen und davon gibt es hier reichlich. Im Delta-Quadranten hat sie viel Erfahrung gesammelt und gelernt, zu improvisieren und unkonventionelle Lösungen zu suchen. Sie ist ein Gewinn für die Station.“ Ezri nickte. „Und wie geht es ihrer Familie?“

„Tom Paris hat schon viele Kontakte geknüpft, er arbeitet mit Jake Sisko an einem neuen Holo- Roman. Jake ist begeistert, dass er jetzt einen Gesprächspartner für seine Schreiberei gefunden hat. Miral wird in der Kinderkrippe versorgt oder Tom nimmt sie einfach mit.“

„Das sind gute Nachrichten.“ Über Ezris Gesicht huschte ein Lächeln. „Als Counselor dieser Station bin ich ja für das Wohlbefinden der Crew verantwortlich.“

Sie wurden durch das Öffnen des Eingangsschotts unterbrochen. Kira und Worf betraten den Konferenzraum. Sofort verstummte jedes Gespräch und Spannung machte sich breit.

„Bitte nehmen Sie Platz“, lud Kira die Anwesenden ein.

„Als erstes möchte ich Ihnen mitteilen, dass Commander Worf den erkrankten

Sicherheitschef vertreten wird.“

Beifälliges Gemurmel.

„In etwa zwei Wochen wird Rega wieder einsetzbar sein“, ließ sich Dr. Bashir vernehmen.

Kira nickte ihm zu und schaute dann in die Runde.

„Ich begrüße besonders den Doktor der `Voyager` und Professor Jorath, Sohn von Kolas. Ich nehme an, Sie haben sich bekannt gemacht? Gut, dann lassen Sie uns anfangen.“

Für einen Moment stockte sie, um dann mit fester Stimme fortzufahren: „Wir sind heute hier, um uns an Jadzia Dax zu erinnern.“

O`Brien blickte überrascht auf. „Aber Jadzia ist…“

„Ich weiß, sie ist vor mehr als drei Jahren von uns gegangen und das ist genau der Punkt. – Julian, hast du dem Doktor alle Informationen gegeben? – Das ist gut. Ich möchte Sie alle bitten, sich für einige Minuten an Jadzia zu erinnern. Wie sie aussah, wie sie lachte, wie hilfsbereit und kompetent sie war, was sie für jeden von uns tat, bedeutete und welchen Einfluss sie auf unser Leben hatte.“ Es war ganz still.

Ezri schaute vor sich auf den Tisch und Kira frage sich, ob sie gerade Jadzias Erinnerungen durchlebte. Julian blickte Ezri an und heftete seine Augen dann in eine unsichtbare Ferne, während O`Brien manchmal vor sich hin nickte, er dachte wohl an konkrete Ereignisse. Worfs dunkles Gesicht mit der mächtigen klingonischen Stirn war starr und undurchdringlich. Jorath spielte mit einem Padd und der Doktor schaute interessiert von einem zum anderen.

Kira durchbrach die gedankenvolle Atmosphäre: „Commander Worf wird Sie mit den Einzelheiten bekannt machen und sich zuerst ganz auf die Machbarkeit des Projektes konzentrieren. Wie jeder von uns moralisch und rechtlich dazu steht, werden wir später diskutieren.“

O`Brien schüttelte verwundert den Kopf.

Worf erhob sich, räusperte sich und begann mit rauer Stimme seine Erläuterungen.

O`Brien hörte mit wachsendem Erstaunen zu. „Der Aufbau verlangt erhebliches technisches und wissenschaftliches Können“, warf er ein. „Wer hat den Sachverstand dafür?“

„Ich“, erhob sich Jorath. „Commander Worf, ich fahre hier am besten fort.“ Worf nickte und setzte sich. Jorath trat an den Bildschirm des Computerterminals, rief seine eingespeicherten Dateien auf und erklärte eingehend seine Ergebnisse. O`Brien und der Doktor unterbrachen ihn mit sachkundigen Fragen, auf die Jorath ausführlich einging. Als er geendet hatte, dankte Kira für seinen Vortrag und kam zum nächsten Punkt.

„Chief, ich vermute, Sie fragen sich, welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben würden.“

„Genau das lag mir auf der Zunge, schließlich muss ich an meine Familie denken!“

Kira nahm ein Padd. „Die gesetzliche Lage ist folgende: Das Klingonische Reich und Bajor verbieten das Klonen von Humanoiden nicht, obwohl es in Bajor gesellschaftlich geächtet ist. In der Föderation ist es verboten. Außer mir und Jorath sind Sie alle Sternenflottenoffiziere. Für Sie könnten sich strafrechtliche Konsequenzen ergeben. Deshalb überlegen Sie genau, welche Entscheidung Sie treffen.“

Jorath hob die Hand. „Ich habe einen Vorschlag betreff Chief O`Brien zu machen.“

Miles O`Brien drehte sich interessiert zu ihm um.

„Ich bitte den Chief in meiner Eigenschaft als Wissenschaftler um seinen Rat für ein hypothetisches klingonisches Projekt. Dann kann ihm niemand unterstellen, er hätte gewusst, was ich plane. Damit schützen wir ihn und seine Familie vor möglichen Folgen. Es scheint mir natürlich für einen Forscher zu sein, den Dozenten der Sternenflottenakademie um seine Meinung zu fragen.“

Einmal mehr wurde Worf bewusst, wie sehr sich Jorath von den anderen Mitgliedern seines Volkes unterschied, die vermutlich versucht hätten, ihre Meinung mit mehr Drohungen und Druck durchzusetzen. Aber vielleicht hatte Jorath das schon selbst herausgefunden und möglicherweise blieb er im Föderationsgebiet.

Die Augen der Anwesenden hefteten sich auf den Chief. Miles wiegte den Kopf. „Damit habe ich aber noch nicht für mich persönlich entschieden, ob ich das Projekt gut heißen kann. Ich möchte auch die Ansichten der Anderen hören.“

„Das ist angemessen“, brummte Worf.

Kira ergriff wieder das Wort. „Worf, wir wissen, was Sie bewegt und auch Jorath wäre nicht hier, wenn er nicht hinter dem Projekt stünde.“

„Ich würde alles, was mir etwas bedeutet, für Jadzia aufgeben“, sagte Worf und schaute herausfordernd in die Runde.

Julian sprach als Nächster. „Ich möchte vorwegschicken, dass ich meine Entscheidung von Ezris Zustimmung abhängig mache.“ Er schaute Ezri zärtlich an und sie lächelte. „Wir sind hier eine Gruppe mit Fähigkeiten und Möglichkeiten, wie sie noch nie zusammengekommen ist. Jeder von uns ist der Beste auf seinem Gebiet“, fuhr er fort. „Der Doktor hat das Wissen unzähliger Welten gespeichert, eingeschlossen der Borg.“

Der Arzt der `Voyager` grinste selbstgefällig und richtete sich in seinem Stuhl auf.

„Colonel Kira hat die Befehlsgewalt, O`Brien und Jorath das technische Können und mein genetisch aufgewertetes Gehirn ist in der Lage, alle Fäden zusammenzuführen. Diese Kombination ist also einmalig. Der Vorgang wird sich allein aus diesem Grund nicht wiederholen und ist nach meiner Meinung deshalb kein Präzedenzfall.“

Julian machte eine kurze Pause, um die Auswirkung seiner Argumente in den Gesichtern der Anwesenden zu studieren. Ermutigt sprach er weiter. „Aber all das würde nicht zählen, wenn ich nicht der festen Überzeugung wäre, dass ich es Jadzia schuldig bin. In den ersten Jahren auf dieser Station habe ich, und Ezri weiß das natürlich, Jadzia mehr als verehrt, ich habe sie geliebt. Sie war etwas ganz Besonderes.“ In Julians Augen kam ein träumerischer Glanz. Er blickte zu Ezri und schloss: „Ich will alles tun, damit Jadzia ein langes Leben vollenden kann.“

„Nun“, ließ sich der Doktor vernehmen. „Sie werden sich gewiss fragen, was mich dazu bewegen könnte, mitzuarbeiten. Genau wie Dr. Bashir reizt mich die anspruchsvolle Aufgabe. Ich bin sicher, mein umfangreiches Wissen wird das Werk gelingen lassen.“

Kira hob die Augenbrauen.

„Schon oft habe ich, und das überwiegend allein in den Weiten des Delta-Quadranten, ganz auf mich gestellt, Herausforderungen jeglicher Art, ich kann wohl sagen, glanzvoll bewältigt. Ich möchte nur auf meine Rolle bei der Übernahme des Schiffes durch die Kazon hinweisen...“

Kira räusperte sich. „Wir sind beeindruckt. Aber bitte bleiben Sie beim Thema.“

„Ja, - also auf der einen Seite ist es der medizinische Anspruch. Jetzt komme ich zu meinen persönlichen Gründen: Trotz meiner Verdienste, ohne die die `Voyager` die Heimat nicht erreicht hätte und der Tatsache, dass ich meine Subroutinen auf bisher nicht dagewesene Weise um die Aspekte der Menschlichkeit erweitert habe, ganz zu schweigen von meinen künstlerischen Fähigkeiten, hat die Sternenflotte es abgelehnt, mir den Status einer rechtlichen Person zu verleihen. Das hat wehgetan.“

Zu Kiras Erstaunen malte sich auf dem Gesicht des Doktors echter Schmerz und sie fragte sich, ob künstliche Lebensformen eine Seele haben könnten.

„Was also könnte mir passieren? Man könnte mich umprogrammieren, ich würde weiter existieren und es wäre die Sternenflotte, die dabei am meisten verlieren würde. Um zum Ende zu kommen: Man hat mir elementare Rechte verweigert. Da ich keine Person bin, nehme ich mir die Freiheit und unterstütze ein Projekt, von dessen Ehrenhaftigkeit ich mich überzeugt habe. Nach meinen Informationen spricht nichts dagegen. Man sollte sowieso mehr über den eigenen Tellerrand schauen. Im Deltaquadranten sind mir Völker mit sehr eigenartigen Kulturen begegnet. Zum Beispiel eine, die sich nur aus den Toten anderer Lebewesen, die sie im All aufsammeln, erneuern kann und … aber ich schweife schon wieder ab. Ich wollte damit sagen, dass die Gesetze der Föderation möglicherweise nicht das Ende aller Weisheit sind. – Ich bin dabei!“ Die Runde atmete auf, als der Doktor geendet hatte und Kira verspürte etwas Mitleid mit Julian, der dem Redefluss seines Kollegen nur schlecht entgehen konnte.

„Wie ich das so sehe, wird Ezri Dax das letzte Wort haben“, begann Chief O`Brien. „Ich hatte nun Zeit, Argumente und Vorgehensweise zu überdenken.“ Worf unterdrückte ein Zucken in seiner Wange und schloss die Hände fest um die Stuhlkante.

„Der Vorschlag von Jorath ist akzeptabel.“ Worf ließ die Kante wieder los.

„Aber das ist nicht der einzige Grund, weswegen ich mich nicht gegen das Projekt stellen werde. Ich habe Familie und kann mir nicht vorstellen, ich könnte sie verlieren. Ich fühle mit dem Commander.“

Worf senkte verlegen den Kopf. Über derartige Gefühle sprach man nicht als Klingone, nur über die von Ruhm, Ehre, Rache und Sieg. Aber der Chief war ein guter Freund und Worf schätzte seine Worte.

„Ohne Jadzia Dax wären ich und meine Familie nicht mehr am Leben. Sie war eine treue Freundin und ein fähiger Offizier. Ich schulde ihr was. Deshalb bin ich bereit, Jorath zu beraten.“

Ezri hob den Kopf. „Nun ist es wohl soweit, an mir hängt es.“ Sie stockte. „Allein Eure Argumente wiegen schon schwer, aber nur diese hätten mich nicht überzeugen können. – Wie hoch sind die Erfolgsaussichten?“ wandte sie sich an Julian.

Der besprach sich kurz mit Jorath und dem Doktor. „Wir sind uns sicher, dass siebenundachtzig Prozent realistisch sind und keine Gefahr für dich oder Jadzia droht.“

Ezri nickte gedankenvoll.

„Ich bin nicht religiös. In meinem Dilemma habe ich aber trotzdem Colonel Kiras Vorschlag zugestimmt, mit dem Drehkörper die Propheten zu befragen.“ „Haben sie geantwortet?“ fragte der Doktor neugierig. Ein Blick von Kira brachte ihn zum Schweigen.

„Sie haben auf ihre Weise geantwortet“, sagte Ezri leise. Wie in Erinnerungen gefangen schwieg sie. Den Anderen schien die Zeit stehenzubleiben. Wie würde die Antwort lauten? Nach einer kleinen Ewigkeit lächelte Ezri. „Ich bin bereit, Jadzia ein neues Leben zu ermöglichen.“

Von Worfs Platz kam ein unterdrücktes Stöhnen. Er stand auf, ging um den Tisch und ergriff ganz zart und vorsichtig Ezris Hände. „Das werde ich dir nie vergessen!“

Die beiden schauten sich an und Kira unterbrach ungern die gemeinsamen Erinnerungen.

„Wir haben noch keinen Vulkanier, der die Gedankenverschmelzung vornehmen wird.“

Der Doktor meldete sich. „Das kann ich in die Hand nehmen. Ich kenne einen verschwiegenen Vulkanier, der möglicherweise helfen kann. Auf keinen Fall wird er uns verraten, er ist ein Freund.“

Seinem Vorschlag wurde zugestimmt. Einzelnen Gruppen begannen zu diskutieren. Aber es war noch nicht alles geklärt. Kira erhob ihre Stimme über das allgemeine Gemurmel.

„Dann ist da noch eine letzte Frage zu beantworten: Wie erklären wir Jadzias Anwesenheit?“ Betretenes Schweigen. Dann erhob sich Julian.

„Dann muss Jadzias Zwillingsschwester auf die Station kommen.“ Worf schaute verwirrt. „Aber Jadzia hatte doch gar keine ...“

„Aber ja“, unterbrach ihn Julian. „Wir kennen sie nur noch nicht.“ Er wandte sich an Kira. „Ich bitte um die Erlaubnis, eine weitere Person einweihen zu dürfen.“ Kira runzelte die Stirn. „Julian, je mehr davon wissen, desto gefährlicher wird es für unser Anliegen. Um wen handelt es sich?“

„Ich halte die Person für zuverlässig“, erklärte Dr. Bashir. „Es ist Arjin, jetzt vereinigt mit dem Flores-Symbionten.“

„Den kenne ich“, rief Ezri überrascht. „Flores ist ein liebenswerter Charakter.“ „Und Arjin würde nichts tun, was Jadzia schaden könnte“, fuhr Julian fort. “Jadzia braucht eine neue Identität. Der vorherige Wirt von Flores hat in der Trill-Verwaltung einen hohen Posten bekleidet. Er wird die notwendigen Ausweise und den Hintergrund für die neue Person liefern. Außerdem muss Jadzias Schwester mit einem Schiff angekommen sein und er kann die Passagierlisten ergänzen.“

Worf blickte verblüfft in die Runde. Er hatte noch gar nicht so weit gedacht.

Seine ganze Vorstellung endete mit dem Gedanken, seine Frau zurückzuhaben.

Aber zweifellos war eine neue Identität zwingend notwendig.

„Sind die Anwesenden einverstanden, Arjin für diese besondere Aufgabe einzubeziehen. Ich würde die Informationen so eng begrenzt wie möglich halten?“ fragte Julian.

Niemand hatte Einwände. Kira schloss die Konferenz. „Lassen Sie uns an die Arbeit gehen. Ich möchte von den einzelnen Gruppen regelmäßig über die Fortschritte informiert werden. Wir haben eine Woche Zeit, dann wird die `Voyager` ablegen und Arjin steht nicht mehr zur Verfügung.“ „Und unser Vulkanier auch nicht“, murmelte der Doktor.

Jorath und O`Brien verließen als Erste den Raum.

Kira winkte Julian und den Doktor zu sich. „Jorath darf über die Nanosonden nicht im Einzelnen informiert werden“, wies sie die beiden Ärzte an. „Die Forschung ist, wie Sie wohl wissen, als geheim eingestuft worden und ich möchte nicht Sektion einunddreißig auf den Hals bekommen.“

Die beiden Männer blickten beleidigt. Sie waren doch keine Anfänger. „Natürlich nicht! Das ist völlig klar. Aber er wird toben!“

„Dann lassen Sie sich am besten schnell etwas einfallen, mit dem Sie ihn besänftigen können.“

Julian seufzte. „Ich werde die Datenbanken durchforsten. Irgend etwas werde ich finden.“ Im Hinausgehen bemerkte Kira einen sorgenvollen Zug um seinen Mund. Sie konnte sich vorstellen, dass er von dem Gedanken, einem wütenden Klingonen gegenüber zu treten, nicht begeistert war.

Worf nickte Kira und Ezri zu und machte sich auf den Wega ins Sicherheitsbüro. Endlich hatte er etwas zu tun. Er würde hier gründlich aufräumen. Als erstes Objekt seines Argwohns stand Quark auf der Liste. Der brütete immer irgendeine Dieberei aus. Die Erwerbsregeln der Ferengigesellschaft waren ein höchst unmoralische Gesetzgebung, völlig ohne Ehre! Kira und Ezri blieben im Konferenzraum zurück.

„Wie geht es dir?“

Ezri brachte ein Lächeln zustande. „Besser, seit die Entscheidung gefallen ist.“

Kira verstand sie gut. Eine unklare Situation war oft schwerer zu ertragen, als ein endgültiges Ergebnis oder eine Konfrontation. Sie fragte sich, was die Propheten Ezri gezeigt hatten, aber Ezri vermied das Thema und wollte offensichtlich nicht darüber reden. Dass Ezri dem Projekt zugestimmt hatte, bestätigte Kiras Meinung, die Propheten wünschten Jadzias Rückkehr. Der Gedanke freute sie und ganz vorsichtig wuchs die Hoffnung, ihre Freundin bald wiederzusehen.

„Im Moment können wir nichts weiter tun. Lass uns an die Arbeit gehen, das lenkt uns ab“, seufzte Ezri, als sie sich trennten.

„Bitte entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt Zeit für unser Gespräch finde. Haben Sie sich in der Zwischenzeit hier umgesehen?“ Kira bot Carina einen Sessel in der Sitzecke ihres Büros an.

„Ja, danke. Es ist sehr interessant für mich. Es ist mein erster Aufenthalt im All und manchmal ist mir noch immer unheimlich zumute, wenn ich mir vorstelle, dass mich nur eine dünne Wand vom Vakuum trennt.“

Kira lächelte. Die beiden Frauen musterten sich und was sie sahen, gefiel ihnen.

Carina war von Kiras Professionalität und Führungsstärke beeindruckt. Die Crew der Station sprach von ihr mit einer Mischung aus Respekt und Zuneigung. Sie hatte schwere Zeiten erlebt und sich durchgekämpft. Nie hatte sie den Glauben an die Propheten verloren. Carina wusste, wie schwer das Festhalten an Ritualen und Glaubensinhalten in Zeiten der Not waren. Sie hatte Vertrauen zu Kira gefasst und war bereit, die Karten auf den Tisch zu legen. Kira sah vor sich eine Frau mit Lebenserfahrung und Wissen.

„Tee?“ fragte der Colonel. Carina nickte erfreut. Bei schwierigen Gesprächen schätzte sie es, sich an einer Tasse festzuhalten. Man konnte auf die Oberfläche pusten, langsam trinken oder die Keramik betrachten. All das ermöglichte Pausen zum Nachdenken und Formulieren.

„Admiral Ross hat mir nur die Wichtigkeit Ihres Projektes erklärt. Er hat mich nicht über den Inhalt informiert. Aber ohne diese Kenntnisse kann ich Sie nicht effektiv unterstützen. Bitte sagen Sie mir, um was es geht und wie ich helfen kann.“

„Kann ich in diesem Raum offen sprechen?“ erkundigte sich Carina und schaute sich um.

„Noch ein Geheimnis“, dachte Kira und hob die Augenbrauen. „Der Raum ist natürlich abhörsicher“, bestätigte sie und überlegte, was den Admiral und diese kleine Frau verband. Aber Unauffälligkeit konnte ja auch ein Vorteil sein. Carina stellte die Tasse ab, straffte die Schultern und blickte Kira fest in die Augen.

„Ich soll Benjamin Sisko von den Propheten zurückholen.“ Ruckartig hob Kira den Kopf. Einen Moment war es ganz still. Dann atmete sie tief ein.

„Erstens: Weshalb? Und zweitens: Wie?“

Carina freute sich. Sie schätzte es, wenn sich ihr Gesprächspartner nüchtern auf die Fakten beschränkte und sich nicht in langatmiges Geschwafel verlor.

„Zu Erstens: Admiral Ross hält den Beitritt Bajors zur Föderation für ungeheuer wichtig, vor allem für Bajor, das an dieser Stelle, direkt vor der Passage in den Gamma-Quadranten, nicht ohne den Schutz einer mächtigen Organisation bleiben sollte.“

Kira nickte zustimmend. „Am Anfang meines Dienstes war ich gegen einen Anschluss. Der Dominion- Krieg hat Bajor nur wegen seiner Neutralität verschont. Jetzt sehe ich schon die ersten Versuche, unsere Regierung im Sinne der verschiedensten Interessen zu beeinflussen. Zu diesem Zeitpunkt sehe ich eine Mitgliedschaft positiv. Aber was bringt die Zukunft?“

„Erinnern Sie sich, wer Bajor bewogen hat, neutral zu bleiben?“ warf Carina ein.

„Ja, natürlich! Der Abgesandte hatte Visionen von den Propheten empfangen und den Abbruch der Verhandlungen herbeigeführt. Zu unserer aller Wohl, wie sich später herausstellte.“

„Auch jetzt steht Bajor vor wichtigen Entscheidungen“, fuhr Carina fort. „Gerade vor der Wahl des neuen Kai braucht Bajor den Rat des Abgesandten mehr denn je.“

Kira stand auf und ging unruhig auf und ab. „Wenn ich nur wüsste, was die Propheten wollen. Soll ich den Drehkörper befragen?“

„Ich glaube, ich kann einige Anhaltspunkte liefern“, sagte Carina und dann erzählte sie von ihren Träumen.

„Noch ehe Sie seinen Namen kannten, haben Sie von ihm geträumt?“ schüttelte Kira den Kopf.

„Sie können sich vorstellen, wie mir zumute war, als ich seine Identität herausfand“, erinnerte sich Carina. „Ich halte das nicht für einen Zufall.“ Kira setzte sich wieder und nahm einen großen Schluck Tee.

„Also gut, gehen wir davon aus, dass Benjamin Sisko zurückkehren will. Wie wollen Sie das bewerkstelligen? Es sieht ja so aus, als bräuchte er Sie, sonst wäre er wohl nicht in Ihren Träumen erschienen.“

„Jetzt kommen Sie ins Spiel“, lächelte Carina. „Sie wissen, wer mich auf Bajor unterstützen kann und wo sich...“

Grelle Helligkeit umflutete Kira. Kein oben, kein unten, gar keine Richtung.

Sie schwankte.

„Hallo, ich bin hier!“ Kira wusste, wo sie war. Im Himmelstempel der Propheten. Sie erinnerte sich, dass sie sich bekannter Personen aus Kiras Erinnerung bedienten, um zu sprechen. Aus dem Licht materialisierten sich Gestalten, O`Brien, Julian und dort war Bareil Antos, der geliebte Mann, der schon so lange tot war.

„Wer ist sie?“ fragte O`Brien.

„Ich bin Kira Nerys.“

„Es ist die Kira, die Kira ist von Bajor“, antwortete Bareil.

„Sie trägt Narben,“ sagte Bashir und bewegte sich um Kira herum. Ihre Stimmen klangen körperlos, wie mit einem Nachhall.

„Sie hat für Bajor gekämpft. Sie wurde verwundet.“

„Wir schützen Bajor.“

„Was will sie?“

Kira drehte sich in die Runde und sprach alle an: „Was soll ich tun? Was ist mein Weg?“

„Sie sucht den Weg.“

„Der Weg ist wichtig.“

„Ist er für Bajor wichtig“?

„Ja“, rief Kira. „Er ist sehr wichtig für Bajor.“

„Sie wird den Weg finden“, sagte Bareil und im selben Moment stand Kira am Fuß eines steilen Abhangs. Ganz oben sah sie eine grüne Fläche, sie wusste, dort musste sie hin. Ein schmaler Pfad führte im Zickzack in die Höhe. Der Anstieg war steil, anstrengend. Manchmal verschwand der Weg und Kira quälte sich über Geröll, bis er plötzlich wieder auftauchte und sie weiterführte.

Direkt unter dem letzten gerade aufragenden Absatz verlor er sich und soviel sie auch suchte, sie konnte ihn nicht wiederfinden. Erschöpft rastete sie und suchte nach einem Halt in der Wand. Nur noch ein kurzes Stück und sie wäre oben. Sie

sprang hoch und versuchte, sich mit den Fingern an kleine Vorsprünge zu klammern, immer wieder glitt sie ab. Tränen liefen über ihr Gesicht, aber sie würde nicht aufgeben. Niemals! Und wenn sie mit den Fingernägeln Stufen kratzen müsste!

„Nimm meine Hand, Nerys“, hörte sie eine bekannte Stimme und sah eine kräftige dunkle Männerhand, die über die Kante griff. „Und auch meine“, sagte die Stimme einer Frau und ihre Hand reckte sich Kira entgegen. Mit einem lauten Seufzer griff Kira zu und wurde mit einem Ruck über die Kante gezogen. Und dann standen sie alle drei im grünen Gras der Hochfläche und lachten vor Freude. Kira Nerys, Benjamin Sisko und Jadzia Dax hatten sich wiedergefunden.

Im goldenen Sonnendunst lag das weite schöne Bajor unter ihnen, Wasser glitzerte in der Ferne, blaue Schatten von Wäldern umrahmten smaragdgrüne Wiesen. Kira atmete tief ein und fühlte weichen Wind auf ihren Wangen. Sie streckte die Hände aus, wollte die Freunde berühren, festhalten. Aber sie griff ins Leere und mit Entsetzen sah sie ihre Körper schwinden, durchsichtig werden und wie sie löste sich das Land in Schatten auf. „Nein“, schrie Kira. „Geht nicht! Ich habe so viele Fragen!“

„Wir sind ja hier“, hörte Kira eine andere Stimme. Wie schwer ihr Körper sich anfühlte. Sie öffnete die Augen.

Vor ihrem Sessel kniete Pala Reti und blickte Kira besorgt an. Im Hintergrund standen Carina und Commander Hemmings.

„Ich bin in Ordnung“, atmete der Colonel auf. „Die Propheten haben mir eine Vision geschickt.“

„Nur wenige genießen dieses Privileg“, flüsterte Pala und schaute Kira ehrfürchtig an. John Hemmings fand es an der Zeit, zur Realität zurückzukehren. „Professor Klaas kam zu uns, weil Sie nicht auf ihre Ansprache reagierten. Zum Zeitpunkt Ihrer Vision hat Pala wieder einen Anstieg in der Fluktuation des Wurmlochs gemessen. Ich halte es für denkbar, dass Sie davon beeinflusst wurden. Ist wirklich alles in Ordnung, oder soll ich Dr. Bashir holen?“ „Danke, es geht mir gut. Sie können in Ihrer Arbeit fortfahren.“

Die beiden Offiziere verließen das Büro und Carina ging zum Replikator. „Melissentee“, bestellte sie und gleich darauf materialisierte sich das Getränk in der Ausgabe.

Eine Weile träumte Kira vor sich hin und schlürfte den heißen Tee. Carina verhielt sich still. Dann stand Kira auf und ging zum Fenster.

„Wie war er?“ fragte Carina in ihrem Rücken. Kira drehte sich nicht um. „Als er hier ankam, wollte er gleich wieder weg. Die Station war in einem schrecklichen Zustand. Er wollte Jake nicht dieser Umgebung aussetzen. Und dann traf er Kai Opaka. Sie wusste sofort, dies war der erwartete Abgesandte der Propheten und sie zeigte ihm den Drehkörper der Prophezeiungen. Als er von Bajor zurückkam, war er nachdenklich. Er und Dax flogen in den Denorios-Gürtel und entdeckten den Himmelstempel, Wohnsitz der Propheten und Verbindung zum Gamma-Quadranten. Ihm war sofort klar, dass Bajor die

Kontrolle über den Zugang haben musste. Zusammen mit dem Chief war es uns gelungen, die Station vom Orbit um Bajor hierher zu versetzen. Seit der Zeit hat er nach und nach durch Erfahrungen und Visionen seine Bürde als Abgesandter angenommen. Er fühlte sich verantwortlich für Bajor und folgte seiner Berufung, auch wenn die manchmal mit seinen Pflichten als Sternenflottenoffizier schwer zu vereinbaren war.

Aber er war auch keine Marionette der Propheten. Er hat Kasidy gegen deren Willen geheiratet. Ehe er verschwand, hatte er geplant, ein Haus auf Bajor zu bauen. Nun lebt Kasidy dort mit Hope, seiner kleinen Tochter, die er noch nie gesehen hat.

Er war auch ein fähiger Offizier, der den Krieg letztendlich mit entschieden hat. Die vielen Verluste, die wir alle zu tragen hatten, haben ihn sehr belastet und haben ihn härter und kämpferisch gemacht. Er hat viele Facetten, ein wahrhaft ungewöhnlicher Mann und ich bin stolz darauf, mit ihm gedient zu haben und ihn Freund nennen zu dürfen.“

„Sie sprechen von ihm in der Gegenwart“, warf Carina ein.

“Er ist bei den Propheten. Und jetzt wird er möglicherweise zurückkehren. – Nun aber zu Ihrem Projekt.“

Carina trat neben Kira ans Fenster und sprach über ihr Vorhaben. Ab und zu nickte Kira zustimmend oder fragte ein Detail nach.

„Ja, ich weiß, wo er ist. Sie haben Recht, wir brauchen ihn. Morgen werden Keiko O`Brien und Kirayoshi nach Bajor fliegen. Da Sie dasselbe Ziel haben, ist es das Beste, Sie schließen sich ihnen an. Ich werde Fähnrich Nog beauftragen, Sie dorthin zu bringen. Er kann auch gleich meine Botschaft an Vedek Parem Gabor mitnehmen. Ich werde Sie anmelden. Sie können ihm vorbehaltlos vertrauen, er wird Sie nach Kräften unterstützen.“

„Danke, dann glauben Sie auch, dass die Rückkehr von Captain Sisko notwendig ist?“

„Nach allem, was geschehen ist, bin ich davon überzeugt. Dies ist ein weiteres Mosaiksteinchen in einem viel größeren Bild“, antwortete Kira. Fragend hob Carina die Brauen. Aber Kira sprach nicht weiter.

Carina ließ ihren Blick über die Sterne gleiten.

„Zeigen Sie mir Bajor“, bat sie.

„Sehen Sie die kleine hellblaue Scheibe dort neben der Dreiecksformation?“ Carina nickte.

„Unsere Sonne hat vierzehn Planeten. Zwei sind bewohnbar. Bajor ist der siebte und hat fünf Monde. Der Nachthimmel ist wunderbar anzusehen.“

Ganz tief in ihrem Innern verspürte Carina ein leichtes Ziehen. Dort wollte sie hin. Irgendetwas sagte ihr, dass dort ihr Ziel sei.

Aufatmend drehte sie sich wieder um. Kira folgte ihr und nahm am Schreibtisch Platz.

„Aber unterschätzen Sie nicht die Schwierigkeiten, die Sie erwarten“, mahnte sie Kira. „Der Kreis ist wieder aktiv. Sollte unser Vorhaben bekannt werden, wird man es verhindern wollen und das könnte durchaus gefährlich für Sie werden.“

„Danke“, antwortete Carina. Sie ließ sich den kleinen Schreck nicht anmerken. „Ich werde aufpassen, aber Aufgeben ist keine Option.“

Kira hatte es gewusst. Diese Frau würde sich durchbeißen. Sie streckte Carina die Hand entgegen. „Dann werden wir uns bald hier wiedersehen. Grüßen Sie Vedek Parem von mir.“

Carina durchquerte die Ops mit neuer Energie. Die Dinge kamen in Gang. Sie konnte endlich aktiv werden.

Kira sah ihr nachdenklich hinterher. Dann schaltete sie den Kommunikator an und wartete auf Antwort. Der Bildschirm erhellte sich und zeigte das Gesicht eines gutaussehenden blonden bajoranischen Mannes. Sein Ohrring endete in einer kreisförmigen Scheibe mit einer Halbkugel als Zentrum. „Nerys, geht es dir gut?“

„Ja, es gibt viel Arbeit. Aber genau so liebe ich es, wie du weißt.“ „Was kann ich für dich tun?“

„Edon, ich habe eine Bitte an dich. Es ist sehr wichtig für uns.“

Nog lief vor Carina her und trug ihre Tasche. Der junge Ferengi war noch deutlich kleiner als sie, aber augenscheinlich sehr viel kräftiger. Carina konnte ihren Blick kaum von seinen riesigen Ohren abwenden, die in einem Halbkreis um den ganzen Kopf liefen. Das wichtigste und empfindlichste Organ dieser Spezies, sogar beim Sex spielte es eine große Rolle. Sein Gehör musste phänomenal sein.

Die Promenade war schon zum Leben erwacht. Niemals hatte Carina sich diese Vielfalt von raumfahrenden Völkern vorgestellt. Noch vor vierhundert Jahren stritt die Menschheit über die Frage, ob sie die einzige intelligente Rasse im Universum sei. Welche Arroganz! Erst als der Warp-Antrieb entwickelt und Raumfahrt möglich war, zeigten sich die verschiedenen Völker, die in ihrer technischen Entwicklung schon weiter waren als die Menschen.

Als Nog und Carina Quarks Bar passierten, saß der Lurianer Morn schon an der Theke.

Quark servierte einem Nausikaaner ein Getränk. Er beugte sich tief zu dessen Reißzähnen hinunter und flüsterte hinter vorgehaltener Hand.

In der entgegengesetzten Ecke des Raumes saßen Tom Paris und Jake Sisko über ihrem Frühstück und im Vorbeigehen sah Carina sie gestenreich diskutieren. Sie war so abgelenkt von diesen Szenen, dass sie beinahe mit einem riesigen Klingonen zusammengestoßen wäre, der mit weitausholenden Schritten der Bar zustrebte. Er trug Sternenflottenuniform und eine breite silbermetallische Schärpe zierte seine Brust. „Oh, oh“, seufzte Nog. Carina sah ihn fragend an.

„Commander Worf hat ein Auge auf meinen Onkel geworfen. Hoffentlich geht das gut“, und eilig lief der Fähnrich der Shuttle-Schleuse entgegen, wo zu Carinas Freude die O`Briens auf sie warteten. Der Chief verabschiedete sich von seiner Familie und nach einem letzten Blick auf das bunte Durcheinander der Promenade folgte Carina den Anderen in den Gang. Sie würde wiederkommen.

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