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Jenseits der Zeit - Teil 2

von Sylvia Voss

Asteroid

Die Explosion riss sie aus dem Schlaf.

Dexa sprang mit einem Satz aus dem Bett und griff nach ihrer Kleidung. Neelix hatte sich halb aufgerichtet. „Was war das? Wo willst du hin?“ fragte er erschrocken.

„Zur Überwachungsstation, sehen, was los ist!“ „Warte, ich komme mit!“ rief er.

Sie war halb aus der Tür. „Kümmere dich um Brax“, und schon hastete sie den Tunnel zur zentralen Höhle entlang. Eine weitere Detonation erschütterte die Wände. Dexa stolperte und stützte sich an den glitzernden Felsen ab. Im gedämpften Licht der Nachtbeleuchtung verloren sich die grauen Stützträger und die halbbogenförmigen Metallstreben unter der Tunneldecke im Dunkel, nur der Boden war deutlich zu erkennen.

An einer Abzweigung stieß Dexa mit Tarax zusammen, der aus einem Seitenschacht geschossen kam. Wortlos rannten beide weiter.

Ihre Station lag an die Innenwand der großen zentralen Höhle, ebenso wie weitere Stationen, Schächte und Verbindungswege zu den Wohnquartieren, die im Dämmerlicht nur schwach zu erkennen waren.

Dexa stürzte sich auf die Anzeigen. Im selben Moment sah sie extreme Schwankungen in der Schildenergie und fast gleichzeitig traf sie die nächste Erschütterung. Tarax fragte hektisch die Sensordaten für die Lebenserhaltung ab.

„Wir brauchen mehr Energie auf die Schilde“, rief Dexa. „Ich leite die Reserven um!“

Jetzt folgte Einschlag auf Einschlag. Dexa und Tarax arbeiteten so schnell sie konnten an neuen Konfigurationen und bald klangen die Detonationen dumpfer und die Erschütterungen dämpften sich zum Zittern der Wände.

Als sich Dexa aufatmend zu Tarax umwandte, sah sie den Leiter ihrer Kolonie, Oxilon, in der Tür stehen. In seinem freundlichen langen Gesicht mit dem braunen Backenbart spiegelte sich Besorgnis. Rixa, die wissenschaftliche Assistentin, versuchte, sich an ihm vorbei zu winden, die Augen schreckgeweitet.

„Was ist los?“ Oxilons tiefe Stimme klang alarmiert, aber ruhig.

„Wir werden angegriffen“, berichtete Tarax. „Energiezehrende Entladungen treffen unsere Schilde. Hätten wir nicht Ruhezeit und alle Systeme auf niedrigstes Niveau abgesenkt, wären die Schilde zusammengebrochen.“ „Die Minengesellschaft?“ fragte Oxilon.

„Vermutlich, wir werden sofort mit der Analyse der Daten beginnen. Alle verfügbare Energie muss in die Schilde geleitet werden“, antwortete Dexa. „Ich werde die Leute unterrichten und Notmaßnahmen einleiten“, entschied Oxilon und entfernte sich mit langen Schritten.

„Rixa, Sie können mir bei der Abfrage der optischen Sensoren und der Spektralanalyse helfen“, wandte sich Tarax wieder seinem Arbeitsplatz zu.

„Ich werde die Energiefluktuationen auswerten“, sagte Dexa und startete die Diagnoseprogramme. Eine Weile arbeiteten die Drei konzentriert und schweigsam.

Eilige Schritte kamen den Gang entlang und Neelix stürzte zu Dexa.

Aufmerksam betrachtete er die Anzeigen.

„Wo ist Brax?“ fragte sie ihn besorgt.

„Ich habe ihn in die Schule gebracht. Die Lehrer versammeln alle Kinder dort, bis die Situation geklärt ist. Oxilon teilt Arbeitsgruppen ein. Die Nahrungsreserven werden kontrolliert und alle Möglichkeiten zum Einsparen von Energie sollen diskutiert werden. – Wie kannst du nur so schnell hellwach sein?“ Neelix legte seiner Frau die Hand auf die Schulter.

Sie schaute zärtlich lächelnd in sein Gesicht. Seine Haut unter den kreisförmigen Flecken an den langen Wangenknochen hatte sich gerötet, die wellenartigen Ohrmuscheln schimmerten rosig und sein blonder Backenbart zitterte vor Sorge. Er war nicht sehr groß, aber das passte gut zu ihrer zierlichen Figur. Doch er wirkte kräftig, war intelligent und kümmerte sich um sie und ihren Sohn Brax mit nie nachlassender Fürsorge. Am glücklichsten war er, wenn er für sie kochen konnte.

Immer wieder kam ihr der Gedanke, welches Glück sie und das versprengte Häufchen von fünfhundert Talaxianern gehabt hatten, als die `Voyager` auf dem Weg in den Alpha-Quadranten auf den ausgehöhlten Asteroiden ihres kleinen Außenpostens stieß. Neelix lebte seit sieben Jahren an Bord dieses Schiffes und hatte mit seinem Mut und seiner Erfindungsgabe die Angehörigen seines Volkes davon überzeugt, die Hilfe der Crew der `Voyager` anzunehmen und gemeinsam hatten sie einen Schutzschild gegen die Angriffe der Minengesellschaft um den Asteroiden installiert. In vielen Jahren harter Arbeit hatten die Talaxianer nach der Zerstörung ihrer Heimatwelt den Asteroiden zu ihrem neuen Heim ausgebaut. Fünf ihrer sechs Raumschiffe waren kenntnisreich in die Infrastruktur eingefügt worden und sicherten ihr Überleben.

Neelix hatte sich entschlossen, bei seinem Volk zu bleiben. Es war ihm sehr schwer gefallen, seine langjährigen Freunde auf der `Voyager` zu verlassen, in harten und in guten Zeiten waren sie zusammengewachsen. Captain Janeway hatte ihn gebeten, Botschafter der Föderation im Delta-Quadranten zu werden und diese Aufgabe erfüllte ihn mit Stolz.

Dexa küsste ihn auf die Wange. „Eine Mutter lernt ganz schnell, auf Ungewöhnliches sofort zu reagieren, das liegt in der Natur von Frauen.“

Neelix schaute in ihre hellen grauen Augen und war froh über seinen Entschluss, Dexa zu heiraten. Mit ihrem Sohn Brax verstand er sich gut und nach langen Junggesellenjahren genoss Neelix das Familienleben. In letzter Zeit hatte er auch an weitere Kinder gedacht, aber die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen mit der Minengesellschaft erforderte andere Prioritäten.

Die Einschläge erfolgten nun in regelmäßigen Abständen. Ab und zu rieselten kleine Steinchen von den Felswänden und dumpfe Schläge erinnnerten Neelix an langanhaltende Sommergewitter auf Talax.

„Ich werde zur Schleuse gehen und mir einen Überblick an der Oberfläche verschaffen. Ich beurteile die Probleme gern mit eigenen Augen. Sensordaten sind selektiv.“

„Neelix, sei vorsichtig! Wir wissen nicht, welche Gemeinheit noch da draußen wartet und nur im Raumanzug bist du dem ungeschützt ausgeliefert!“

„Ich werde mich nicht weit von der Schleuse entfernen und mit dir Kontakt halten, das verspreche ich.“

Neelix drückte Dexa kurz an sich, nickte Tarax und Rixa zu und machte sich auf den Weg zum Turbolift.

Vorsichtig spähte er aus der Luftschleuse auf die Oberfläche. Im Dämmerlicht der entfernten Heimatsonne glänzten Eis und Kristalle in mattem Grau und Silber. Über ihm wölbte sich der unsichtbare Schild, der grün zuckend aufglühte, wenn ihn eine Entladung traf. Neelix konnte den Ausgangsort der Bomben nicht feststellen. Gespenstisch still leuchteten ihre Lichteffekte auf dem Schild.

Um den Talaxianer erstreckte sich das weite Asteroidenfeld, große und kleine, bizarre und kugelförmige steinige Himmelskörper schwebten in lautlosem Tanz um ihn herum. Manchmal berührten sie sich, dann sah er Staubwolken von ihren Oberflächen emporsteigen, ab und zu bewirkter der Zusammenstoß eine Kaskade von Kontakten, bis sich nach einiger Zeit ein neues Gleichgewicht eingependelt hatte. Ohne Atmosphäre spielten sich die Ereignisse in absoluter Stille ab. Neelix hörte nur das Zischen der Luft in seinem Raumanzug und das feine Knacken der Kommunikation.

Dexa meldete sich.

„Dexa an Neelix. Was siehst du?“

„Die Entladungen scheinen aus allen Richtungen zu kommen, eine bestimmte Richtung ist nicht zu erkennen. Der Schild hält, aber bei jedem Aufschlag wird ihm Energie entzogen.“

„Ja, das können wir bestätigen. Wir pumpen ständig Energie aus dem geothermalen Kern in den Schild. Ist unsere Eisreserve betroffen?“ „Soweit ich beurteilen kann, nicht.“

„Bitte, komm wieder herein, ich mache mir Sorgen.“

„Ich komme.“

Entgegen seiner Ankündigung hüpfte Neelix einige Schritte weiter. Das künstliche Schwerkraftfeld reichte nicht bis auf die Oberfläche. Die Fortbewegung im `Hüpfmodus` war am effektivsten und er gönnte sich einige weite Sprünge, ehe er umkehrte. Noch einmal drehte er sich ganz um seine Achse, hob den Kopf und betrachtete den Weltraum, das schwebende Asteroidenfeld und den zarten Schleier des Schutzschildes. Nach einem letzten Blick auf das blasse Licht des Heimatsterns, trat er wieder in die Luftschleuse. Als sich der Turbolift in Bewegung setzte, schoss ihm ein bedrückender Gedanke durch den Kopf: Hatte er eben das letzte Mal die Außenwelt gesehen? Ein Anflug von Panik stieg in ihm auf. Dann erinnerte er sich an seine Zeit auf der `Voyager`. Niemals, auch nicht in den kritischsten Situationen, hatten sie die Hoffnung aufgegeben, und das durfte er auch nicht. Schließlich war er Botschafter der Föderation und musste ein Vorbild sein!

Als sich die Türen des Lifts öffneten, hatte er seinen Körper gestrafft und war bereit, sich den Herausforderungen zu stellen.

Die Gruppe, die sich im Konferenzraum zusammengefunden hatte, schwieg bedrückt.

Dexa hatte gerade die Ergebnisse ihrer Untersuchungen bekanntgegeben. Außer ihr, Neelix, Tarax und Rixa saßen Oxilon und die Vertreter der Wohngruppen um den Tisch.

„Soll das heißen, dass wir unsere gesamte Energie zur Aufrechterhaltung der Schilde brauchen?“ vergewisserte sich eine besorgte Talaxianerin und schaute Hilfe suchend in die Runde.

„Was ist mit Lebenserhaltung, Nahrung, Kleidung?“

Oxilon ergriff das Wort. „Bis wir eine Lösung gefunden haben, müssen wir mit so wenig Energie wie möglich versuchen, zu überleben. Im Einzelnen heißt das: Die Replikatorrationen werden auf das Minimum beschränkt, wir werden nur Notbeleuchtung haben, die Temperatur wird abgesenkt, für Kinder und Alte werden beheizte Gemeinschaftsräume eingerichtet, alle nicht notwendigen Maschinen und Stationen werden abgeschaltet.“

Wie zur Bestätigung dieser harten Maßnahmen dröhnte die nächste Explosion in ihren Ohren.

Rixa hob bekümmert eine Hand. „Für viele von uns ist Dunkelheit schwer zu ertragen.“

„Du hast die Wahl zwischen Dunkelheit und Tod“, entgegnete ihr Tarax schroff. „Wir könnten die phosphoreszierenden Felsenbakterien zur Beleuchtung einsetzen. Sie vermehren sich sehr schnell.“

Dankbar sah Rixa den Vertreter der biologischen Abteilung an und der Vorschlag wurde allgemein begrüßt. Nachdem noch der Einsatz von schwefelverarbeitenden Kleinlebewesen und sauerstoffproduzierenden Pflanzen diskutiert worden war, hatte sich die Stimmung etwas gehoben.

Oxilon wandte sich an Neelix. „Wann haben wir wieder Kontakt zur Föderation?“

Neelix schaute auf die Uhr. „In drei Stunden öffnet sich das Zeitfenster.“ „Die Lage ist sehr ernst. Ich möchte vorschlagen, die Föderation um Hilfe zu bitten.“

Tarax sah Oxilon erstaunt an. „Aber die Erde ist siebenundzwanzigtausend Lichtjahre von Neu Talax entfernt. Wie könnte man uns helfen?“

Neelix fühlte sich angesprochen. „Man glaubt gar nicht, wie erfindungsreich deren Wissenschaftler und Ingenieure sind. Wir sollten unsere gesammelten Daten über den Hyperraumkanal schickten und um Vorschläge bitten, wie wir uns mit unseren begrenzten Ressourcen gegen den Angriff wehren können.“ Ein Signal von der Kommunikations-Station unterbrach die Beratung. Auf dem Bildschirm erschien das graue, plattenartig gegliederte Gesicht von Commander Okona, Leiter der Minengesellschaft.

„Wir haben Sie oft genug gewarnt! Wir werden Sie vertreiben und das Erz Ihres Asteroiden abbauen. Da Sie nicht freiwillig gehen wollen, müssen wir zu unserem Bedauern nun Gewalt anwenden. Sie wissen, dass Sie nicht genug Reserven haben, uns längere Zeit zu widerstehen. Nehmen Sie endlich Vernunft an und verschwinden Sie!“

Würdevoll richtete sich Oxilon zu seiner ganzen Größe auf. „Wir werden uns Ihren Drohungen und Angriffen nicht beugen. Wir sind sehr wohl in der Lage, Ihnen Widerstand zu leisten.“

Okona schüttelte den Kopf. „Sie könne uns nicht vorwerfen, Sie nicht gewarnt zu haben. Unsere Geduld ist am Ende.“

Der Bildschirm wurde dunkel. Eine Weile saßen alle reglos um den Tisch. „Vielleicht hätten wir doch damals das Angebot von Captain Janeway annehmen sollen, eine neue Heimat zu suchen“, sagte Rixa verzagt mit dünner Stimme. Dann sprang Tarax so plötzlich auf, dass die Anderen zusammenzuckten. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie mit hochrotem Kopf: „Wir sollten sie angreifen! Wir sollten mit unseren letzten Reserven Raketen bauen und uns hier nicht verkriechen! Das ist demütigend!“

Oxilon legte dem Wütenden beruhigend die Hand auf die Schulter. „Wir sind stolz darauf, ein friedfertiges Volk zu sein. Wenn wir Gewalt anwenden, begeben wir uns auf das Niveau unserer Feinde.“

„Ja, mit hoher Moral in den Tod gehen“, warf Dexa bitter ein.

„Noch ist es nicht soweit“, versuchte Neelix abzuwiegeln. „Captain Janeway ist nun Admiral und einflussreich. Ich werde sie persönlich um Hilfe bitten. Sie wird alles tun, um uns zu helfen.“

„Neelix, du bist zu gut für dieses Universum“, sagte Dexa traurig. Aber sie wusste auch, dass sie ihn gerade wegen seines aufrechten Charakters so liebte. Nun ja, wenigstens hatten sie zwei glückliche Jahre miteinander verbracht. Das kann nicht jedes Lebewesen dieses Weltalls von sich sagen.

Die Gruppe löste sich auf, um die jeweiligen Aufgaben in Angriff zu nehmen und ihre Wohngemeinschaften zu unterrichten, einige mit Trotz, andere mit neuerwachter Hoffnung und wieder andere mit hängendem Kopf und mühsam verborgener Angst.

Dexa, Tarax und Rixa gingen auf die Überwachungsstation und Neelix steuerte die Abteilung für Hyperraumkommunikation an. Er fühlte sich gar nicht so zuversichtlich, wie er vorgespiegelt hatte. Auch Admiral Janeway und die Wissenschaftler der Föderation konnten keine Wunder vollbringen.

Die kalifornische Sommersonne erwärmte das Büro von Commander Joy Weber, Leiterin der Abteilung für Raum- Zeit-Anomalien der theoretischen Physik an der Sternenflottenakademie in San Francisco.

Sie blickte von ihrem Arbeitsplatz auf, blinzelte und stand auf, um den Sonnenschutz zu aktivieren. Das hätte sie auch über den Computer erledigen können, aber sie erfreute sich immer am Anblick der Bucht und der Golden Gate Brücke im Hintergrund. Eine Weile stand sie am Fenster und schaute auf das glitzernde blaue Wasser. Die vorlesungsfreie Zeit hatte begonnen und sie plante einen ausgedehnten Urlaub.

Fast bedauernd erteilte sie den Befehl zur Einfärbung der Fensterscheiben. Langsam verdunkelte sich das Glas. Im Innern des Raumes wechselte das Licht und Joy fühlte sich wie unter Wasser, blau-grün liefen die Reflexe der kleinen Wellen aus der Bucht über die Wände.

Durch die offene Tür konnte sie den langen Flur ihrer Abteilung hinuntersehen. Die meisten Bürotüren standen offen, trotzdem herrschte die Stille konzentrierter Arbeit.

Joys Blick schweifte zu einer geschlossenen Tür am Ende des Korridors. Natürlich – Harren öffnete seine Tür niemals, er wollte nicht gestört werden und suchte keinen Kontakt. Die jungen Physikerinnen hätten ihn gern näher kennengelernt. Er sah gut aus und war überragend intelligent, aber leider wusste er das nur zu gut und stand in dem Ruf, arrogant zu sein. Besonders Lieutenant Bina Burke, eine temperamentvolle Kosmologin, vermied den Kontakt mit ihm und ließ sich von der Schwärmerei für den `Helden von der Voyager` nicht anstecken. Sie war der Meinung, es wäre ihm ja nichts anderes übrig geblieben, als auf dem Schiff auszuharren, bis es nach sieben Jahren im Delta-Quadranten wieder zur Erde zurückfand. Das allein sei keine Heldentat. Von seinem Versuch, Captain Janeway und zwei weitere Crewmitglieder durch die Opferung seines Lebens zu retten, wusste sie nichts und Mortimer Harren sprach nie darüber.

Aber Joy wusste es. Ehe sie ihn für ihre Abteilung angefordert hatte, studierte sie ausführlich seine Akte. In dem jungen Mann steckte mehr, sehr viel mehr, als er möglicherweise selbst wusste. An seiner Sozialkompetenz musste aber offensichtlich noch gearbeitet werden und Joy hatte schon einen Plan.

Der Kommunikator summte und auf dem Bildschirm erschien Fähnrich Jenny Myers.

„Guten Morgen, Commander. Admiral Janeway möchte Sie möglichst bald sprechen.“

„Wissen Sie etwas über den Anlass?“ fragte Joy erstaunt. Der Admiral war zwar früher Wissenschaftsoffizier gewesen, aber jetzt befasste sie sich mit der strategischen Ausrichtung der Sternenflotte und war eine gefragte Expertin im Kampf gegen die Borg.

„Nein, der Anlass ist mir nicht bekannt, aber Commander Barclay ist bei ihr.“ „Ich komme sofort. Weber Ende.“

Noch auf dem Weg zur Admiralität fragte sich Joy, was der Admiral ausgerechnet von ihr wollte.

Kathryn Janeway saß an ihrem Arbeitsterminal. Hinter ihr stand Commander Reginald Barclay und schaut über ihre Schulter.

„Wenn die Vorgaben genau eingehalten werden, bin ich sicher, dass es funktioniert“, sagte er gerade, als Joy hereingeführt wurde.

Der Admiral sah auf. „Ah, Commander Weber. Gut, dass Sie so schnell gekommen sind. Sie kennen Commander Barclay?“

„Natürlich, wer hätte nicht vom `Pathfinder-Projekt` gehört“, antwortete Joy.

Barclay schaute verlegen und eine leichte Röte überzog sein freundliches Gesicht unter dem schütteren blonden Haar.

Admiral Janeway war eine Frau, die gern sofort zur Sache kam. Sie strich eine braune Haarsträhne aus der Stirn und lehnte sich im Stuhl zurück. „Kennen Sie die Spezies der Talaxianer?“

Joy überlegte. „Sie hatten einen Vertreter dieses Volkes an Bord, aber er ist im Delta-Quadranten geblieben?“ erinnerte sie sich zögernd an die Logbuchaufzeichnungen der Voyager. Die Kämpfe und Erlebnisse des legendären Schiffes unter dem Kommando von Captain Janeway waren innerhalb der Sternenflotte d i e Sensation des vergangenen Jahres gewesen. „Ganz recht“, stimmte der Admiral zu.“Commander Barclay hatte eine Möglichkeit gefunden, mit uns im Delta-Quadranten zu kommunizieren und wir haben weiterhin in bestimmten Zeitfenstern Kontakt mit dem Talaxianer Neelix. Gestern bekamen wir einen Notruf von dort. Man bittet uns um Hilfe.“

Der Admiral winkte Joy zu sich und zeigte ihr die Übertragung. Joy konnte sich immer noch nicht vorstellen, was von ihr erwartet wurde. Fragend sah sie Janeway an.

„Reg, erklären Sie ihr, was Sie vorhaben.“

„Ja, also“, begann Barclay und räusperte sich. „Ja, also“, wiederholte er. „Ich glaube, in Anbetracht der geringen Ressourcen dieses Asteroiden, müssen wir das Problem mit nur einer Maßnahme lösen. Die Minengesellschaft wird nicht locker lassen. Ich bin da auf die Idee gekommen, den Asteroiden, nun, einfach verschwinden zu lassen.“

„Verschwinden?“ fragte Joy.

„Ich will ihn im Subraum in Sicherheit bringen“, erklärte Barclay.

„Ihre Aufgabe ist es, die theoretischen Grundlagen zu berechnen und diese Vorgaben an Chief O`Brien von der Ingenieursabteilung weiterzuleiten“, kam Janeway zur Sache. „Commander Barclay wird die theoretischen und die technischen Spezifikationen miteinander verbinden. Ich muss wohl nicht betonen, dass es eilt?“

Joy nickte. Der Notruf war eindringlich genug gewesen.

Admiral Janeway griff nach einem optronischen Datenchip. „Hier sind alle Daten, die Sie brauchen. Kann ich Ende der Woche Ihre Ergebnisse haben?“ „Ich werde zwei weitere Spezialisten dazu ziehen“, überlegte Joy. „Lt. Mortimer Harren ist ein guter Kosmologe und Lt. Bina Burke ist Spezialistin für Quanten-Vakuumprobleme. Wir müssen sowohl die sehr großen Skalen berücksichtigen als auch die absolut kleinsten. Ich selbst werde ihre beiden Arbeiten zu einem ganzen verbinden. Das wird nicht einfach, aber ich glaube, dass wir es bis Ende der Woche schaffen können.“

Admiral Janeway wirkte nachdenklich. „Harren war mit uns im Delta-Quadranten, ich kenne ihn ganz gut. Wollte er nicht ans Institut für Kosmologie auf Orion eins?“

„Ich habe ihn angefordert. Seine Arbeit, die er während der Zeit auf der `Voyager` formuliert hat, ist sehr gut. Solche Leute brauchen wir.“

Janeway stimmte zu. „Grüßen Sie ihn und erinnern Sie ihn an die Geschichte vom guten Hirten. Er wird wissen, was ich meine.“

Joy nickte und verabschiedete sich. Ihre Gedanken kreisten schon um das Subraumproblem und sie überlegte, wie groß wohl die notwendige Energie sein müsste und wie man sie erzeugen könnte.

Lt. Harren und Lt. Burke betrachteten sich voller Abneigung, als sie sich in der Tür zu Commander Webers Büro trafen.

„Kommen Sie herein, wir haben eine eilige und wichtige Aufgabe zu lösen. Lt. Harren, erinnern Sie sich an Neelix?“

Mortimer schaute den Commander überrascht an. „Natürlich, unser sogenannter talaxianischer Botschafter, Moraloffizier und Koch auf der `Voyager`. Eine durch nichts zu erschütternde Frohnatur. Was ist mit ihm?“

In kurzen Worten erklärte Weber die Not der Talaxianer und den Auftrag von Admiral Janeway. Bina fragte nach den zur Verfügung stehenden Mitteln und Harren gab schon Daten in seinen physikalischen Tricorder ein. „Ich kenne den Asteroiden“, sagte er. „Wir haben den Talaxianern geholfen, ihren Schild zu installieren. Aber mir war damals schon klar, dass das nur ein vorläufiger Schutz sein konnte.“

„Ach, ja? Sie wissen ja wohl immer alles besser“, stichelte Bina und warf ihr schwarzes Haar zurück.

„Ich bin eben gut“, antwortete Mortimer selbstbewusst. „Schluss!“ ging Joy dazwischen. „Sie werden ohne Streitereien zusammenarbeiten. Wir nehmen Raum 308, dort sind drei Arbeitsplätze. Hier, laden Sie sich die Daten herunter. Harren, Sie berechnen die großen räumlichen Strukturen und Sie, Burke, bestimmen die Quantenphänome. Fangen Sie sofort an. – Lt. Harren, noch einen Augenblick.“

Bina eilte schon den Flur hinunter, begierig, dem arroganten Kerl zu zeigen, was in ihr steckte.

„Ich soll Sie von Admiral Janeway grüßen und Sie an die Geschichte vom guten Hirten erinnern“, entledigte sich Joy ihres Auftrages. Nanu, wurde der immer so überlegen wirkende junge Mann jetzt rot? Was war das wohl für eine Geschichte?

„Ja, danke“, antwortete Mortimer kurz. „Kann ich jetzt gehen? Sie sagten, es wäre eilig.“

Joy entließ ihn mit einer Handbewegung. „Aus Feuer und Wasser entstand die Erde“, dachte sie, als sie ihm nachsah. „Wir wollen doch mal sehen, ob Burke und Harren ebenso produktiv zusammenarbeiten können.“

Neelix wanderte unruhig vor der Komm-Station hin und her. Dexa beobachtet ihn liebevoll besorgt. Wäre er nicht bei ihr geblieben, wäre er jetzt in Sicherheit. Aber damals konnte noch niemand wissen, wie es mit der Reise der `Voyager` weitergehen würde und im Alpha-Quadranten wäre er der Einzige seines Volkes und, wie Dexa sich selbst immer wieder sagte, auch auf Dauer nicht glücklich geworden. Sie würden das hier gemeinsam durchstehen.

Im Hintergrund warteten Tarax und Rixa auf das Zeitfenster.

Endlich! Vom Hyperraum-Kanal wurde ein Föderationssignal aufgefangen. Der Bildschirm zeigte eine schlanke Frau mit gewelltem dunkelblondem Haar. „Ich bin Commander Joy Weber, Leiterin der Abteilung für theoretische Raumzeitphysik der Sternenflotte. Ich grüße Sie alle.“

„Wir freuen uns, Sie zu sehen“, antwortete Neelix, erleichtert, dass die Verbindung stand.

„Admiral Janeway hat mich gebeten, auf Grund Ihrer übermittelten Daten nach einer Lösung zu suchen. Das war wegen Ihrer geringen Reserven nicht einfach. Der Energieverlust kann in absehbarer Zeit nicht mehr von Ihnen ausgeglichen werden. Wir raten Ihnen dringend, den Asteroiden zu evakuieren.“

„Das ist völlig unmöglich!“ rief Dexa aufgeregt. „Wir haben nur zwei kleine Schiffe und können damit keine fünfhundert Personen befördern! Gibt es denn gar keine andere Lösung?“

Joy Weber zögerte. „Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, aber sie ist sehr gefährlich.“

„Uns bleibt keine andere Wahl.“ Dexa presste die Lippen aufeinander.

„Lt. Commander Barclay hatte die Idee, einen neuen Schild, vielmehr eine Art Blase um Ihren Asteroiden zu errichten. Meine Arbeitsgruppe und ich haben die Berechnungen ausgeführt.“

„Blase?“ fragte Neelix erstaunt. „Lt. Commander Barclay hat auch das Pathfinder-Projekt gegen jeden Vorbehalt zum Erfolg geführt und die `Voyager` konnte wieder mit der Erde Kontakt aufnehmen. Ich vertraue ihm.“

„Wir halten es für möglich, den Asteroiden mit einer Subraumblase zu umhüllen. Aus dem normalen Raum kann Sie dann nichts mehr erreichen“, fuhr Commander Weber fort.

„Und wir können auch nie mehr hinaus?“ fragte Rixa mit großen Augen.

Joy Weber lächelte. „Wir geben Ihnen Spezifikationen, mit denen Sie wieder in den Normalraum zurückkehren können.“

„Was brauchen wir?“ fragte Tarax, begierig, mit der Arbeit zu beginnen. Joy gab einige Befehle in ihre Komm-Station. „Hier sind alle Daten, die Sie brauchen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Gamma-Laser absolut genau eingestellt sein müssen, um die Planck-Energie in einem Punkt zu erreichen. Mit dem Antigraviton- Emitter erweitern Sie die erzeugte Öffnung in den Subraum, bis er den ganzen Asteroiden samt dem bisherigen Schutzschild umfängt. Das muss so schnell gehen, dass Sie die Zeitprogrammierung unbedingt über den Computer laufen lassen müssen. Kein Lebewesen könnte schnell genug reagieren.“

Tarax überprüfte die eingegangenen Daten.

„Es ist alles da“, meldete er.

„Wir haben Ihre begrenzten Ressourcen berücksichtigt“, erklärte Joy. „Auch eine Modifizierung Ihrer Komm-Station ist von uns berechnet worden. Wir können also aus dem Subraum miteinander sprechen. Die technischen Einzelheiten hat Chief Miles O`Brien entwickelt. Er hat viel Erfahrung und ist der Meinung, dass Sie es schaffen können. Aber es ist ein Risiko. Wenn Sie die Vorgaben nicht exakt einhalten, kann der Asteroid zerstört werden.“

„Das Zeitfenster schließt sich. Wir danken Ihnen für Ihre Hilfe und grüßen Sie Admiral Janeway.“

„Viel Glück. Wir hoffen, dass wir bald wieder von Ihnen hören. Weber Ende.“ Der Bildschirm verdunkelte sich. Dexa ergriff den optronischen Datensatz und verließ eilig die Komm-Station. Tarax und Rixa liefen hinter ihr her.

„Ich informiere Oxilon und die Anderen“, rief Neelix ihnen nach, aber sie antworteten nicht und Neelix ging zur Verwaltungsabteilung, um Bericht zu erstatten.

Die Personen drängten immer näher, angstverzerrte Gesichter wuchsen zu grotesken Ballons, die Münder im stummen Schrei geöffnet , die Augen riesig aufgerissen.

Oxilon wich zurück. Er wollte schreien, seine Unschuld beteuern, aber wie gelähmt konnte er sich nicht bewegen. Ein Ton schwoll an, gellend aus den aufgerissenen Mündern – und drang in sein Bewusstsein.

Ruckartig fuhr er in die Höhe, er war im Sessel eingeschlafen. Der neuinstallierte Alarm gellte durch die Gänge.

Oxilon schüttelte die Verwirrung ab und rannte in Richtung der Überwachungsstation. Aus allen Gängen liefen die Bewohner zur großen Zentralhöhle und wollten wissen, was passiert war. Er winkte ab. „Ich werde Euch informieren, wenn ich etwas erfahren habe“, rief er der Menge zu, die sich rings um die Wände versammelt hatte.

Nahe der Station begegnete er Neelix und Tarax, die gerade eilig Raumanzüge in Schränke verschlossen. Gemeinsam hasteten sie weiter. Das rote Alarmlicht lief hektisch über die Wände. Jetzt erst wurde Oxilon bewusst, dass er keine Einschläge mehr hörte. Was hatte das zu bedeuten?

Als sie die Station erreichten, zeigte Dexa stumm und mit starrem Gesichtsausdruck auf die visuellen Sensoren. Ein kleines Objekt näherte sich schnell.

„Rixa, schalte den Alarm ab“, wies Oxilon die Assistentin an und schwer atmend ließ er sich auf einen Stuhl fallen. Neelix und Tarax traten nahe an den Bildschirm.

„Als wir eben auf der Oberfläche waren, haben wir das noch nicht gesehen“, stellte Neelix fest und Tarax nickte zustimmend. „Was ist es?“

„Wir wissen es nicht. Unsere Sensoren können seine Hülle nicht durchdringen“, antwortete Dexa.

„Wird es einschlagen? “ erkundigte sich Oxilon ernst.

„Die Schilde werden halten.“ Neelix versuchte Zuversicht zu verbreiten, aber unter seinem blonden Haarschopf war er blass geworden.

Gebannt beobachtete die kleine Gruppe das Näherkommen des Objektes. Jetzt konnte man schon Einzelheiten erkennen. Die tonnenförmige graugrünmetallische Sonde zeigte an ihrem Ende eine geschlossene Irisblende. Tarax hatte die Annäherungsgeschwindigkeit verfolgt. „Sie wird langsamer – sie hält an“, meldete er verblüfft. Sie warteten. Nichts geschah. In einigem Abstand vom Schutzschild verharrte das Objekt.

Neelix riss sich aus der Erstarrung. „Wir müssen unseren Plan sofort umsetzen, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren! “ rief er.

„Aber ich wollte die Spezifikationen noch einmal überprüfen“, jammerte Dexa.

„Neelix hat Recht. Jetzt oder möglicherweise nie“, entgegnete Tarax.

Oxilon blickte von Einem zum Anderen. „Ja“, stimmte er nach einigem Zögern

zu. „Beginnen Sie mit dem Programm. Ich werde die Leute informieren.“

Dexa ging zur internen Kommunikation. „Achtung an alle! Phase eins beginnt in fünfzehn Minuten. Nehmen Sie Ihre Positionen ein!“

Neelix hatte inzwischen den genauen Standort der Sonde vermessen. Er nahm Dexa beiseite und zeigte ihr die ermittelten Daten.

„Aber… die Ausrichtung….“ Neelix legte ihr schnell den Finger auf den Mund.

„Ja, genau. Aber still, wir wollen doch keine Panik!“ flüsterte er mit Blick auf Rixa.

Dexa hatte sich gefangen. „Was sollen wir tun?“

„Wir können gar nichts tun. Eine neue Ausrichtung der Laserbatterien auf einen anderen Raumpunkt würde wieder Tage dauern. Wir können nur hoffen, dass wir schneller sind.“

Dexa nickte. Eine Bewegung an der Tür ließ sie aufblicken. „Brax, gut, dass du hier bist“, begrüßte sie ihren Sohn. „Du kennst deine Aufgabe?“

Brax nickte. Seine braunen Augen schauten ernst, aber nicht ängstlich. Er sah Neelix an und lächelte ihm zu. „Es ist gut, dass das Warten ein Ende hat. Die Anderen in der Schule wollen auch, dass es endlich los geht.“

Brax öffnete einen Wandschrank und entnahm ihm nacheinander sechs dick gepolsterte Matten und befestigte sie an Ösen auf dem Fußboden. Dann begann er, die Möbel mit Gurten zu sichern und Schubladen zuzubinden.

Dexa warf ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu. „Er ist schon fast so groß wie ich und bald ist er erwachsen“, dachte sie stolz, während sie zusammen mit Tarax und Neelix an der Programmierung des Computers arbeitete. Rixa überprüfte derweil die Sensoreinstellungen. Stumm und sorgfältig beschäftigte sich jeder mit seiner Aufgabe.

Oxilon betrat den Balkon zur inneren Höhle und sah die vielen schemenhaften Gesichter im Dämmerlicht der Notbeleuchtung. Er strich sich gedankenvoll über seinen langen braunen Backenbart und hoffte, Zuversicht verbreiten zu können. „Meine Freunde“, begann er mit lauter, ruhiger Stimme.

„Nun ist es soweit. Wir werden in Kürze das Programm für den Subraumschild starten. Eine unbekannte Sonde der Minengesellschaft hat sich unserem Asteroiden genähert, deshalb werden wir nicht länger warten.“

Ein Flüstern, wie das Rascheln von Blättern, damals auf Talax, lief durch den riesigen Raum und verstärkte sich im Echo.

„Es war gut, unverzüglich mit der Arbeit am Subraumschild zu beginnen. Wir sind bereit, uns von der Bedrohung zu befreien. Die Oberfläche wird sich etwas erwärmen, aber die unteren Höhlen sind in der Lage, das Wasser, das als Eis unter der Staubschicht der Oberfläche liegt, aufzunehmen. Ihr alle habt Vorkehrungen getroffen, euch, und vor allem eure Kinder zu schützen, während wir die künstliche Gravitation abschalten. Aus Sicherheitsgründen werden die Trägheitsdämpfer weiter arbeiten. Wir haben berechnet, dass die Energie dafür reicht. Licht und Lebenserhaltung werden aber für kurze Zeit ausgeschaltet werden müssen. Die Quartiere können genug Luft speichern, ihr müsst Euch deshalb keine Sorgen machen. Wir werden uns bald wiedersehen.“

Oxilon machte eine Pause und sah in die vielen ernsten Gesichter. Und wenn es schief ging? Er weigerte sich, den düsteren Gedanken Raum zu geben.

„Geht nun in eure Quartiere. Kontrolliert noch einmal, dass nichts herumfliegen kann, dann bindet euch in den Polstern fest. Wenn ihr das dreifache Signal hört, beginnt der Countdown der letzten zehn Sekunden. Ich danke euch allen.“ Still gingen die Bewohner in Richtung ihrer Quartiere davon. Lange Diskussionen und das vergebliche Suchen nach Alternativen hatten sie von der Notwendigkeit, dieses Risiko eingehen zu müssen, überzeugt.

Die Ingenieure hatten sich in ihren Arbeitsräumen, ebenso wie die Leute in der Überwachungsstation, ihre Polster neben den Geräten aufgebaut. Man wollte schnell reagieren können.

Nach einem letzten Blick in die nun leere Innenhöhle seufzte Oxilon und machte sich auf den Rückweg zur Station. Er begegnete niemandem. Verlassen lagen die dämmerigen Tunnel vor ihm und erst jetzt hörte er das leise Rauschen der Lebenserhaltung, das sonst von den vielfältigen Aktionen überdeckt wurde. Dankbar erreichte Oxilon den einzigen erleuchteten Raum.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte er beim Eintreten. Er fing einen Blick zwischen Neelix und Dexa auf. Beunruhigt fragte er sich, ob ihm etwas verschwiegen wurde.

„Sie können sich sichern“, antwortete Neelix und wies auf eine dicke Matte in der Nähe der Wand. Oxilon ließ sich nieder und schloss die Gurte. An seiner Kopfseite lagen schon Tarax und Rixa.

Neelix und Dexa hatten ihre Polster mit Blick auf die Anzeigen ausgerichtet, und Brax lag sicher verpackt neben Dexas Polster.

„Wie lange noch?“ fragte Rixa ängstlich. „Drei Minuten“, presste Dexa zwischen den Zähnen hervor. Sie setzte die letzten Computerprogramme in Gang.

„Neelix, leg dich hin. Ich muss nur noch den Startknopf drücken.“ Neelix nickte und stieg in seine Schutzhülle.

Schnell huschten Dexas Augen über die Kontrollen. Alles in Ordnung. Sie atmete tief ein und mit einem festen Druck presste sie den Startknopf. Dann drehte sie sich um und kroch zwischen Neelix und Brax in ihr Polster.

Bei t minus 20 Sekunden erloschen die Lebenserhaltung und das Licht. Die Gravitation hörte auf, sie auf den Boden zu drücken. Dexa fühlte sich leicht wie eine Feder, das Blut drang ihr klopfend in den Kopf und sie sah die Enden der Gurte schweben.

Nur noch die Anzeigentafeln leuchteten und hüllten den Raum in flackerndes Licht. Die Alarmanlage gellte drei Mal auf. Dexa betrachtete gespannt die Geräte. Brax schob seine kleine Hand in ihre und sie lächelte ihm beruhigend zu.

Doch dann sah sie etwas auf dem Außenbildschirm. Die Sonde öffnete ihre Irisblende und schob einen kegelförmigen Emitter hinaus. Er glühte auf, schnell steigerte er sich von dunklem Rot über Gelb zu Weiß. Dexa umklammerte Neelix Hand. Noch niemals waren ihr die Sekunden so lang erschienen. Die Laser, wann endlich waren die Laser auf der notwendigen Emissionsenergie für die Gammastrahlung? Jetzt, da waren sie. Mehrere Lichtflecken auf dem Schutzschild zeigten ihren Durchtrittsweg und im Raum, nicht weit vor der bedrohlichen Sonde, erschien ein weißglühender winziger Fleck. Wie lange noch bis zur Planck-Energie? Und dann noch die Zeitbruchteile, die die Antigravitonemitter zum Aufweiten der Blase brauchten! Dexa hielt den Atem an.

Und in dem Augenblick, als die notwendige Energie von zehn hoch neunzehn Elektronenvolt im Raumpunkt erreicht war, schoss der Sondenemitter einen blauen Strahl hinaus, der auf seinem Weg zum Schutzschild des Asteroiden genau auf den Energiepunkt traf.

Neelix wusste sofort, dass etwas schiefgelaufen war.

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