TrekNation

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Kappiri

von Ena

Teil 2

"Guten Tag meine Liebe, ich bin wieder zu Hause!", Milkarin schloss die Tür aus getöntem Glas, das zwar den Blick nach draußen ermöglichte, aber das Innere des Hauses, das vollständig aus halb lichtdurchlässigem Material bestand, vor den Blicken von Passanten auf den belebten Straßen schützte. Milkarin räkelte sich zufrieden in dem zwar etwas gedämpften, aber immer noch intensiven Sonnenlicht. Er liebte diese Tage der Trockenzeit, wenn die Sonne ungehindert scheinen konnte. Aufatmend entblößte er seinen Oberkörper, um seiner durch Chloroplasten grünen Haut noch mehr energiereiche Strahlung zu gönnen. Trotz der Sonnennahrung verspürte er ein deutliches Hungergefühl und so schritt er in die Küche, um das Mittagessen zu inspizieren. Milkarin runzelte leicht die Stirn, als er den Topf unbeaufsichtigt auf dem solarbetriebenen Herd stehen sah. Die Kreppack Eier waren seiner Meinung nach schon ein wenig zu gut durchgebacken.

"Untabi? Wo bist du denn?", rief er leicht gereizt in das Haus hinein. Es war wirklich ungewöhnlich, sonst verspürte seine Frau immer eine ganz besondere Freude und Stolz, wenn sie ihn wieder mit einem herrlichen Essen verwöhnen konnte, das den heterotrophen Speiseplan bereicherte.

"Untabi?", rief er nochmals.

"Hier bin ich, Milkarin!", drang die Stimme seiner Frau aus ihrem Arbeitszimmer. Milkarin runzelte die Stirn, während er der Stimme nachging. Normalerweise pflegte sie um diese Zeit nicht zu schreiben. Als er das Zimmer betrat, bedeutete ihm seine Frau mit einer Geste zu schweigen. Untabi saß auf einem Stuhl neben dem Transmitter und bemühte sich die richtige Frequenz einzustellen. Die Stimme des Sprechers war durch Interferenzen stark verzerrt, so dass man nur einzelne Bruchstücke verstehen konnte:

"...militärische Überprüfung...keine Infor...später....... Dieser Bericht wird in 2 Minuten wiederholt." Untabi hatte nun die richtige Wellenlänge gefunden. Milkarin sah sie stirnrunzelnd an. Was war denn so Wichtiges geschehen, dass seine Frau, die sonst immer über die Einseitigkeit der Berichterstattung über den Audiotransmitter schimpfte, gar nicht mehr von dem Gerät wegzubekommen war?

"Hallo Schatz!", Milkarins Frau war aufgestanden um ihm zärtlich über die Nasenwurzel zu streichen. Wie immer erzitterte er unter ihren sanften Berührungen, sie war einfach unglaublich attraktiv. "Wie war dein Tag im Krankenhaus? Ich hoffe du bist nicht zu sehr gestresst. Zum Mittagessen hatte ich gebratene Eier geplant, was hältst du davon?"

"Klingt verlockend, solange ich sie nicht vom Topfboden abkratzen muss", erwiderte ihr Lebensgefährte grinsend. Hinter seiner hektisch in die Küche rennenden Frau hinterher trottend meinte er:

"Es war eigentlich ereignislos. Bei diesem Wetter und während der Trockenzeit hat keine vernünftige Person das Bedürfnis, sich von einem Arzt piksen und zwicken zu lassen. Aber hier scheint ja richtig was los zu sein?!?"

Bevor er die Küche betreten konnte kam seine Frau mit dem Topf in dem eine mittlerweile undefinierbare schwarze Substanz klebte wieder herausgeschossen. Sie blickte sich im Esszimmer um und beschloss dann den Topf samt Inhalt in den organischen Verwerter zu schmeißen. Sie schien seltsamerweise überhaupt nicht um das Mittagessen bekümmert zu sein. Ihre Gedanken waren mit etwas Wichtigem beschäftigt, das konnte ihr Milkarin nach 27 Jahren gemeinsamen Lebens deutlich ansehen. In der Tat platzte sie jetzt mit den Neuigkeiten heraus:

"Heute morgen hat mich Keria kontaktiert, du weißt, sie wohnt ganz am Rande der Stadt. Sie hat mir gesagt, dass gestern etwas Ungewöhnliches über dem Wald beobachtet worden ist. Das jedenfalls soll ihr ihre Freundin gesagt haben und von wem die es hat, weiß ich nicht. Da du mich ja lange genug kennst, ist dir wohl bewusst, dass ich auf solchen Tratsch nicht viel gebe. Ich habe Keria mal ihre Märchengeschichten erzählen lassen, dass angeblich ein riesiger Feuerschein am Himmel auszumachen gewesen sei, der noch Minuten später in einem gleißenden Feuerregen über dem Wald niedergegangen sein soll. In der Tat habe ich kein Wort davon geglaubt. Und dann gerade eben hat sie mich schon wieder kontaktiert. Sie hat nur irgendetwas von Wunderzeichen und den Weisen gemurmelt und gemeint, dass ein aktueller Bericht laufen würde. Den wollte ich mir jetzt anhören, mal sehen, was wirklich dran ist."

In diesem Augenblick wurde am Transmitter der Countdown für den Start der Übertragung hörbar. Neugierig geworden eilten die beiden ins Arbeitszimmer und lauschten gespannt:

"Gestern Morgen erleuchtete ein Lichtschein die Stadt! Ein Blitz von erstaunlicher Helligkeit wurde über dem Wald ausgemacht. Minutenlang schwebten feinste hell strahlende Kugeln in der Luft, die später sanft zu Boden schwebten. Der Himmel schien in allen Farbnuancen zu fluoreszieren..."

"Siehst du, was habe ich dir gesagt, vollkommener Schwachsinn!", unterbrach Untabi die Berichterstattung. "Die bauschen immer alles auf. Man kann sich auf Nichts verlassen, also wenn ich..." Mit einer unwirschen Handbewegung schnitt ihr Milkarin das Wort ab. Jetzt war nicht die Zeit für eine der regelmäßigen Ereiferungen seiner Frau über objektive Nachrichten. "Bürger, fürchtet euch nicht! Ein Priester der Weisen kennt die Erklärung für die Zeichen des Himmels!" Die aufgeregte Stimme des Nachrichtensprechers wurde durch den sanften und vollen Bass von Terian, dem obersten Priester, ersetzt.

Diesem Ereignis muss eine große Bedeutung zugemessen werden, wenn Terian zum Sprecher des Standes der Priester auserwählt wurde, um die unwissenden und vor Ehrfurcht kopflosen Bürger zu beruhigen, dachte Milkarin sarkastisch.

"Meine lieben Bürger. Wir Priester haben uns bereits mit der Regierung in Verbindung gesetzt, da wir glauben, dass dieses Ereignis eine kaum zu ermessende Bedeutung hat. So sagt der vierte Abschnitt des heiligen Buches der Weisen - gepriesen seien sie auf immerdar - dieser besagte vierte Abschnitt gibt uns den Wegweiser und die Hoffnung auf die unser Volk schon seit der Erschaffung der Welt wartet. Jetzt in unserer gegenwärtigen Situation haben uns unsere Götter ein Zeichen geschickt, dass sie uns unterstützen werden und wir im völligen moralischen und göttlichen Recht sind. Die Weisen haben unsere Regierung damit in ihrer Handlungsweise bekräftigt, denn diese besagte Bestätigung, diese einzigartige Verkündigung wurde uns schon vor Generationen zuteil. So sagt das Buch:

`Und es wird kommen der Finger der Weisen als glühender Blitz. In ihrer gleißenden Wut werden die Götter die Feinde vernichten und den Gerechten Genugtuung verschaffen.´

Die beschriebene Wunderwaffe wird bald in unserer Hand sein. Die Regierung hat bereits erste Schritte unternommen. Der Segen der Weisen soll uns alle begleiten."

Milkarin stellte wutschnaubend den Transmitter ab und unterbrach damit den aufgeregten Nachrichtensprecher, der sich wieder zu Wort meldete.

"Wie kann man nur mit so vielen Worten nichts aussagen?", fragte er aufgebracht. "Dieser...", an dieser Stelle senkte Milkarin seine Stimme bis zum Flüstern, denn man konnte ja nicht wissen, ob die Wände Ohren hatten, "...aufgeblasene Idiot glaubt doch nicht ernsthaft mit seiner pompösen Redeweise Eindruck zu schinden?!? Mir erscheint das Ganze heiße Luft zu sein, ein kleiner Prestigeschub für unsere geehrten Herrn Politiker, die sich doch nur auf ihre Herkunft berufen können und darauf alle ihre Privilegien gründen, aber vom richtigen bürgerlichen Leben, ja von geregelter Arbeit verstehen die ja wohl einen Dreck!" Seine Stimme war während seiner erbosten Rede wieder lauter geworden, so dass seine Frau eine warnende Geste machte.

"Lass das bloß keinen hören, sonst musst du mit einer arbeitslosen Frau zu Hause herumsitzen, die sich so sehr langweilt, dass das Mittagessen ständig anbrennt", meinte sie lächelnd. "Da mir die Beweihräucherung unserer Regierung leider nicht wie anderen Schriftstellern zusagt, so brauche ich manchmal etwas Abwechslung und werde dir jetzt ein neues Essen kochen."

In dem Augenblick in dem sie in die Küche gehen wollte, begann der Transmitter zu piepsen. "Hoffentlich nicht Keria", stöhnte Untabi, als sie die Transmission entgegennahm. Eine distanzierte Stimme drang aus dem Gerät:

"Ist Milkarin zu sprechen? Es ist dringend." Milkarin schob sich näher an den Transmitter: "Ja, ich bin Milkarin, mit wem spreche ich?"

Sein Gegenüber ignorierte seine Frage ganz einfach und fuhr fort:

"Sie werden auf der Stelle im Militärkrankenhaus erwartet. Finden sie sich umgehend dort ein. Und bringen sie ihre medizinische Ausrüstung mit! Ende!"

"Das war wohl der Militärstandardgruß, was?", Milkarin nahm verdrossen, da er nun doch auf das Mittagessen verzichten musste, seine Tasche wieder zur Hand und verließ "umgehend" das Haus.

Die zwei Militärs, die ihn durch die schier unendlichen und verwinkelten Gänge des Krankenhauses geführt hatten, öffneten eine schwere Tür, vor der zwei weitere Posten schwer bewaffnet Wache hielten. Milkarin sah die starr geradeaus blickenden Soldaten mit ihren automatischen Projektilgewehren misstrauisch von der Seite an. Als Arzt hatte er immer Verletzten geholfen und er konnte die Leute nicht verstehen, deren Aufgabe es war anderen zu schaden.

"Doktor, was sie jetzt sehen werden ist als streng vertraulich zu behandeln. Niemand, ich betone niemand, darf in die heutigen Geschehnisse eingeweiht werden, verstanden?!?" Langsam begann Milkarin doch neugierig zu werden. Was ging nur heute hier vor? Er nickte stumm und wurde dann in den Raum hineingeschoben. Es war offensichtlich ein Operationssaal. Um einen OP-Tisch in der Mitte des Raumes war eine Handvoll von ranghöheren Offizieren versammelt. Rund um den Saal konnte er weitere Bewaffnete erkennen. Bei seinem Eintreten wandten sich die Offiziere ihm zu und offenbarten den Blick auf das, was sich auf dem Tisch befand. Milkarin stockte der Atem.

So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Es, es schien eine Lebensform zu sein, doch etwas Vergleichbares existierte auf diesem Kontinent nicht. Milkarin trat näher heran. Einer der Offiziere sprach ihn an:

"Doktor, Sie sind der wohl beste Arzt dieser Stadt. Wir lassen ihnen bei der Behandlung weitgehend freie Hand, Sie müssen uns aber über jeden ihrer Schritte informieren. Teruck...", damit wies er auf einen jungen Offizier an seiner Seite, "...wird ihr Verbindungsmann sein. An die Arbeit." Mit diesen Worten wandten sich die Offiziere ab und wollten den Raum verlassen. Nur Teruck blieb an dem Tisch stehen. Milkarin überwand seine erste Sprachlosigkeit:

"Moment mal, wer, oder was ist das hier überhaupt und wo kommt es her und wie kommen Sie auf die irrsinnige Idee, dass ich es heilen kann?? Ich verlange Informationen!"

"Die sie zu gegebener Zeit von Teruck erhalten werden", schnitt ihm der ältere Offizier das Wort ab und ohne weitere Widerrede abzuwarten, schloss die kleine Gruppe die Tür hinter sich.

Milkarin wandte sich wieder seinem - Patienten zu. Das Wesen wies von dem äußeren Körperbau Ähnlichkeit mit ihm selbst auf. Auch es besaß vier Extremitäten und einen seltsam geformten Schädel. Doch abstoßender weise zeigte seine Haut einen ungesunden braunen Farbton mit einem Stich ins rötliche. Kein Wunder, dass es dem Wesen nicht gut ging. Aus einer Wunde am Oberkörper quoll eine ekelhafte rote Flüssigkeit, vielleicht so etwas wie Körperflüssigkeit zum Transport von Nährstoffen. Vorsichtig berührte er die Haut des Wesens.

"Er...sie...äh...es", meldete sich der junge Offizier Teruck zu Wort, "wurde bei einem Schusswechsel verwundet. Meinen Sie, dass Sie etwas tun können? Ich wüsste gern, was...", der junge Mann unterbrach sich. Offensichtlich wurde ihm bewusst, dass er seine Schweigepflicht verletzte.

Nun, aber in einem Punkt hat er Recht, dachte Milkarin. Ich bin der Arzt und sollte etwas für diese verletzte Lebensform tun. Zum Fragen stellen ist später noch genügend Zeit.

Die Behandlung hatte sich als äußerst schwierig herausgestellt. Die fremdartige Anatomie des Wesens ließ sich mit keiner der konventionellen Untersuchungsmethoden vollständig aufklären. Doch Milkarin hatte allen Grund stolz auf sich zu sein. In einer langen Operation hatte er das Projektil entfernen können, und - hoffentlich - wieder alle der Muskeln und sonstigen Gewebeteile zusammengeflickt. Zudem hatte er eine Fraktur an einem der Arme gerichtet. Darüber hinaus hatte der junge Offizier seinen Drang zu reden nicht bremsen können und so hatte Milkarin einige interessante Informationen aufgeschnappt:

Anscheinend war in den frühen Morgenstunden aus einem Vorort der Stadt ein aufgeregter Notruf eingegangen. Eine seltsame Gestalt, die durch die Straßen schlich war gesichtet worden. Eine Militärstreife, die den Unruhestifter festnehmen wollte, war auf dieses Individuum gestoßen. Das ungewöhnliche Aussehen hatte die Soldaten dermaßen erschreckt, dass einer von ihnen gefeuert, aber verfehlt hatte. Weitere Soldaten waren in das Feuer eingefallen, das Wesen, dass scheinbar völlig perplex durch den Angriff gewesen war, hatte versucht zu fliehen, wurde aber getroffen. In einer letzten verzweifelten Anstrengung hatte es ein seltsames Gerät gehoben aus dem reines Licht erstrahlt war. Entsetzt und durch das göttliche Zeichen des Lichts abgeschreckt, waren die Soldaten geflüchtet. Nach einer Weile hatten sich einige der Mutigeren wieder herangepirscht und festgestellt, dass das Wesen regungslos auf dem Boden lag. Der Körper war in das Krankenhaus gebracht worden und man hatte versucht die Aktion in den Morgenstunden zu verschleiern. Für die Öffentlichkeit war der Vorfall als "routinemäßige Straßensäuberungsaktion" deklariert worden.

Milkarin saß seufzend im Halbdunkel neben seinem Patienten, dessen Brustkorb sich regelmäßig senkte und hob. Er hatte erreicht, dass die Bewaffneten wenigstens den Raum verließen. In diesem Zustand und ohne das Gerät, das Blitze schleudern konnte, wäre das Wesen völlig ungefährlich. Außerdem bräuchte der Patient Ruhe. Ärztliche Anordnung. Milkarin seufzte erneut.

"Was für ein Geheimnis verbirgt sich bloß hinter dir?", flüsterte er seinem Patienten zu.

Captain Janeway strich sich mit den Händen über die Schläfen und schloss für einen Moment die Augen in dem hellen Tageslicht. Die Sonnenkonstellation ließ sich nach den bisherigen Beobachtungen kaum vorhersagen. So standen im Augenblick beide Sonnen im Zenit, was eine schier unerträgliche Hitze auslöste. Alle Hautpartien, die nicht durch Stoff bedeckt wurden, und das waren aufgrund der Hitze wohl die meisten, hatten sich schon lange knallrot gefärbt. Die wievielte Hautschicht ihr mittlerweile von Gesicht und Schultern abblätterte konnte Kathryn nicht sagen. Ihr Körper war im Augenblick in der Tat in einer mitleiderregenden Verfassung. Alle Muskeln schmerzten ihr von der harten körperlichen Arbeit und ihre physische Belastbarkeit näherte sich ihrem Ende, ganz zu schweigen von ihrer psychischen...

Kathryn öffnete die Augen nach diesem kurzen Moment der Ruhe wieder. Die Führungsoffiziere waren auf dem Weg zu ihr, um ihren neusten Statusbericht abzuliefern. Captain Janeway blickte sich um und ihr Gesicht begann zu strahlen, als sie erkannte, dass sich B`Elanna, gestützt auf Neelix und Tuvok, näherte. Sie sah immer noch etwas angeschlagen aus, doch sie hatte sich glücklicherweise so weit von ihren Brandwunden erholt, dass sie an dem Briefing teilnehmen konnte. Als sich alle in dem Schatten eines Baumes versammelt hatten, um der intensiven Strahlung zu entgehen, eröffnete Tuvok die Zusammenkunft mit seinem Bericht:

"Es ist uns gelungen in die Frachträume vorzudringen. Dort haben wir noch große Mengen von intakter Ausrüstung gefunden. 20 Phasergewehre, 38 Handphaser, 17 Trikorder., 3 medizinische Trikorder. und verschiedene Medikamente konnten geborgen und in das Zentrallager gebracht werden. Zudem konnten wir auch noch große Mengen an Notrationen sicherstellen. Damit hat sich unsere Versorgungslage deutlich verbessert. Hinsichtlich der technischen Ausrüstung aus dem Maschinenraum werden wir wohl in Kürze Erfolge erzielen können, da die Temperatur dieser Sektion nach dem Brand langsam wieder auf normale Werte zurückkehrt. Circa 85% des Schiffes konnten von uns bis jetzt untersucht werden. So wird morgen ein kompletter Schadensbericht vorliegen."

Der Vulkanier sah hinüber zu Neelix, der das Briefing fortsetzte. Man sah dem Talaxianer beinahe schon wieder Enthusiasmus an, als er Hände reibend in die Kreismitte trat.

"Wie Tuvok schon dargelegt hat, ist die Versorgung mit Lebensmitteln kein großes Problem mehr. Zu den äußerst nahrhaften, aber kulinarisch nicht wertvollen Notrationen kann ich einige einheimische Spezialitäten beisteuern. Lieutenant Ferras entwickelt ein ausgesprochenes Talent im Jagen mit dem Handphaser. Und ich bin stolz diese seltsamen grünen Tiere zu einer Gaumen schmeichelnden Delikatesse verarbeiten zu können. Auch an den verschiedensten Früchten ist dieser Planet reich."

"Nun, dass sind doch schon einmal gute Nachrichten", meinte der Captain lächelnd. "Danke Neelix. Seven?"

Die Ex-Borg trat mit unbewegtem Gesicht vor.

"Es ist mir gelungen einen Teil des Computersystems wieder in Stand zu setzen. Lieutenant Torres wird mir dabei assistieren das Programm des Doktors zu isolieren, wenn es überhaupt noch vorhanden und vollständig sein sollte. Wie lange es allerdings dauern wird auf die Primärsysteme der Voyager Zugriff nehmen zu können, lässt sich noch nicht abschätzen." B`Elanna, die ausnahmsweise den Befehlston der Ex-Borg ignorierte, schaltete sich mit schwacher Stimme in die Unterhaltung ein:

"Eine weitere gute Nachricht, Captain. Wir konnten die Interferenzen der Energiebarriere analysieren und durch einige Modulationen an den Kommunikatoren ist es uns gelungen diese wieder in Betrieb zu nehmen. Die Verbindung ist zwar immer noch leicht gestört und eine Langstreckenkommunikation ist noch nicht möglich, aber die Kurzstrecken Transmissionen können wieder genutzt werden. Ein Kontakt zu Tom", B`Elannas Miene verfinsterte sich bei diesen Worten, "konnte immer noch nicht hergestellt werden."

Captain Janeways Stimmung hatte sich während der Berichte deutlich verbessert. Die aussichtslose Lage der letzten Tage hatte viel von ihrer Bedrohlichkeit verloren. Es schien auf ganzer Länge bergauf zu gehen.

"Gute Arbeit alle zusammen. Und keine Sorge B´Elanna, wir werden bald von Tom hören. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn. Vollstes Vertrauen in Sie alle", meinte Janeway und blickte sich anerkennend im Kreis der Führungsoffiziere um. Zusammen waren sie ein unschlagbares Team. Sie würden diese Krise gemeinsam bewältigen. Irgendwie musste es einen Ausweg aus dieser Misere geben und sie würden ihn finden. Sie mussten. es. An dieser Stelle sollte und durfte es nicht enden.

"Wie ist die Lage der Verwundeten?", wandte sich Janeway wieder an alle. In diesem Augenblick begann ihr Kommunikator zu knistern und durch zahlreiche Interferenzen hindurch konnte man die Stimme von Fähnrich Wildman vernehmen.

"Wildman an den Captain. Captain, können Sie mich verstehen?"

"Sprechen Sie, Fähnrich."

"Captain, Sie sollten zum Krankenlager kommen. Es geht um Commander Chakotay!"

Ein eiskalter Schauer lief über Kathryns Rücken. Chakotay... Nein... Bitte... Das konnte doch nicht wahr sein, nicht jetzt!!! Nicht, wenn alles sich zum Guten wenden sollte. Kathryn schluckte schwer und musste sich nervös räuspern bevor sie mit schwacher Stimme antworten konnte:

"Ich bin sofort da!"

Ohne ein weiteres Wort verließ sie ihre Führungsoffiziere und eilte in Richtung der Verletztenunterkünfte. Sie wollte nicht daran denken, was sie gleich sehen würde. Als sie die Tür erreicht hatte. Legte sie einen Augenblick die Hände vor das Gesicht und atmete tief durch. Dann betrat sie den Raum.

Ihre Augen, die durch das helle Sonnenlicht geblendet waren, hatten Mühe sich an das Dämmerlicht in dem fensterlosen Gebäude zu gewöhnen. Langsam adaptierten sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse und sie konnte erste Schemen von liegenden Körpern ausmachen. Vorsichtig bewegte sie sich in Richtung von Chakotays Platz, wo sie in den frühen Morgenstunden einige Zeit verbracht hatte. Sie hatte seine fieberheiße Hand gehalten und seine schweißnasse Stirn mit einem feuchten Tuch gekühlt. Er war unruhig gewesen, hatte sich ununterbrochen hin- und her gewälzt. Da hatte sie begonnen beruhigend auf ihn einzureden. Und wirklich, er schien friedlicher zu werden. So hatte sie ihren Mund ganz nah an sein Ohr gebracht und ihm lange Zeit zugeflüstert. Sie hatte ihm so viel erzählt. Lustiges und Trauriges, Spannendes und Melancholisches, alles was ihr wichtig war und was sie bewegte. Sie konnte ihm alles anvertrauen, es gab keine Grenzen in diesem Augenblick. So hatte sie auch viel über sie beide geredet und über ihre Fehler und Einsichten reflektiert. Sie war so klar, ehrlich und offen wie nie in ihrem Leben gewesen. Und obwohl sie wusste, dass er ohne Bewusstsein vor ihr lag und sie nicht verstehen konnte, so spürte sie doch dieses besondere Band der Vertrautheit, dass schon lange zwischen ihnen gespannt gewesen war in diesem Moment in einer Intensität wie noch nie zuvor. War das Band jetzt für immer zerrissen?

Ihre Auen hatten sich jetzt an das Dämmerlicht gewöhnt. Ihr Verstand jedoch sprach diesen Augen die Kompetenz ab. Kathryn blinzelte um die Wunschvorstellung ihres Unterbewusstseins wieder durch bewusste Sinneseindrücke zu überlagern, doch ihr Gehirn spielte ihr keinen Streich. Vor ihr stand - Chakotay. Etwas wackelig und bleich stützte er sich mit einer Hand auf die Schulter von Fähnrich Wildman. Kathryn konnte es kaum glauben - Chakotay lebte nicht nur, nein, seine Genesung schien sich auf wunderbare Art und Weise beschleunigt zu haben.

"Captain, ich melde mich zum Dienst. Schwester Wildman kann meinen optimalen Gesundheitszustand bezeugen." Chakotays Stimme klang etwas heiser und leise, doch um seine Mundwinkel spielte ein schelmisches, wenn auch müdes, Lächeln. Kathryn überwand ihre Überraschung und eine unglaubliche Erleichterung und ein schwindelerregendes Glücksgefühl erfassten sie. Mit einigen schnellen Schritten war sie bei ihm, stand ganz nah vor ihm. Sie zögerte nur kurz, dann schloss sie ihn in die Arme. Chakotay blickte erstaunt zu ihr hinunter, erwiderte dann aber ihre Umarmung innig. Fähnrich Wildman betrachtete die beiden Offiziere verdutzt, lächelte dann aber nachsichtig und verließ leise den Raum.

"Chakotay", flüsterte Kathryn mit tränen erstickter Stimme. "Ich...ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Tu mir das bitte, bitte nie wieder an, ja?" Schluchzend schmiegte sie ihren Kopf an seine unverletzte Schulter.

"Shhh, Kathryn, ganz ruhig. Es ist ja gut. Ich bin ja hier und mir geht es wieder ganz hervorragend. Schon gut."

Ein Weile blieben sie eng aneinandergeschmiegt so stehen. Da begann Chakotay plötzlich zu schwanken. Vorsichtig stützte Kathryn ihn und half ihm sich hinzusetzen.

"Ich muss mich wohl entschuldigen, Captain", trotz offensichtlicher Schmerzen und Schwindelgefühl stahl sich wieder ein spitzbübisches Lächeln auf Chakotays Gesicht. "Ich bin wohl doch noch nicht ganz seetauglich." Besorgt kniete sich Kathryn neben ihn und forschte in seinen Augen, wie gut es ihm wirklich ging.

"Es sollte eine schöne Überraschung sein, und ich fühlte mich wirklich in der Lage dazu aufzustehen, aber mir scheint, ich habe meine Kräfte etwas überschätzt."

Sein Gesicht wurde ernst. "Kathryn, war es ein Fiebertraum? Ich - ich träumte, du wärest hier gewesen. Du hast mir so viel erzählt. Und - und du - du hast über uns geredet. War es ein Traum, Kathryn, aus dem ich jetzt wieder erwachen soll, den ich vergessen soll?"

Mit einer Mischung aus Furcht und Hoffnung in seinen dunklen Augen blickte er sie an.

Sanft lächelte sie ihn an und strich mit der Hand über seine Wange. "Es war die Realität, Chakotay. Der Traum, der Traum fängt erst jetzt an." Mit diesen Worten beugte sie sich zu ihm und ihre Lippen berührten die Seinen. Nach einem beinahe gehauchten Kuss blickte sie ihm in die Augen. So schön waren sie noch nie gewesen. Eine unglaubliche Energie schien in seinem Inneren entfesselt worden zu sein. In dem tiefen Dunkel spiegelte sich ein Meer von Gefühlen wider.

"Kathryn", beinahe schmerzlich sprach er ihren Namen aus. Dieses Mal war er es, der die Initiative ergriff. Sanft umfasste er ihren Nacken und zog ihr Gesicht näher zu seinem. Kurz bevor sich ihre Lippen trafen, schlossen beide die Augen, um sich ganz der Intensität des Gefühls hinzugeben. Chakotay konnte die Lebenskraft spüren, die seinen Körper bei jeder ihrer Berührungen durchflutete. Kathryn löste den Kuss noch einmal.

"Chakotay", sprach sie ihn ernst an. "Ich danke dir. Du hast mir mein Leben gerettet, als du auf der Brücke bei dem Absturz diesen Träger von mir abgehalten hast. Um mich zu retten hättest du beinahe dein eigenes Leben geopfert. Danke."

Chakotay entgegnet ihr ebenso ernst:

"Und du hast mich gerettet. Deine Stimme hat den furchtbaren Alpträumen ihren Schrecken genommen und dem Schmerz die Intensität. Ich danke dir."

Dieses Mal näherten sie sich einander gleichzeitig. In unbeschreiblicher gegenseitiger Dankbarkeit und Liebe umarmten sie einander innig. Eine Weile waren sie damit zufrieden einfach nur die Wärme und Geborgenheit in den Armen des anderen zu genießen. Dann legte Kathryn den Kopf etwas zurück und ein weiteres Mal trafen sich ihre Lippen. Chakotay öffnete ein wenig den Mund und seine Zunge traf auf ihre Lippen, die sich ebenfalls bereitwillig öffneten. Einige Zeit blieben sie eng umschlungen in diesem innigen Kuss, bevor sie sich mit spürbarem Bedauern ein wenig atemlos von einander lösten. Kathryn ließ ihre Fingerspitze über die Linien des Tattoos auf seiner Stirn gleiten, dann erhob sie sich.

"Ich muss jetzt leider gehen. Ruh dich aus. Ich weiß ganz genau, dass es dir nur halb so gut geht, wie du den Anschein erwecken willst. Ich verspreche, dass ich so bald wie möglich wieder herkommen werde." Noch einmal beugte sie sich zu Chakotay herunter, dem die Erschöpfung auf das Gesicht geschrieben stand.

"Ich liebe dich, Chakotay!"

"Ich weiß. Du hast es mir gesagt, als ich bewusstlos war. Das war die Hoffnung, die mich am Leben hielt. Ich liebe dich, Kathryn!"

Nach einem letzten Blick zurück verließ Captain Janeway die Notunterkunft. Als sie zurück zu ihrem Führungsstab lief, war ihre Haltung aufrecht und ihre Schritte voll Energie.

Wer hat hier wem Lebenskraft gespendet, fragte sie sich dankbar lächelnd im Stillen.

Milkarin schreckte aus einem leichten Schlaf hoch. Alle seine Glieder schmerzten und er fragte sich, wo er sei und warum er im Sitzen eingeschlafen war. Dann kamen ihm die Ereignisse des Tages wieder in den Sinn. Das Militärkrankenhaus, die Operation, sein Patient. Der Arzt blickte zu dem Operationstisch, auf dem noch immer dieses seltsame Wesen lag. Es bewegte sich unruhig. Milkarin stand leise auf, reckte seine steifen Glieder und ging dann vorsichtig durch den Raum. Er wollte feststellen, ob das Wesen fieberte und streckte seine Hand aus, um die Temperatur der Haut zu fühlen. Als er sie berührte, zuckte die Kreatur zusammen und - schlug die Augen auf.

Man sah kurzzeitig schemenhaft das Bild eines Humanoiden in der Luft aufflackern, dann verschwand die geisterhafte Erscheinung wieder und ein kleines Gerät fiel zu Boden.

B´Elanna stöhnte auf.

"Ich verstehe das einfach nicht. Wir haben das Programm des Doktors vollständig aus dem Computerspeicher in den portablen Emitter laden können. Jetzt versuchen wir schon zum hundertsten Mal ein stabiles holographisches Bild zu erzeugen und jedes mal kollabiert es innerhalb weniger Sekunden." Die Gereiztheit der Klingonin hatte sich während der langen vergeblichen Versuche immer weiter gesteigert. Als krasser Gegensatz zu dem ungezügelten klingonischen Temperament blieb Seven of Nine völlig ruhig und kalt.

"Ihre Modifikation des Bilderzeugungssystems des Emitters war unzureichend", versetzte sie von oben herab. B`Elanna kochte beinahe vor Wut. Am liebsten hätte sie diesen arroganten Borgverschnitt erwürgt. "Ach ja?", erwiderte sie zornig. "Ich glaube es liegt an ihrer ineffektiven ` `Verbesserung ´´ des Speicherkerns des Emitters. Typische Borgmentalität. Das passiert, wenn sie Technologie aus dem 29. Jahrhundert perfektionieren wollen."

Die nächsten Minuten arbeiten die Beiden schweigend. Noch einmal prüften sie jeden ihrer Schritte, um nach dem Fehler in ihrem Vorgehen zu suchen. Auf einmal blickten sie gleichzeitig auf. B`Elanna sprach aus, was sie beide dachten:

"Die Energiebarriere!"

"Korrekt!"

"Wir sollten die Interferenzen auf ähnlichem Weg ausschalten, wie wir es bei den Kommunikatoren getan haben."

"Ich versuche zu kompensieren."

"Probieren wir noch einmal unseren guten Doktor aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken."

Schicht um Schicht baute sich der holographische Körper des Doktors auf. Mehrmals flackerte seine Matrix bedenklich, doch in der Tat stand nach kurzer Zeit der Doktor schön wie eh und je vor ihnen.

"Bitte nennen Sie die Art des medizinischen Notfalls." Verdutzt blickte sich der Doktor um. Was war mit seiner Krankenstation geschehen? Hatte man Tom Paris unbeaufsichtigt hier hereingelassen? Doch er unterdrückte den trockenen Kommentar, der ihm bereits auf der Zunge lag, als ihm das ganze Ausmaß der Zerstörung bewusst wurde.

"Doktor, schön Sie zu sehen", begrüßte ihn B`Elanna.

"Lieutenant Torres", der Doktor wandte sich mit entsetztem Ausdruck zu ihr um. "Was ist geschehen?"

"Das erzähle ich Ihnen auf dem Weg nach draußen Doktor. Es gibt noch mehr Leute, die sich freuen werden, dass Sie wieder unter uns weilen. Es gibt leider eine Menge für sie zu tun."

Die Klingonin wandte sich an die Borg, die mit unbeteiligtem Gesicht daneben gestanden hatte.

"Ach ja, gute Arbeit, Seven." Mit diesen Worten wandte sie sich um, so dass sie die kollektiv hochgezogenen Augenbrauen von Seven und dem Doktor nicht sah.

Tom hatte einen schrecklichen Alptraum gehabt. Etwas hatte ihn aus dem unruhigen Schlaf hochschrecken lassen. Er schlug die Augen auf, konnte aber in dem dunklen Raum nichts erkennen. Wo war er hier bloß? Dies war nicht sein Quartier. Tom versuchte sich aufzurichten, aber ein stechender Schmerz in seinem Brustkorb zwang ihn, sich mit einem Aufstöhnen wieder zurückzulegen. In diesem Augenblick kam ihm die Katastrophe, die die Voyagercrew erlebt hatte wieder in den Sinn. Er erinnerte sich auch wieder an einen gescheiterten Versuch einen friedlichen Kontakt zu den Bewohnern dieses Planeten herzustellen. Die letzten Bilder, die er in seiner Erinnerung fand, war ein Kampf auf offener Straße. Ein Geschoss hatte ihn getroffen und er musste ohnmächtig geworden sein. Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern, bis er in diesem unbekannten Raum aufgewacht war.

Als die Schmerzen nachließen, wurde ihm bewusst, dass er sich nicht allein im Zimmer befand. Er spürte die Anwesenheit einer anderen Person ganz deutlich, obwohl er kaum etwas erkennen konnte. Sein Herz begann heftig zu klopfen und sein Atem wurde unruhig.

"Hallo! Wer ist da? Wo bin ich hier?", seine Stimme klang ungewohnt rau.

Keine Antwort. Toms Augen schweiften durch den Raum und erkannten eine Gestalt, die ein paar Meter von ihm entfernt stand.

Milkarin war erschreckt zurückgewichen, als er gesehen hatte, dass das Wesen erwacht war. Nervös versuchte er seinen Atem anzuhalten, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ach, hätte er die bewaffneten Soldaten nur nicht aus dem Raum geschickt! Sein Herz machte einen großen Sprung, als das Wesen zu sprechen begann - er konnte verstehen, was es sagte!

Tom tastete nach seinem Phaser, doch er stellte fest, dass ihm die Angreifer sowohl den Phaser, als auch den Trikorder. abgenommen hatten. Seine Uniform und sein Kommunikator jedoch, anscheinend als ungefährlich erachtet, lagen neben ihm auf einem Stuhl.

Mit der ganzen Kraft seines Willens überwand er seine Schmerzen und richtete sich auf.

"Ich habe Sie gesehen", sprach er mit seiner ganzen Autorität in das Dunkel hinein. "Wer sind Sie und warum halten Sie mich hier fest?"

Milkarin nahm all seinen Mut zusammen und trat näher an den Fremden heran.

"Ich bin Milkarin. Ich bin Arzt. Keine Sorge, ich werde Ihnen nichts tun." Trotz der überlegenen Worte klang seine Stimme leicht unsicher.

Tom atmete auf. Sein Gegenüber war genauso nervös wie er selbst.

"Ich bin Tom Paris. Warum bin ich hier?"

Milkarin atmete auf. Der Fremde schien friedlich und kooperativ zu sein.

"Einen Moment. Erschrecken Sie bitte nicht. Ich werde etwas Licht hineinlassen." Milkarin bewegte sich zu einem Schalter in der Wand. Durch ihn konnte der Absorptionsgrad der Wände verändert werden. Als er die Lichtdurchlässigkeit erhöhte drangen von allen Seiten die ersten sanften Lichtstrahlen des neuen Tages herein. So lange bin ich schon hier, dachte Milkarin verwundert.

Tom blinzelte erstaunt über das von überall her kommende Licht. Einen Augenblick musste er die Augen schließen, dann blickte er die Gestalt an, die er bis jetzt nur schemenhaft gesehen hatte. Es schien sich um einen männlichen Humanoiden zu handeln, der sich äußerlich betrachtet in einem mittleren Alter zu befinden schien. Seine Gesichtszüge waren ebenmäßig, eine äußerst platte und stummelartige Nase saß in der Mitte seines Gesichtes. Seine großen dunklen Augen blickten interessiert und ein wenig nervös. Und er besaß keinerlei Kopfbehaarung. Doch das erstaunlichste war seine Haut: Sie glänzte in einem tiefen Grün.

Chakotay blickte starr geradeaus. Gedanken rasten wild in seinem Kopf herum. Gestern, als er zum ersten Mal aus seiner Ohnmacht erwacht war, hatte er seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf Kathryn gerichtet. Alle seine langjährigen Hoffnungen hatten sich gestern erfüllt. Er hatte eine den ganzen Körper erfüllende Zufriedenheit empfunden und war durch seine Liebe zu dieser einzigartigen Frau rundum glücklich gewesen. Nachdem Kathryn gegangen war, meldete sich sein geschundener Körper jedoch wieder. Die plötzlichen Anstrengungen nach der langen Bewusstlosigkeit hatten ihn ausgelaugt, sein Brustkorb mit den gebrochenen Rippen schmerzte bei jedem Atemzug. So war er sofort in einen tiefen und heilsamen Schlaf gefallen.

Erst jetzt begann er zu realisieren, was geschehen war. An diesem Morgen fühlte er sich bereits kräftig genug, um die Notunterkunft mit noch etwas wackligen Schritten verlassen zu können. Eigentlich hatte er das Bild, dass sich ihm bot geahnt, doch die Realität traf ihn wie ein Schock. Die Voyager war zerstört. Und er und die anderen überlebenden Mitglieder der Voyagercrew standen nun hier. Es war eine kleine Lichtung, nicht weit von der Absturzstelle entfernt. Ein wirklich idyllisches Plätzchen. Diverse Blumenarten wetteiferten mit ihren strahlenden Farben und betörenden Düften. Kleine schillernde Insekten schwirrten durch die frische und klare Morgenluft. Das tiefgrüne Gras bildete einen weichen Teppich. Die Harmonie des visuellen Eindrucks wurde durch 39 Erdhügel auf der Wiese zerstört. Das frisch aufgeworfene Erdreich war beinahe schwarz vor morgendlicher Feuchtigkeit. 39 Erdhügel. 39 Gruben. 39 Tote.

Vor Chakotays innerem Auge zogen immer wieder die Crewmitglieder der Voyager vorbei, die hier auf diesem Planeten ihr Leben lassen mussten.: Kaparow, Granger, P`trk, Bota,... Es gab keinen von ihnen, die hier standen, die nicht einen guten Freund verloren hatten. Chakotay wusste, dass es nach all den gemeinsamen Jahren, in denen die Crew zusammengewachsen war, eigentlich keine Bedeutung mehr hatte, doch er fühlte sich besonders verantwortlich für den Tod der ehemaligen Maquis. Schließlich waren sie auf dem Schiff unter seinem Kommando erst in den Deltaquadranten verschlagen worden. Doch ob ehemaliger Maquis. oder Sternenflotte, ihr Leben bedeutete gleichviel und ihr Tod schmerzte in dem selben Maße. Ein kleiner gedanklicher Keim, der sich schon seit einiger Zeit in seinem Kopf festgesetzt hatte, begann zu wachsen: Hätte ihr Tod verhindert werden können? Hätten all diese Freunde und Kollegen gerettet werden können? War nicht er, ja er selbst, für ihrer aller Tod verantwortlich? Hatte er nicht dieses Leid, diese Ausweglosigkeit verursacht? Schließlich flog er die Voyager bei dem Angriff. Zwar war es ihm gelungen, die Verfolger in die Falle zu locken, doch dann? Wäre er ein besserer Pilot gewesen, hätte er es stärker versucht, hätte er dann nicht die Voyager vor diesem verhängnisvollen Absturz bewahren können? War er schuld?

Tränen traten ihm in die Augen und mit verschleiertem Blick beobachtete Chakotay, wie Kathryn eine kurze Ansprache an die versammelten Crewmitglieder hielt:

"Ich erinnere mich noch an die ersten gemeinsamen Wochen im Deltaquadranten. Zwei Crews auf einem Schiff. Gegensätze und Misstrauen gegeneinander schienen eine Kooperation auf lange Sicht unmöglich zu machen. Doch wir haben diese Schwierigkeiten überwunden, sind zu einer Crew geworden. Gemeinsam sind wir mit allen Schwierigkeiten fertig geworden, ob Kazon oder Borg. Wir haben nicht nur alle bedrohlichen Situationen durch Teamwork und Erfindungsgeist durchgestanden, es sind vor allem die guten Zeiten, an die wir uns immer erinnern sollten. Ich habe das, was ich auf der Voyager hatte, immer als meine große Familie angesehen. Oh ja, wir hatten viel Spaß miteinander.

Nun wurden 39 Glieder aus dieser Familie herausgerissen. Schmerzhafte Lücken sind zurückgeblieben. Wir werden diese Personen, die wir verloren haben immer in Erinnerung behalten."

Ein Fähnrich trat mit der traditionellen Pfeife vor, um den Verschiedenen die letzte Ehre zu erweisen. Nach einem Augenblick der Stille wandte sich der Captain noch einmal an alle Anwesenden. Hatte sie vorher betont ruhig und bestimmt gesprochen, so merkte man ihr jetzt doch an, wie sehr sie um ihre Fassung ringen mussten. Ihre Augen glänzten vor Tränen und ihre Lippen zitterten leicht. "Ich weiß, dass sich diese Lücken niemals schließen lassen werden und vielleicht werden wir irgendwann lernen sie zu akzeptieren und mit ihnen zu leben. Dies wird uns allen schwer fallen. Das Wichtigste jedoch bleibt: Wir werden diese Situation durchstehen - gemeinsam."

Ergriffenheit spiegelte sich in den Gesichtern der Crew wider. Noch minutenlang verharrten alle Anwesenden regungslos auf ihren Plätzen und gedachten ihrer verlorenen Freunde. Dann begann das mit der Beerdigung beauftragte Team damit, die Gräber zuzuschütten.

Chakotay wandte sich ab. Er wollte allein sein, wollte nachdenken. Langsam und immer noch ein wenig unsicher ging er zu dem kleinen provisorischen Hüttendorf, dass sich mittlerweile rund um das Hauptlager für Ausrüstungsgegenstände entwickelt hatte. Andere Crewmitglieder kehrten ebenfalls hierher zurück. Manche unterhielten sich leise und bedrückt, doch viele schwiegen einfach tief in Gedanken. Es würde in der Tat lange dauern dies hier zu akzeptieren.

Chakotay seufzte tief. In seinem Inneren tobte ein Sturm von unterschiedlichsten Gefühlen, die er kaum ordnen, geschweige denn beherrschen konnte. Unruhig und ruhelos ging er ohne ein bestimmtes Ziel zwischen den Notunterkünften umher. Seine Augen hatte er zu Boden gerichtet und er nahm kaum etwas von seiner Umgebung wahr. Nach einiger Zeit, Chakotay hatte jegliches Zeitgefühl verloren, blieb er stehen und blickte auf. Ohne es bewusst zu wollen, war er in Gedanken zum Wrack der Voyager gelaufen. Er wusste nicht was es war, aber irgendein unbestimmtes Gefühl veranlasste ihn durch eine der geöffneten Notausstiegsluken in das Innere hineinzuklettern. Die noch vor wenigen Tagen so vertraute Umgebung war ihm auf einmal fremd geworden. Das Innere des Schiffes war, obwohl draußen gerade die zweite Sonne aufzugehen begann, beinahe vollständig dunkel. Chakotay zögerte, ob er ohne Handstrahler weitergehen sollte, doch wieder veranlasste ihn dieses Gefühl weiterzugehen. Wie in Trance tastete er sich an einer Wand des Korridors entlang. Der Boden unter seinen Füßen war schief, da sich die Voyager an der Steuerbordseite tief in den Boden gegraben hatte. Immer wieder stolperte er beinahe über am Boden liegende Trümmerteile. Nach einigem Suchen fand er in einem Ausrüstungsschrank einen funktionierenden Strahler und mit dem hellen Lichtkegel, der vor ihm über Boden und Wände huschte, kam er etwas schneller voran. Ziemlich erschöpft, er hatte mehrmals eine Pause einlegen müssen, kam er schließlich an seinem Ziel an: Der Brücke. Das ausgetretene Gas war mittlerweile abgezogen, nur noch ein leichter süßlicher Geruch war wahrnehmbar. Sein Verstand fragte verwundert, was er eigentlich hier wolle. Doch in der Tiefe seines Geistes war ihm der Grund bekannt. Er suchte die Antwort, die Antwort auf die Frage: Bin ich schuld?

Vergangene Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf. Die Brücke, heil, friedlich, an diesem verhängnisvollen Nachmittag. Noch einmal nahm das Schicksal seinen Lauf...

"Captain", B`Elanna und Seven of Nine kamen auf Kathryn zu, die am Waldrand mit ein paar anderen Crewmitgliedern Bäume fällte um daraus eine Blockhütte zu bauen, die das Platzangebot vergrößern würde. Als die beiden bei ihr angekommen waren, richtete sich der Captain auf und wischte ihre Hände an ihrer schon deutlich mitgenommenen Uniformhose ab. B`Elannas Gesicht zeigte einen enthusiastischen Ausdruck.

"Captain, Seven und ich machen Fortschritte bei der Modifikation der Kommunikatoren. Wir konnten eine Frequenz ermitteln, auf der ein Senden ohne Interferenzen möglich sein müsste. Sobald wir die Kommunikatoren exakt eingestellt haben, wird es möglich sein Tom zu kontaktieren."

"Gute Arbeit. Tun Sie es. Ich würde mich freuen, Toms Stimme mal wieder zu hören", meinte Kathryn lächelnd. Als die beiden sich gegangen waren, ertönte die Stimme des Doktors aus Kathryns Kommunikator.

"Captain, ich habe erfreulich Nachrichten. Dank einer ausgezeichneten Behandlung, die trotz eingeschränkter Mittel eine hervorragende Wirkung gezeigt hat, kann ich verkünden, dass sich keiner meiner Patienten mehr in Lebensgefahr befindet. Aufgrund meiner Fachkenntnis und meinem, selbst mich immer wieder in Erstaunen versetzenden, Einfallsreichtum, konnte ich die begrenzten Ressourcen effektiv einsetzen." Captain Janeway musste über die unverhohlene Selbstherrlichkeit des Hologramms grinsen.

"Hervorragende Arbeit, Doktor", meinte sie um Fassung bemüht. "Weiter so, Janeway Ende." Immer noch lächelnd blickte sich Kathryn um und ihr Lächeln wuchs in die Breite, als sie Chakotay auf sich zukommen sah. Sie hatte sich gewundert, wohin er nach der Beerdigungszeremonie verschwunden war, doch sie hatte seinen offensichtlichen Wunsch allein zu sein respektiert. Als sie ihm entgegenging, bemerkte sie seinen ernsten, traurigen Blick.

"Chakotay? Was ist los?", fragte sie ihn leicht besorgt. Chakotay atmete tief durch. "Kathryn... Heute morgen bei der Beerdigung musste ich immer wieder an den Angriff denken. Ich..." Chakotay schluckte schwer. "Es tu mir so leid, Kathryn, es tut mir so entsetzlich leid. Ich ... ich habe sie alle umgebracht ... Durch mein Verschulden leben 39 Personen nicht mehr. Ich bin nach der Zeremonie auf die Brücke gegangen, um noch einmal alles zu erleben, um den ganzen Angriff noch einmal in Gedanken durchzugehen. Ich habe nach einer Antwort gesucht, ob ich es hätte verhindern können, was ich falsch gemacht habe, um so viele Menschen in den Tod zu reißen. Ich...", seine Stimme brach und mit einer Hand strich er sich über die Augen.

Kathryn verstand nur zu gut, was Chakotay bedrückte. Sie selbst hatte noch bis zur vorletzten Nacht mit ähnlichen Selbstzweifeln zu kämpfen gehabt. Sie hatte sie überwunden durch Gedanken an Chakotay. Nun brauchte er ihre Hilfe.

"Chakotay, hör mir zu", Kathryn beugte sich zu ihm und sah ihn ernst an. "Chakotay, du trägst in keiner Weise Schuld an diesem Absturz. Es war ein unvorhergesehener Angriff. Niemand von uns konnte ahnen, dass so etwas geschehen konnte. Wir waren in einer schier aussichtslosen Situation. Durch deinen hervorragenden Flug nah an die zwei Sterne heran hast du 150 Menschen gerettet. Niemand, nicht einmal der beste Pilot hätte in dieser Situation besser handeln können. Niemand, verstehst du, niemand hätte diesen Absturz vermeiden können", sprach Kathryn eindringlich auf ihn ein.

"Das werden wir wohl nie erfahren können, nicht wahr?", warf Chakotay bitter ein. Er blickte starr geradeaus, man konnte ihm deutlich ansehen, dass er mit den Tränen kämpfte. Es tat Kathryn in der Seele weh, ihn innerlich so leiden zu sehen. Sie ging näher zu ihm und schloss ihn in die Arme.

"Chakotay. Jeder aus der Crew würde dir jederzeit wieder sein Leben anvertrauen. Wir glauben an dich. Ich glaube an dich." Nach einer Weile, in der sie schweigend in der Umarmung dagestanden hatten, löste sich Chakotay vorsichtig aus ihren Armen. In seinen Augen lag immer noch große Trauer, doch die Verzweiflung hatte einem Funken Hoffnung Platz gemacht.

"Danke, Kathryn. Vielleicht wird eines Tages der Augenblick kommen, in dem ich es akzeptieren kann. Irgendwann..." Mit diesen Worten legte er wieder seine Arme um Kathryn.

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