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Das andere Ich

von Emony

Kapitel 1

Kim: "Dies ist eigentlich nicht mein Schiff und Sie sind eigentlich nicht mein Captain, und dennoch sind Sie es und es gibt keinen Unterschied. Aber ich weiß, dass es einen gibt. Oder doch nicht? Es ist alles ziemlich verrückt."

Janeway: "Wir sind Sternenflottenoffiziere, das Verrückte gehört zu unserem Job!"



Harry Kim betrat das Quartier, das seinem verstorbenen Pendant gehörte und nun seines war. Die Janeway dieses Universums hatte ihn an Bord willkommen geheißen und ihm ganz selbstverständlich das Quartier und ihn anschließend sich selbst überlassen. Aber war das richtig? War ihr und womöglich allen anderen an Bord gleichgültig, dass ihr eigener Harry gestorben und einfach durch einen anderen, aus einem Paralleluniversum ersetzt worden war? Bei Janeway hatte er jedenfalls diesen Eindruck gewonnen und da fragte er sich unweigerlich, ob sein Gegenstück hier noch weniger Anerkennung erfahren hatte, als er in seinem Universum.

Im schwirrte ob der Gesamtsituation der Kopf. Sämtliche Beziehungen, die er sich auf seiner Voyager aufgebaut hatte, waren hier womöglich nicht existent. Er dachte dabei an seine engen Freundschaften, die er sich über die Jahre zu Tom Paris und B’Elanna Torres aufgebaut hatte. Sie waren ein untrennbares Trio, das beinahe jede freie Minuten miteinander verbrachte. Sie hatten sich die Holodeckzeiten gerne geteilt, um gemeinsam Abenteuer zu bestreiten. Sie hatten oft nach Dienstende zusammen gegessen und stundenlang miteinander geplaudert. Manchmal hatte Harry seinen beiden Freunden auch ein privates Konzert auf der Klarinette geboten, da er zu schüchtern war, um vor der gesamten Crew zu spielen. Neelix’ Talenteabend hatte daran nichts geändert. Je mehr Leute ihm zuhörten, desto nervöser war Harry und vergriff sich immer wieder im Ton, daher zog er ein kleines Publikum vor.

Sein Blick schweifte langsam durch das Quartier, das ihm einerseits vertraut erschien, andererseits jedoch auch wieder nicht. Auf dem Schränkchen neben dem Bett stand beispielsweise ein gerahmtes Foto, das ihn zusammen mit Libby zeigte. Er selbst hatte die Hoffnung schon vor einiger Zeit aufgegeben, dass er seine ehemalige Verlobte je wiedersehen würde. Er war zu jung, um sich ewig Hoffnung zu machen, wo es keine gab und so hatte er begonnen, sich auf der Voyager nach einer Partnerin umzusehen. Zwar hatte es noch bei keiner so richtig gefunkt, aber dafür hatte er gute Freundinnen gefunden.

Seine engsten Freunde Tom und B’Elanna, sowie Lyndsay, Ahni, Megan und Jenny, Gerron … sie alle waren tot. Ihre Ebenbilder mochten hier auf der Voyager noch am Leben sein, ja, aber seine Freunde waren gestorben. Je länger er darüber nachdachte, desto trauriger wurde er. Er setzte sich erschöpft auf das Bett und ließ sich nach hinten fallen. Zu wissen, dass seine Freunde nicht den Vidiianern zum Opfer gefallen, sondern bei der Selbstzerstörung der Voyager ums Leben gekommen waren, war ihm nur ein schwacher Trost.

Er verdrehte den Kopf gerade weit genug, dass er das Foto von Libby und seinem Pendant ansehen konnte. Schließlich streckte er die Hand danach aus und betrachtete es aus der Nähe. „Ruhe in Frieden, Harry“, sagte er zu seinem Gegenstück. „Zumindest bist du schnell gestorben …“

Seine trübsinnigen Gedanken wurden jäh unterbrochen, als das Türsignal erklang. Ruckartig setzte Harry sich auf. „Herein.“

B’Elanna betrat sein Quartier und blieb im Wohnraum stehen. Sie schenkte ihm einen Blick, der seine eigene Unsicherheit widerspiegelte. „Hey“, grüßte sie ihn. Die Tür ging mit einem leisen Zischen hinter ihr zu. Sie ging auf Harry zu, als dieser sich von dem Bett erhob und das Foto zugedeckt auf diesem ablegte. „Es …“, sie schluckte. „Es tut gut, dich zu sehen.“

„Du trägst das Haar anders als sie.“ Es war der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf ging. „Es tut mir leid, ich …“ Harry kam nicht dazu seinen Satz zu vollenden, da B’Elanna zu ihm aufschloss und ihn fest in die Arme nahm. Sie hielt ihn so fest, dass er spürte wie sie zitterte und als sie sich von ihm löste und ihm in die Augen sah, lösten sich Tränen von ihren Wimpern. Sie hatte seine Worte scheinbar gar nicht wahrgenommen.

„Ich habe dich sterben sehen, Harry.“ Sie bebte förmlich, in dem verzweifelten Versuch die Fassung zu wahren. „Ich habe nach deiner Hand gegriffen, aber ich konnte sie nicht mehr erreichen. Ich …“

„Das war nicht ich, B’Elanna. Mir geht es gut“, erwiderte er sanft.

Sie distanzierte sich ein Stück von ihm und atmete tief durch. „Du hast recht. Natürlich … aber …“

Ihr ging es nicht so viel anders, wie er feststellte. Sie hatte einen Freund verloren. War sogar Zeugin seines Ablebens geworden. Er hatte hingegen sein ganzes Schiff verloren. Wirklich jeden, der ihm in den vergangenen zwei Jahren ans Herz gewachsen war.

„Es geht mir gut“, wiederholte Harry und nahm B’Elanna noch einmal in die Arme. Behutsamer. Seine B’Elanna hatte er nie zuvor weinen sehen. Aber irgendwie tat es gut, dass er sie so erlebte. Sie trauerte um ihn. Um ihren Harry. Und gleichzeitig war sie froh, dass er jetzt hier war und sie sich bei ihm entschuldigen konnte. Dabei fand Harry, dass ihr Gewissen sie umsonst plagte. Der andere Harry hatte die Risiken gekannt, als er versuchte den Hüllenbruch zu versiegeln. Er war bereit gewesen, sich für seine Freunde und Kollegen zu opfern.

Sie schniefte und wischte sich trotzig die Tränen aus dem Gesicht, als sie sich wieder von ihm löste. „Es ist so verrückt. Ich habe ihn sterben sehen und nun stehst du hier vor mir und alles fühlt sich so surreal an. Wie ein schlimmer Traum.“

„Leider ist es real, B’Elanna. Und glaub mir, für mich ist das kein bisschen leichter. Dass du hier bist, bedeutet mir sehr viel. Durch Captain Janeway hatte ich den Eindruck gewonnen, als wäre es für sie vollkommen in Ordnung, einen Harry gegen einen anderen einzutauschen. Als wäre mein anderes Ich ihr gleichgültig.“

B’Elanna verzog das Gesicht zu einer kleinen Grimasse. „Du kennst doch die Führungsoffiziere. Bloß nichts und niemanden zu nah an sich heranlassen. Ich bin sicher, dass sie auf ihre Weise um unseren Harry trauert.“

„Ob es eine Zeremonie geben wird? Ich meine, immerhin ist euer Harry gestorben. Hat er da nicht eine Art Trauerfeier verdient, wie jedes andere Crewmitglied, das stirbt? Nur weil ich jetzt hier bin, ist er nicht weniger tot.“ Innerlich schüttelte Harry den Kopf. Es war so seltsam quasi nach der eigenen Trauerfeier zu fragen. Aber er fand, dass der andere Harry es verdiente, dass die Crew sich zusammenfand und ihn angemessen verabschiedete.

Gerade als B’Elanna zu einer Antwort ansetzte, erklang der Türmelder erneut. Diesmal betrat Tom Paris das Quartier. „Ich sehe, ich komme noch rechtzeitig.“ Er grinste, aber die aufgesetzte Fröhlichkeit erreichte seine Augen nicht. Harry erkannte in Toms flapsigen Spruch die bekannte Unsicherheit wieder, die sein Freund gerne überspielte. Nein, die sein Tom gerne auf diese Weise überspielte. Scheinbar waren die Unterschiede nicht so groß, wie Harry befürchtet hatte.

„Rechtzeitig, wofür?“, fragte B’Elanna ihn sofort.

Tom zuckte die Schultern. „Zu was auch immer ihr beiden gerade aushecken wolltet.“

„Ich würde gerne eine Trauerfeier für euren Harry ausrichten“, sagte Harry. „Ich kann ja schlecht eine für meine Voyager veranstalten, daher …“

„Sagt wer?“, unterbrach Tom ihn brüsk. „Du hast absolut recht, mein Freund. Aber zuerst …“ Und bevor Harry sich versah, schloss Tom ihn in eine innige Umarmung. „Ich weiß, du bist nicht mein Harry“, sagte er, bevor er wieder etwas Distanz zwischen sie brachte, „aber ich bin verdammt froh, dass du hier bist.“ B’Elanna neben ihm nickte zustimmend. „Wir drei gehören doch zusammen.“

Als er das hörte, fiel Harry ein Stein vom Herzen. Offenbar waren die beiden genauso eng mit Harry befreundet, wie B’Elanna und Tom auf seiner Voyager mit ihm. Und Harry wusste sehr gut, wie die zwei sich momentan fühlten. Seine beiden besten Freunde waren gestorben, trotzdem lebten sie noch. Hier, auf dieser Voyager, lebten sie noch. Und sie waren wieder vereint.

Es würde seine Zeit brauchen, um alle Unterschiede festzustellen und um sich einzugewöhnen. Aber Harry war im Angesicht dieser beiden zuversichtlich, dass es ihm mit ihrer Hilfe gelingen würde.

„Also, lasst uns was zu Essen replizieren und die Trauerfeier planen“, sagte Tom und klatschte entschlossen in die Hände, die er dann voller Tatendrang rieb.

Harry lächelte. „Ich hätte Lust auf eine richtig schöne Pizza und Bier. Ganz traditionell.“

„Mit Peperoni und extra Käse“, fügte B’Elanna lächelnd hinzu. Sie ging bereits zum Couchtisch und räumte ihn frei, während Harry an den Replikator ging und das Abendessen orderte. Als er sich zu Tom und B’Elanna umwandte, die beide ihre gewohnten Sitzplätze einnahmen, wusste er, dass alles wieder gut werden würde.

ENDE

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