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Für die Ewigkeit

von Laurie

Kapitel #1

Es ist einer jener Tage, die dafür prädestiniert sind, von ambitionierten Hobbyfotographen verewigt zu werden – klar, sonnig, ungewöhnlich warm für Mitte Februar und mit mehr als nur einem Hauch von Frühling in der Luft –, und Spock denkt an den Tod.

Inzwischen ist es schwierig, nicht ab und an daran zu denken, auf jeden Fall schwieriger als früher; und umso schwieriger, wenn Spock den Mann an seiner Seite betrachtet.

„Was?“, fragt McCoy unvermittelt, und ein wenig schuldbewusst weicht Spock dem Blick aus Augen aus, die immer noch so durchdringend blau sind wie am ersten Tag ihrer Bekanntschaft. Er hat angenommen, dass McCoy vor sich hin döst, wie er es während ihrer Gespräche inzwischen öfter tut, und hat auf die Schnelle keine Ausrede dafür, wieso er seinen Freund so unverhohlen angestarrt hat. Ich habe an den Tod gedacht ist sicherlich nichts, was McCoy gerne von ihm hören will.

Dankenswerterweise verlangt McCoy nicht nach einer Erklärung. Er nimmt einen Schluck seiner gekühlten Limonade, deutlich zu süß für Spocks Geschmack, und als er das Glas wieder auf dem Verandatisch abstellt, schenkt Spock ihm ganz automatisch nach. Die Karaffe ist schwer, aus dickem Glas und noch fast voll, und McCoys Hände sind nicht mehr so ruhig wie früher.

Früher hätte McCoy sich beschwert; jetzt wirft er Spock nur einen sardonischen Blick zu und fragt unvermittelt: „Weißt du, was heute für ein Tag ist?“

„Montag“, erwidert Spock und wird mit einem Augenrollen belohnt, das ihm fast so vertraut ist wie sein eigenes Spiegelbild.

„Ich weiß, dass heut Montag ist, so senil bin ich auch noch nicht.“

Gedanklich geht Spock verschiedene Gründe durch, die diesen Tag zu einem besonderen machen könnten – Jubiläen, bemerkenswerte Entwicklungen, Geburtstage –, und gelangt zu keiner Lösung. McCoys Geburtstag war erst vor wenigen Wochen, als Spock sich auf Vulkan befand, vorsichtige Verhandlungen mit einer Delegation sehr misstrauischer Romulaner führte und nicht einmal die Gelegenheit dazu fand, McCoy mehr als eine knappe Nachricht zu schicken. Umso bereitwilliger hat er die Einladung, ihn nun in dem alten Südstaatenhaus zu besuchen, angenommen. Derartige Besuche waren in den letzten Jahrzehnten vielleicht nicht häufig – Spocks kräftezehrende Arbeit als Botschafter fordert ihren Tribut –, aber doch regelmäßig, und die sonnenüberflutete Veranda kommt Spock manchmal mehr wie ein Zuhause vor als seine Wohnung in der vulkanischen Botschaft.

„Heute vor hundert Jahren, Spock“, sagt McCoy leise; und Spock setzt sich unwillkürlich aufrechter hin, als er beschämend spät die offensichtliche Verknüpfung zieht.

Die Erinnerungen sind kaum verblasst. Für einen Moment steht Spock wieder im Transporterraum der Enterprise, betrachtet die neuen Schaltpulte, noch verschont von den Kratzern, die ihnen die späteren Jahre zufügen sollten, mustert eine Falte im Hemd des Transporteroperators und wendet sich dann ihrem neuen Ersten Medizinischen Offizier zu, der es für angemessen hält, seine Dienstzeit mit einer Beschwerde über den Transportvorgang zu beginnen.

„Dein erster Tag auf der Enterprise“, erwidert er ebenso leise.

McCoys Lächeln hat längst die letzten Spuren des Spottes verloren und steht in deutlichem Kontrast zu dem empörten Blick, mit dem er Spock damals bedacht hat. „Mhm. Wir kennen uns jetzt seit genau hundert Jahren. Kaum zu glauben, oder?“

Und es ist schwer zu glauben. Die letzten Jahre haben Spock zunehmend ungnädig die geringe Lebensspanne von Menschen vor Augen geführt, und mit jedem weiteren Verlust wird das Unausweichliche deutlicher: dass Spock einmal derjenige sein wird, der zurückbleibt. Er hat immer gewusst, dass es darauf hinauslaufen wird, und er war immer bereit, diesen Preis zu bezahlen; aber manchmal ist es dennoch schwierig, die Bitterkeit nicht über die Dankbarkeit für all die gemeinsame Zeit gewinnen zu lassen.

Sie haben Scotty längst verloren, ebenso wie Chekov und Nyota; Christine starb erst vor ein paar Jahren; und Jim ... Jims Tod vor so langer Zeit schmerzt kaum noch, doch Spock wird den Verlust für den Rest seines Lebens mit sich tragen. Hundert Jahre. Dass Jim und er nicht einmal ein Drittel dieser Zeitspanne gemeinsam erlebt haben, ist noch viel unfassbarer als die Tatsache, dass McCoy und er nach all der Zeit immer noch gemeinsam hier im Sonnenlicht sitzen.

„Ich wollte diesen Tag noch erleben“, sagt McCoy so beiläufig, dass Spock eine Weile braucht, um die Bedeutung seiner Wörter voll zu erfassen.

„Leonard –“

McCoys Schnauben trägt viel dazu bei, Spock in der Realität zu verankern. „Schau mich nicht so entgeistert an. Ich hab’s nicht eilig, aber ...“ Er zuckt mit den Schultern. „Die Zeit bleibt nicht stehen. Na ja, höchstens für dich, verglichen mit dem Rest von uns ...“

„Gelegentlich bereue ich das“, sagt Spock mit einer Ehrlichkeit, die ihm nur der Lauf der Zeit ermöglicht hat und die angesichts dieser wissenden blauen Augen fast überflüssig ist. Niemand, mit Ausnahme von Jim Kirk vielleicht, konnte ihn je so gut lesen; natürlich hat McCoy den Grund für Spocks Melancholie sofort erkannt. Diesen Grund so gelassen freigelegt zu sehen, sorgt seltsamerweise dafür, dass die düsteren Gedanken verblassen.

„Aber ich bin dankbar für die letzten hundert Jahre“, fügt er hinzu, um McCoys Protest abzuwürgen. „Auch wenn es immer ein Quell der unendlichen Faszination bleiben wird, dass ich ein derartiges Ausmaß an mangelnder Logik so lange ertragen konnte.“

Es erzielt den gewünschten Effekt: McCoy grinst ihn an, immer noch so impertinent wie vor hundert Jahren, und die Vorahnung des Unausweichlichen verschwindet. „Werd jetzt nicht sentimental.“

„Vulkanier sind nie sentimental.“

„Na, das will ich doch hoffen.“ McCoys Grinsen verblasst; er sieht wieder so alt aus, wie er ist. „Pass nur auf dich auf, wenn ich nicht mehr da bin, ja? Versprich’s mir. Oder, ich schwöre es, ich werde einen Weg finden, um dir noch aus dem Jenseits auf die Nerven zu gehen.“

„Daran“, sagt Spock, „hatte ich nie den geringsten Zweifel.“

McCoy schüttelt resigniert den Kopf, aber er besteht auf das Versprechen und natürlich gibt Spock es ihm, obwohl es sie beide einen Schritt näher an den unvermeidlichen Abschied führt.

Danach schweigen sie eine Weile, lauschen auf die ersten vorsichtigen Rufe der Vögel und auf das Summen von McCoys jüngster Ururenkelin, die hinter ihnen in der Küche herumwerkelt, und Spock ist beinahe in einen meditativen Zustand abgeglitten, als McCoy mit einem halb forschenden, halb bittenden Unterton fragt: „Musst du nicht langsam wieder gehen? Wichtige Botschafterdinge erledigen und Politiker ärgern?“

„Das kann warten“, antwortet Spock, ohne darüber nachzudenken; und es kann warten, vielleicht sogar noch eine ganze Weile. McCoy wird nichts dagegen haben, wenn Spock ein wenig länger bleibt, nicht lange, nur bis – bis er keinen Grund mehr dazu hat, hierzubleiben.

Der Tag des Abschieds wird kommen, bald; aber während McCoy einschläft und Spock den Sonnenschutz so dreht, dass McCoys Gesicht im Schatten liegt, denkt er, dass heute nicht dieser Tag ist. Bis es so weit ist, kann Spock sich nichts Wichtigeres vorstellen, als hier neben seinem ältesten Freund im Sonnenlicht zu sitzen.


In TNG 1x01 besucht der 137-jährige McCoy die Enterprise-D. Ich sehe keinen Grund, wieso er sich zwei Jahre später nicht auch noch guter Gesundheit erfreuen sollte; und wo McCoy ist, ist Spock sicherlich nicht weit.

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