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Starship Shiva

von Thilo

Unter Verdacht

Im Jahr 2234

 

 

Ineiau trat von der Transporterplattform im Frachtraum des Forschungsschiffes Venture. Eine ältere Vulkanierin in der senfgelben Tunika eines Starfleet-Captain trat ihr entgegen, um sie zu begrüßen. Bei einem Menschen hätte Ineiau angenommen, dass sie wie ihre Akademiefreundin Anita Masika aus einen Bantuvolk vom Kontinent Afrika stammen würde.

„Ensign Ineiau, willkommen auf der USS Venture. Ich bin Captain T’Kan“, begrüßte sie Ineiau in der vulkanischen Hochsprache.

„Danke, Sir“, antwortete Ineiau ebenfalls auf Vulkanisch.

T’Kan hob kritisch eine Augenbraue.

„Danke, Captain?“, verbesserte sich Ineiau.

T’Kan senkte befriedigt ihre Augenbraue. „Sie kennen wahrscheinlich bereits unsere Sicherheitschefin Lieutenant Berena.“ Sie deutete auf die große Andorianerin in roter Uniform, die neben ihr stand.

„Ja, Captain!“ Und sie wandte sich an Berena auf Englisch zur Begrüßung. „Freier Himmel! Ich freue mich wirklich, Sie wiederzusehen. Ist es schon zu spät, um Ihnen zu Ihrer neuen Stellung zu gratulieren?“

„Viel zu spät, Doppelgänger! Es ist schön, dass Sie endlich Ihren Dienst wieder aufnehmen können. Zwei Jahre! Sie haben wirklich lange gebraucht“, erwiderte Berena in gutem Vulkanisch mit einem deutlich hörbaren Akzent und lachte dabei. Sie begutachtete skeptisch Ineiaus blaue Tunika. „Und wieder weg von Hosen?“

„Doppelgänger?“, missbilligte T’Kan mit einer drohend erhobenen Augenbraue Berenas Wortwahl.

„Ich habe keinen Anstoß genommen“, erklärte Ineiau.

„Mir geht es um das Prinzip!“, erwiderte T’Kan eisig.

„Es war nicht abwertend gemeint. Die erste Gestaltwandlung, die ich bei Ineiau gesehen habe, war als mein Doppelgänger. Und wenn es den Größenunterschied nicht gäbe, wäre sie perfekt gewesen.“

„Ensign, ich erwarte, dass Sie Ihre eigene Gestalt beibehalten und nur auf ausdrücklichen Befehl Gestaltwandeln. Ich hoffe, mich eindeutig ausgedrückt zu haben“, befahl T’Kan.

„Ja, Captain, wobei wir uns nicht ohne Einwilligung an andere anpassen. Das wäre sehr unhöflich.“ Mit kurzen Zögern ergänzte Ineiau bedrückt: „Und … ich kann mich zumindest derzeit nicht anpassen.“

Berena stellte ihre Antennen auf. „Warum? Sind das noch Folgen Ihrer Verletzungen auf der Phantom?“

Ineiau nickte traurig: „Ja, aber die Ärztinnen gehen davon aus, dass es nur eine temporäre Behinderung ist, die im Laufe der Jahre wieder weggeht.“

T’Kan sah sie für vulkanische Verhältnisse verständnisvoll an. „Nach meinen Kenntnissen legen Ani viel Wert auf ihre Anpassungen als Teil des Sozialverhaltens und als Zeichen der Ehrerbietung und Zuneigung. Ich kann mir vorstellen, was eine solche Einschränkung für Sie bedeutet, auch wenn ich selbst dem Gestaltwandeln ablehnend gegenüber stehe.“

„Danke, Captain.“

„Ihr Abteilungsleiter Lieutenant Soran ist zurzeit unabkömmlich. Ich nehme an, dass Sie keine Einwände haben, wenn an seiner Stelle Lieutenant Berena Sie auf der Venture einweist?“

„Ich habe keine Einwände, Captain.“

„Gut, dann machen Sie weiter.“ T’Kan wandte sich zum Gehen, bevor sie noch hinzufügte: „Ich nehme an, dass Sie sich viel zu erzählen haben und darunter auch Themen sind, die Sie nicht vor mir als Ihrer Vorgesetzte besprechen wollen.“

 

Ineiau wurde durch die wichtigsten Abteilungen der Venture von Berena geführt. Sie war alleine von der Größe des Langstrecken-Forschungsschiffes beeindruckt, das selbst die schweren Kreuzer der Lancaster-Klasse verblassen ließ. Sie erreichten als Abschluss der Tour das Arboretum und saßen zusammen im Gras, um Erinnerungen auszutauschen und sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen.

„Als ich Sie im Transporterraum sah, hatte ich schon befürchtet, dass ich wieder in den Sicherheitsdienst versetzt werden würde.“

„Nein, zumindest nicht ganz. Ich habe hier nur eine sehr kleine Sicherheitsabteilung. Deshalb habe ich Sie zu meiner Reserve einteilen lassen. Immerhin sind Sie eine vollständig ausgebildete Sicherheitskraft. Trotzdem sind Sie aber natürlich hauptsächlich in der Botanischen Abteilung und der Hydroponik beschäftigt“, gestand ihr Berena.

Ineiau seufzte, während sie traurig die überwiegend irdischen Bäume und Pflanzen im Arboretum betrachtete.

Die Andorianerin legte fragend den Kopf schief.

„Berena, ich habe eine Person getötet. Ich weiß, dass Stanford uns alle in die Luft jagen wollte, aber …“ Ihre Stimme stockte.

Berena hatte Ineiau bei der Ansprache ohne Rang oder Anrede aufgeschreckt angesehen. Sie blickte jetzt Ineiau verstehend an und wechselte von der förmlichen zur familiären Ansprache in der vulkanischen Hochsprache. „Das erste Mal ist es besonders schwer. Und wenn du eine wirklich gute Person bist, fällt es dir niemals leichter, ein Leben zu nehmen.“ Sie zögerte, bevor sie fortfuhr: „Ich hatte auch gehofft, niemals jemanden töten zu müssen. Beim ersten Mal habe ich mir danach die Seele aus dem Leib gekotzt.“ Ihr Tonfall wurde bedauernd. „Inzwischen fällt es mir leichter zu töten, aber ich versuche, es möglichst zu vermeiden und Alternativen zu finden. Ich finde wirklich keinen Gefallen daran.“ Sie legte ihre hellblaue Hand auf die weißgraue von Ineiau. „Du hattest keine Alternative. Stanford zu töten, war der einzige Weg, mit dem du die Phantom hattest retten können. Andere hätten womöglich sich ihrem Schicksal ergeben, während du wie ein Schneerabe weitergekämpft hast. Ich vermute, dass du nicht erwartet hattest zu überleben?“

Ineiau nickte stumm.

„Wie ich es mir schon gedacht habe. Kaum jemand, einschließlich Doktor Andersen hatte gedacht, dass du nach den Operationen überhaupt wieder aufwachen würdest. Verdammt, ich habe gehört, dass es nicht einmal passende Blutkonserven für dich gegeben hat.“

„Ich hatte nur gehofft, ihn lange genug aufhalten zu können, bis jemand mich hören würde. Aber es kam niemand, und als er dann die Hand auf meinen Mund presste …“

„… hast du deine Chance genutzt! Zermartere dir darüber nicht den Kopf. Er wollte dich ermorden … uns alle. Gedankenspiele, was du hättest anders machen können basierend auf deinem nachträglichen Wissen, werden dir nicht weiterhelfen. Du hast so und nicht anders gehandelt. Und was wichtiger ist, du hast richtig gehandelt!“

Dankbar atmete Ineiau tief durch.

Berena fuhr mit sanfter Stimme fort: „Ich nehme an, dass du auch in psychologischer Betreuung warst oder noch bist?“

„Ja, und mir wurde auch die Schiffsheilerin T’Ra hier an Bord an die Herzen gelegt, falls ich weitere Hilfe benötigen sollte.“

„Sie ist gut! Du bist bei ihr wirklich in besten Händen. Und Ineiau, ich habe weiterhin lieber dich in einer Gefahrensituation an meiner Seite als irgendjemanden anderen. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“

„Wir waren nie gemeinsam in einer Gefahrensituation. Ich hoffe, dass ich dieses Vertrauen nicht enttäuschen werde.“

„Ich weiß, dass du es nicht enttäuschen wirst!“, erwiderte Berena zuversichtlich.

 

Die kleine, spartanische Kabine hatte einen schmalen trapezförmigen Grundriss. Sie enthielt außer einem Tisch, zwei Stühlen und Wandschränken zwei übereinander liegende Betten. Trotzdem wusste Ineiau bereits von Berena, dass sie die Kabine für sich alleine hatte. Vulkanier teilten sich nur höchst ungern ihr Quartier mit Mitgliedern anderer Spezies, und außer ihr war Berena die einzige Nichtvulkanierin an Bord.

Sie begann, ihre Habseligkeiten und ihre Kleidung zu verstauen, während die Venture bereits zur Starbase 8 eilte, die ihr letzter Halt vor dem unerforschten Raum war.

 

Ineiau betrat das Büro von Captain T’Kan. Außer dem Captain waren auch der Erste Offizier Commander Anok und ein ihr unbekannter, menschlicher Sicherheitsoffizier von der Sternenbasis anwesend.

„Ineiau, ich bedauere, Sie darüber informieren zu müssen, dass Sakha auf Starbase 8 verstorben ist“, erklärte T’Kan ihr als Grund für ihre Anwesenheit.

„Das tut mir leid. Und ich möchte mich schon vorab für meine Frage entschuldigen, aber kannte ich sie?“

T’Kan zog irritiert eine Augenbraue hoch. „Lieutenant Sakha Cher-kira-Ke? Commander Ghorman von der Stationssicherheit hat gesagt, dass sie eine Verwandte von ihnen wäre.“ An den Sicherheitsoffizier gerichtet fragte sie: „Oder sind Sie möglicherweise nur wegen der Namensgleichheit davon ausgegangen?“

Der Mann errötete und nickte dann stumm zur Bestätigung.

Ineiau schüttelte jetzt verstehend den Kopf: „Wir sind nicht miteinander verwandt, und ich kannte sie nicht. Cher-kira-Ke ist kein Familienname, sondern bezeichnet den Ort der Herkunft, in diesem Fall die Stadt Cher-kira in der Provinz Ke. Sie ist die drittgrößte Stadt auf Areka, dementsprechend ist dieser Herkunftsname recht häufig.“ Sie zögerte kurz. „Wünschen Sie, dass ich die Angehörigen ermittle und informiere? War es ein Unfall?“

„Nein, das ist nicht nötig. Commodore Whittle, beziehungsweise Ensign Falke, seine Adjutantin wird sich darum kümmern“, erwiderte T’Kan, während sie weiter ihren kritischen Blick auf dem Menschen ruhen ließ. „Und es war kein Unfall, sie wurde ermordet.“

Ineiau sah ihren Captain überrascht an. „Ermordet? Auf einer Sternenbasis?“

Der fremde Sicherheitsoffizier antwortete ihr: „Ich bin Lieutenant Commander Ghorman und leite die Ermittlungen. Und ja, Lieutenant Sakha wurde in ihrem Quartier ermordet. Jemand hat ihr die Kehle mit einem sehr scharfen Gegenstand, möglicherweise einem medizinischen Skalpell durchschnitten. Wir haben noch keinen Tatverdächtigen und nur wenige Spuren. Sie über das Opfer zu befragen, ist dann auch nicht mehr notwendig oder sinnvoll, wenn Sie sich gar nicht kannten. Was insofern auch ungünstig ist, da sie vor nicht einmal einer Woche hier eingetroffen ist und noch niemand weiteren Kontakt mit ihr hatte.“

„Es gibt keine anderen Personen auf der Sternenbasis, die sie vielleicht vorab kannten?“, fragte Ineiau.

„Nein, sie war die einzige Ani auf Starbase 8. Die einzige Ausnahme sind jetzt Sie und gegebenenfalls weitere Besatzungsmitglieder von der Venture.“

„Außer Ensign Ineiau haben wir keine weiteren Ani an Bord. Und auch Ani können ebenso Mitglieder anderer Spezies kennen“, antwortete Commander Anok.

Ghorman sah unglücklich Anok und T’Kan an. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich werde dann meine Ermittlungen fortsetzen müssen.“

 

Der Kampftitan im grau-grünen Tarnmuster rückte durch die Schlucht gegen seinen verbliebenen Widersacher vor. Hinter der haushohen, grob humanoiden Kriegsmaschine lagen auf dem Schlachtfeld die zerstörten Wracks eines Panther und eines Feuerfalken.

Der gegnerische mit einem braun-beigen Fleckanstrich versehende Orion trat aus der Deckung der Schlucht und eröffnete das Feuer mit der Autokanone und den Langstreckenraketen. Während die meisten Raketen den Kampftitan verfehlten und die wenigen Treffer nur geringen Schaden verursachten, riss der Schuss aus der Autokanone eine tiefe Bresche in die bereits beschädigte Panzerung des rechten Beines und zertrümmerte dessen Hüftgelenk. Nur mit Glück gelang es der Pilotin des Kampftitans, einen Sturz zu vermeiden. Sie erwiderte verbissen das Feuer mit der PPK im linken Arm und rückte mit ihrem humpelnden Mech weiter vor, um in Reichweite ihrer sechs mittelschweren Laser zu kommen.

Der Orion erzitterte unter dem künstlichen Blitzschlag der PPK und marschierte unberührt weiter, um weiterhin außer Reichweite der Laser zu bleiben, bevor ohne weitere Vorwarnung die verbliebene Raketenmunition im linken Torso explodierte und den Mech als qualmende Ruine umstürzen ließ.

 

Berena bestaunte ungläubig die Treffertabelle im Regelbuch und die beiden Würfel auf dem Spielfeld. „Erst würfelst du einen kritischen Treffer, und dann schlägt der direkt in meine Munition ein?“

„Das ist eben Glück und der Nachteil von einen Mech, der praktisch in jeder Sektion Munition gelagert hat“, antwortete Ineiau grinsend.

„Ich hätte dir das Spiel doch nicht zeigen dürfen“, gestand Berena ebenfalls grinsend ihre Niederlage ein.

Anok und einige andere Besatzungsmitglieder im Freizeitraum betrachteten kritisch das Spielfeld mit den auf Papier ausgedruckten Datenbögen, dem Regelbuch und den vier Spielfiguren, die die bis zu einhundert Tonnen schweren und bis zu zwölf Meter hohen BattleMechs darstellten.

„Wäre es nicht effizienter, die Simulation mit einem Computer auszuführen?“, fragte der Vulkanier.

„Effizienter ja, aber es würde weniger Spaß machen“, konterte Berena. „Und Computerfiguren kann man auch nicht bemalen.“ An Ineiau gerichtet fuhr sie fort: „Ich möchte eine Revanche!“

Ineiau sah auf die Uhr. „Heute noch? Es ist schon recht spät.“

Berena stimmte ihr zu, nachdem sie die Uhrzeit sah. „Ja, du hast recht. Wir sollten für heute Schluss machen.“

Sie packten den Spielplan, das Regelbuch und die Datenbögen wieder in die BattleTech-Box und legten die Spielfiguren in Berenas gepolsterten Transportkoffer zu dem Rest ihrer Sammlung.

Dann verabschiedeten sie sich für die Nacht und gingen zu ihren jeweiligen Quartieren.

Ineiau sah noch leicht amüsiert beim Weggehen, wie Anok das Regelbuch wieder aus der Box entnahm, als er sie bereits außer Sichtweite wähnte.

 

Berena und Ineiau verließen über die Gangway die Venture und betraten die Sternenbasis. Sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen Lieutenant Commander Ghorman von der Stationssicherheit mit zwei seiner Sicherheitskräfte entgegentrat. Er sah mit verächtlichen Zorn Ineiau an und winkte einen seiner Männer vor. Der bullige Mensch legte der überraschten Ani Handschellen an, während Ghorman sie belehrte: „Ensign Ineiau Cher-kira-Ke, ich verhafte Sie aufgrund der mir von Starfleet Command vergebenen Autorität für die Sabotage an Starbase 8. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden.“

 

Nachdem Captain T’Kan durch Berena über Ineiaus Verhaftung informiert worden war, hatte sie sich nicht aufhalten lassen und war mit der Andorianerin im Schlepptau sofort und ohne Termin ins Büro des Kommandanten der Sternbasis gestürmt, was etwas war, von dem sie sehr genau wusste, dass es von Commodore Whittle nicht gerne gesehen wurde. Aber das war ihr angesichts der Unlogik der Ereignisse ziemlich egal. Im Büro stand sie jetzt mit eisigem Blick Lieutenant Commander Ghorman gegenüber. Sowohl Whittle, wie auch Berena hielten es offenkundig erst einmal für besser, sich aus der Konfrontation herauszuhalten.

„Captain T’Kan, wir haben unumstößliche Beweise, dass Ensign Ineiau versucht hat, die Umweltkontrolle der Sternenbasis zu sabotieren und dort auch einen Sprengsatz gelegt hat. Wir können froh sein, dass der Sabotageakt rechtzeitig entdeckt wurde und es weder größere Schäden, noch Tote gegeben hat“, fuhr Ghorman sie an.

„Das ergibt absolut keinen Sinn! Ich möchte diese Beweise sehen und zwar jetzt sofort“, erwiderte T’Kan mit eiskalter Stimme.

Ghorman schnaubte und gab ein paar Befehle in sein Datenpad ein. Auf dem Wandbildschirm erschien die von einer Sicherheitskamera stammende Aufzeichnung mit eingeblendeten Orts- und Zeitangaben.

Berena stutzte sichtbar bei den Zeitangaben. „Gestern Abend zu der Zeit war Ineiau in einen Freizeitraum der Venture und hat mit mir ein Tabletop-Spiel gespielt.“

„Das kann nicht sein, und Sie müssen sich in der Zeit irren! Sehen Sie selbst, Lieutenant!“, erwiderte Ghorman ärgerlich und legte dabei seine Betonung auf ihren niedrigeren Rang.

Auf dem Bildschirm trat Ineiau in den Kamerabereich. Sie sah sich verstohlen um und zog mit behandschuhten Händen einen höchst illegalen Codebrecher hervor, mit dem sie begann, an der gesperrten Konsole der Umweltkontrolle zu arbeiten. Es gelang ihr nach kurzer Zeit, die Konsole zu entsperren, und begann, deren Einstellungen zu verändern. Aufleuchtende Warnlichter wurden von ihr sofort wieder ausgeschaltet, obwohl dies eigentlich nicht ohne größere Manipulationen möglich sein sollte. Dann entriegelte sie die Abdeckung der Konsole und platzierte ein kleines Päckchen unter der Bedientafel. Sie lächelte zufrieden, nachdem sie die Konsole wieder geschlossen und gesperrt hatte, und verließ den Kontrollraum, wobei die Kamera ihr zur Tür folgte. Die Aufzeichnung endete an diesen Punkt.

T’Kan war fassungslos. Dann kam ihr die Erkenntnis über ein gesehenes Detail. „Zurück zu den Punkt, an dem sie den Raum verlässt“, befahl sie.

Ghorman folgte der Anweisung sichtbar genervt, und auf dem Bildschirm erschien wieder Ineiau, die gerade durch die Tür den Raum verlassen wollte.

Jetzt erkannte offenbar auch Berena die Entdeckung des Captains im Video. „Ist das eine normale Tür?“, fragte sie überrascht.

„Ja, natürlich ist das eine normale Tür. Was soll die Frage?“

„Berena, stellen Sie sich in die Bürotür“, befahl T’Kan zum eindeutig absoluten Unverständnis von Ghorman und Whittle. Die große Andorianerin tat, wie ihr befohlen, und T’Kan stellte zufrieden die Richtigkeit ihrer Beobachtung fest.

„Ineiau ist mit 196 Zentimeter ziemlich genau elf Zentimeter größer als ich. Sie muss sich durch die meisten Türen vorsichtshalber leicht ducken. Die Person im Video ist aber nur etwa so groß wie ich“, klärte Berena die beiden anderen Offiziere auf.

„Sie ist ein Chamäleon. Sie kann ihre Größe einfach verändern“, gab Ghorman zu bedenken.

„Nein, sie können ihre Größe eben nicht verändern! Außerdem ist Ineiau überhaupt nicht in der Lage, ihre Gestalt zu verändern!“, antwortete zunehmend ungeduldig Berena.

„Was meinen Sie damit jetzt wieder?“, fragte Ghorman verwirrt und gereizt.

„Ineiau hat als Folge ihrer Verletzungen in der Raumschlacht von Verruca II ihre Fähigkeit zur Gestaltwandlung vorübergehend verloren. Das kann Ihnen auch unsere Schiffsheilerin Lieutenant T’Ra bestätigen“, antwortete immer noch kalt und ruhig T’Kan, wobei sie absichtlich die Schlacht erwähnte, um Ghorman und Whittle an Ineiaus Rolle dabei zu erinnern. Dann wurde ihr noch ein weiterer Widerspruch bewusst. „Abgesehen davon, selbst falls sie zur Variation ihrer Größe und weiterhin zum Gestaltwandeln in der Lage wäre, warum sollte sie dann nur ihre Größe, aber nicht ihr Äußeres ändern?“

„Die Aufnahmen sind geprüft und echt. Sie vermuten also, dass sich jemand in die Umweltkontrolle als Ihr Chamäleon maskiert eingeschlichen hat zur Sabotage, um sie danach als Sündenbock darzustellen?“

„Ja, das ist offensichtlich die logische Schlussfolgerung. Sie hat zur Tatzeit ein Alibi von meinem leitenden Sicherheitsoffizier, und die Videoaufzeichnung weist unübersehbare Diskrepanzen auf, die eigentlich schon vorab hätten auffallen müssen. Außerdem, warum war die Kamera überhaupt eingeschaltet?“

„Es ist eine Sicherheitskamera. Die sind normalerweise eingeschaltet“, antwortete Ghorman zunehmend gereizter.

„Auch wenn die Täterin vorher keine Probleme hatte, sämtliche anderen Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen oder lahmzulegen, um überhaupt in den Kontrollraum einzudringen?“, hakte T’Kan nach.

„Wir haben außerdem Haare und Hautpartikel von Ani in der Umweltkontrolle gefunden.“

„Von Ineiau?“, vergewisserte sich Berena.

„Die Proben sind noch im Labor. Die Unterscheidung nach verschiedenen Individuen bei Ani ist sehr zeitaufwändig und liefert auch mit der uns zur Verfügung stehenden Laborausstattung unzuverlässige Ergebnisse. Aber da Ineiau das einzige Chamäleon auf der Sternenbasis ist, ist das ohnehin irrelevant.“

Commodore Whittle hatte bisher zunehmend irritiert zugehört, aber jetzt meldete er sich zu Wort: „Lieutenant, gibt es außer Ihnen noch weitere Zeugen, die Ensign Ineiaus Alibi bestätigen können?“

„Ja Sir, außer uns beiden waren noch weitere Besatzungsmitglieder der Venture im Freizeitraum, darunter unser Erster Offizier Commander Anok. Ich kann Ihnen die Namen auflisten.“

Whittle gab Berena ein bestätigendes Nicken und wandte sich an Ghorman: „Commander, könnten die Haare und Hautpartikel absichtlich am Tatort deponiert worden sein oder von einem anderen Chamäleon stammen? Und kommen Sie mir nicht nochmal damit, dass das nicht relevant wäre!“

„Wenn der Täter sich auf lange Sicht vorbereitet hat und entsprechend verpackte Proben bereitgehalten hätte, könnte er theoretisch am Tatort falsche Spuren ausgelegt haben. Aber dazu müsste er vorab gewusst haben, dass die Venture hier mit einer Ani an Bord eintrifft. Zu Ihrer zweiten Theorie kann ich nur wiederholen, dass es zurzeit außer Ineiau nach der Ermordung von Sakha keine andere Ani auf der Basis gibt und wir Probleme haben, bei dieser Spezies die Proben direkt und eindeutig einzelnen Individuen zuzuordnen.“

„Zumindest gibt es keine Ani auf der Sternenbasis, von der wir wissen, immerhin sind sie Gestaltwandler. Und mit unseren Schiffs- und Stationssensoren können wir auch mit wenigen Ausnahmen verschiedene Spezies nicht unterscheiden, sondern müssten alle Personen auf der Sternenbasis einzeln überprüfen, was bei mehr als achttausend Besatzungsmitgliedern, Marines und Zivilisten eine große logistische Aufgabe darstellen würde“, gab Whittle zu bedenken. „Können Chamäleons einander auch in anderer Form unterscheiden?“

„Meines Wissens ja, aber ich weiß nicht, wie der Fall bei Video- und Bildaufnahmen liegt“, antwortete T’Kan.

„Commander, haben Sie Ensign Ineiau das Video gezeigt?“

„Natürlich, Sir! Aber sie streitet ab, dass sie die Täterin in der Aufzeichnung war.“

„Und nach der Gegenbeweisführung von Captain T’Kan und Lieutenant Berena zufolge zu recht! Lassen Sie sie bitte in mein Büro bringen.“

„Ja Sir“, antwortete Ghorman zerknirscht zu T’Kans sorgsam verborgenen Befriedigung, deren Meinung über seine detektivischen Fähigkeiten inzwischen einen Tiefpunkt erreicht hatte.

 

Ineiau betrachtete konzentriert die Videoaufzeichnung in Zeitlupe. Sie war trotz ihrer Freilassung immer noch verstimmt und machte keinen Versuch, das zu verbergen. Sie sah die anwesenden Offiziere an. „Sie sieht wirklich aus wie ich, aber ich bin es nicht!“

„Zu der letzteren Erkenntnis sind wir auch gekommen, Ineiau“, erwiderte T’Kan und sah dabei Ghorman kritisch an, der ebenfalls verärgert den sichtbaren Größenunterschied hatte einräumen müssen, als Ineiau das Büro betreten hatte. „Aber können Sie erkennen, ob es sich um eine andere Ani handelt, die sich an Sie angepasst hat, oder um eine maskierte Frau einer anderen Spezies?“

„Das ist auf einen Video schwer zu erkennen, aber da sie männlich ist, gehe ich davon aus, dass sie wirklich eine Ani ist.“

T’Kan hob fragend eine Augenbraue, während die anderen sie überrascht anblickten. Whittle fragte ungläubig: „Woran können Sie das sehen?“

Ineiau setzte zu einer Antwort an, schloss aber wieder den Mund, ohne etwas zu sagen. Nach einer kurzen Pause antwortete sie verlegen: „Wie Sie wissen, gibt es bei meiner Art keine für Nicht-Ani sichtbaren Geschlechtsunterschiede. Ich kann es erkennen, aber für Sie nicht verständlich beschreiben, woran, Sir.“

„Die Begründung dürfte einen Richter nicht wirklich überzeugen“, erwiderte Whittle trocken. Er sah auf die Uhr. „Es ist doch schon spät geworden. Ich brauche langsam eine Stärkung.“ Er bestätigte die Gegensprechanlage.

„Baker hier, Sir“, meldete sich eine männliche Stimme.

„Wo ist Mrs Falke?“, fragte Whittle nach.

„Sie hat sich heute Nachmittag kurzfristig freigenommen, um etwas Persönliches zu erledigen, Sir.“

„Sei es drum, bringen Sie uns Kaffee und Sandwiches für … fünf Personen.“ Nach einem kurzen Blick auf Captain T’Kan ergänzte er: „Vegetarische Sandwiches!“

„Wird erledigt, Sir“

Er wandte sich wieder Ineiau zu. „Wenn wir davon ausgehen, dass das wirklich eine andere Ani wäre, würden Sie sie wiedererkennen?“

„Ich fürchte, nein, Sir. Auf Videos und Bildern werden Aspekte herausgefiltert, die wir benötigen, um uns gegenseitig zu erkennen, ganz besonders, wenn wir uns vorher nicht direkt gesehen haben. Aber ich hätte eine andere Ani als solche erkannt, auch wenn sie sich an eine andere Spezies angepasst hätte, wenn ich ihr auf der Sternenbasis begegnet wäre.“

„Die Sternenbasis ist groß, und selbst wenn sie Ihnen nicht aktiv aus dem Weg gehen würde, wäre die Chance gering, dass Sie sich begegnen“, gab Ghorman missmutig zu bedenken. „Ich würde trotz der niedrigen Erfolgsaussicht vorschlagen, dass Sie sich die Aufnahmen der Sicherheitskameras der öffentlichen Bereiche der Sternenbasis ansehen, ob Sie ihre Doppelgängerin dort entdecken können.“

„Und ich werde meine Adjutantin Falke morgen auch anweisen, Ihnen in allen nötigen Angelegenheiten bei den Ermittlungen zu assistieren“, beschloss Commodore Whittle.

 

Nachdem sie fast sechs Stunden erfolglos die Überwachungsaufnahmen der Sternenbasis gesichtet hatte, war Ineiau froh, wieder auf der Venture in ihrer Kabine zu sein. Sie hatte bereits beschlossen, auf ein Abendessen zu verzichten und direkt ins Bett zugehen, als der Türsummer betätigt wurde. Auf ihre Aufforderung hin trat Berena ein.

Ineiau wollte ihre Freundin gerade begrüßen, als sie die Maskerade durchschaute. Und es gelang ihr deshalb gerade eben noch, rechtzeitig die Hände hochzureißen, um den Angriff auf ihre Kehle abzublocken. Das scharfe Messer schnitt tief in ihre rechte Hand, und schwarzes Blut spritzte auf sie beide. Bevor die falsche Berena erneut zustechen konnte, schmetterte Ineiau ihre linke Faust ins Gesicht ihrer Gegnerin.

Mit einen Schmerzensschrei und einen Fluch in einer Ineiau unbekannten Sprache ließ die Angreiferin das Messer fallen, taumelte einen Schritt zurück und zog ihre Impulspistole, obwohl deren Verwendung einen Alarm auslösen würde.

Ineiau stieß die Pistole beiseite, als die Attentäterin feuerte. Der Schuss verfehlte sie nur knapp und schlug in einen Stuhl, der in Flammen auseinanderplatzte. Der Alarmklaxon heulte durch die Venture.

Es gelang Ineiau, das Handgelenk ihrer Gegnerin zu packen, bevor diese erneut schießen konnte. Unbarmherzig verdrehte sie deren Arm. Ein zweiter Schuss löste sich und verbrannte den Teppich zwischen ihnen.

Die Angreiferin schrie auf, musste auch die Pistole fallen lassen, riss sich von Ineiau los und floh durch die immer noch offene Tür.

Ineiau setzte ihr nach, konnte jedoch nicht mehr erkennen, in welche Richtung sie gerannt war.

Sie betätigte das Intercom in ihrer Kabine neben der Tür, ohne auf den blutigen Handabdruck zu achten, den sie dabei hinterließ. „Computer: Eindringlingsalarm!“

Ein weiterer Alarmklaxon hallte durchs Schiff.

„Ineiau an Sicherheit!“

„Ensign Shurak hier. Was ist passiert?“, erklang eine ruhige Stimme aus dem Intercom.

„Ich bin in meinem Quartier angegriffen worden von einer Ani, die sich als Lieutenant Berena maskiert hat. Die Angreiferin ist geflohen, und ich habe sie aus den Augen verloren.“

„Verstanden! Wir sind bereits wegen des Waffenalarms unterwegs!“

 

Die echte Berena lief unglaublich wütend in der Krankenstation auf und ab.

„Und dann haben wir den Eindringling nicht einmal zu fassen bekommen! Bist du sicher, dass es eine Ani war?“

Ineiau nickte bestätigend und zuckte kurz zusammen, während Doktor T’Ra den bis zum Knochen reichenden Schnitt in ihrer Hand behandelte. „Ja, es war eindeutig eine Ani. Sie hatte annähernd deine Größe und Statur, weshalb ich die Maskerade fast zu spät erkannt hätte.“

Ensign Shurak klang trotz seiner vulkanischen Disziplin frustriert. „Sie muss danach ihre Gestalt gewechselt haben, um von der Venture auf die Sternenbasis zurückzukehren. Möglicherweise hat sie auch die Kleidung gewechselt. Nach Ineiaus Beschreibung des Kampfes und dem Zustand der Kabine sollte Blut auf ihrer Uniform gewesen sein. Aber es ist niemand Fremdes auf dem Schiff gewesen oder hat es verlassen.“

„Wenn es die gleiche Person war, die den Sabotageakt ausgeführt hat, könnte sie sich mit dem Codebrecher Zugang zur Venture verschafft haben, ohne vom Computer registriert zu werden“, erwiderte T’Kan.

Berena stoppte abrupt bei ihrer Wanderung. „Auch die Saboteurin auf dem Video hatte meine Größe. Könnte es die gleiche Frau ... Ani oder was auch immer gewesen sein?“

„Das zurückgelassene Messer, mit dem sie Ineiau versuchte zu töten, stimmt nach erster Augenscheinnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Tatwaffe für den Mord an Sakha überein“, fügte die Schiffsheilerin hinzu, während sie auf Ineiaus Hand einen Sprühverband aufbrachte.

„Und sie war auch wie die Saboteurin männlich. Aber das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollte sie mich töten wollen? Ich kenne sie nicht.“

„Ihr Sabotageakt könnte bereits ein erster Versuch gewesen sein, Ineiau aus dem Verkehr zu ziehen. Nachdem sie damit keinen Erfolg hatte, hat sie als Alternative den riskanteren Mordanschlag auf meinem Schiff verübt“, brachte Captain T’Kan ihre These ein.

„Aber warum?“, wiederholte Ineiau ihre Frage.

„Mit großer Wahrscheinlichkeit, um eine Entdeckung zu verhindern. Wir wissen, dass Ani sich untereinander erkennen können, auch wenn sie angepasst sind. Sakha wurde kurz nach ihrer Ankunft auf Starbase 8 ermordet. Nach unserer Ankunft wurde versucht, Sie für einen Sabotageakt verantwortlich zu machen, damit Sie verhaftet werden und aus dem Weg sind. Und an beiden Tatorten wurden nur Haare und Hautpartikel von Ani gefunden“, erklärte T’Kan ruhig. „Was auch immer ihre Motivation ist, sie möchte nicht als Ani erkannt werden und ist bereit, dafür zu töten.“

„Und wir haben keinen weiteren Anhaltspunkt über ihre Identität“, fügte Berena bitter hinzu.

„Konnte inzwischen die Herkunft der sichergestellten Pistole festgestellt werden?“, fragte T’Kan.

„Sie stammt aus dem Arsenal der Sternenbasis und wurde bisher nicht einmal vermisst. Commander Ghorman ist darüber gelinde gesagt erbost“, antwortete Berena.

Ineiau besah sich ihre zusammengeflickte Hand. „Ich habe sie doch ebenfalls verletzt. Zumindest der Fausthieb in ihr Gesicht sollte eigentlich deutlich sichtbare Spuren hinterlassen haben.“

„Spuren, die sie möglicherweise noch aufweist oder die von einem Arzt behandelt worden sind, wenn sie nicht selbst Zugriff auf einen Dermalregenerator hat“, ergänzte Berena grimmig und ging zum Intercom, um Lieutenant Commander Ghorman darüber zu informieren.

„Ineiau, sie werden sich morgen die Videos der Überwachungskameras der Gangways zur Sternenbasis ansehen. Da Sie jetzt die Täterin direkt gesehen haben, sollten Sie wissen, worauf Sie zu achten haben, und sei es nur, dass Sie sie an ihrer Geschlechtszugehörigkeit erkennen“, ordnete T’Kan an. „Außerdem möchte ich nicht, dass Sie zu irgendeinem Zeitpunkt alleine sind. Bis wir die Angelegenheit aufgeklärt haben, hat immer eine Sicherheitskraft bei Ihnen zu sein. Oder noch besser: Ich ziehe Sie als zusätzliche Maßnahme aus der Hydroponik ab, um Sie der Sicherheit zuzuteilen. Dadurch sollten Sie nicht nur besser geschützt sein, sondern sind auch während ihres Dienstes bewaffnet.“

„Ja, Captain“, bestätigte Ineiau wenig begeistert.

„Und du kannst erst einmal in mein Quartier mit einziehen“, bot Berena an. „Deine Kabine sieht aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen, und ich möchte nicht, dass du im Bereitschaftsraum der Sicherheitsabteilung nächtigst, nur damit jemand eine Antenne auf dich hat.“

 

Den nächsten Vormittag bestritt Ineiau in einen Büro der Sicherheitsabteilung mit der unglaublich eintönigen Aufgabe, die Videoaufzeichnungen von den beiden Gangways zur Sternenbasis zu überprüfen.

Am Nachbartisch bemühte sich Ensign Shurak, Berichte zu lesen, ohne dabei ebenfalls gelangweilt zu wirken.

„Ich habe sie!“, verkündete Ineiau triumphierend und zeigte auf den Bildschirm. Shurak kam sofort an ihre Seite und betrachtete das Standbild einer dunkelhaarigen Vulkanierin in der senfgelben Uniform der Kommandodivision.

„Sie gehört nicht zur Besatzung der Venture, aber das wussten wir ja bereits. Und auf der Sternenbasis und den anderen Schiffen sind keine Vulkanier stationiert.“ Er vergrößerte das Bild und deutete auf das einseitig geschwollene Gesicht der Frau. „Das war eindeutig nach Ihren Kampf, als sie das Schiff wieder verließ. Höchst bedauerlich, dass sie offenbar niemandem begegnet ist, dem die Verletzung und die falsche Farbe der Hämatome aufgefallen wäre.“

„Der Zeitpunkt der Aufnahme passt auch, und ihr Zugang wurde von der Computerüberwachung nicht registriert. Ich frage mich, ob das hier ihre richtigen Haare sind. Sie sind etwa so lang wie meine, und damit viel zu lang, um als Bobfrisur, wie sie Berena hat, frisiert zu werden.“

„Die Haare ändern sich nicht beim Gestaltwandeln?“

„Nur die Farbe. Sonst müssen wir wie auch Sie zur Friseurin gehen“, antwortete Ineiau mit einem Lächeln. „Dann sollte ich jetzt die Aufnahme suchen vom Zeitpunkt ihrer Ankunft auf der Venture.“

Sie wollte schon zur Tastatur greifen, aber Shurak hielt sie davon ab.

„Wenn sie auch in dieser Gestalt auf das Schiff gekommen ist, sollte der Computer die Aufnahme finden.“

Er gab ein paar Befehle ein, und ein paar Augenblicke später erschien neben dem Standbild ein zweites Video der gleichen Frau.

„Sie hatte eine Tasche bei sich. Als sie Venture verließ, hatte sie sie nicht mehr dabei“, stellte Ineiau alarmiert fest.

„Unabhängig davon, was da drin ist, sollten wir sie finden“, erwiderte Shurak.

 

Bei der Suche, an der sich die ganze Besatzung der Venture beteiligte, wurde die Tasche in einem Serviceabteil nahe der Gangway gefunden. Zu Ineiaus Erleichterung enthielt sie nicht die von ihr befürchtete Bombe oder etwas ähnlich Schlimmes, sondern nur die blutbefleckte, rote Schiffsuniform, ein Haarnetz und eine weiße Kurzhaarperücke, die an die Frisur von Berena angepasst war. Zur allgemeinen Enttäuschung gab es weder in der Tasche noch an der Uniform Hinweise auf die Identität der Besitzerin. Die einzige Ausnahme bildete ein Stück Papier mit einer handschriftlichen Notiz.

Berena hatte das Papier Ineiau zum Übersetzen gezeigt, aber auch ihr war die Schriftsprache nicht bekannt.

 

M’Sera, die Erste Wissenschaftsoffizierin und Linguistin der Venture sah vom Computerterminal im Besprechungsraum auf. „Meine erste Mutmaßung war doch korrekt, diese Handschrift basiert auf der antiken Ma’Ryr-Schrift.“

„Eine vulkanische Schriftart?“, fragte überrascht Berena.

„Ja, aber diese Schrift ist eine abgeleitete Variante dieser vulkanischen Schriftart, die selbst seit der Surak-Reformation nicht mehr verwendet wird“, korrigierte sie die alte Vulkanierin, während sie sich weiterhin bemühte, den eigentlichen Inhalt der Notiz zu entschlüsseln.

„Wird die Ma’Ryr-Schrift gar nicht mehr verwendet?“, fragte Ineiau nach.

„Das ist korrekt. Sie wird normalerweise mit denen assoziiert, die Suraks Lehren von Logik und Gewaltverzicht abgelehnt haben.“

„Wenn ich richtig informiert bin, hatten diese Reformgegner Vulkan verlassen, um eine neue Heimat zu suchen. Aber die meisten oder alle dieser Kolonien sind untergegangen.“

„Auch das ist korrekt. Wir wissen von keiner überlebenden Welt der Dissidenten. Und mit ihnen sollte auch die Verwendung der Ma’Ryr-Schriftsprache untergegangen sein. Und trotzdem haben wir hier eine daraus abgeleitete Variante.“

„Warum hat eine Ani eine Notiz in einer seit Tausenden von Jahren nicht mehr verwendeten vulkanischen Schrift? Das Papier kann doch keine Antiquität sein?“, fragte Berena.

„Die Notiz ist mit einem handelsüblichen Filzschreiber und Recyclingpapier auf Algenbasis vor nicht mehr als einer Woche geschrieben worden“, erwiderte Letak vom Chemielabor.

T’Kan überlegte. „In Richtung der bekannten Exodusroute der Dissidenten lag auch Areka, die Heimatwelt der Ani. Besteht die Möglichkeit, dass sie wider Erwarten soweit gekommen sind, dort zumindest eine temporäre Niederlassung gehabt haben und ihre Schrift an die Einheimischen weitergegeben haben?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Angesichts der doch sehr großen Unterschiede zwischen unseren Spezies sollte es doch irgendwelche Erwähnungen oder zumindest Legenden geben, falls wir bereits über zweitausend Jahre vor dem ersten offiziellen Kontakt Vulkanier gesehen hätten. Es gibt zwar einzelne Berichte über kinderentführende Dämonen, aber das dürften Mythen und Märchen sein, die auch lange nach dem Exodus erst in den letzten Jahrhunderten entstanden sind. Und die Ma’Ryr-Schrift hat keinerlei Ähnlichkeiten mit irgendeiner unserer Schriftsprachen“, antwortete Ineiau.

„Außerdem würde eine weitere Projektion dieser Route direkt zu den Romulanern führen, die den Dissidenten mit großer Wahrscheinlichkeit feindselig gegenüber gestanden hätten“, ergänzte Anok.

M’Sera hatte inzwischen ihre Übersetzungsversuche beendet. „Der Inhalt entspricht keiner bekannten Sprache von Vulkan oder Areka. Wahrscheinlich ist er verschlüsselt. Aber ohne Ansatzpunkt und mit den enthaltenen unbekannten Zeichen sehe ich keine Möglichkeit, diese Nachricht zu dechiffrieren.“

„Also möglicherweise wieder eine Sackgasse. Außer wir finden noch ein weiteres Puzzleteil“, überlegte T’Kan.

Ineiau betrachtete den auf dem Besprechungstisch ausgebreiteten Inhalt der gefundenen Tasche. „Wir wissen, dass die Uniform aus einer Kleiderkammer der Sternenbasis entwendet wurde. Aber was ist mit der Perücke? Sie ist recht hochwertig aus Echthaar gefertigt und auf den Haaransatz von Andorianerinnen zugeschnitten. Ich meine, so etwas dürfte auf einer überwiegend von Menschen bewohnten Sternenbasis doch recht selten gekauft werden. Und ich glaube irgendwie nicht, dass die Angreiferin so geduldig war und sie im Versandhandel bestellt hat.“

„Ich habe mit Ensign Falke darüber gesprochen. Sie sagt, dass es hier nur einen Friseur gibt, der solche hochwertigen Echthaar-Perücken im Angebot und auch auf Lager hat. Sie hat bereits den Inhaber und das Personal befragt, aber obwohl die Perücke laut Inventarliste auch wirklich von dort stammen sollte, konnte sich niemand an die Käuferin erinnern“, antwortete Captain T’Kan.

Ineiau stutzte überrascht. „Aber sie erinnerten sich, dass es eine Käuferin und kein Käufer war?“

T’Kan hob irritiert eine Augenbraue. „Ensign Falke sprach von der Person in der weiblichen Form. Und Menschen benutzen normalerweise ein generisches Maskulinum. Wir wissen nicht, ob ihre Angreiferin einen Komplizen hat. Aber falls sie selbst im Friseurgeschäft war, sollte sie doch auch in einer anderen Tarnung für das Verkaufspersonal weiblich aussehen.“

Ineiau stimmte stumm dem mit einer Kopfbewegung zu.

Berena kontrollierte nachdenklich das Größenetikett des Uniformoberteils auf dem Tisch. „Als Ineiau das erste Mal auf der Phantom aufgefordert wurde, meine Gestalt anzunehmen, musste sie mich mit den Händen berühren für ein gutes Ergebnis. Aber diese Ani konnte anscheinend sowohl mich, als auch Ineiau fast perfekt imitieren, obwohl wir ihr vorher nicht begegnet sind. Ist das normal?“

„Es ist zumindest nicht unnormal. Sie ist offensichtlich sehr begabt und auch sehr geübt in der Anpassung. Wahrscheinlich hat sie hochauflösende Bilder von uns als Vorlage benutzt. Das ist etwas, was ich und die Mehrheit von uns nicht überzeugend hinbekommen“, antwortete Ineiau nachdenklich.

„Okay, aber woher hat sie dann Bilder von uns? Womöglich noch aus verschiedenen Perspektiven?“, fragte Berena nach.

Anok gab ein paar Befehle in das Computerterminal ein und auf dem Wandbildschirm erschienen Dreiseitenansichten von Ineiau und Berena. „Aus ihren Personalakten bei Starfleet“, beantwortete er die Frage.

„Ich werde Ensign Falke anweisen, die Zugangsprotokolle für die Personalakten im Computer der Sternenbasis überprüfen zu lassen“, entschied T’Kan. Dann kam ihr sichtbar eine Erkenntnis. „Ineiau, sind Sie Ensign Falke schon einmal begegnet?“

„Nein, sie hatte sich freigenommen, bevor ich ins Büro von Commodore Whittle gebracht wurde“, antworte Ineiau, die erkannte, worauf T’Kan hinauswollte.

„Anok, rufen Sie die Personalakte von Ensign Jasmin Falke auf!“, befahl T’Kan.

Auf dem Wandbildschirm erschien die Dreiseitenansicht einer sympathisch aussehenden, jungen Frau mit blonden Haaren, die mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck in die Kamera sah.

Ineiau betrachte die Bilder gründlich. „Ich glaube nicht, dass sie eine Ani oder meine Angreiferin ist, Captain“, sagte sie nach einer Weile vorsichtig und begann, die aufgelisteten Daten zu studieren. Sie stutzte überrascht „Sie ist recht groß für eine menschliche Frau.“

„Sie ist nur einen Zentimeter kleiner als ich“, stimmte ihr Berena zu, nachdem auch sie die Daten gelesen hatte. Und mit leiser Stimme fügte sie mit einem Blick auf die auf dem Tisch ausgebreitete Uniform hinzu: „Wie auch unsere geheimnisvolle Ani.“

„Ineiau, wie sicher sind Sie sich, dass diese Bilder keine Ani zeigen?“, verlangte T’Kan zu wissen.

„Ich kann mich darin irren, dass sie keine Ani ist. Aber sie ist mit angehender Sicherheit weiblich und nicht meine Angreiferin, Captain“, antwortete Ineiau. Sie rief die medizinischen Berichte der Personalakte auf. „Und diese Daten sind auch die eines Menschen. Wir können unsere Spezies nicht bei einer ärztlichen Untersuchung verheimlichen.“

„Also wieder eine Sackgasse“, sagte T’Kan mit fast hörbarer Enttäuschung in der Stimme und studierte zusammen mit Doktor T’Ra ebenfalls die aufgelisteten Untersuchungsergebnisse.

 

„Commodore, ich habe Captain T’Kan von der Venture für Sie“, meldete Ensign Falke über das Intercom.

„Danke, bitte stellen Sie sie durch, Mrs Falke“, erwiderte Commodore Whittle.

Auf dem Wandbildschirm seines Büros erschien das Abbild der Vulkanierin. Whittle bemerkte zu seiner Überraschung, dass sie einen sichtbar verärgerten Eindruck machte.

„Captain, wie läuft Ihr Teil der Ermittlungen? Commander Ghorman ist ziemlich am Ende seiner Weisheit angelangt.“

„Er wird seine Ermittlungen alleine weiterführen müssen! Wir haben hier schon genug Zeit verschwendet und sind mit unserer Abreise weit hinter dem Zeitplan zurück“, erwiderte T’Kan schroff.

Whittle wechselte überrascht einen Blick mit Falke, die mit seinem Kaffee ins Büro gekommen war. „Was hat Sie so erbost? So kenne ich Sie gar nicht“, fragte er.

„Ich bin aufgrund der jüngsten Ereignisse zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Ensign Ineiau den Angriff auf sich an Bord der Venture selbst inszeniert hat, möglicherweise, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das bedeutet, es gibt keinen weiteren Zusammenhang mit Commander Ghormans Ermittlungen zum Mord und dem Sabotageversuch. Möglicherweise gibt es auch gar keine mysteriöse Ani! Sobald unsere letzten Besatzungsmitglieder an Bord sind, verlassen wir die Sternenbasis.“

„Ich hatte das Gefühl, dass Sie Ensign Ineiaus Bericht glauben würden?“

„Das habe ich auch getan, bis sie heute Morgen so dumm war und sich mit ihrer eigenen Pistole selbst nieder geschossen hat. Möglicherweise wollte sie einen zweiten Überfall vortäuschen.“

„Könnte das nicht einfach ein unglücklicher Zufall gewesen sein?“, fragte Whittle zunehmend irritiert nach.

T’Kan atmete tief durch, und in ihrer Stimme klang etwas weniger Zorn mit. „Vielleicht haben Sie da recht. Ich befürchte, dass ich emotional kompromittiert bin.“ Ihr Zorn wallte wieder hoch. „Es war trotzdem extrem dumm von ihr. Sie sollte eigentlich wissen, wie man eine Waffe sicher handhabt. Sie hätte auch jemand anderen dabei verletzen oder töten können. Damit wird auch Lieutenant Berena mir viel zu erklären haben!“ Sie atmete erneut tief durch, bevor sie wieder minimal ruhiger hinzufügte: „Ich habe Ineiau bereits auf die Krankenstation der Sternenbasis verlegen lassen und hoffe, Ihre Zustimmung dafür zu erhalten, dass ich sie in der Fürsorge Ihres medizinischen Personals lasse.“

„Selbstverständlich, und ich hoffe, dass Sie ihr noch eine zweite Chance geben, wenn sie wieder genesen ist und Sie sich beruhigt haben.“

„Ich bin ruhig! Venture Ende!“, erwiderte T’Kan ganz und gar nicht ruhig.

 

Die asiatische Krankenpflegerin trat in das halbdunkle Patientenzimmer, in dem nur die keuchenden, künstlichen Atemzüge des Lebenserhaltungssystems vom Bio-Bett zu hören waren. Hilflos fühlend drehte Ineiau im Bio-Bett liegend ihren Kopf, um sie trotz der sperrigen Beatmungsmaske sehen zu können. Die Krankenpflegerin trat an das Bett heran, um sich zu vergewissern, dass dort die richtige Patientin lag. Sie lächelte Ineiau mit falscher Freundlichkeit an und zog den Codebrecher aus ihrer Tasche, mit dessen Hilfe sie begann, die Einstellungen des Bio-Bettes zu verändern, ohne dabei einen Alarm auszulösen. Die künstlichen Atemzüge verstummten und die Krankenpflegerin steckte sichtbar zufrieden ihren Codebrecher wieder ein und wandte sich zum Gehen.

„Das war aber nicht nett, Jasmin“, sagte Ineiau mit sanfter Stimme.

Die Krankenpflegerin fuhr zu ihr herum und griff in ihre Kitteltasche. Ineiau hatte inzwischen sich im Bett aufgesetzt, die Bettdecke zurückgeschlagen und die Beatmungsmaske abgenommen. Der Rest des Lebenserhaltungssystems war gar nicht mit ihr verbunden gewesen. Berena und Ghorman traten jetzt ebenfalls mit gezogenen Waffen ins Patientenzimmer. Die Frau fuhr abermals zu den beiden Sicherheitsoffizieren herum.

„Ensign Jasmin Falke, ich verhafte Sie aufgrund der mir von Starfleet Command vergebenen Autorität für den Mord an Sakha Cher-kira-Ke, den dringenden Mordverdacht an der echten Jasmin Falke, der Sabotage an Starbase 8, des zweifachen Mordversuches an Ineiau Cher-kira-Ke und Spionage für eine feindliche Macht. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden“, erklärte Ghorman mit unterdrücktem Zorn, ohne zwischendurch auch nur einmal Luft zu holen.

Ineiau packte ohne Vorwarnung das rechte Handgelenk der falschen Krankenpflegerin und verdrehte es erbarmungslos. Die Handflächenpistole, die sie aus der Kitteltasche gezogen hatte, fiel klappernd auf den Boden. Die Attentäterin sprang ein paar Schritte zurück, nachdem Ineiau sie wieder frei gegeben hatte, und wechselte ihre Anpassung von der asiatischen Krankenpflegerin zurück in ihre übliche Gestalt als Jasmin Falke.

Sie starrte Ineiau hasserfüllt an. „Wie?“

„Sie waren die letzten drei Jahre nicht mehr zur ärztlichen Untersuchung gewesen. Stattdessen haben Sie in Ihrer medizinischen Akte das letzte Untersuchungsergebnis mit jeweils neuen Datum und wechselnden Ärzten kopiert. Und in dem gleichen Zeitraum wurde auch das Bild ihrer Akte nicht mehr aktualisiert. Da konnten wir uns den Rest mit den vorhandenen Hinweisen zusammenreimen. Sie haben genügend Spuren hinterlassen“, antwortete Berena. „Bitte leisten Sie keinen Widerstand und kommen Sie mit uns.“

Falke schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. Als sie die Hände wieder senkte grinste sie jedoch bösartig. „Mein Leben für den Prätor!“, verkündete Sie stolz und zerbiss die Kapsel, die sie sich während der scheinbaren Verzweiflungsgeste in den Mund geschoben hatte. Sie starb an dem Gift, noch bevor das herbeigerufene Notarztteam sie erreichen konnte. Im Tod verlor sie auch die Anpassung als Falke und wurde auch äußerlich wieder eine Ani.

 

„Sie hätten mich einweihen können“, sagte Commodore Whittle vorwurfsvoll. In seinem großen Büro saßen Captain T’Kan, Commander Anok, Doktor T’Ra, Lieutenant Commander Ghorman, Lieutenant Berena und Ensign Ineiau.

„Wir waren uns nicht sicher, und wir wollten die Spionin oder einen möglichen Komplizen nicht vorab warnen“, antwortete T’Kan in ihrem gewohnt ruhigen Tonfall.

„Habe ich die richtige Ensign Falke überhaupt gekannt, oder war es die ganze Zeit diese Hochstaplerin?“

„Da die letzte echte ärztliche Untersuchung zwei Monate vor ihrer Versetzung in Ihren Stab vorgenommen wurde, gehe ich davon aus, dass Sie die echte Jasmin Falke nie gesehen haben“, antwortete T’Kan. „Und auch das Bild für die Personalakte wurde vor diesem Zeitpunkt das letzte Mal aktualisiert.“

„Aber wieso wurde sie durch eine Ani ersetzt? Ich meine, die Doppelgänger gehören doch zu uns …“ Er unterbrach sich, als ihm der eisigen Blick von Berena und die missbilligend hochgezogene Augenbraue von T’Kan bewusst wurde.

„Wir haben aufgrund der zusammengetragenen Indizien und Hinweise eine Theorie erstellt“, begann T’Kan die Erklärung mit einen kritischen Tonfall.

„Im Wohnquartier von Jasmin Falke wurde ein versteckter Subraumsender gefunden. Das Gerät ist für seine Größe erstaunlich leistungsstark, und seine Richtantenne war auf die Neutrale Zone ausgerichtet. Der von ihr verwendete Codebrecher ist wahrscheinlich ebenfalls romulanischer Herkunft. Alles deutet darauf hin, dass Sie für das Romulanische Imperium gearbeitet hat“, fuhr Ghorman fort.

„Und sie war zwar eine Ani, aber ihr Körper weist geringe Inzuchtschäden auf, die durch einen zu kleinen Genpool entstanden sind. Ihr fehlen außerdem typische Isotope, die Bewohner von Areka aufweisen, als hätte sie nie dort gelebt“, fügte T’Ra ihren Teil des Puzzles hinzu.

„Es gibt Geschichten aus den Jahrhunderten vor dem Erde-Romulanischen Krieg, dass von entlegenen Dörfern Kinder von Dämonen verschleppt worden sind. Bisher gingen wir davon aus, dass es sich dabei um reine Märchen handeln würde. Aber es sieht jetzt doch so aus, dass diese Geschichten wahr sind, nur dass es keine Dämonen, sondern Romulaner waren, die dann diese entführten Kinder und deren Nachkommen konditioniert haben, um sie als Spione zu verwenden“, ergänzte Ineiau mit leiser Stimme. „Dazu passen auch die letzten Worte dieser Person.“ Sie vermied es absichtlich, den Namen, der durch die Spionin ersetzten Frau zu benutzen, die wahrscheinlich ermordet worden war.

„Und als mit Sakha eine andere Ani auf Starbase 8 versetzt wurde, hat Falke sie ermordet, um ihre Enttarnung zu verhindern. Aus dem gleichen Grund hat sie dann auch versucht, Ineiau zuerst den Sabotageakt anzuhängen, um sie aus dem Weg zu räumen, und als das nicht klappte, trotz des größeren Risikos einen Mordanschlag an Bord der Venture auf sie verübt“, fuhr Berena mit ihren Anteil der Auflösung fort.

„Wobei sie eigentlich nur hätte warten müssen, bis die Venture mit mir nach einer Woche wieder abgeflogen wäre“, gab Ineiau zu bedenken.

„Möglicherweise war sie darauf konditioniert gewesen, alle anderen Ani schnellstmöglich zu neutralisieren. Wir wissen nicht, wie viel eigenen Willen ihr die Konditionierung wirklich noch gelassen hat“, antwortete T’Ra.

„Also müssen wir in Zukunft davon ausgehen, dass Ani als Spione von den Romulanern eingesetzt werden. Das wird das Vertrauen gegenüber den Chamäleons ziemlich erschüttern“, zog Whittle seinen Schluss.

T’Kan sah ihn erneut mit einer missbilligend erhobenen Augenbraue an. „Wir wissen nach wie vor nicht, wie die Romulaner überhaupt selbst aussehen. Möglicherweise ähneln auch sie einer in der Föderation vertretenen Spezies. Und man sollte dabei auch nicht vergessen, dass wir bereits vor zehn Jahren ein vergleichbares romulanisches Spionageprojekt mit Menschen aufgedeckt haben. Müssen wir deshalb allen Menschen misstrauen?“

„Nein, natürlich nicht“, gab ihr Whittle widerstrebend recht.

 

Berena fand Ineiau im Arboretum der Venture im Gras sitzend. Sie setzte sich daneben.

„Dich beschäftigt immer noch die romulanische Ani?“, fragte sie.

„Ja, ich sehe auch sie als Opfer. Sie war ohne ihre Einwilligung von den Romulanern als reines Werkzeug zur Spionage erzogen und dazu konditioniert, ihre Artgenossen zu töten und sich bei einer Entdeckung auch selbst zu töten.“

„Wir wissen nicht, ob die Romulaner überhaupt ein Konzept für einen freien Willen haben. So ziemlich das Einzige, was wir von ihnen wissen, ist, dass sie sich lieber selbst umbringen, als dass sie sich in Gefangenschaft begeben.“

„Und ich weiß nicht einmal ihren richtigen Namen“, sagte Ineiau.

„Hey, zermarter dir jetzt nicht wieder den Kopf über etwas, was du nicht ändern kannst!“

Ineiau atmete durch und lächelte traurig. „Du hast ja recht!“

„Und außerdem schuldest du mir noch eine Revanche in BattleTech. Nochmal entkommen deine Mechs mir nicht.“

„Wir werden sehen“, antwortete Ineiau jetzt wieder etwas lebhafter.

 

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