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Starship Shiva

von Thilo

Das Geisterschiff

Im Jahr 2239

 

„Persönliches Logbuch Ensign Ineiau Cher-kira-Ke, USS Venture NCC-1199 – Sternzeit 2239.1206: Unser Forschungsschiff hat ihre Versorgung durch den Frachtschlepper Tallin abgeschlossen, und wir haben den Rendezvouspunkt bei Luiten 1230 verlassen, um unsere Erforschung des Canopus-Spiralarms fortzusetzen. Für mich beginnt damit meine zweite Fünf-Jahres-Mission als Botanikerin auf diesem fast ausschließlich mit Vulkanierinnen besetzten Schiff. Die einzig andere Nichtvulkanierin außer mir an Bord ist meine liebe Freundin, unsere andorianische Sicherheitschefin Lieutenant Berena.“

 

Im als Schießstand hergerichteten Backbord-Hangar der Venture wurde Ineiau von Lieutenant Berena erwartet. Andere Besatzungsmitglieder im Hangar wurden bereits von den Sicherheitskräften eingewiesen oder machten Schießübungen.

„Schon wieder?“, fragte Ineiau überrascht.

„Schon wieder!“, bestätigte Berena mit einem zufriedenen Grinsen. „Wir haben bei der Versorgung durch die Tallin neue Handfeuerwaffen bekommen.“

Sie führte Ineiau zu der Werkbank, auf der neben den vertrauten Impulspistolen mehrere scheinbar zerlegte Waffen lagen. Berena nahm eine Handflächenpistole vom Tisch und zeigte sie Ineiau, nachdem sie sich sorgfältig vergewissert hatte, dass die Waffe gesichert und nicht geladen war.

„Das sind die neuen Phaserpistolen. Die Leistung lässt sich in sechzehn Stufen umstellen von leichter Betäubung bis Töten, und es gibt verschiedene Werkzeugeinstellungen zum Schneiden, Aufheizen oder anderem. Darauf komme ich nachher noch genau zurück. Die Basisausführung ist diese als Typ 1 bezeichnete Taschenversion, die sich mit wenigen Handgriffen in eine vollwertige Pistole vom Typ 2 aufrüsten lässt.“ Sie nahm einen Pistolengriff von der Werkbank und klipste die kleine Waffe dort ein. „In dieser Form hat sie den stärkeren Emitter und die zusätzliche Energiezelle des Pistolengriffes.“

Ineiau betrachtete die zusammengesetzte Waffe skeptisch. „Wer hat das Ding entwickelt? Ikea?“, fragte sie und bezog sich dabei auf zwei Möbelketten von der Erde und Andoria, die unabhängig voneinander mit auffallend ähnlichen Geschäftskonzepten und sogar identischen Namen entstanden waren.

Berena grinste zustimmend. „Das war auch mein erster Gedanke. Ich habe mit Commander Turner von der Phantom darüber gesprochen, und er teilt unsere Meinung über die neuen Phaserpistolen. Er sieht sie mehr als Werkzeuge an, statt als Waffen. Sie sollten damit gut geeignet für wissenschaftliche Mitglieder eines Außenteams sein, aber weniger für richtige Kampfeinsätze. Er hat mir empfohlen, dass ich versuchen soll, für meine Sicherheitsabteilung die militärischen Phaserpistolen, die für die Marines bestimmt sind, zu bekommen. Die sind zwar nicht so flexibel einsetzbar, aber dafür robuster und weniger verspielt. Aber da wir die jetzt nicht haben, werden wir euch trotzdem an diesen Phasermodellen einweisen und sie als Sicherheitskräfte an Bord benutzen, eben wegen der vielseitigen Einstellmöglichkeiten. Da man bei ihnen nicht mehr auf den Vorhalt achten muss, solltest du auch bessere Ergebnisse mit ihnen erzielen als mit Impulspistolen.“

Ineiau fiel jetzt auf, was sie die ganze Zeit an der Phaserpistole vermisste. „Wo ist die Visierung?“

Berena drückte auf einem Knopf an der Basiswaffe, und ein Prisma klappte hoch. „Die Visierung ist ausklappbar. Ich kann aber noch nicht sagen, wie stabil und zuverlässig das wirklich ist.“

Ineiau seufzte und bereitete sich auf einem langen Nachmittag im Hangar vor.

 

Berena und Ineiau räumten gemeinsam das Tabletop-Spiel wieder in seinen Karton und beseitigten damit die Spuren der vernichtenden Niederlage, die Berena ihrer Freundin zugefügt hatte. Berena fand, dass sie besonders gründlich gewesen war dieses Mal.

„Ich hatte erwartet, dass deine BattleTech-Taktiken endlich besser als deine Trefferquote mit Schusswaffen wären, Doppelgänger“, zog sie Ineiau zufrieden und mit freundlichem Spott auf.

„Werde jetzt bloß nicht übermütig! Das nächste Mal erwische ich dich“, entgegnete Ineiau mit einen Grinsen und nahm wieder einmal ihre Niederlage gutmütig hin.

Berena holte vom Getränkeautomaten des verwinkelten Aufenthaltsraums für sie beide Kaffee, mit Hafermilch für Ineiau und mit Greykwurzel für sich selbst, während ihre Freundin den Spielekarton wieder im Wandschrank verstaute.

Berena war als andorianische Frau für vulkanische oder menschliche Verhältnisse außergewöhnlich groß, aber trotzdem wurde sie von Ineiau, deren Größe sie jetzt wieder bewusst sah, weit überragt. Für sie war der Anblick der großen Ani mit ihren weißgrauen, drachenartigen Gesichtszügen und dem schwarzgrünen Haar trotz der Andersartigkeit immer wieder bemerkenswert und … überraschend anziehend.

Sie wusste, dass Ineiau durchaus normal in dem erstaunlich weiten Spektrum der Körpergrößen von Ani lag. Und sie hatte inzwischen auch während eines sehr privaten Gesprächs das Geschlecht ihrer Freundin erfahren, obwohl es ihnen beiden eigentlich im Prinzip gleichgültig war.

Ineiau wählte eine der Sitzecken bei dem großen Fenster des Aufenthaltsraums aus, und Berena folgte ihr mit dem Kaffee.

Berena betrachtete die unwirtliche Eiswelt, die an diesem Morgen von der Venture erreicht worden war.

„Und das war wirklich vor ein paar Jahrhunderten noch eine bewohnbare Welt?“, griff sie das Thema abermals auf. Sie wusste bereits einiges über diesen Planeten, aber Ineiau war vor ihrem Treffen im Aufenthaltsraum bei einer Konferenz der Wissenschaftler dabei gewesen und hatte möglicherweise inzwischen neue Erkenntnisse erhalten.

Ineiau sah ebenfalls mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck aus dem Fenster. „Ja, diese Welt ist vor rund dreihundert Standardjahren in einem extrem harten Nuklearen Winter versunken. Es haben nur wenige arktische Lebensformen am Äquator überlebt. Und es gibt Anzeichen, dass die untergegangene Zivilisation von dieser Welt sich nicht selbst zerstört hat, sondern einer anderen Macht zu Opfer gefallen ist. Captain T’Kan hat die Theorie aufgestellt, dass die fast gleichzeitig untergegangene Kultur auf Luiten 2340, deren Reste wir kürzlich entdeckt haben, diese Macht gewesen sein könnte und sich beide Zivilisationen in einem Krieg gegenseitig vernichtet haben“, antwortete Ineiau und nahm dankbar ihren Kaffeebecher entgegen, nachdem beide sorgfältig darauf geachtet hatten, dass sie jeweils den Richtigen erhielten.

Den Kaffee der jeweils anderen zu trinken, war eine Erfahrung, die beide nicht noch einmal wiederholen wollten, dachte sich Berena. „Dann wird es wahrscheinlich für dich und die anderen Botaniker nicht viel Arbeit geben“, vermutete sie.

Ineiau setzte lächelnd ihren Kaffeebecher ab. „Richtig, das heißt zumindest nicht auf dem Planeten. Lieutenant Soran hat angekündigt, dass er die Zeit ausnutzen möchte, um die Hydroponik 3 wieder komplett umzustellen. Ich bin nur froh, dass ich weiterhin Ensign Seela in der zweiten Brückenwache an der Sensorenkontrolle vertrete.“

„Das kann ich mir vorstellen. Ich hoffe nur, dass dabei nicht wieder die ganzen Flure überschwemmt werden, wenn die Pflanzbecken zwischen den Hydroponikabteilungen hin und her verschoben werden“, stimmte Berena ihr mit einen Grinsen zu.

 

Am nächsten Morgen begab sich Ineiau vor ihrer Schicht auf der Brücke zum Frühstück in den rechten Speiseraum. Zu ihrer Überraschung war sie die einzige Person dort. Normalerweise war immer eine Handvoll Besatzungsmitglieder zu dieser Tageszeit im Speiseraum. Sie ließ sich ihr Tablett mit einem absolut unvulkanischen Menü aus Milchkaffee, Grapefruitsaft und Vollkornbrötchen mit Blauschimmelkäse vom Nahrungsprozessor zusammenstellen und wählte einen Tisch direkt an einem der beiden großen Fenster mit Blick auf die unter ihnen liegende Eiswelt. Sie stellte leicht nervös fest, dass in der Zwischenzeit niemand in die Messe gekommen war und sie bewusst niemand auf dem kurzen Weg von ihrer Kabine hierher gesehen hatte. Sie versuchte, ihre Beobachtung als Zufall und ihre Besorgnis darüber als albern abzutun. Ihre Besorgnis brodelte jedoch wieder hoch, als sie die Ansage von Berena über die Bordsprechanlage hörte.

„Brücke an alle! Wer ist noch da? Sofort bei mir melden!“

Sie ließ ihr unangerührtes Frühstück stehen und ging zum nächsten Intercom.

„Ineiau an Brücke. Ich bin in der rechten Messe, und ich habe bisher niemanden sonst gesehen. Was ist passiert?“

Sie konnte deutlich die Erleichterung in Berenas Stimme hören. „Dem Eis sei Dank! Zumindest du bist noch da! Komm sofort auf die Brücke! Die gesamte Besatzung scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.“

„Ich bin unterwegs! Ineiau Ende“, erwiderte Ineiau zu gleichen Teilen verwirrt und beunruhigt.

Sie verließ den leeren Speiseraum.

 

Auf der Brücke erwartete Berena sie bereits. Sonst war niemand da. Berena saß nervös aussehend mit zuckenden Antennen an der Pilotenstation.

„Hast du irgendjemanden gesehen?“, fragte sie.

„Niemanden!“, antwortete Ineiau inzwischen mit unterdrückter Angst in der Stimme.

„Zumindest ist der Orbit stabil, und der Autopilot ist aktiviert“, erwiderte Berena nachdem sie mit der Inspektion der Steuerkonsole fertig war.

„Kennst du dich mit der Schiffsteuerung aus?“, fragte Ineiau.

„Mehr oder weniger. Ich habe eine Ausbildung als Shuttlepilotin, aber nicht als Sternschiffpilotin. Selbst von der Größe abgesehen, gibt es da doch viele Unterschiede.“

Ineiau atmete durch und versuchte, ihre aufkeimende Angst zu bändigen. „Hast du das Schiff mit den internen Sensoren durchsucht?“

Berena schüttelte den Kopf. „Nein, damit kenne ich mich nicht aus.“

Froh, tätig zu werden, ging Ineiau gefolgt von Berena zur Sensorenkontrolle neben der Wissenschaftlichen Station. Als sie sich setzte, bemerkte sie mit Unbehagen, dass der Sessel sich kühl anfühlte, obwohl sie normalerweise noch recht lange die hohe Körpertemperatur eines Vulkaniers an dem Material fühlte. Schnell und geübt scannte sie das Schiff Deck für Deck. Zuerst suchte sie nach humanoiden Lebensformen, fand aber nur Berena und sich selbst. Danach scannte sie das Schiff allgemein nach Lebensformen, aber auch da fand sie nichts außer ihnen beiden.

„Nichts“, sagte sie enttäuscht. „Selbst die vulkanischen Wüstenknäule von Oveenk und T’Ra sind nicht da!“

„Was ist mit dem Planeten?“

„Da wird der Scanzyklus länger dauern. Aber die Welt ist weitgehend unbewohnbar. Der einzige für humanoides Leben geeignete Raum ist der Äquator, und selbst du würdest da nicht lange überleben.“ Sie justierte die Schiffssensoren neu und begann, den Planeten zu scannen. „Wir kriegen erst in etwa zwei Stunden das Ergebnis“, sagte sie frustriert. „Sind die Shuttles noch alle da?“

Berena ging zur Ingenieursstation und las dort die Anzeigen ab. „Die Fähren, Beiboote und Rettungskapseln befinden sich alle an Bord. Und laut dem Transporterlog hat sich niemand runter gebeamt. Wo sind die nur abgeblieben?“

Ineiau überprüfte das Sensorlogbuch. „In den letzten vierundzwanzig Stunden hat es keinen Kontakt mit einem anderen Raumschiff gegeben.“

„Ich habe zuletzt gestern Abend, bevor ich ins Bett ging, andere Besatzungsmitglieder gesehen. Das war etwa um 22:00 TEZ“, überlegte Berena.

„Das Gleiche gilt für mich. Ich habe zuletzt um 20:45 TEZ meine Kabine verlassen und irgendwann gegen 23 Uhr noch eine Durchsage gehört.“

Berena kam sichtbar ein schrecklicher Gedanke, und sie sah entsetzt auf. „Hast du den Weltraum gescannt?“

„Nein, ich müsste den Planetenscan abbrechen, wenn ich das jetzt sofort machen soll.“

Berena kam von der Ingenieursstation wieder zu Ineiau und setzte sich neben ihr an die Wissenschaftliche Station. „Nein, lass den Planetenscan laufen. Auf dem Planeten besteht eher eine Chance, sie lebend zu finden als im Weltraum. Dort wären sie auf jeden Fall schon lange tot.“

Ineiau nickte zustimmend. „Können wir von der Brücke aus feststellen, ob die Außenschleusen benutzt worden sind oder Raumanzüge fehlen?“

„Zumindest die Schleusen können wir von hier überprüfen“, antwortete Berena und begab sich wieder zur Ingenieursstation, um dort die entsprechenden Anzeigen zu suchen. „Nein, es wurden weder die Außenschleusen, noch die Hangartore geöffnet. Das finde ich zumindest etwas beruhigend.“

„Ich auch! Gibt es sonst etwas, das wir von hier aus überprüfen können?“

„Ich glaube nicht. Kennst du dich mit der Kommunikation aus?“

„Ein wenig. Es ist nicht wirklich mein Fachgebiet“, antwortete Ineiau etwas verlegen.

„Meins erst recht nicht, sonst würde ich nicht so dumm fragen. Wir sollten sehen, dass wir einen Notruf an die nächste Sternbasis absetzen können.“

„Das sollten wir dann aber mit einer chiffrierten Nachricht machen. Ich möchte nicht irgendwelche Plünderer anlocken.“

„Guter Hinweis! Dann hoffe ich, dass wir das hinkriegen.“

Sie gingen gemeinsam zur Kommunikationsstation. Berena forderte Ineiau mit einer Geste auf, sich an die Konsole zu setzen, während sie daneben stehen blieb. Gemeinsam gelang es ihnen, eine Nachricht an Starbase 26 zu chiffrieren und abzusenden. Zu ihrer beider Enttäuschung würde das Signal volle drei Tage benötigen, um die Sternbasis zu erreichen. Sie waren einfach zu weit entfernt, und es gab keine signalverstärkenden Kommunikationssatelliten zwischen ihnen und der Sternbasis.

„Musst du den Planetenscan weiter beaufsichtigen?“, fragte Berena.

„Nein, ich kann mir das Ergebnis auf ein Datenpad oder einen Tricorder geben lassen.“

„Gut, dann sollten wir jetzt als Nächstes das Schiff nach Hinweisen durchsuchen. Und ich möchte nicht, dass wir uns dafür trennen.“

„Ich auch nicht! Es ist schon so unheimlich genug“, antwortete Ineiau trotz der auf vulkanische Verhältnisse eingestellten Umweltkontrolle mit einem Frösteln.

„Am besten gehen wir zuerst in die Sicherheitsabteilung und besorgen uns Tricorder und Waffen“, beschloss Berena.

Trotz ihrer stärker gewordenen Abneigung gegenüber Waffen stimmte Ineiau ihr zu.

 

In der Sicherheitsabteilung gingen sie zur Waffenkammer. Nach kurzem Abwägen legte Berena ihre Phaserpistole ab und nahm stattdessen für sie beide zwei der älteren, klobigeren Impulspistolen aus dem Waffenschrank.

„Ich weiß, dass die keinen Betäubungsmodus haben, aber ich möchte jetzt lieber etwas Robustes und Zuverlässiges haben, statt des Ikea-Spielzeugs“, erklärte sie, während sie die Pistolen mit Gaskapseln und Energiezellen lud. „Außerdem triffst du mit denen eher etwas als mit einem Phaser.“

Ineiau stimmte ihr nach kurzem Widerstreben zu und nahm eine der Pistolen mit dem passenden Holster entgegen. Dann holte sie aus einem anderen Schrank zwei Tricorder, überprüfte deren Funktion und gab einen an Berena weiter.

„Okay, du bist die Senior-Offizierin, wo fangen wir jetzt an?“, fragte Ineiau mit einen leicht erzwungenen Lächeln. Dann hatte sie jedoch eine Idee. „Ich glaube, wir könnten nebenan in der Krankenstation etwas finden!“

„Gut, dann fangen wir dort an.“

 

In der leeren Krankenstation sahen sie sich um. Ein Wandschrank mit offenstehenden Türen und davor auf dem Boden verstreuten medizinischen Instrumenten deutete an, dass jemand mitten in der Arbeit verschwunden war. Ineiau führte Berena in eines der beiden Patientenzimmer und ging zu einem immer noch angeschalteten Bio-Bett.

„Crewmember D’Pera hatte gestern einen Unfall während der Fährenwartung und hat dabei Plasmaverbrennungen am Bein erlitten. Doktor T’Ra wollte sie für die nächsten zwei Tage zur Beobachtung in der Krankenstation behalten“, erklärte Ineiau.

„Ja, das wusste ich. Aber sie ist doch wie die anderen verschwunden“, erwiderte Berena irritiert.

„Das ist korrekt, aber wir sollten am Bio-Bett zumindest sehen können, wann das geschehen ist. Und vielleicht auch, was mit ihr passiert ist.“ Ineiau rief die gespeicherten Daten des Bio-Bettes ab.

„Okay, das ist dann doch eine gute Idee!“, berichtigte Berena sich.

„Die Datenübertragung endete heute Morgen um 4:36 TEZ. Es gibt keine Anzeichen für eine vorherige körperliche Veränderung. Auch ihr Herzschlag war bis zum Ende gleichmäßig und nicht beschleunigt.“

„Sag bitte nicht bis zum Ende! Das könnte bedeuten, dass sie nichts vorab bemerkt und gespürt haben“, überlegte Berena.

Ineiau stimmte ihr zu während sie bereits wieder das Patientenzimmer verließen und in den Hauptraum der Krankenstation traten. Sie begannen, die Krankenstation nach weiteren Hinweisen zu durchsuchen.

Ineiau stoppte, als sie die vier Probenfläschchen auf dem Schreibtisch im Büro von Doktor T’Ra entdeckte.

„Was ist mit den Fläschchen?“, fragte Berena, als Ineiau eines aus dem Ständer nahm.

„Sie sind leer, obwohl sie Namensetiketten haben. Diese werden normalerweise erst aufgeklebt, wenn sie gefüllt werden.“

Berena sah sich die Probenfläschchen mit ebenfalls gewecktem Interesse an. „D’Pera. Aber was war drin?“

„Blutproben“, erwiderte Ineiau.

Berena kam eine Idee. „Weißt du, wo die Blutkonserven sind?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Sie sind in Stasis. Aber ich weiß nicht, wo.“ Sie setzte sich an den Schreibtisch und schaltete dessen Computerterminal an in der Hoffnung, dass Doktor T’Ra es nicht gegen Zugriff von Dritten gesperrt hatte. Zu ihrer Erleichterung war das Terminal zwar gesperrt, aber es akzeptierte ihre Freigabe. „Der Stasiscontainer für die Blutkonserven steht im Medizinischen Labor. Und er sollte achtunddreißig Liter Blutkonzentrat in sechsundsiebzig Beuteln enthalten“, stellte sie nach kurzer Suche fest.

„Alles vulkanisches Blut?“, fragte Berena.

„Nein, es sind außerdem je ein Liter andorianischer Typ K-9 und ani Typ EE-2 enthalten. EE-2 ist meine Blutgruppe. K-9 dürfte dann wahrscheinlich für dich sein.“

Berena bestätigte das mit einen Nicken, während sie schon zum Medizinischen Labor vorging.

Sie fanden dort schnell den Stasiscontainer und konnten ihn auch ohne Probleme öffnen. Zu ihrer beider Überraschung enthielt er außer je zwei Beuteln schwarzem und blauem Blutkonzentrat nur zahllose leere Beutel.

„Wenn das vulkanische Blut weg ist, warum ist dann unseres noch da?“, fragte Berena entgeistert und sah sich gleichzeitig um.

Ineiau konnte die Frage ebenfalls nicht beantworten.

Berena hatte einen zweiten Stasiscontainer entdeckt und zeigte auf ihn. „Könnten darin die fehlenden Blutkonserven sein?“

Ineiau untersuchte die Inhaltsangabe des zweiten Containers. „Nein, da drin wird das synthetische Blutplasma gelagert.“

„Gibt es da auch Unterscheidungen nach verschiedenen Spezies?“

„Nein, es ist ein universelles, neutrales Blutplasma, welches für die meisten Spezies geeignet ist.“

„Beeindruckend, dass du das alles weißt.“

„Aber nur, weil ich es selbst auf der Phantom nach meiner Verletzung bekommen habe und es das Einzige war, was Doktor Leif Andersen mir geben konnte, weil keine kompatiblen Blutkonserven vorhanden waren.“

Berena nickte grimmig. Dann deutete sie auf den Container. „Ist das Blutplasma noch da?“

Ineiau öffnete den Stasiscontainer, der vollständig gefüllt war.

Berena setzte sich auf eine Tischkante. „Okay, gibt es noch einen Ort, wo vulkanisches Blut sein könnte?“

Ineiau überlegte und sah sich um. „Wenn, dann könnten Blutproben hier im Labor sein. Ich weiß jetzt natürlich nicht, wie oft die Laborantinnen Proben bekommen und wie lange sie aufbewahrt werden. Ich bin Botanikerin und keine Medizinerin.“ Sie entdeckte einen Kühlschrank und öffnete ihn vorsichtig. Im mittleren Fach stand darin unter anderem ein Tablett mit Probenfläschchen. Sie holte es heraus, um den Inhalt der Flaschen zu kontrollieren. Bis auf zwei waren alle leer. „Lieutenant Berena NoKare“, las Ineiau mit einem angedeuteten Lächeln den Namen auf den Etiketten der gefüllten Fläschchen vor.

 

Sie entschieden sich dafür, das Schiff systematisch von oben nach unten zu durchsuchen. Da auf Deck 1 nur die Brücke lag, fingen sie auf Deck 2 an. Außer zwei Konferenzräumen und den Büros des Captains und des Ersten Offiziers gab es dort nur Computerräume und Serviceabteilungen.

Nachdem sie gerade mit der Durchsuchung fertig waren, piepte Ineiaus Tricorder um ihr mitzuteilen, dass der planetare Scan abgeschlossen war.

„Nichts! Auf dem Planeten ist niemand, weder tot noch lebendig“, sagte Ineiau enttäuscht nach dem Ablesen des Ergebnisses.

„Dann sollten wir wieder auf die Brücke gehen und einen neuen Scanzyklus des Weltraumes starten“, erwiderte Berena mit bitterem Tonfall.

 

Auf der Brücke kontrollierte Berena noch einmal an der Pilotenkonsole die sichere Umlaufbahn und den Autopiloten, während Ineiau die Sensoren für einen neuen Scan programmierte.

Sie vermieden die Turbolifte und benutzten das zentrale Treppenhaus, um ihre Suche auf Deck 3 fortzusetzen.

Dort fingen sie mit der Kabine von Captain T’Kan an. Auf den ersten Blick sah alles ordentlich und aufgeräumt aus. Ineiau blickte um den Raumteiler herum, schnappte nach Luft und wich instinktiv von dem flackernden, doppelten Schemen zurück. Berena sprang mit der Waffe im Anschlag vor, um sie zu beschützen und zu sehen, was sie entdeckt hatte.

Sie entspannte sich und senkte die Waffe. „Das ist nur die holographische Skulptur, die Captain T’Kan gehört.“

Ineiau atmete vorsichtig aus und senkte ebenfalls ihre Pistole. „Es tut mir leid, ich hatte nicht gewusst, dass sie so etwas hat.“

„Sie stand ursprünglich in ihrem Büro. Als du an Bord gekommen bist, hat sie sie in ihr Quartier umstellen lassen. Und deiner Reaktion nach kenne ich jetzt auch den Grund dafür“, antwortete Berena mit einem verständnisvollen Lächeln.

Mit immer noch wild klopfenden Herzen setzte Ineiau ihre Inspektion der Kabine fort und vermied es dabei, in die Richtung der Skulptur zu blicken. „Gibt es noch mehr solcher Holographien an Bord?“

„Ich weiß es nicht. Ich kenne nur diese hier, weil sie eben vorher im Büro des Captains stand.“

„Okay, dann bin ich das nächste Mal zumindest vorgewarnt.“

Ineiau öffnete die Schiebetür zum Schlafbereich. Das zerwühlte Bett und die ordentlich bereitgelegte Kleidung deuteten darauf hin, dass Captain T’Kan geschlafen hatte als sie zusammen mit den anderen Vulkaniern verschwunden war. „Ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken. Und in diesem Tempo werden wir Tage brauchen, bis wir das ganze Schiff durchsucht haben.“

„Ich weiß, aber möchtest du lieber irgendwo sitzen und Däumchen drehen?“

„Nein, bloß nicht. Mit der Suche bin ich wenigsten etwas abgelenkt und tue auch etwas.“

Sie wurden von Ineiaus knurrenden Magen beinahe übertönt.

„Dein Magen ist aber auch laut, wenn du hungrig bist! Hattest du heute schon etwas gegessen?“, fragte Berena mit einem Grinsen.

„Nein, ich wollte gerade frühstücken, als ich deine Durchsage hörte.“

„Dann sollten wir sehen, ob dein Frühstück noch essbar ist. Und ich brauche ebenfalls langsam etwas zu essen, auch wenn mein Magenknurren niemals an deines herankommen wird. Sind alle Ani so laut, wenn sie hungrig sind?“

 

Sie begaben sich zum rechten Speiseraum auf Deck 4. Ineiau entschied, dass ihr Saft und ihre Brötchen noch in Ordnung waren, und brachte nur ihren schon lange kalt gewordenen Kaffeebecher zum Rückgabefach, um sich dann einen frischen Kaffee zu bestellen. Berena wählte währenddessen ihr eigenes Frühstück und wartete darauf, dass der Nahrungsprozessor es zubereitete und ausgab.

Sie gingen gemeinsam zum Tisch, auf dem Ineiaus Frühstück noch stand.

Ineiau hatte sich inzwischen daran gewöhnt, den Anblick von Berenas typisch andorianischer Speiseauswahl mit viel Fleisch und rohem Fisch zu ignorieren. Zumindest hatte Captain T’Kan zur Erleichterung der gesamten Besatzung persönlich Berenas bevorzugten Kaffee mit fermentierten Fisch aus der Rezeptliste der Nahrungsprozessoren gelöscht.

Sie aßen gemeinsam und diskutierten dabei, was auf der Venture eigentlich passiert war.

Als sie gerade aufbrechen wollten, um ihre Suche fortzusetzen, piepte wieder Ineiaus Tricorder.

Sie las das Ergebnis ungläubig ab. „Der Scan hat sie lebendig auf dem kleineren Mond des Planeten gefunden!“

„Die Monde haben doch beide keine Atmosphäre. Sind sie in einer Höhle oder etwas Ähnlichem?“

„Sie scheinen zumindest unterirdisch zu sein. Ich würde gerne auf die Brücke gehen und den Mond gezielt untersuchen.“

„Selbstverständlich machen wir das!“, entgegnete Berena.

 

„Sie sind weit unter der Oberfläche und dieser zerstörten Mondbasis. Das könnte eine Art Kommandozentrale für den darunter liegenden Komplex gewesen sein. So, wie ich das sehe, sind sie damit außer Reichweite des Transporters, aber es scheint irgendwas sowohl die Scanner, als auch den Transporter zu stören“, erklärte Ineiau, nachdem sie das Ergebnis des Scans ausgewertet hatte. „Ich vermute, dass wir den Komplex wegen dieser Sensorstörung nicht vorher entdeckt haben.“

„Die Basis sieht aus, als hätte jemand eine Atombombe darauf geworfen“, ergänzte Berena über ihre Schulter sehend.

„Ich vermute, dass das wirklich der Fall gewesen sein könnte. Die Zerstörung sollte etwa zeitgleich mit dem Untergang der Zivilisation auf dem Planeten geschehen sein, also vor rund dreihundert Jahren. Der unterirdische Komplex, in dem die Besatzung sich aufhält, hat offenbar eine eigene Energieversorgung, die noch tiefer im Mondinneren liegt. Es sieht für mich nach einem Fusionsreaktor aus.“

„Okay, aber wie sind sie dahin gekommen? Wir wissen, dass sie heute um 4:36 TEZ von hier verschwunden sind. Können wir sehen, ob zu dem Zeitpunkt die Schiffssensoren irgendetwas registriert haben?“, fragte Berena.

Ineiau öffnete das Sensorlog und sprang kurz vor die genannte Zeit. Gemeinsam suchten sie in der Datenflut nach Auffälligkeiten.

„Da ist eine geringe Energiesignatur unmittelbar vor dem Transport der Besatzung. Das könnte eine Art von Sensorscan gewesen sein.“ Ineiau zeigte auf den entsprechenden Eintrag.

„Wurde diese Energiesignatur noch einmal geortet?“, fragte Berena jetzt leicht beunruhigt.

Ineiau gab eine Suchanfrage in das Sensorlog ein. „Zuletzt vor zwölf Minuten. Es sieht so aus, als würde die Venture in ihrem Orbit während jeder Planetenumkreisung zwei solcher Felder durchqueren.“

Berena fluchte etwas Blasphemisches in ihrer Muttersprache. „Kannst du diese Sensorfelder genau lokalisieren? Und sind sie statisch oder bewegen sie sich?“

Ineiau studierte ebenfalls beunruhigt ihre Anzeigen. „Sie sind statisch. Ich übermittle die Koordinaten an die Navigation.“

Berena verließ sie, um an den Navigations- und Pilotenkontrollen zu arbeiten. Auf dem Hauptbildschirm veränderte sich die Ansicht auf dem Eisplaneten, während die Venture in eine neue Umlaufbahn wechselte.

Sie kehrte zu Ineiau an die Sensorkontrolle zurück. „Wenn wir laufend durch dieses Sensorfeld geflogen sind, warum ist dann die Besatzung nicht schon unmittelbar nach unserer Ankunft verschwunden? Und warum sind wir beide immer noch hier?“

„Haben wir vielleicht kurz vor 4:36 TEZ unseren Orbit geändert? Vielleicht im Rahmen eines planetaren Scans oder etwas Ähnlichem?“

Berena ging zurück zur Navigationskonsole und rief deren Log auf. „Um 4:28 TEZ hat die Venture eine Kurskorrektur vorgenommen, um Satellitenwracks auszuweichen. Ihr vorheriger Orbit hat nicht die Sensorzonen gekreuzt.“

Ineiau überlegte laut: „Beim wahrscheinlich ersten Kontakt mit einer dieser Sensorzonen wurden sämtliche Vulkanier, Wüstenknäule und sogar die vulkanischen Blutkonserven in diese unterirdische Anlage gebeamt. Wir beide sind nicht betroffen, weil wir offenbar irgendwie anders sind und nicht in die Zielgruppe der Anlage fallen. Körperliche Unterschiede möchte ich eigentlich ausschließen, immerhin sind Vulkanier uns deutlich ähnlicher als Wüstenknäule. Da außerdem die vulkanischen Blutkonserven betroffen sind, könnte es also mit der Zusammensetzung unseres Blutes zusammenhängen?“

„Vulkanisches Blut hat im Gegensatz zu meinem Blut eine Kupferbasis. Hat dein Blut eine Kupferbasis?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Nein, unser Blut hat wie das von Erdenmenschen und Tellariten eine Eisenbasis, trotz der unnatürlich roten Farbe von deren Blut.“

„Ja, das Blut der Pinkies sieht echt seltsam aus“, konnte Berena sich mit einen Grinsen nicht verkneifen, wobei sich Ineiau nie ganz sicher war, ob sie mit dem Begriff Menschen oder Tellariten meinte. Berena wurde wieder ernst. „Also könnte es sein, dass diese Anlage alles mit Blut auf Kupferbasis zu sich beamt. Diese Welt befindet sich nach einem alles vernichtenden Krieg in einem Nuklearen Winter. Könnten vielleicht die Feinde der Erbauer dieser … Falle ebenfalls Blut auf Kupferbasis gehabt haben?“

„Das kling für mich plausibel. Demnach wäre das Ziel der Falle, alle Lebensformen mit Blut auf Kupferbasis habhaft zu werden. Lebensformen mit anderer Blutbasis werden ignoriert. Dann befänden die Vulkanier sich jetzt in einer Art von Kerker. Aber wie kriegen wir sie wieder zurück?“

Berena studierte die Anzeigen an der Sensorstation, bevor sie über Ineiau hinweg eine kurze Anfrage eingab. „Wenn wir einen Signalverstärker da hinab bringen könnten, wäre das Transportersignal ausreichend stark, um sie wieder zurück aufs Schiff zu beamen.“

„Hast du schon eine Idee, wie wir den Signalverstärker dorthin kriegen?“

„Ja, wir haben in der Sicherheitsabteilung für Infiltrationen tragbare Bioblocker. Damit kann eine Person sich für Sensoren mit der Biosignatur einer anderen Spezies tarnen. Wenn ich mich mit einem davon als Vulkanierin maskiere, und wir die Venture wieder in eine der Sensorzonen bringen, beamt die Falle mich zu den anderen. Da ich den Signalverstärker mitnehme, kannst du dann uns alle zurückbeamen.“ Berena sah Ineiau triumphierend an.

„Berena, das klingt ja schön und gut, aber ich habe keine Ahnung, wie ich den Transporter bedienen soll und das Schiff kann ich ebensowenig steuern, damit es nicht gleich wieder in die nächste Sensorzone reinfliegt, während wir unsere Leute zurückholen“, wandte Ineiau ein.

Berena sah sie enttäuscht an und überlegte. „Ich würde sehr ungern dich an meiner Stelle diesem Risiko aussetzen. Wir wissen nicht, was bei diesem Transit möglicherweise alles mit einem passiert.“

„Wir haben keine anderen Kandidaten außer uns beiden! Kannst du den Transporter bedienen?“

„Ja, ich kann sowohl den Transporter bedienen, als auch das Schiff steuern“, gab Berena mit sichtbar schwerem Herzen Ineiau recht. „Also müssen wir dich als Köder nutzen.“

 

Trotz Ineiaus Hinweis, dass sie eine Reserve-Sicherheitsoffizierin war, war Berena alles andere als glücklich darüber, ihre Freundin und Untergebene in eine unbekannte Gefahr zu schicken. Aber sie sah tatsächlich keine andere Möglichkeit.

Sie waren in einem der beiden Frachträume unter dem Fährenhangar gegangen, im dem auch die Materietransporter untergebracht waren.

Sie untersuchte Ineiau mit dem Tricorder. „Okay, du siehst nicht aus wie eine Vulkanierin, aber der Tricorder hält dich jetzt trotzdem für eine. Möchtest du dich auch optisch anpassen?“

„Das würde keinen Unterschied machen“, erwiderte Ineiau leicht unterkühlt.

Berena wurde erst jetzt richtig bewusst, dass ihre Freundin seitdem sie vor fünf Jahren auf die Venture gekommen war, nicht einmal gestaltgewandelt hatte. „Aber du kannst dich inzwischen wieder anpassen?“, fragte sie deshalb leicht alarmiert.

Ineiau schien ihre Besorgnis zu bemerken und entspannte sich etwas, als sie mit einem schiefen Lächeln antwortete: „Ja, aber ich möchte es nicht tun.“ Sie schien trotzdem nicht weiter darüber sprechen zu wollen und wechselte das Thema. „Wie viel Zeit haben wir noch?“

Berena sah wieder auf ihrem Tricorder. „Noch eine Minute“, antwortete sie unbehaglich. „Danach ändert der Autopilot wieder den Orbit, damit die Venture nicht noch einmal durch die Sensorzone fliegt.“

Ineiau nickte bestätigend auf ihre fremdartige Weise und trat sicherheitshalber etwas weiter weg von Berena. Außer dem westenartigen Bioblocker trug sie den Signalverstärker und ein Medipack in einen Rucksack. Zusätzlich hatte sie einen Kommunikator, einen Tricorder und ihre Impulspistole dabei. „Wünsch mir Glück!“

Berena hielt erschreckt den Atem an, als ihre Freundin ohne Vorwarnung von einem fremden Transporterstrahl erfasst wurde und verschwand.

 

Ineiau materialisierte in einem kleinen leeren Hof mit schmutzig weißen Wänden unter einer rötlichen, hochliegenden Decke. Als Erstes fiel ihr überrascht auf, dass sowohl ihre Kleidung, wie auch ihre Ausrüstung nicht mit ihr materialisiert war, und sie völlig nackt da stand. Dann spürte sie den dumpfen Schmerz, der von ihren schlaff herabbaumelnden, linken Arm ausstrahlte. Sie ergriff ihn mit der rechten Hand und hielt ihn vor ihrem Bauch, um ihre Schulter von seinem Gewicht zu entlasten. Eine Schulter von der sie entsetzt begriff, der zusammen mit dem Arm sämtliche künstlichen Knochen und Gelenke fehlten.

„Ensign Ineiau?“, hörte sie die Stimme von Captain T’Kan. Sie drehte sich um und sah sie durch einen Torbogen aus dem benachbarten Hof auf sich zu schreiten. Statt ihrer Uniform hatte sie einen sackartigen, grauen Kittel an.

„Captain, ich bin froh Sie lebend wieder zusehen. Sind alle anderen ebenfalls hier?“, fragte Ineiau trotz ihrer rasch zunehmenden Schmerzen erleichtert.

„Ja, wir sind alle hier, mit Ausnahme von Lieutenant Berena und bisher Ihnen. Wissen Sie, was mit uns passiert ist?“, antwortete T’Kan, während sie gleichzeitig begann, Ineiaus Schulter zu untersuchen und mit einer raschen Geste einen der ihr folgenden Vulkanier wegschickte.

„Dieses ist nach Berenas und meiner Theorie eine alte, unterirdische Anlage auf dem kleineren Mond, die von der hiesigen Kultur vor ihren Untergang gebaut wurde, um Wesen mit Blut auf Kupferbasis zu fangen und einzukerkern. Wir vermuten, dass diese Falle für deren Feinde gedacht war. Als die Venture eines der Sensorfelder der Falle durchquerte, hat es alle Vulkanier und alles andere mit Blut auf Kupferbasis an diesem Ort transportiert. Es gelang uns, die Anlage soweit auszutricksen, dass sie mich hierher beamte. Aber meine Ausrüstung, einschließlich des Signalverstärkers für den Rücktransport, ist nicht mit mir angekommen.“

„Sämtliche Ausrüstung und Kleidung wird von dem Transporter dieser Anlage vor der Materialisierung ausgefiltert. Sie können froh sein, dass Ihre Schulter- und Armknochen nicht lebenswichtig für Sie sind. Commander M’Seras künstliches Herz ist ebenfalls nicht mit ihr angekommen. Sie ist kurz nach ihrer Ankunft hier gestorben.“

Ineiau sah sie entsetzt an, aber sie kam nicht zu einer Antwort, weil jetzt Doktor T’Ra, die von dem weggeschickten Vulkanier herbeigerufen worden war, sanft, aber routiniert begann, so gut sie konnte, die knochenlose Masse ihrer Schulter wieder auszurichten. Sie fertigte aus einem der grauen Kittel eine improvisierte Bandage und Armschlinge, um die Schulter ruhig zustellen ohne die Blutzufuhr abzuklemmen.

„Mehr kann ich ohne meine medizinische Ausrüstung nicht machen“, sagte T’Ra entschuldigend, nachdem sie Ineiau fertig bandagiert hatte und ihr einen der formlosen Kittel übergestülpt hatte.

„Danke, Doktor“, erwiderte Ineiau und versuchte gleichzeitig, den inzwischen fast unerträglichen, dumpfen Schmerz in der Schulter zu ignorieren. „Was steht uns hier zur Verfügung?“, fragte sie den Captain und die anderen herbeigekommenen Besatzungsmitglieder.

„Wir haben Kleidung, und es gibt Nahrungsspender, deren Speisen ich nicht unbedingt als kulinarische Spezialitäten bezeichnen würde. Wir haben keine Werkzeuge oder ähnliches. Und die gesamten Räumlichkeiten bestehen aus diesen gleichartigen Kuben ohne irgendwelche Möbel. Der Körper von M’Sera, vergossenes Blut und Abfallprodukte werden mit einem Hitzestrahl von der Decke restlos verbrannt“, antwortete Commander Anok, der Erste Offizier sichtbar missmutig.

Von der Decke über den Höfen ertönte eine Stimme, die etwas in einer unbekannten Sprache verkündete. Ineiau sah und spürte, dass der fremde Transporterstrahl, der sie hierher gebracht hatte, sie wieder erfasste. T’Ra und Anok, die am dichtesten bei ihr standen, sprangen trotz der damit verbundenen Gefahr zu ihr und pressten sich in einer engen, schmerzhaften Umarmung an sie. Glücklicherweise passte sich der Transporterstrahl an das größere Ziel an und erfasste sie alle drei.

 

Sie materialisierten immer noch eng umschlungen auf der eiskalten Planetenoberfläche in einem Schneesturm. Die Kälte stach tief bei jedem Atemzug in ihre Lungen, und sie kuschelten sich weiter aneinander, um sich zumindest für den Moment gegenseitig zu wärmen und vor dem Sturm zu schützen. Nach einer gefühlten, eisigen Ewigkeit erfasste ein zweiter, diesmal vertraut wirkender Transporterstrahl sie mit seinem goldenen Schimmer und setzte sie auf der Transporterplattform der Venture ab.

„Beim Eis! Ineiau, was ist mit dir passiert?“, rief Berena von der Transporterkonsole.

T’Ra eilte zu dem Notfallfach in der Wand des Frachtraumes und entnahm ein Hypospray, mit dem sie Ineiau ein Schmerzmittel verabreichte.

„Lieutenant, das Schiff darf auf keinen Fall noch einmal durch eine der Zone fliegen, in der wir von Bord gebeamt worden sind“, ordnete Anok mit scharfer Stimme an.

„Ich habe die Umlaufbahn bereits entsprechend angepasst, nachdem Ineiau die Sensorzonen entdeckt hatte, Sir“, antwortete Berena. „Aber wie sind Sie überhaupt auf die Planetenoberfläche gekommen? Ich habe keine Erfassung für den Transporter innerhalb der Anlage auf dem Mond. Sie hatten Glück, dass unsere Sensoren automatisch den anderen Transporterstrahl erkannten und auf sein Ziel aufschalten konnten.“

„Die Anlage hat uns selbst hinaus gebeamt. Wir haben eine Ansage gehört, bevor der Transporterstrahl Ineiau erfasste. Vermutlich hat die Anlage erkannt, dass mit ihr ein Wesen der falschen Blutsorte in dem Gefangenenbereich war, und hat sie dann auf den Planeten geschickt“, erklärte Anok seine Hypothese über die letzten Ereignisse, während er selbst zur Transporterkonsole getreten war, um die Einstellungen zu überprüfen.

„Können wir diesen Automatismus ausnutzen und mit mir und Berena alle Vulkanier aus der Anlage holen?“, fragte Ineiau trotz des Hyposprays immer noch schmerzerfüllt.

„Nein, wir haben viel Glück gehabt, dass der Transporterstrahl uns alle drei vollständig erfasst hat. Die Chancen sind hoch, dass Sie beide und ein Teil der vulkanischen Besatzungsmitglieder dabei umkommen würden, bevor wir wieder alle an Bord wären. Die exakte Wahrscheinlichkeit dafür müsste ich aber noch berechnen“, erwiderte Anok.

„Danke, ich verzichte auf eine genaue Kalkulation“, antwortete Ineiau mit einem schwachen Lächeln.

„Außerdem haben wir nur noch vier Bioblocker. Das wären nur acht weitere Besatzungsmitglieder, die wir mit diesen Stunt retten könnten“, ergänzte Berena.

„Wissen wir, was für ein Zeitfenster uns zur Verfügung steht? Ich würde gerne Ineiau in der Krankenstation zumindest soweit behandeln, dass sie stabil und schmerzfrei ist. Die Funktionsfähigkeit ihres Armes und ihre Dienstfähigkeit kann ich aber leider kurzfristig nicht wiederherstellen“, mischte sich T’Ra ein.

„Ich gehe davon aus, dass wir nicht unter Zeitdruck stehen. Die Anlage ist automatisiert und darauf eingerichtet, Gefangene langfristig zu verwahren. Mit großer Wahrscheinlichkeit lebenslang. Der Captain und die Besatzung sollten sich also nicht in akuter Gefahr befinden.“

„Gut, ich bin mit Ineiau dann in der Krankenstation“, erklärte T’Ra und begann, ihre Patientin von deren rechter Seite aus abstützend rigoros in Richtung Tür zu bugsieren.

Bevor Ineiau und T’Ra den Frachtraum verlassen hatten, wandte sich Anok an Berena. „Wir stellen den Transporter auf Bereitschaft. Hier können wir im Moment nichts weiter erreichen. Kommen Sie mit mir zur Brücke. Ich möchte alles wissen, auch, wie Sie Ineiau überhaupt in die Anlage beamen konnten. Und ich möchte die Sensorlogbücher sehen. Ich hoffe, dass wir dabei eine Rettungsmöglichkeit entdecken.“

 

Nachdem T’Ra Ineiaus Schulter und Arm stabilisiert und richtig ruhiggestellt hatte, gelang es ihr irgendwie, ihre Patientin in einen blauen Laboroverall zu stecken. Bevor sie beide auf die Brücke gingen, tauschte sie selbst ebenfalls ihren Gefängniskittel gegen eine ihrer Uniformen aus.

Ineiau sah, dass Commander Anok gleichfalls inzwischen einem roten Arbeitsoverall angezogen hatte.

Die Heilerin half Ineiau, sich auf den zentralen Kommandosessel zu setzen, und stellte dann ihre Bereitschaftstasche daneben ab.

„Ich hatte eigentlich vorgesehen, dass Ineiau die Sensorkontrolle übernehmen würde“, wandte Anok von der Wissenschaftsstation aus ein.

„Sie ist selbst unter diesen außergewöhnlichen Umständen nicht dienstfähig. Ich habe sie nur auf die Brücke gebracht, damit sie nicht unbeobachtet auf der Krankenstation liegt. Ich übernehme die Sensorkontrolle“, erwiderte T’Ra.

„Sir, ich übernehme die volle Verantwortung für den missglückten Rettungsversuch, der zu Ensign Ineiaus Verletzung geführt hat“, erklärte Berena von der Pilotenkonsole aus.

Anok machte eine abweisende Geste. „Ihr Rettungsversuch war zwar nicht der von Ihnen erhoffte Erfolg, aber er war nicht gänzlich sinnlos! Sie haben damit zumindest die Rückkehr von Doktor T’Ra und mir ermöglicht. Und es war für Sie nicht vorhersehbar, dass der Transporter der Anlage alles bis auf die eigentlichen Personen ausfiltern würde.“ Er zeigte auf die Sensorkontrolle an der jetzt T’Ra saß. „Und wir haben dadurch außerdem zusätzliche Daten erhalten, mit deren Hilfe wir eine Schwachstelle finden werden, um unsere Besatzung zu retten.“

Er rief eine Übersicht über die Gefängnisanlage des Mondes auf den Hauptbildschirm. „Die Anlage war ursprünglich doppelt abgeschirmt. Der äußere Schirm, der die gesamte Anlage abdeckte, war wahrscheinlich ein Schutzschild gegen Angriffe und wurde zusammen mit der Kommandozentrale zerstört. Der zweite innere magnetische Schild schirmt aber weiterhin den eigentlichen Gefängnisblock gegen Beamen ab. Ihr Signalverstärker hätte uns also nicht weiter geholfen. Und selbst, wenn es uns gelänge, diesen Schild zu neutralisieren, wären die Gefangenen immer noch zu tief im Mondinneren, um sie heraus zu beamen. Die Energiequelle der Anlage liegt zusammen mit der Kontrolleinheit und den Maschinen der Falle noch weiter im Inneren des Mondes. Wir können sie also nicht einfach mit den Schiffswaffen zerstören.“

„Wenn die Maschinen und der Transporter noch tiefer im Inneren liegen, wie können sie dann noch so weit in den Weltraum reichen? Da muss es doch noch etwas geben“, fragte Berena.

T’Ra hob mehrere Punkte auf der Darstellung der Anlage hervor. „Es gibt diese Verstärkeranlagen, sowohl für den Transporter, wie auch für die Sensoren auf der Oberfläche.“

„Könnten wir diese äußeren Anlagen umgekehrt nutzen, um unser eigenes Transportersignal am inneren Schild vorbei zum Kerkerbereich zu leiten?“, fragte Ineiau.

„Theoretisch ja, aber selbst, falls uns das gelingen würde, bräuchten wir trotzdem im Gefängnisblock eine Sendeeinheit für das Transportersignal. Und ich wüsste zurzeit nicht, wie wir diese dahin kriegen können“, antwortete Anok.

„Die Anlage hat doch offenbar ebenfalls Sender und Empfänger für ihre eigenen Transportersignale. Können wir die nicht mitbenutzen?“, hakte Ineiau nach.

„Sie haben eine bemerkenswert hohe Vorstellung über meine Fähigkeiten, einen mir völlig unbekannten, feindselig programmierten Computer zu hacken“, verneinte Anok trocken diese Möglichkeit indirekt.

„Wenn wir die Verstärkeranlagen nicht nutzen können, sollten wir sie dann nicht zerstören, um ihre weitere Bedrohung für uns aufzuheben?“, schlug Berena vor.

„Wir wissen nicht, wie die Kontrolleinheit auf die Vernichtung ihrer restlichen äußeren Anlagen reagieren würde. Möglicherweise würde sie dermaßen lahmgelegt sich selbst zerstören. Und mit sich auch das Gefängnis und die Besatzung!“, gab Ineiau zu bedenken.

„Das Risiko sehe ich ebenfalls“, stimmte ihr Anok zu.

Berena betrachtete weiter das Bild auf dem Hauptbildschirm. „Die Gänge und Schächte des zerstörten Kommandozentrums gehen teilweise kilometertief runter. Sind sie mit den Rest der Anlage verbunden?“, fragte sie.

T’Ra studierte ihre Anzeigen, bevor sie vorsichtig antwortete: „Ja, das sieht so aus, als wären sie miteinander verbunden. Aber durch die Schäden sind viele der Zugänge verschüttet worden. Es gibt möglicherweise kein Durchkommen. Und sie liegen offen zum Weltraum.“

„Aber wenn wir dort bis zum magnetischen Schild vordringen könnten, bestünde die Möglichkeit, ihn zu durchbrechen?“, fragte Berena weiter.

„Ein magnetischer Schild verhindert nur Beamen, aber eine Person oder ein Objekt kann ihn einfach passieren“, erklärte Anok.

„Also könnten wir ein Loch in die Gefängniswand schneiden und unsere Leute durch den Schild bringen, um sie raus zu beamen“, schloss Berena begeistert daraus.

„Berena, in den Gängen herrscht ein Vakuum!“, machte Ineiau diese Hoffnung zunichte.

„Außerdem wird der überwiegende Teil der Kommandozentrale gerade so weit in der Tiefe trotz der Zerstörungen von dem Sensorgitter abgedeckt. Befreite Vulkanier würden mit angehender Wahrscheinlichkeit sofort wieder zurück ins Gefängnis transportiert werden, selbst falls es uns gelänge, das Problem mit dem Vakuum zu lösen“, ergänzte die Schiffsheilerin.

„Ich werde noch wahnsinnig! Irgendwas müssen wir doch tun können!“, brach es aus Berena heraus.

„Berena, bitte behalten Sie Ihre Emotionen unter Kontrolle“, bat Anok sie.

„Ich kenne mich leider mit der Transportertechnik nicht aus. Aber wenn wir einen Signalverstärker dicht außerhalb des magnetischen Schildes platzieren würden, würde das doch die Reichweite unseres Transporters ausreichend vergrößern? Sehe ich das richtig?“, fragte Ineiau.

„Das ist richtig, aber wir könnten weiterhin nicht durch den magnetischen Schild beamen“, erwiderte Anok geduldig.

„Und wenn wir mit einem abgeschirmten Datenkabel diesen Verstärker mit einem zweiten innerhalb des Schildes verbinden würden?“, legte Ineiau ihren Gedankengang weiter aus.

„Wir müssten innerhalb des Schildes einen Sender und keinen einfachen Verstärker anschließen. Das ist notwendig, weil das ursprüngliche Transportersignal nicht durch den Schild dringen kann, sondern erneut ausgestrahlt und empfangen werden muss. Aber dann könnten wir damit die Besatzung zurück auf die Venture beamen. Die Verwirklichung dieses Vorschlages erscheint mir möglich“, stimmte Anok ihr leicht überrascht wirkend zu. „Da wir wegen des Sensorengitters keine Vulkanier dorthin schicken können, müssten aber Sie und Berena die Platzierung des Verstärker und des mit ihm verbundenen Senders übernehmen.“

„Nur Berena! Ineiau ist beim besten Willen nicht dazu in der Lage“, korrigierte ihn T’Ra.

Berena stieß einen unübersetzbaren Fluch aus. „Wie dicht kann mich der Transporter an dem Schild absetzen?“

T’Ra studierte ihre Anzeigen. „12.432 Meter“, antwortete sie dann.

„Großartig, mit Raumanzug und schweren Gepäck zwölf Kilometer Hindernislauf absolvieren! Das wollte ich schon immer mal machen“, antwortete Berena bissig.

Anok hob eine Braue und setzte zu einer Erwiderung an, bevor ihm offenbar bewusst wurde, dass Berenas Antwort sarkastisch gemeint war.

 

Berena materialisierte in völliger Dunkelheit. Mit einem Fluch, dass sie nicht vorher daran gedacht hatte, schaltete sie die Anzugleuchten an. Sie stand wie vorhergesagt in einem langen, rußgeschwärzten Korridor voller Schutt. Sie konnte mehrere abzweigende Seitengänge erkennen. Große Trümmer blockierten den nächst gelegenen Seitengang. In diesem Teil der Anlage herrschte noch künstliche Schwerkraft, aber sie würde aufpassen müssen, wenn sie Zonen mit der natürlichen, niedrigen Schwerkraft des Mondes betrat.

Aus ihren Helmkopfhörern kam die ruhige Stimme von Doktor T’Ra, um sie durch das Labyrinth aus schuttgefüllten Korridoren zu führen.

Berena überprüfte zusätzlich ihre Marschrichtung mit dem Tricorder und machte sich auf dem Weg.

Nach rund einer Stunde leitete T’Ra sie in einen Seitengang, der an einer geschlossenen Stahltür endete. Berena zog ihren Phaser, justierte und entsicherte ihn, um vorsichtig die Stahltür aufzuschneiden, während sie sich gleichzeitig eingestehen musste, dass das mit einer Impulspistole nicht möglich gewesen wäre und sie noch zusätzliches Werkzeug hätte mitbringen müssen. Durch das Vakuum konnte sie nicht hören, wie das ausgeschnittene Stahlrechteck scheppernd auf den Boden fiel. Darauf achtend, dass sie nicht die heißen, aber schnell abkühlenden Schnittkanten berührte, trat sie durch den Ausschnitt in das Treppenhaus und setzte ihren Abstieg fort.

Sie begann, von dem langen Treppenlaufen und ihrem schweren Gepäck zu ermüden, obwohl sie erst etwa die halbe Strecke zum Schildparameter zurück gelegt hatte.

Berena fluchte laut, als sie plötzlich bei ihrem nächsten Schritt strauchelte und fast die Treppe hinab stürzte.

„Berena, ist alles in Ordnung?“, fragte T’Ra.

„Ja, ich bin unvorbereitet aus dem künstlichen Schwerefeld getreten und hatte nicht mit der Niedrigschwerkraft gerechnet. Wenn jetzt auf einer größeren Strecke nur ein Fünftel der üblichen Schwerkraft herrscht, sollte mir das aber durchaus entgegen kommen.“

„Bitte sei vorsichtig! Wenn du zu schnell unterwegs bist und wieder in die künstliche Schwerkraftzone kommst, könnte das wirklich übel ausgehen!“, hörte sie die besorgte und von den Schmerzmitteln leicht benebelt klingende Stimme von Ineiau.

„Ich bin vorsichtig!“, bekräftige Berena, während sie weiter die schuttbedeckte Treppe herabstieg.

„Und Sie sollten eine Pause einlegen und etwas trinken“, entschied T’Ra.

„Haben wir dafür Zeit?“, fragte Berena.

„Wir stehen nicht unter unmittelbarem Zeitdruck, und wir haben niemand anderes für diese Aufgabe. Ja, ich bin der Überzeugung, dass wir dafür Zeit haben“, antwortete die Heilerin bestimmt.

Berena stoppte auf dem nächsten Treppenabsatz und setzte sich auf die Stufen. Sie trank über den Strohhalm, der ihr von ihren Anzug auf Befehl hingehalten wurde, und war jetzt doch dankbar für die kurze Pause.

Nach zehn Minuten Pause setzte sie ihren Abstieg über die scheinbar endlosen Stufen fort, bis T’Ra sie anwies, beim nächsten Absatz das Treppenhaus zu verlassen. Sie war froh, dass die Stahltür zum Korridor noch weit genug offenstand, dass sie sich trotz des Raumanzuges und des sperrigen Gepäcks durchquetschen konnte. Diesmal war sie vorbereitet, als sie wieder in das künstliche Schwerefeld trat.

Im Korridor stieß sie jetzt auf die ersten durch das Vakuum mumifizierten Toten.

„Möglicherweise haben sich die Überlebenden nach der Zerstörung der Kommandozentrale hier hinab geflüchtet“, vermutete Ineiau. „Es kann sein, dass du auf noch mehr Tote stoßen wirst.“

Berena stimmte ihr grimmig und wenig begeistert zu, während sie weiter durch die Dunkelheit wanderte.

„Sie sollten hinter der nächsten Biegung des Ganges den magnetischen Schild sehen können“, informierte T’Ra sie.

„Ich sehe ein Licht hinter der Biegung!“, bestätigte Berena, während sie vorsichtig um die Ecke bog.

Der Korridor mündete in eine hinter dem grün wabernden Schild liegende T-Kreuzung. Im Leuchten des Schildes konnte Berena dahinter weitere Mumien erkennen. Offenbar hatten diese Besatzungsmitglieder der Station sich bis hierher geflüchtet, bevor sie erfroren und erstickt waren.

Berena setzte dankbar den schweren Signalverstärker ab und aktivierte ihn.

„Wir empfangen das Verstärkersignal“, bestätigte T’Ra. „Commander Anok wird jetzt den Sender und das Datenkabel zu Ihnen beamen.“

Neben ihr materialisierte die zusätzliche Ausrüstung. Berena schloss das Datenkabel an dem Verstärker an und verband das andere Ende mit dem Sender.

„Ich habe die beiden Einheiten miteinander verbunden. Ich gehe jetzt mit dem Sender durch den magnetischen Schild“, informierte sie T’Ra und Ineiau.

Sie hob den Sender an, der sich als noch schwerer als der Verstärker erwies, und trug ihn zum Schild. Vorsichtig schritt sie hindurch. Es ging leichter, als sie es erwartet hatte. Sie hatte das Gefühl, dabei durch einen Wasserfall zu waten. Auf der anderen Seite angekommen, konnte sie jetzt auch noch mehr Tote sehen, die vor den verschlossenen Stahltoren lagen, die zum nächsten Bereich der Anlage führten.

„Ich bin jetzt durch!“, meldete Berena.

Die Antwort von der Venture kam nur als unverständliches Gebrabbel an.

Venture, ich kann Sie nicht verstehen“, erwiderte Berena beunruhigt.

Abermals war die Antwort völlig unverständlich.

Mit einem unguten Gefühl stellte sie den Sender ab, vergewisserte sich, dass er mit dem Verstärker auf der anderen Seite des Schildes richtig verbunden war und schaltete ihn an.

„...na, bitte kommen!“, hörte sie jetzt wieder glasklar T’Ra hörbar beunruhigt rufen.

„Ich bin in Ordnung. Der Sender ist aktiviert“, meldete Berena und atmete tief durch, obwohl langsam die Luftqualität ihres Anzuges schlechter wurde.

„Bestätigt, wir empfangen das Signal“, antwortete T’Ra jetzt wieder ruhig. „Commander Anok beginnt jetzt mit der Evakuierung des Gefängnisses. Bitte warten Sie!“

„Ich warte“, bestätigte Berena und sah sich unbehaglich in der mit Schutt und Mumien gefüllten Kreuzung um. Nach langem Warten wurde sie vom Transporterstrahl erfasst und in dem sich mit Vulkaniern füllenden Frachtraum der Venture abgesetzt.

 

Im Kommandosessel sitzend sah Ineiau durch den Nebelschleier ihrer Schmerzmittel, wie nacheinander Vulkanier nur in grauen Kitteln bekleidet auf die Brücke eilten und ihre Arbeitsplätze einnahmen. Als Captain T’Kan ebenfalls eintraf, wollte Ineiau sich vom Sessel erheben, wurde aber von ihr mit einer Geste aufgefordert, sitzen zu bleiben.

„Sie bleiben dort sitzen, aber gewöhnen Sie sich nicht zu sehr an meinen Sessel“, wurde sie vom Captain nicht unfreundlich angewiesen. T’Kan nahm stattdessen die Wissenschaftsstation ein. „Wie ist der Status?“, fragte sie.

„Die Evakuierung ist fast komplett abgeschlossen, und die Anlage hat bisher keine Gegenmaßnahmen ergriffen“, antwortete Doktor T’Ra von der Sensorkontrolle.

„Gut, wir gehen auf Alarmstufe Gelb. Achten sie auf die Sensorzonen und führen Sie wenn nötig Ausweichmanöver aus, um uns von ihnen fernzuhalten. Sobald die Evakuierung abgeschlossen ist, aktivieren Sie die Schilde“, wies T’Kan ihre Brückencrew an.

Kurze Zeit später ertönte über die Brückenlautsprecher die Stimme von Commander Anok: „Wir haben alle Besatzungsmitglieder und die Wüstenknäule wieder an Bord.“

Ineiau konnte sehen, dass sich beim letzten Teil der Meldung Doktor T’Ra sichtbar entspannte.

„Schilde hoch! Wissen wir, wo die Quelle der Sensorabtastung und des Transporterstrahles der Falle liegt?“, fragte T’Kan.

„Ja, es gibt mehrere Strukturen auf der Mondoberfläche. Wir hatten sie bisher nicht neutralisiert aus Sorge, eine Selbstzerstörung der Anlage auszulösen“, antwortete die Heilerin und hob wieder die Strukturen auf der taktischen Anzeige hervor.

„Ich würde es zwar vorziehen die Anlage sorgfältig zu untersuchen, aber jetzt hat die Beseitigung der Bedrohung durch sie Priorität über ihren archäologischen Wert“, erwiderte der Captain mit kalter, berechnender Stimme. „Seyna, erfassen sie die Strukturen und zerstören Sie sie!“

Die Navigatorin bestätigte den Befehl. Ineiau sah auf dem Hauptbildschirm, wie die Phaser der Venture nach den Strukturen tasteten und sie nacheinander auslöschten.

„Die Temperatur des Fusionsreaktors der Anlage steigt stark an. Seine Abschirmungen werden voraussichtlich in vierundzwanzig Sekunden versagen“, meldete T’Ra.

Auf dem Hauptbildschirm schien die Mondoberfläche sich leicht zu weiten, während rotglühende Risse auf ihrer Oberfläche aufbrachen, als die Energiequelle der Basis tief im Inneren explodierte.

Captain T’Kan und Doktor T’Ra überprüften ihre Daten, um sicherzugehen, dass die Anlage wirklich zerstört war.

T’Kan hob zufrieden eine Augenbraue, als sie verkündete: „Die Anlage und damit auch die Falle sind vollständig vernichtet. Trotzdem würde ich es vorziehen, woanders zu sein, für den Fall, dass es womöglich andere ähnliche Installationen hier gibt. Seyna, berechnen Sie einen Kurs zu unserem nächsten planmäßigen Ziel. Senken Sie unsere Schilde erst, nachdem wir das System verlassen haben. Tevuk, geben Sie einen Bericht an Starbase 26 weiter, mit dem zusätzlichen Hinweis, dass es in diesem System möglicherweise weitere Fallen gibt. Wenn, dann sollte das System nur von Nichtvulkaniern untersucht werden. Doktor T’Ra, auch wenn Sie und Ihre Patientin zurzeit die einzigen vorschriftsmäßig gekleideten Besatzungsmitglieder auf der Brücke sind, würde ich es doch vorziehen, wenn Sie Ineiau auf der Krankenstation weiterbehandeln würden.“

 

Ineiau und Berena saßen gemeinsam auf einer Bank im Arboretum und beobachteten die Wüstenknäule, die übermütig über die Grasfläche tobten.

Ineiaus Arm und Schulter waren immer noch ruhig gestellt und die Hohlräume anstelle der fehlenden Knochen mit einem medizinischen Gel ausgefüllt. Es würde noch einige Tage dauern, bis die neuen Arm- und Schulterknochen aus einer Titanlegierung bereit zum Einsetzen waren. Sie war dankbar dafür, dass Doktor T’Ra nicht die komplette Schulter von Grund auf rekonstruieren musste, sondern auf einer vorhandenen Basis aufbauen konnte.

Berena grinste stolz über die ihr gerade erzählten Neuigkeiten. „Du bist jetzt nicht nur Lieutenant geworden, sondern du wirst gleichzeitig ein Mitglied der ersten Brückenwache?“

Ineiau spürte, wie ihre Tribalmarkierungen sich verfärbten. „Ja, Captain T’Kan hat mich vorhin darüber informiert, während ich meine weitere Einweisung an der Kommunikationsstation erhielt.“

„Also wurdest du dafür belohnt, dass du die ganze Zeit im Kommandosessel herum gelümmelt hast, während ich auf dem Mond für nichts die ganze Arbeit alleine gemacht habe?“, fragte Berena in einem jetzt drohenden Tonfall.

„Ja, Lieutenant Commander Berena!“

Berena grinste zufrieden und erhob sich von der Bank. „Sehen wir uns nach meiner Schicht zu einer Runde BattleTech, Doppelgänger?“

„Sehr gerne. Du schuldest mir noch eine Revanche!“, antwortete Ineiau mit einem Lächeln.

 

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