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Starship Shiva

von Thilo

Unterwegs mit der Piranha

Im Jahr 2262 …

 

Ineiau wurde vom Intercom geweckt. Mit einer fahrigen Handbewegung aktivierte sie es.

„Es tut mir leid, Sie zu stören, Skipper. Aber Commodore Dromel möchte Sie sprechen“, meldete sich entschuldigend Ensign William Oboto.

„Ich nehme das Gespräch gleich in meinem Quartier an. Er muss sich allerdings einen Moment gedulden“, antwortete Ineiau, während sie sich verschlafen auf die Bettkante setzte.

„Aye, Skipper. Ich sage es ihm“, bestätige Oboto und schaltete die Verbindung stumm.

„Ist es auf der Sternenbasis jetzt nicht auch Nachtzeit?“, fragte Hekari noch schlaftrunken von der oberen Etage des Doppelbettes. Neben Hekari bekundete der große Kater Makarov gleichfalls seinen Unmut über die Störung.

„Eigentlich schon. Es sollte also wirklich wichtig sein, aber Shiva kann zurzeit nirgendwo hin“, erwiderte Ineiau, während sie aufstand und in ihren Bademantel schlüpfte. Sie befahl dem Computer, das Licht gedämpft anzuschalten, ging in den Wohnbereich der Kabine zum Schreibtisch und setzte sich. In der Hoffnung, nicht zu wild auszusehen, aktivierte sie den Bildschirm.

Das Abbild von Commodore Dromel, korrekt gekleidet in seine dunkelblaue Sternenbasisuniform mit goldenen Applikationen, erschien auf den Bildschirm. Er sah Ineiau vorwurfsvoll an. „Hier ist Commodore Donald P. Dromel. Haben Sie etwa geschlafen?“

„Sir, es ist kurz vor drei Uhr TEZ, also mitten in der Nacht! Da schlafe ich normalerweise, wenn ich keinen Dienst habe.“ Zumindest konnte er nur ihren Kopf sehen, statt wie bei den persönlichen Gesprächen ständig auf ihre Brüste zu starren, was sie mehr als unangenehm fand.

Der Commodore schien die Antwort zu akzeptieren oder ging zumindest nicht weiter darauf ein. „Captain, wie schnell können Sie mit Ihrem Schiff auslaufen?“

In Ineiau kam der Verdacht auf, dass der Commodore sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, um sich vorab über den aktuellen Stand der Werftarbeiten zu informieren. „Gar nicht, Sir. Shiva hat keinen Warpantrieb“, antwortete sie kurz und knapp.

„Ihre neue Warpgondel sollte doch schon lange eingebaut sein. Außerdem sind Sie doch auch mit nur zwei funktionierenden Warpgondeln nach Odessa gekommen.“

„Sir, durch die wochenlange asymmetrische Belastung ist die Steuerbord-Warpgondel ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden und hätte ebenfalls ersetzt werden müssen. Wir haben aber nur eine neue Gondel erhalten. Ihre und meine Chefingenieurin sind zusammen dabei, aus zwei schadhaften eine heile Warpgondel zu bauen, statt einfach beide auszutauschen und die Fehlerhaften zur Aufarbeitung zurück zuschicken. Es wird noch drei Wochen dauern, bis wir die ersten Probeflüge machen können. Und es sind vier Wochen bis zur vollständigen Einsatzfähigkeit angesetzt.“ Sie entschied, dass es wenig Sinn machte, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es Dromel selbst gewesen war, der die Anforderung von zwei Ersatzgondeln gegen die Proteste von ihr und beiden Chefingenieuren zusammengestrichen hatte und damit die veranschlagte Werftliegezeit und Reparaturkosten effektiv verdoppelt hatte.

„Ich brauche Ihr Sternenschiff für eine Hilfsmission“, erwiderte er hartnäckig.

„Wir sind nicht dazu in der Lage“, erwiderte Ineiau und widerstand dem Drang, die Antwort mit einem Schulterzucken zu unterstreichen. „Was ist mit den beiden anderen Sternenschiffen in der Sternenbasis? Warum können die Orion oder die Piranha die Mission nicht übernehmen?“

„Die Orion hat die Piranha als Unterstützungsschiff für die Sternenbasis ersetzt. Ich kann hier nicht auf sie verzichten. Die Piranha hat nur noch eine Wartungsmannschaft und erwartet die Überführung zum Schiffsdepot Z15 bei Qualar II für die Einlagerung.“ Er überlegte und kam zu einem aus seiner Sicht gewiss genialen Entschluss. „Captain, Sie übernehmen das Kommando über die Piranha mit Ihrer Mannschaft und begeben sich nach Summit 1870. Es hat von dort einen Notruf gegeben. Die Missionsdaten werden Ihnen von meinem Adjutanten übermittelt. Ich erwarte, dass Sie in drei Tagen aufbrechen.“

„Sir, die wenigsten von uns haben jemals auf einen Träger der Swordfish-Klasse gedient. Und dass ein Schiff in der Lage ist, aus eigener Kraft zu verlegen, bedeutet nicht, dass es wirklich einsatzfähig ist“, protestierte Ineiau. „Außerdem wäre das genau die Art von Aufgabe, für die Orion zu Ihnen abgestellt wurde.“

„Ein Schiff ist ein Schiff. Außer den äußerlichen Unterschieden ist das für Sie und Ihre Männer keine Umstellung. Stellen Sie sich also nicht so an. Ich informiere Lieutenant Clinton, dass Sie für diese Mission das Kommando übernehmen. Commodore Donald P. Dromel Ende.“

Ineiau starrte den dunkel gewordenen Bildschirm an und verfluchte im Geiste diesen fetten Bürokraten mit seinem seltsam orange verfärbten Gesicht, der ganz offenbar noch nie auf einem Raumschiff gedient hatte.

Hekari schob ihr einen dampfenden Kaffeebecher zu. „Weiß er, was er tut?“

„Ich bezweifel es wirklich“, erwiderte Ineiau immer noch wütend und fassungslos.

„Was wirst Du jetzt tun?“

„Ich werde mich gleich erst einmal frisch machen und anziehen, bevor sich möglicherweise diese Lieutenant Clinton bei mir meldet. Wer auch immer sie ist. Und dann werde ich noch einen weiteren offiziellen Protest einlegen und gucken, wen ich überhaupt alles benötige, um die alte Mühle zu besetzen. Und ich fürchte, dass ich dafür jetzt auch einige Personen aus dem Bett werfen muss.“

 

Lieutenant Clinton entpuppte sich als älterer Mann mit grauem Haarkranz in der roten Uniform eines Ingenieurs. Er war der Kommandant der Überführungsbesatzung für die Piranha zum Depot der Reserveflotte. Den dunklen Ringen unter den Augen und den grauen Bartstoppeln seines Abbildes auf dem Bildschirm nach vermutete Ineiau, dass auch er von Dromel mitten in der Nacht geweckt worden war.

„Die Piranha ist vor neun Wochen aufgelegt worden. Sie ist soweit in einsatzfähigem Zustand und hat noch acht ihrer Puffin-Jäger an Bord. Die Fähren und anderen Beiboote wurden zusammen mit der leichten Ausrüstung und der Bewaffnung der Jäger von Bord gegeben und sind in der Sternenbasis eingelagert“, beantwortete er Ineiaus Frage.

„Haben Sie bereits die eingelagerte Ausrüstung zurückbeordert?“

„Ja, aber Commodore Dromel hat meine Anforderung für die Waffen und M/AM-Brennstoffzellen der Jäger abgelehnt.“

Ineiau unterdrückte mühsam die in ihr aufsteigende Wut auf den Commodore und zweifelte vermehrt an seiner Kompetenz. „Ich sehe, was ich machen kann. Ich möchte bei einer potenziell gefährlichen Mission nicht auf die Hauptwaffen des Schiffes verzichten. Außerdem benötigen wir die Brennstoffzellen auch für die Fähren.“ Sie sah zur Sicherheit auf ihr Datenpad. „Sie und Ihre Crew sind seit der Auflegung an Bord der Piranha?“

„Ja, das ist richtig, Sir … Madam?“

„Ineiau“, berichtigte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Dann sollten Sie auch mit dem Schiff vertraut sein, und ich hätte Sie und Ihre Crew deshalb gerne bei der Mission dabei.“

„Sir … Ineiau, wir sind nur eine Wartungs- und Überführungsmannschaft. Niemand von uns hat bisher an einer richtigen Mission teilgenommen.“

„Ich weiß, und ich bedaure es, Sie mit reinzuziehen, aber von meiner eigenen Crew hat wirklich niemand Erfahrungen mit der Piranha oder auch nur irgendeiner anderen Swordfish. Und meine Shiva ist zwar ebenfalls schon älter, gehört aber trotzdem schon zur nächsten Schiffsgeneration und wurde erst zuletzt vor einem Jahr modernisiert. Wir sind also alle irgendwie in unvertrautem Territorium.“

Er nickte unglücklich. „Das verstehe ich, Sir.“

Ineiau entschied, ihm seinen Weg bei der Anrede zu lassen. „Ist Ihre Chefingenieurin bereits wach und möglicherweise in Rufweite?“

„Ich bin auch der Chefingenieur meiner Crew.“

„Das freut mich zu hören. Ich kann meinen eigenen Chefingenieur nicht von den Arbeiten an der Shiva abrufen. Bitte bereiten Sie das Schiff für die Reise vor. Erstellen Sie eine Liste, was alles benötigt wird und welche Posten unbesetzt sind. Aber schicken Sie sie bitte nicht auf dem normalen Dienstweg über das Büro von Commodore Dromel, sondern direkt mir oder meiner Adjutantin Sharara.“

„Wird gemacht, Sir“, antwortete Clinton und klang zumindest etwas weniger unglücklich dabei, was Ineiau vermuten ließ, dass er nicht zum ersten Mal ähnliche Erfahrungen wie sie selbst mit dem Commodore gemacht hatte.

 

„Captain‘s Log der USS Piranha NCC-1266 – Stardate 2262.0802: Wir haben mit einen Tag Verspätung Starbase Odessa-Prime verlassen, was den Umständen entsprechend immer noch eine gute Leistung darstellt, und sind auf der Reise nach Summit 1870 mit der bestmöglichen Reisegeschwindigkeit von Warp 4,5. Starfleet hat einen unvollständigen Notruf empfangen, der möglicherweise von einem unserer eigenen Schiffe stammt. Genauere Einzelheiten liegen uns jedoch nicht vor, und es gibt auch keine Meldung, dass ein Starfleet-Schiff oder ein ziviles Schiff in diesem Sektor überfällig wäre. Es gibt aber Berichte über Piratenaktivitäten im Zielgebiet. Dank Chefingenieurin Commander Alissa Kovicz von der Sternenbasis haben wir entgegen dem Widerstand von Commodore Donald Dromel außer den Fähren und Beibooten auch die Lenkwaffen und M/AM-Brennstoffzellen für die acht Angriffsjäger der Piranha erhalten. Wie Commodore Donald Dromel erwartet, dass wir fast unbewaffnet einen Notruf in einer möglichen Gefahrenzone untersuchen, während er alle Ausrüstung und Waffen auf der Sternenbasis hortet, kann ich einfach nicht nachvollziehen oder verstehen. Und zu allen Überfluss verlangte er bei unserem letzten Gespräch, dass ich meine offiziellen Proteste gegen seine Befehle vollständig zurückziehe und lösche. Ich bin selbstverständlich dem nicht nachgekommen.“

 

Ineiau war überrascht, als sie erfuhr, dass das kleine Arboretum auf der Piranha nicht wie sonst üblich bei der Auflegung des Schiffes geschlossen und die Bäume und anderen Pflanzen der Tradition entsprechend in den Park der Sternenbasis umgesetzt worden waren. Als Botanikerin liebte sie es, sich in den beiden Arboreten der Shiva zu entspannen. Als sie die verwilderte Grünanlage der Piranha betrat, sah sie, dass jemand die kleine Rasenfläche zumindest gelegentlich gemäht hatte. Es war zwar schon wieder knöchelhoch, aber ohne Pflege hätte ihr das Gras möglicherweise bis zum Knie oder höher gereicht. Sie setzte sich auf die hölzerne Bank mit dem abblätternden Lack, stellte ihren Kaffeebecher neben sich und begann, die letzten Berichte in ihrem Datenpad zu lesen.

Ihre Taktische Offizierin Lieutenant Mateka hatte aus Shivas Crew Mitglieder mit guten Pilotenfähigkeiten ausgewählt, um die acht großen Angriffsjäger zu besetzen. Als ihre Stellvertreterin und zweite Staffelführerin hatte sie die Kommunikationsoffizierin Lieutenant T’Lin ausgewählt. Sie meldete in ihrem Bericht, dass die Jägerstaffel jetzt einsatzbereit war und die Besatzungen abwechselnd im Simulator übten.

Und auch Doktor Vrenaak hatte die Krankenstation wieder einsatzfähig eingerichtet, wobei ein großer Teil der Ausstattung von der Shiva stammte.

Sie wollte sich den nächsten Bericht vornehmen, als sich die Tür öffnete. Der Chefingenieur Lieutenant Clinton blieb wie angenagelt in der Türöffnung stehen, als er sie sah.

„Entschuldigung, Sir, ich wollte Sie nicht stören.“ Mit diesen Worten wollte er sich schnell wieder zurückziehen.

„Bitte bleiben Sie. Ich nehme an, dass dieses Ihr üblicher Platz ist?“

Er zögerte, bevor er antwortete: „Ja, Sir, es ist das erste Mal, dass bei einem Schiff, auf dem ich eingesetzt werde, noch der Garten stehen geblieben ist. Es erinnert mich an zu Hause.“

„Ich war ebenso erstaunt, dass dieses Arboretum nicht aufgelöst worden ist. Bitte setzen Sie sich doch.“ Sie deutete mit einer Handbewegung auf die Bank neben sich. Etwas zögerlich nahm der ältere Mensch mit möglichst respektvollem Abstand zu Ineiau auf die Bank Platz.

„Normalerweise stehe ich mit Mitgliedern meiner Besatzung auf dem, was Menschen Vornamensbasis nennen. Haben Sie Einwände dagegen?“

„Nein, Sir“, erwiderte er.

Ineiau konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Ich habe schon immer als Anrede Sir und Captain für mich selbst nicht gemocht. Es würde mich freuen, wenn auch Sie mich nur Ineiau nennen würden, James.“

„Ich werde mir Mühe geben. Wissen Sie, was mit diesem Garten passiert, wenn das Schiff dauerhaft eingemottet wird?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Normalerweise verlangt es die Tradition, dass die Pflanzen bei der Auflegung entfernt und in dem Arboretum oder Park der jeweiligen Basis neu eingepflanzt werden. Ich weiß nicht, warum das hier nicht geschehen ist. Wenn sie vor dem Einmotten nicht umgesetzt werden, wird alles absterben durch Wassermangel, Kälte und Vakuum. Ich überlegte, sie stattdessen nach unserer Rückkehr in die Arboreten der Shiva zu verpflanzen. Aber dann würde ich damit Ihnen Ihren Garten wegnehmen.“

Clinton nickte. „Aber dann würden diese beiden Bäume zumindest weiterleben und wachsen.“ Er sah sie traurig an. „Ineiau, bitte lassen Sie diesen Garten in den der Shiva umpflanzen. Das würde mich wirklich freuen. In ein paar Wochen bin ich sowieso nicht mehr hier, wenn ich das Schiff auf Qualar II abgebe.“

 

Die Piranha ging im System Summit 1870 nur zehntausend Kilometer von dem Kontakt entfernt auf Unterlichtgeschwindigkeit.

Ineiau sah irritiert das auf dem Hauptbildschirm gezeigte Schiff an. „Okay, es sieht wirklich aus wie eines unser eigenem Schiffe, aber der Typ ist mir unbekannt.“

Lieutenant Commander Thalin sah von seiner wissenschaftlichen Station sichtbar verwirrt hoch. „Skipper, der Typ ist dem Computer ebenfalls unbekannt. Aber ich habe den IFF-Code eines Schiffes von Starfleet: Endeavour NX-04.“

„Kein Namenspräfix? Und wie kann der Typ eines unserer eigenen Schiffe unbekannt sein?“, fragte Ineiau.

„Kein Namenspräfix. Die Registernummer wurde außerdem nie von Starfleet genutzt. Und der Name ist derzeit bereits für die NCC-1718 vergeben. Ich habe keine Ahnung, wie das alles zusammenpasst“, erwiderte Thalin.

„Bisher haben sie auch nicht auf unsere Anwesenheit reagiert“, brachte Commander Raymond Stiles ein.

„Das Schiff weist starke Schäden auf. Beide Warpgondeln, der Hauptnavigationsdeflektor und damit ihre Fernsensoren sind außer Funktion. Und es sieht für mich nach Kampfschäden aus. Möglicherweise sind auch ihre anderen Sensoren gestört, und sie haben uns noch nicht bemerkt.“

„Gibt es Lebenszeichen?“, fragte Ineiau besorgt.

„Es sind dreiundsiebzig Personen an Bord. Mit diesen alten Sensoren lassen sich die Spezies nicht eindeutig identifizieren.“

„Okay, Akira bringen Sie uns näher ran und längsseits“, wies Ineiau den Piloten Ensign Akira Watanabe an. Dann wandte sie sich an Lieutenant T’Lin: „Bitte rufen Sie sie.“

„Ich habe eine Verbindung zu Ihnen“, meldete T’Lin nach einer gefühlten Ewigkeit.

Auf dem Hauptbildschirm erschien das flackernde Abbild eines grauhaarigen Mannes, der möglicherweise indischer oder pakistanischer Abstammung war, falls er ein Erdenmensch sein sollte. Er wirkte erschöpft und resigniert.

„Freier Himmel, ich bin Captain Ineiau Cher-kira-Ke vom Sternenschiff Piranha der Föderation der vereinigten Planeten. Dürfen wir Ihnen unsere Hilfe anbieten?“, begrüßte Ineiau ihn.

„Ich bin Captain Michael Balsekar vom Raumschiff Endeavour. Wir kommen von der Erde. Ich nehme sehr gerne Ihr Hilfsangebot an. Wir wurden angegriffen. Unser Warpantrieb und Subraumfunk sind ausgefallen und mit unseren eigenen Bordmitteln nicht zu reparieren.“

„Sie kommen wirklich von der Erde? Von Terra?“, fragte Ineiau trotz der vorherigen Indizien überrascht nach.

„Ja, das ist der Name unserer Heimatwelt. Es ist der dritte Planet in unserem Sonnensystem und liegt etwa einhundertzwölf Parsec von hier entfernt.“ Etwas hastig ergänzte er: „Das ist eine Entfernungseinheit.“

„Ich bin mit irdischen Maßeinheiten vertraut“, antwortete Ineiau.

„Oh, dann haben Sie von uns bereits gehört? Haben Sie Kontakt mit den Vulkaniern?“ Er lauschte zu jemand auf seiner Brücke und sah dann Ineiau verwirrt an. „Sie sprechen Englisch? Das ist keine Übersetzung?“

„Ich bin ebenso irritiert wie Sie, Captain Balsekar. Ja, ich spreche Englisch. Und die Erde ist eines der Gründungsmitglieder unserer Föderation.“

Balsekar starrte sie verständnislos an. „Wir haben erst vor wenigen Jahren ein Verteidigungsbündnis mit den Vulkaniern, Andorianern und Tellariten geschlossen. Das können Sie doch nicht mit Föderation meinen?“ Mit aufkeimendem Misstrauen fügte er hinzu: „Und ich kenne Ihre Rasse nicht.“

„Ich bin eine Ani vom Planeten Areka“, antwortete Ineiau, während sie versuchte, in die widersprüchlichen Informationen einen Sinn zu bringen. „Das von Ihnen genannte Bündnis wurde vor über einhundert Jahren gegen die zunehmende Bedrohung durch die Romulaner gegründet.“ Und einer Eingebung folgend fragte sie: „Welches Datum haben Sie? Bitte nach gregorianischem Kalender oder Sternzeit.“

„Wir haben den 28. August 2155“, antwortete der jetzt völlig überfordert wirkende Balsekar automatisch.

Ineiau sah sich besorgt zu T’Lin um. „Wir haben doch hoffentlich ein aktuelles Zeitzeichen?“

T’Lin sah kurz auf ihre Anzeigen. „Ja, das Zeitzeichen von Starfleet ist korrekt auf Sternzeit 2262.2602. Das vulkanische Wissenschaftsdirektorat hat aber eindeutig belegt, dass Zeitreisen in die Vergangenheit nicht möglich sind.“

„2262? Aber das wäre einhundertundsieben Jahre in der Zukunft. Sind wir in der Zukunft?“

Sie hörten jemanden von der Brücke der Endeavour ungläubig rufen: „Sir, ich habe jetzt ebenfalls das Zeitzeichen von Starfleet überprüft. Es stimmt mit dem genannten Datum von der Piranha überein!“

„Wir selbst sind zumindest offenbar nicht in der Vergangenheit. Aber ich weiß beim besten Willen nicht, was hier vor sich geht. Können Sie mir berichten, was Ihnen passiert ist?“, antwortete Ineiau.

„Wir sind in einen Hinterhalt der Romulaner bei Berengaria VII geraten. Sie haben die Pathfinder ohne Vorwarnung zerstört und uns schwer getroffen. Wir sind mit Höchstgeschwindigkeit in den Berengaria-Nebel geflohen, aber als wir diesen wieder verließen, ist der Warpantrieb durch die erlittenen Beschädigungen ausgefallen. Obwohl uns zumindest einer der Warbirds in den Nebel folgte, scheinen wir ihn abgeschüttelt zu haben.“

„Meinen Sie mit Warbird ein romulanisches Schiff?“, fragte Ineiau nach.

„Ja, wir nennen sie so, da sie mit großen Abbildungen von Raubvögeln bemalt sind.“

„Der Berengaria-Nebel ist eine Turtledove-Anomalie! Starfleet hat diese zu Sperrgebieten erklärt“, brachte nervös Thalin ein. Und fügte etwas ruhiger hinzu: „Das war allerdings erst rund fünfzig Jahre nach Ihrem genannten Datum.“

„Sperrgebiet? Ich weiß, dass Turtledove-Anomalien eine höhere Wahrscheinlichkeit von unerwarteten Ereignissen und Computerfehlern verursachen zu scheinen. Aber das gilt doch auch für andere Anomalien. Abgesehen davon erschien der Nebel uns als das geringere Übel.“

„Innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Turtledove-Anomalien treten die meisten Heimsuchungen durch Yagghorths auf“, erwiderte Thalin angespannt.

„Was ist das?“, fragte Balsekar.

„Das ist eine prädatorische Weltraum-Lebensform. Sie sind relativ wenig erforscht“, antwortete Ineiau.

„Sie meinen wir könnten … Yagghorths an Bord haben?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Nein, das hätten Sie definitiv inzwischen bemerkt. Es sind keine kleinen oder auch nur im Entferntesten unauffälligen Wesen.“ Sie verzichtete auf die albtraumhafte Beschreibung einer Yagghorth-Heimsuchung und kam wieder auf das ursprüngliche Thema zurück: „Was geschah, nachdem Sie den Nebel verließen?“

„Wir waren in diesem unbekannten Sonnensystem wie aus dem Nichts über einhundert Parsec entfernt von Berengaria VII herausgekommen. Als wir dann einen Notruf absetzen wollten, ist auch der Subraumsender ausgefallen, und wir waren endgültig hier im Nirgendwo gestrandet.“

„Ihr unvollständiger Notruf wurde von der Starbase Odessa-Prime empfangen. Deshalb haben wir Sie überhaupt erst gesucht und gefunden.“ Ineiau zögerte, bevor sie weitersprach: „Was uns zum nächsten Problem bringt. Ein Subraumsender aus der Zeit vor dem Romulanischen Krieg wäre größer als Ihr ganzes Schiff. In Ihrer Zeit sollten Sie eigentlich nur Nachrichtentorpedos und lichtschnellen Funk haben. Und sowohl Ihr Schiff wie auch dessen Typ ist uns völlig unbekannt.“

„Sie gehört zur NX-Klasse, wie die Enterprise. Es sind die modernsten Schiffe im Dienst von Starfleet, antwortete Balsekar überrascht. „Und was meinen Sie mit vor dem Romulanischen Krieg? Wir sind bereits mitten im Krieg mit den Romulanern!“

„Außer der aktuellen Enterprise gab es bisher bei UESN und Starfleet nur die UES Enterprise CVM-17. Sie war ein Träger der Yorktown-Klasse und wurde erst Ende 2158 in Dienst gestellt. Ich finde keinerlei Daten über eine NX-Klasse. Und der Romulanische Krieg begann offiziell mit der ersten Schlacht von Hell Gate am 15. März 2156, obwohl es bereits vorher mehrere Überfälle durch die Romulaner gab“, informierte Thalin beide Gesprächspartner.

Balsekar sah aus, als würde er kurz vor dem Zusammenbruch stehen. „Was hat das zu bedeuten? Was machen wir jetzt?“

Ineiau atmete tief durch. „Mein Vorschlag wäre, dass wir zuerst die Endeavour wieder warpfähig kriegen und zur Sternenbasis nach Odessa bringen. Und dann versuchen wir, ein paar Antworten zu finden. Haben Sie Verwundete an Bord?“

„Ja, wir haben auf der Krankenstation siebzehn Patienten, und unser Arzt ist unter den Toten.“

„Wir sollten sie dann zur Behandlung auf die Piranha transferieren. Sind alle Patienten transportfähig?“

„Ich bin mir nicht sicher. Aber unsere Fähren sind alle zerstört.“

„Wir haben Fähren an Bord. Aber wir haben inzwischen eine Technik, die wir als Materietransporter bezeichnen. Vielleicht kennen Sie es als experimentelle Technik.“

„Ja, wir haben bereits einen Transporter, der für Biotransfer zugelassen ist. Bisher haben wir aber es vermieden, ihn für Personen zu benutzen.“

„Wenn Sie ihn auf passiven Empfang setzen lassen, wäre es hilfreich. Ich würde zusammen mit meinem Schiffarzt und meinem Chefingenieur zu Ihnen an Bord beamen.“

„Wird gemacht. Wir erwarten Sie.“

„Dann sehen wir uns gleich. Piranha Ende.“ Ineiau lehnte sich nach dem Ende der Übertragung nachdenklich in ihrem abgewetzten Kommandosessel zurück.

„Ihre Technik ist viel zu weit entwickelt für das Jahr 2155“, brachte Stiles seine Bedenken zum Ausdruck. Wegen seiner Familiengeschichte hatte er ein besonderes Interesse an der Geschichte des Romulanischen Krieges entwickelt.

„Ich weiß. Und sie haben sogar einen erstaunlich modernen M/AM-Reaktor, obwohl es zu ihrem angegebenen Herkunftszeitpunkt davon nur Versuchsträger geben sollte. Hatte die UESN nicht die erste Schiffsklasse mit Antimaterie als Energiequelle erst mitten im Krieg in Dienst gestellt?“

„Ja, das war die Kreuzer der Krechet-Klasse aus dem Jahr … 2157. Und sie waren eine noch recht improvisierte Variante der fusionsbetriebenen Amarillo. Die Einführung der M/AM-Technik hatte den Wendepunkt im Krieg herbeigeführt, dem die Romulaner nichts entgegenzusetzen hatten. Aber wieso soll es bei denen anders gewesen sein als in unserer Vergangenheit?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Wir brauchen Antworten. Und die finden wir hoffentlich da drüben.“ Sie zeigte auf das Abbild der Endeavour auf dem Bildschirm. „Thalin, haben Sie etwas über Captain Michael Balsekar herausgefunden oder gab es ihn ebenfalls nicht?“

„Ich habe ihn gefunden, aber es kann nicht die gleiche Person sein. Er ist am 13. April 2153 während des Kursk-Zwischenfalls getötet worden, als die UES Zheng He von unbekannten Angreifern, die man inzwischen für Romulanern hält, zerstört wurde.“

„Danke Thalin.“ Ineiau nickte nachdenklich. „Raymond, Sie übernehmen die Brücke und halten die Augen offen, falls hier wirklich Piraten oder Romulaner auftauchen oder unsere mysteriösen Besucher sich nicht als harmlos erweisen sollten. Halten Sie die Jäger weiter in Alarmbereitschaft.“

„Wird gemacht. Viel Glück, Ineiau!“

 

Doktor Vrenaak und Hekari trugen große Taschen mit medizinischer Ausrüstung, als sie in den Transporterraum kamen. Ineiau nahm trotz seines stummen Protests dem alten Vulkanier seine Tasche ab, bevor sie auf die Transporterplattform traten. Lieutenant Clinton wirkte nervös, als er sich dazustellte.

„Ist das Ihr erster Einsatz in einem Außenteam, James?“, fragte Ineiau ihn.

„Ja, das ist es. Ich wollte immer einen ruhigen Job. Ich bin eben kein Abenteurer.“

„Dann wollen wir beide hoffen, dass es kein Abenteuer wird“, erwiderte sie mit einem freundlichen Lächeln und wies die Transportertechnikerin an: „Sira, beamen Sie uns, wenn Sie bereit sind.“

 

Sie materialisierten in dem kleinen korbförmigen Alkoven des Transporters der Endeavour. Captain Balsekar und mehrere Männer und Frauen erwarteten sie bereits. Ineiau bemerkte fasziniert, dass ihre blauen Uniformoveralls denen der UESN vor der Gründung der Föderation entsprachen. Weniger faszinierend fand sie, dass etwa die Hälfte von ihnen mit Pistolen eines ihr unbekannten Typs bewaffnet waren. Aber zumindest hatte niemand seine Waffe gezogen.

Als sie von der Transporterplattform trat, begrüßte Captain Balsekar sie: „Willkommen an Bord der Endeavour, Captain Sherkirake.“

Offenbar hatte er sich ihren Herkunftsnamen für die Anrede gemerkt, dachte sich Ineiau.

„Danke Captain Balsekar, aber ich werde Ineiau genannt“, erwiderte sie freundlich. „Dieses sind mein Schiffarzt Doktor Vrenaak, mein Chefingenieur Lieutenant James Clinton und Krankenpflegerin Hekari Cher-kira-Ke.“

Balsekar stutzte sichtbar bei Hekaris Herkunftsnamen, sagte aber nichts.

Vrenaak sah sich um. „Ich würde gerne so schnell wie möglich die Verletzten sehen. Wo geht es zur Krankenstation?“

„Lieutenant Marcus wird Sie dorthin führen“, antwortete Balsekar und deutete auf einen rothaarigen Mann neben sich.

Ineiau drückte Marcus die Tasche mit der medizinischen Ausrüstung in die Arme, bevor der Mann protestieren konnte.

„Ich hätte meine Ausrüstung selbst tragen können“, meinte leicht beleidigt klingend Vrenaak.

„Kein Problem, Doktor“, entgegnete der überrumpelte Marcus und führte Vrenaak und Hekari zum Lift.

„Ist Ihre Chefingenieurin anwesend?“, fragte Ineiau.

„Das bin ich. Ich bin Lieutenant Krüger“, stellte sich ein blonder Mann europäischer Abstammung vor.

„Ich würde vorschlagen, dass Sie und Lieutenant Clinton die notwendigen Reparaturen besprechen, um Ihr Schiff zumindest soweit wiederherzustellen, dass Sie aus eigener Kraft zur Sternenbasis kommen.“

„Könnte die Piranha uns nicht schleppen?“, fragte Krüger.

Clinton schüttelte den Kopf. „Nein, mit ihrer einzelnen, zentralen Warpgondel ist sie nicht alleine dazu in der Lage. Wir benötigen zumindest eine begrenzte Warpkapazität auf der Endeavour, dann können wir als Troikaschlepp auf Warpgeschwindigkeit gehen. Wenn das nicht möglich sein sollte, müssten wir abwarten, bis ein zum Abschleppen geeignetes Raumschiff hier eintrifft. Ich weiß aber nicht, wie lange das dauern würde.“

„Etwa drei bis vier Wochen“, beantwortete Ineiau die Frage. „Dann sollten die Reparaturen an der Shiva abgeschlossen sein einschließlich der Zeit, die sie hierher benötigen würde. Alternativ könnte die Orion zusammen mit der Piranha einen Troikaschlepp machen, falls der Antrieb der Endeavour nicht zu reparieren sein sollte.“

„Dann sollten Sie sehen, dass sie zusammen mit Lieutenant Clinton unseren Antrieb wieder in Gang kriegen, Lieutenant Krüger“, sagte Captain Balsekar. „Captain Ineiau, wie lange würde die Orion hierher benötigen?“

„Acht Tage mit Reisegeschwindigkeit. Im Notfall könnte sie in vier Tagen mit Maximumwarp hier sein, aber es gibt möglicherweise bei ihrer Verfügbarkeit Probleme.“

„Dann hoffe ich, dass wir sie hier nicht benötigen. Aber ich würde gerne erfahren, was mit uns passiert ist und wo wir uns überhaupt befinden.“

Ineiau zog ihr Datenpad aus ihrer umgehängten Tasche. „Das ist auch meine Absicht. Ich habe mir einen Fernzugriff auf den Bibliothekscomputer der Piranha zu den historischen Aufzeichnungen von der Erde und unseren Navigationsdaten erstellt. Vielleicht sollten wir damit anfangen und diese mit Ihren eigenen Daten abgleichen. Immerhin haben wir jetzt schon diverse Diskrepanzen zwischen Ihren und unseren Geschichtsdaten entdeckt.“

„Wir sollten im Besprechungsraum ungestört dafür sein und können dann auch dessen Computer benutzen.“

„Dann lassen Sie uns dort zusammenarbeiten, Captain Balsekar“, erwiderte Ineiau mit einem freundlichen Lächeln.

 

Balsekar führte Ineiau in einen länglichen Raum, der den Fenstern nach an der Außenseite des Diskus der Endeavour lag. Durch die Fenster konnte Ineiau die an eine Kaulquappe erinnernde Piranha mit ihrer einzelnen dicken Warpgondel sehen. In der Wand der Schmalseite war ein Computerterminal mit großem Bildschirm angebracht, das anscheinend noch von der letzten Besprechung hier eine Schemadarstellung des Schiffes mit vielen in rot gehaltenen Schadenshinweisen anzeigte. Ein langer Konferenztisch mit von unten beleuchteter Glasplatte füllte zusammen mit acht Stühlen den größten Teil des Raumes aus.

Balsekar bot ihr mit einer Geste an, sich an den Tisch zu setzten. „Ich würde Ihnen gerne eine Erfrischung anbieten, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt etwas für Sie Genießbares haben.“

„Ich wäre einem Kaffee mit etwas Milch nicht abgeneigt“, erwiderte Ineiau, während sie sich setzte und ihr Datenpad aktivierte.

„Sie trinken irdischen Kaffee?“, fragte Balsekar etwas überrascht nach, während er zum Intercom neben der Tür trat.

„Ja, ich bin an der Akademie auf den Geschmack gekommen. Meine Stubenkameradin kam aus Kenia und hatte wahre Rituale für ihren Kaffee.“

Balsekar schnaubte amüsiert verstehend und bestellte über das Intercom für sie beide Kaffee. Dann nahm er ein zweites Datenpad vom Computerterminal und setzte sich gegenüber von Ineiau an den Glastisch. Er zögerte, bevor er sprach: „Ich weiß, dass wir uns eigentlich um das wie, warum und wo von mir und meiner Crew kümmern sollten. Aber seitdem ich weiß, dass wir in der Zukunft sind, selbst wenn es möglicherweise nicht unsere eigene ist, beschäftigt mich die Frage, wie Romulaner überhaupt aussehen und warum sie so feindselig uns gegenüber sind. Wir haben bisher noch keinen von ihnen gesehen.“

„Dann muss ich Sie leider enttäuschen. Wir wissen es ebenfalls nicht. Und über ihre Beweggründe für den Krieg rätseln unsere Historiker ebenfalls immer noch. Während des Krieges haben sie lieber selbst mit Atomwaffen ihre Raumschiffe und Basen in die Luft gejagt, als sich zu ergeben oder sich überhaupt zu zeigen. Selbst die Waffenstillstandsverhandlungen und der abschließende Friedensvertrag wurden ausschließlich über Subraumfunk abgewickelt. Es wurden zwar mehrfach romulanische Agenten- und Spionagetätigkeiten in der Föderation aufgedeckt, aber dafür haben sie ausschließlich Erdmenschen und Ani eingesetzt, die offenbar genau für diesen Zweck im Imperium als Nachkommen von gefangenen und entführten Personen ausgebildet und konditioniert wurden.“

„Warum ausgerechnet Menschen und Ani?“

„Erdmenschen sind sehr präsent in der Föderation. Und Ani sind zwar sehr viel seltener, aber …“ Sie zögerte kurz, bevor sie fortfuhr, während sie hoffte, ihr Gegenüber nicht vor den Kopf zu stoßen. „Wir sind Gestaltwandler. Romulanische Ani sind also begrenzt durchaus in der Lage, echte Personen zu ersetzen, ohne dabei aufzufallen, solange sie keiner anderen Ani begegnen oder gescannt werden.“

Balsekar sah sie geschockt an. „Ich habe von Gerüchten gehört, dass es wirklich echte Gestaltwandler geben soll. Darf ich erfahren, wie sie wirklich aussehen? Oder wäre der Anblick Ihrer wahren Form für mich zu grauenvoll?“

Ineiau konnte ein schiefes Grinsen und die Verfärbung ihrer Tribalzeichnungen nicht unterdrücken. „Ich bin in meiner wahren Gestalt. Und falls es Sie beruhigt: Ich wäre nicht in der Lage, Sie zu imitieren. Und wenn Sie keine Frau mit annähernd meiner Größe an Bord haben, gäbe es niemanden, bei dem mir das überzeugend gelingen würde. Die körperlichen Unterschiede zwischen uns sind zu groß.“

Sie wurden unterbrochen, als eine junge Frau mit dem Kaffee auf einem Tablett den Besprechungsraum betrat. Sie sah nervös wirkend Ineiau an, während sie das Tablett auf dem Tisch abstellte. „Benötigen Sie noch etwas, Sir?“, fragte sie Balsekar.

„Nein danke, Mrs Roberts. Das ist erst einmal alles“, erwiderte der Inder. Nachdem die Frau wieder gegangen war, wandte er sich zurück an Ineiau. „Crewman Roberts ist erst seit Kurzem an Bord. Ich fürchte, dass sie außer Vulkaniern und Denobulanern noch keine weiteren Nichtmenschen gesehen hat. Und Sie erscheinen doch recht … fremdartig, wenn ich das so sagen darf. Meines Wissens sind wir Ihrer Art bisher noch nicht begegnet.“

„Aus Ihrer Sicht ist unser erster Kontakt mit den Vulkaniern in etwa drei Jahren“, erwiderte Ineiau, ohne dabei die katastrophalen Gründe für den vorgezogenen Erstkontakt anzugeben. Sie gab etwas Milch in ihren Kaffee und wechselte das Thema: „Nach dem, was ich gesehen habe, ist Ihre Endeavour sehr viel fortschrittlicher, als es die irdischen Schiffe zum vergleichbaren Zeitpunkt waren. Sie haben sogar einen M/AM-Reaktor.“

„Wir haben einen was?“, fragte Balsekar nach.

„Einen Materie/Antimateriereaktor oder Warpkern. Bei uns gab es zu Ihrem angegebenen Datum nur Versuchsträger, die wegen des Krieges ohne lange Erprobung in den Flottendienst gepresst wurden. Was dann einer der Faktoren für den Sieg der Erde-Andor-Allianz war, dem die Romulaner nichts entgegenzusetzen hatten.“

„Die Romulaner verwenden doch ebenfalls Antimateriereaktoren“, brachte Balsekar irritiert ein.

Ineiau spürte ihre Tribalzeichnungen sich vor Überraschung verfärben. „Nach unserem Wissen haben sie selbst bis heute keine M/AM-Technik entwickelt. Die Erdmenschen waren die Ersten, denen es gelungen war, diese zu entwickeln.“

„Aber alle anderen besaßen doch lange vor uns bereits Antimateriereaktoren! Wir wissen, dass die Vulkanier, Andorianer und Klingonen diese Technik schon zum Teil seit Jahrhunderten besitzen.“

„Klingonen? Mit denen hatten wir unseren Erstkontakt erst rund dreißig Jahre nach dem Krieg, was dann auch beinahe den Nächsten ausgelöst hätte. Und deren erste M/AM-Reaktoren waren schlechte Kopien von irdischen Modellen.“ Sie überlegte. „Ist in Ihren Datenbanken enthalten, wie und wann diese anderen Mächte ihre M/AM-Technik entwickelt haben?“

Er schüttelte den Kopf. „Die Andorianer haben sie von den Vulkaniern gestohlen und sind stolz darauf. Die Vulkanier selbst halten sich sehr bedeckt über ihre technologischen Errungenschaften. Als unsere einzigen Verbündeten haben die Tellariten noch keine Antimaterietechnik entwickelt und hoffen auf einen Technologieaustausch mit uns. Wir hoffen dabei auf deren Schutzschildtechnologie.“

Ineiau nickte nachdenklich. „Damit könnte es schwierig werden herauszufinden, wann außerhalb der Erde sich die Entwicklungen unserer Zeitlinien getrennt haben. Aber vielleicht finden wir etwas in der Geschichte der Erde.“

„Neunzehnhundertsechsundachtzig“, antwortete Balsekar fast automatisch.

„Bitte?“

„Im Jahr 1986 gab es in San Francisco in den damaligen Vereinigten Staaten von Amerika einen Spionagevorfall auf einem atombetriebenen Flugzeugträger. Es wurde später die Vermutung aufgestellt, dass es sich bei dem Spion nicht wie zuerst angenommen um einen Russen handelte, sondern um einen Mann aus der Zukunft. Zwar konnte er auf ungeklärte Weise fliehen, aber er hat dabei Geräte zurückgelassen, die nicht aus jener Zeit stammten.“ Er stand auf und machte einige Eingaben am Computerterminal. Auf dem Bildschirm verschwand die Schemadarstellung der Endeavour und wurde durch eine klobige Handflächenpistole und einen Kommunikator ersetzt.

Ineiau stand ebenfalls auf und trat zum Bildschirm. „Das ist klingonisch! Und für das Zwanzigste Jahrhundert völlig anachronistisch!“

„Das haben wir später ebenfalls vermutet, aber beides ist fortschrittlicher als die Kommunikatoren und Waffen der Klingonen heute … ich meine aus unserer bisherigen Sicht von heute. Ich gehe davon aus, dass die Untersuchung dieser Geräte die Entwicklung von Supraleitern, transparenten Aluminium und Micropulsenergie stark beschleunigt hat“, bestätigte ihr Balsekar. Dann sah er zum Fenster, in dem die parallel zu ihnen fliegenden Piranha zu sehen war. „Wobei ich mir ganz ehrlich ein Schiff aus der Zukunft irgendwie anders vorgestellt habe. Sie sieht nicht viel fortschrittlicher aus als die NX-Klasse.“

„Die Piranha ist ein altes Schiff und wurde eigentlich bereits außer Dienst gestellt. Ich habe sie nur für die Untersuchung Ihres Notrufes übernommen, weil mein eigenes Schiff, die Shiva, noch in der Reparaturwerft liegt und es das einzige verfügbare war“, antwortete Ineiau. „Ich vermute, nach dem, was ich bisher gesehen habe, dass unsere beiden Schiffe technologisch sehr dicht beieinanderliegen. Wobei die Schiffe aus der Generation der Piranha vor rund sechzig Jahren die Ersten waren, die einen flachen Diskus als Hauptrumpf, wie ihn die Endeavour ebenfalls hat, erhielten.“

„Die Form ging auf Zephram Cochrane zurück.“ Hastig ergänzte er: „Das ist der Erfinder des Warpantriebes auf der Erde.“

„Ja, das war er bei uns ebenfalls. Aber die ersten Warpschiffe von der Erde waren hier eher tonnenförmig.“

„Er soll die Form einem Raumschiff aus der Zukunft abgeguckt haben, welches er gesehen haben will.“

„Ein Raumschiff aus der Zukunft? Wann hat er es gesehen?“

„Angeblich während des ersten Kontaktes mit den Vulkaniern im Jahr 2063. Aber durch die Bombardierung seiner Forschungsstation in Bozeman, Montana …“

Ineiau ließ sich wieder auf ihren Stuhl plumpsen und hielt sich eine Hand an die Stirn. Sie hatte gerade das Gefühl, das sie Kopfschmerzen bekam. „Welche Bombardierung? Durch das Schiff aus der Zukunft?“

„Wir wissen es nicht. Cochrane und seine Assistentin Lily Sloane haben von Robotern und Fremden aus der Zukunft gesprochen. Wenngleich das meistens auf den bekannten hohen Alkoholkonsum von zumindest Cochrane geschoben wurde. Ihrer Reaktion nach gehe ich davon aus, dass der erste Kontakt zwischen Menschen und Vulkaniern bei Ihnen anders abgelaufen ist?“

„Ja, keine Bombardierung, keine Roboter und keine Fremden aus der Zukunft. Es gab nur Cochrane, sein Forschungsteam, die Anwohner von Bozeman und die vulkanische Vesaya-Expedition.“

„Und wenn es den Zwischenfall von 1986 bei Ihnen ebenso wenig gegeben hat, hätten wir jetzt also zwei historische Ereignisse, die erheblich voneinander abweichen“, überlegte Balsekar.

Ineiau stimmte ihm stumm zu, während sie überlegte, was das zu bedeuten hätte. Sie überprüfte in ihren Datenpad kurz eine Idee. „Haben Sie von den Theorien über multiple Realitäten und Universen von … T’Kar und Saltzman gehört? Oder gibt es diese Theorien überhaupt bei Ihnen?“

„Ich bin damit vertraut. Und ich hatte sogar die Gelegenheit, mit Karel Saltzman persönlich darüber zu diskutieren. Sie vermuten demnach, dass wir uns in einem alternativen Universum befinden?“

„Ja, wobei ich zugeben muss, dass ich die Theorien nur sehr oberflächlich kenne. Könnte also Ihre Passage durch die Turtledove-Anomalie der Auslöser gewesen sein? Nur wie bekommen wir Sie wieder zurück?“

„Es wäre für mich die einzige Erklärung. Wobei ich davon ausgehe, dass die Anomalie eine Einbahnstraße ist, da wir ja weit außerhalb von ihr hier abgesetzt wurden. Selbst, falls wir in den hiesigen Berengaria-Nebel fliegen würden, halte ich unsere Chancen für sehr gering, dass wir dadurch zurückkehren könnten. Selbst, falls wir dadurch dieses Universum verlassen würden, wissen nur die Götter, wo wir dann womöglich herauskommen.“

„Das würde bedeuten, dass Sie und Ihre Besatzung bei uns gestrandet sind“, stimmte ihm Ineiau bedauernd und mitfühlend zu.

„Das befürchte ich ebenfalls“, bestätigte Balsekar traurig.

 

„Captain‘s Log der USS Piranha NCC-1266 – Stardate 2262.2802: Die Reparaturen am Warpantrieb der Endeavour NX-04 machen Fortschritte und sollten in fünf Tagen abgeschlossen sein. Doktor Vrenaak konnte inzwischen auch alle bis auf einen Patienten wieder als dienstfähig auf die Endeavour NX-04 entlassen.

Unsere Fernsensoren haben drei Warpsignaturen entdeckt, aber bisher ist kein Schiff auf Sensorreichweite herangekommen, und es hat keine Kontaktaufnahme gegeben oder eine Antwort auf unsere Rufe. Wir haben Starfleet über diese neuen Kontakte informiert und bleiben wachsam, falls es sich um Piraten handeln sollte.“

 

„Skipper, wir werden von Starbase Odessa-Prime gerufen.“ meldete T’Lin.

„Ich hoffe nur nicht wieder Commodore Dromel! Bitte öffnen Sie den Kanal“, antwortete Ineiau und rollte mit ihren Augen.

Auf dem Hauptbildschirm erschien das Abbild einer dunkelhaarigen, schlanken Frau in der senfgelben Uniform eines Starfleet-Offiziers. T’Lin hob überrascht eine Augenbraue. Ineiau fühlte ihre Pigmente im Gesicht sich vor Überraschung verfärben.

„Captain Ineiau? Ich bin Rear Admiral Lydia van Dyke. Ich habe auf Anweisung von Starfleet Command vorübergehend das Kommando über Starbase Odessa-Prime übernommen“, stellte sie sich mit strengem, unfreundlichem Tonfall vor. „Ist es korrekt, dass Sie zwei offizielle Proteste gegen Anweisungen von Commodore Donald Dromel eingelegt haben?“

„Ja, das ist korrekt, Madam“, erwiderte Ineiau, die sich fragte, was auf der Sternenbasis vor sich ging. Nur wegen zweier Protestnoten einer Schiffskommandantin würde nicht einfach ohne langfristige Untersuchungen und Anhörungen der befehlshabende Offizier einer Sternenbasis abgesetzt werden. Es musste also noch etwas anderes vorgefallen sein.

„Sie werden mich mit Namen und Rang oder Sir ansprechen! In Ihrer ersten Protestnote ging es um die Ersatzteillieferung für die USS Shiva NCC-1602, die von Commodore Dromel unter anderem von zwei auf eine Merlin-II-Warpgondel gekürzt wurde? Ist das korrekt?“

„Ja, das ist korrekt, Sir. Dadurch dauert Shivas Werftaufenthalt rund doppelt so lang, wie er normal gedauert hätte.“

„Beantworten Sie nur meine Fragen! Ihr zweiter Protest war über Ihre Entsendung mit der bereits aufgelegten USS Piranha NCC-1266 statt des Einsatzes der USS Orion NCC-D540 unter dem Befehl von Lieutenant Commander Allistair McLane zur Untersuchung eines unvollständigen Notrufes bei Summit 1870?“

Ineiau fragte sich zunehmend besorgt, worauf die Fragen hinausliefen. Van Dyke hatte offenbar die Protestnoten gelesen und sollte demnach den Inhalt kennen. Sie unterdrückte ihre eigenen nagenden Fragen, ob van Dyke möglicherweise die Einsprüche als Insubordination ansah, und antwortete möglichst ruhig: „Ja, das ist gleichfalls korrekt, Sir.“

Admiral van Dyke sah sie streng an: „Wie viele Angriffsjäger der Puffin-Klasse sind an Bord der USS Piranha?“

„Es sind acht Puffins an Bord, Sir“, antwortete Ineiau, während sie überlegte, was jetzt dieser Themenwechsel zu bedeuten hatte.

„Übertragen Sie die Rahmennummern an mich!“

Ineiau gab die Aufgabe an T’Lin weiter. „Darf ich erfahren, was es mit diesen Fragen auf sich hat, Sir?“

Van Dyke sah sie scharf an, bevor sie ein Datenpad zum Lesen hochhob. „Laut Inventarliste von Starbase Odessa-Prime sollten Sie vollständig mit zwölf Angriffsjägern bestückt sein. Zwei der fehlenden Einheiten mit den Rahmennummern G356-834 und G356-836 und den Rufzeichen Piranha-Gamma-2 und Piranha-Gamma-4 wurden vor drei Wochen bei einen Überfall nahe Cumbres von Elasi-Piraten eingesetzt und dabei von der USS Shah abgeschossen.“

Ineiau rief besorgt die Liste der an Bord befindlichen Puffins auf das Display ihres Kommandosessels. Die genannten Rahmennummern befanden sich nicht dabei. „Ist bekannt, wie die Elasi an die Jäger gekommen sind?“

„Auf die gleiche Art und Weise, wie sie an zwei neue Merlin-II-Warpgondeln, die für USS Shiva bestimmt waren, gekommen sind“, lautete die mathematische Antwort.

„Admiral van Dyke, ich verstehe nicht“, antwortete Ineiau besorgt und verwirrt.

„Das ist doch nicht so schwer zu verstehen! Jemand hat Starfleet-Ausrüstung unterschlagen und auf dem Schwarzmarkt verkauft!“, erwiderte Admiral van Dyke mit eiskalter Stimme.

„Admiral van Dyke, hier ist der Erste Offizier Commander Stiles. Sie können doch nicht Captain Ineiau dafür verdächtigen!“, sprang Raymond zu Ineiaus Verteidigung ein.

„Selbstverständlich nicht! Sämtliche aufgedeckten Unterschlagungen sind auf Starbase Odessa-Prime geschehen. Niemand von Ihnen war zu den entsprechenden Zeitpunkten überhaupt in deren Nähe. Ich untersuche schon länger das vermehrte Auftauchen von Starfleet-Ausrüstung auf dem Schwarzmarkt. Die Protestnoten von Captain Ineiau und Commander Kovicz über die Reduzierung der angeforderten Merlin-II Warpgondeln durch Commodore Dromel auf ein einzelnes Exemplar waren die entscheidenden Hinweise für mich. Er selbst hat drei Merlin-II beim Ingenieur Corps angefordert und auch geliefert bekommen. Außerdem versuchte er, Captain Ineiaus Proteste illegal löschen zu lassen und hat damit leider einen partiellen Erfolg erzielt. Mir standen nur unvollständige Kopien zur Verfügung, bis ich von Lieutenant Commander S’Rana Zugriff auf die Originale im Computer der Shiva erhielt, von denen ich aber nicht sicher war, ob sie versandt worden sind. Dementsprechend ist Commodore Dromel mein Hauptverdächtiger und steht zurzeit unter Arrest. Und jetzt halten Sie sich gefälligst aus dem Gespräch raus!“ An Ineiau, die sich ein klein wenig nach dieser Erklärung entspannte, fuhr sie mit unverändert unfreundlichem Tonfall fort: „Können Sie bereits absehen, wann Sie zur Starbase Odessa-Prime zurückkehren?“

„Wir benötigen noch voraussichtlich fünf Tage für die Reparatur des Warpantriebes der Endeavour und sollten dann den Rückmarsch antreten können. Ich kann aber noch nicht sagen, mit welcher Geschwindigkeit wir das machen können. Die Endeavour hat mit Warp 4 eine deutlich niedrigere Reisegeschwindigkeit als die Piranha. Ich hatte bereits heute Morgen einen aktualisierten Bericht an die Sternenbasis über den bisherigen Verlauf der Mission und den Fortschritt der Reparaturen geschickt.“

„Ich habe ihn gelesen. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Und Sie werden sich für weitere Fragen in meinen Ermittlungen bereithalten. Van Dyke Ende!“ Mit diesen Worten unterbrach sie die Verbindung.

„Ich glaube, ich sollte auf der Sternenkarte bei Odessa eintragen, dass es dort Drachen gibt“, brach Stiles zuerst die Stille.

„Wenn sie mit Ihnen als Zeugin und Untergebene so umspringt, möchte ich nicht wissen, wie sie ihre Feinde behandelt“, fügte Thalin hinzu.

„Ich stimme mit Ihnen beiden von ganzen Herzen zu“, antwortete Ineiau. „Aber zumindest könnte es erklären, warum wir solche Probleme hatten, an Ersatzteile und Ausrüstungen sowohl für Shiva wie auch für Piranha zu kommen. Wobei ich mich aber doch frage, wie man komplette Warpgondeln und über 400 Tonnen schwere Raumjäger unterschlagen kann. Trotzdem hätte ich nicht erwartet, dass Commodore Dromel möglicherweise kriminell sein könnte. Ich hatte ihn bisher nur für erstaunlich inkompetent gehalten.“

„Möglicherweise ist er ja beides“, brachte T’Lin unerwartet böse ein.

 

Zu ihrer aller Missfallen waren sämtliche Kabinen sowohl für den Captain wie auch die anderen Senior-Offiziere auf der Piranha vollkommen leergeräumt. Teilweise waren selbst die Wandverkleidungen und Bodenplatten entfernt worden und ließen nur das leere Metallgerüst übrig.

Ineiau und Hekari teilten sich deshalb eines der recht kleinen Quartiere für Junior-Offiziere, welches zumindest ein extra breites Bett aufwies. Beide waren dankbar für ihre Entscheidung, den Kater Makarov auf der Shiva bei Krankenpflegerin Elisabeth Mori gelassen zu haben, da er in dem winzigen Quartier womöglich einen Koller bekommen hätte.

Eine direkte Folge der beengten Kabine war, dass sie sich dichter kamen, als sie es in den mehr als zehn Jahren gemeinsamen Wohnens bisher gewesen waren. Wobei sie beide vermuteten, dass das einzelne Bett dabei einen starken Einfluss hatte. Wenn sie morgens eng umschlungen aufwachten, fiel es ihnen beiden schwer, so zu tun, als wäre nichts passiert.

Spät am gleichen Abend rief Ensign William Oboto Ineiau über das Intercom, da Admiral van Dyke sie noch einmal sprechen wollte. Sie brachte mehr hastig als würdevoll mit Hilfe von Hekari ihre Kleidung und Haare in Ordnung, um dann das Gespräch in ihrem Quartier anzunehmen.

„Freier Himmel, Admiral van Dyke, wie kann ich Ihnen helfen?“, meldete sie sich immer noch etwas atemlos.

„Sie hatten mit Commodore Dromel während der Vorbereitung ihrer Abreise mit der USS Piranha gesprochen. Worum ging es dabei genau?“, fragte unverändert kalt und streng van Dyke.

Ineiau argwöhnte inzwischen, dass es ihr normaler Tonfall war. „Wir hatten mehrere Gespräche geführt. Bei dem Letzten ging es um seine Verweigerung der Freigabe der in der Sternenbasis eingelagerten Lenkwaffen und M/AM-Brennstoffzellen für die Puffin-Jäger. Ich wollte auf diese Ausrüstung nicht verzichten, da sie die Hauptbewaffnung des Trägers darstellen, und es gelang mir schließlich zusammen mit Commander Kovicz, ihn zum Einlenken zu bewegen, da ich einen Einsatz ohne sie nicht angetreten hätte. Außerdem verlangte er von mir, dass Kovicz und ich unsere Proteste gegen seine Befehle zurückziehen sollten. Worauf er …“

„Ich konnte Sie nur teilweise verstehen. Wiederholen Sie!“, unterbrach sie van Dyke, während eine Übertragungsstörung kurz über den Bildschirm flackerte.

„Ich sagte, dass es bei dem Gespräch um die Protestnoten und die Waffen für die Puffin-Jäger ging.“

Sie sah, dass Admiral van Dyke etwas antwortete und dann erkennbar wütend zu jemandem außerhalb des Bildes sprach, aber sie konnte ihre Stimme nicht mehr hören, gleichzeitig begann die Übertragung, in rauschenden Bildstörungen völlig zu verschwinden.

„Ineiau an Brücke, was ist mit der Übertragung los?“

Oboto klang verärgert: „Der Subraumfunk wird von drei Quellen in unserer Nähe gestört. Ich kann nichts dagegen unternehmen, Skipper.“

Ineiau überlegte kurz, bevor sie antwortete: „Drei Störsender und drei Warpsignaturen! Wir gehen auf gelben Alarm. Informieren Sie die Endeavour. Ich bin auf dem Weg zur Brücke.“

 

Als Ineiau auf die Brücke kam, berichtete Oboto ihr, dass er die Endeavour gewarnt hatte und der Subraumfunk weiterhin gestört wurde.

„Skipper, ich habe einen Kontakt nur 400.000 Kilometer entfernt. Der Typ entspricht den von Endeavour beschriebenen Warbirds“, unterbrach Thalin Obotos Bericht.

„Das ist zu dicht! Alarmstufe Rot! Schilde hoch!“

„Wir können die Jäger nicht mit aktivierten Schilden starten“, gab Stiles zu bedenken, während er aber trotzdem gleichzeitig dem Befehl nachkam.

„Ich weiß, aber wir sollten bereits innerhalb Ihrer effektiven Schussweite sein“, erwiderte Ineiau. „William, rufen Sie das fremde Schiff. Akira, bringen Sie uns zwischen den Kontakt und die Endeavour. Sie haben keine Schilde.“ Ineiau wartete auf eine Antwort, während der Kontakt als roter Punkt auf der taktischen Anzeige der Piranha näherkam.

„Keine Antwort, Skipper“, meldete resigniert Oboto.

„Öffnen Sie einen Kanal und setzen Sie den Universalübersetzer auf die Romulanische Sprache.“

„Die Datenbank über die Romulanische Sprache ist nur begrenzt. Sie werden sehr künstlich und holperig rüberkommen.“

„Das muss ich dann eben in Kauf nehmen, solange die Übersetzung stimmt.“

„Sie können sprechen, Skipper.“

„Hier ist das Sternenschiff USS Piranha der Föderation der Vereinigten Planeten. Ich bin Captain Ineiau Cher-kira-Ke. Wir möchten mit Ihnen sprechen, bitte antworten Sie uns. Wenn Sie die Expansion des Universums überprüfen, werden Sie feststellen, dass Sie sich einhundertachtundzwanzig Ihrer eigenen Jahre in der Zukunft befinden. Ihr Krieg mit der Erde-Andor-Allianz ist schon lange vorbei.“

Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als sich die Piranha unter Treffern der Disruptorkanonen des Warbirds aufbäumte.

„Das scheint wohl deren Antwort zu sein“, konnte Stiles sich nicht verkneifen.

„Raymond, Feuer erwidern!“, wies ihn Ineiau an. Der Träger erzitterte weiter unter dem Beschuss der Romulaner.

Die Piranha stach mit ihrer einzigen Phaserbatterie nach dem Warbird, ohne eine sichtbare Wirkung zu erzielen. Die Endeavour kurvte aus der Deckung hinter dem Träger heraus und eröffnete ebenfalls das Feuer mit ihren Lasern und zwei Torpedos. Auch ihre Laser blieben wirkungslos, während beide Torpedos den Gegner verfehlten.

„Raymond, zielen Sie auf den Aufschlagpunkt der nächsten Torpedosalve von Endeavour.“

Nur einer der beiden langsam wirkenden Torpedos der zweiten Salve traf den Warbird und detonierte an deren rechten Warpgondel. Nur Sekunden später setzte Stiles seine Phaserstrahlen an die gleiche Stelle. Eine interne Explosion erschütterte die Warpgondel, und der Warbird begann, eine lange Plasmawolke hinter sich herzuziehen.

„Guter Schuss, Raymond!“, gratulierte Ineiau ihm.

Der romulanische Kommandant schien zu der Überzeugung gekommen zu sein, dass er alleine mit einem beschädigten Schiff nichts gegen zwei Gegner ausrichten konnte, und zog sich zurück. Etwa eine halbe Million Kilometer von der Piranha entfernt begann der Warbird, von den Sensoren zu entschwinden.

„Machen sie sich unsichtbar?“, fragte Ineiau ungläubig Thalin.

Der Andorianer schüttelte den Kopf. „Nein, sie bleiben sichtbar, setzen aber ein Sensorstörgerät ein. Jetzt da ich es gesehen habe, kann ich zusammen mit Neniau versuchen, die Wirkung zu kompensieren, damit wir nicht noch einmal überrascht werden. Bei den Sensoren der Shiva wäre es ihnen nicht gelungen, sich so nah heranzuschleichen.“

„Maschinenraum an Brücke“, ertönte über das Intercom die Stimme von Clinton.

„Ineiau hier, ich höre. Wie schwer sind wir getroffen, James?“

„Der Beschuss wurde auf unsere Warpgondel konzentriert. Der Warpantrieb ist ausgefallen. Sonst sind wir bis auf geschwächte Schilde weitgehend unbeschadet geblieben.“

„Wie lange brauchen Sie für die Reparatur?“

„Das kann ich noch nicht sagen. Möglicherweise einige Tage, Sir.“

Ineiau entschied, dass es jetzt nicht der Zeitpunkt war, um seine Anrede zu korrigieren. „Bitte halten Sie mich auf den Laufenden, James.“

„Wird erledigt. Maschinenraum Ende.“

Ineiau wandte sich an Oboto. „Öffnen Sie bitte einen Kanal zur Endeavour.“

Auf dem Hauptbildschirm erschien das besorgte Gesicht von Captain Balsekar.

„Wie ist Ihr Status auf der Endeavour, Captain Balsekar?“, fragte Ineiau.

„Wir haben keine weiteren Schäden genommen, aber das waren unsere letzten vier Photoniktorpedos gewesen. Wir haben jetzt nur noch die Laserkanonen.“

Ineiau nickte grimmig. „Wir sollten hoffentlich die Sensorstörung das nächste Mal kompensieren können und in der Lage sein, unsere Jäger dann rechtzeitig zu starten. Ich schlage vor, dass wir mit bestmöglicher Geschwindigkeit einen Stellungswechsel vornehmen und weiterhin in Bewegung bleiben. Sollen die Romulaner uns doch suchen. Mit ein bisschen Glück sind wir wieder warpfähig und können uns absetzen, bevor sie ihre eigenen Schäden repariert und uns wiedergefunden haben.“

„Einverstanden“, stimmte Balsekar ihr zu.

 

Die beiden Sternenschiffe hatten sich in der Umlaufbahn des sechsten Planeten des Sonnensystems versteckt. Im Schatten des Gasriesen machten die Reparaturen während der nächsten vier Tage zwar gute Fortschritte, aber trotzdem waren beide Schiffe noch nicht wieder warpfähig, als sie drei sich rasch nähernde Kontakte auf den Fernsensoren entdeckten.

Aus den Brückenlautsprechern auf der Piranha erklang eine fremde männliche Stimme: „Ihr Widerstand ist zwecklos. Ergeben Sie sich, und ich sichere Ihnen und Ihrer Mannschaft schmerzlose Exekutionen zu!“

Ineiau sah überrascht Stiles an. „War das jetzt eine Drohung oder ein Angebot?“

„Zu verlockend für eine Drohung“, antwortete Stiles sarkastisch.

Diesmal hatten sie dank Thalins und Neniaus Anpassungen an den Sensoren ausreichend Zeit, um ihre acht Puffin-Jäger zu starten. Ineiau gab Mateka den Befehl ihr abgesprochenes Angriffsmanöver zu beginnen.

Die acht Raumjäger gingen auf Warp, ohne dabei von den Romulanern beachtet zu werden, die ihren Kurs auf Piranha und Endeavour beibehielten. Die beiden Sternenschiffe verließen ebenfalls die Umlaufbahn, um mehr Raum zum Manövrieren zu erlangen.

Die Romulaner erkannten den Angriff der Jäger zu spät, um noch zu reagieren. Mateka und T’Lin hatten mit Warpgeschwindigkeit einen Bogen um sie herum geflogen und kamen hinter den Warbirds aus dem Warp. Die Puffins feuerten die Hälfte ihrer Raketen auf das linke Schiff der romulanischen Formation ab. In der Erwartung, nur von den beiden Sternenschiffen beschossen zu werden, hatte deren Kommandant die Schilde seiner Schiffe auf die Bugsektoren konzentriert, sodass die Heckseiten der Warbirds fast ungeschützt waren. Der getroffene Warbird wurde von mehreren Explosionen in Stücke gerissen.

Die beiden überlebenden romulanischen Schiffe reagierten verspätet mit Disruptorfeuer auf die abdrehenden Jäger. Trotzdem trafen sie den Jäger Piranha-Beta-2, der sich in eine expandierende Wolke aus superheißem Gas verwandelte. Die anderen Jäger gingen wieder auf Warp, um eine neue Angriffsposition einzunehmen.

Währenddessen gingen Piranha und Endeavour zu ihrem Gegenangriff über und beschossen die Romulaner mit ihren Phasern und Lasern. Obwohl sie mehrere Treffer erzielten, war die Wirkung erwartungsgemäß nur gering. Die Romulaner erwiderten das Feuer, trafen jedoch ihrerseits fast ausschließlich die Schilde der Piranha, die versuchte, die Endeavour abzuschirmen.

Abermals kamen die Puffins aus dem Warp und feuerten ihre restlichen Raketen auf die Warbirds. Diesmal waren die Romulaner jedoch besser vorbereitet, und es gelang ihnen, einen Teil der Raketen abzuschießen. Die verbliebenen Raketen detonierten diesmal auf den Schutzschilden der romulanischen Schiffe. Trotzdem durchdrangen sie zum Teil die Schilde und fügten beiden Warbirds sichtbare Schäden zu.

Obwohl sie jetzt keine Raketen mehr hatten, umschwärmten die Puffins weiterhin die romulanischen Schiffe und beschossen sie mit ihren Laserkanonen.

„Mateka, T’Lin, Sie können uns nicht weiterhelfen. Ziehen Sie sich zurück!“, befahl Ineiau.

„Negativ, die Brennstoffzellen sind erschöpft, wir haben nur noch Impulsenergie und können nicht mehr auf Warp gehen“, antwortete Mateka.

„Wir bleiben bei Ihnen. Alles andere wäre unlogisch!“, stimmte T’Lin ihr zu.

Auch die beiden Sternenschiffe rückten wieder gegen die Warbirds vor, um die Jäger zu unterstützen.

Ineiau musste hilflos zusehen, wie wieder ein Disruptorstrahl einen Puffin traf. Der Jäger Piranha-Alpha-4 mit seiner dreiköpfigen Besatzung verschwand in einem Feuerball.

Die romulanischen Schiffe griffen sich jetzt gezielt die Endeavour als das schwächere Ziel heraus und erzielten mehrere Treffer mit Raketen und Disruptoren. Die Endeavour erzitterte, als eine Explosion ihre rechte Warpgondel abriss, und das Sternenschiff trudelte hilflos weg.

Beide Warbirds konzentrierten danach ihr Feuer auf die Piranha als Hauptbedrohung und ignorierten die Insektenstiche durch die Laser der überlebenden Puffins.

Der Träger schüttelte sich unter dem Beschuss aus Disruptoren und Raketen.

„Unsere Phaser sind ausgefallen!“, meldete Stiles frustriert und wütend.

Piranha, retten Sie sich selbst und lassen Sie uns zurück!“, erklang aus den Lautsprechern die Stimme von Captain Balsekar.

„Selbst, falls wir das wollten, wären wir nicht dazu in der Lage. Unser Warpantrieb ist immer noch ausgefallen“, erwiderte Ineiau grimmig.

„Skipper, ich habe zwei Warpsignaturen entdeckt, die sich uns mit Warp 8 beziehungsweise 7,6 nähern.“ Thalin Stimme klang erstmals wieder hoffnungsvoll. „ETA des ersten Kontakts in etwa vier Minuten.“

Ineiau vermutete, dass die beiden Kontakte, nachdem sie auf ihren Fernsensoren die Schlacht entdeckt hatten, von ihrer bisherigen gemeinsamen Marschgeschwindigkeit auf ihre jeweilige Höchstgeschwindigkeit beschleunigt hatten.

„James, geben Sie uns alle verbliebene Energiereserven auf die Schilde! Wir müssen nur noch ein paar Minuten durchhalten“, wies sie über das Intercom Clinton an.

„Ich kann nichts versprechen“, erklang die erschöpfte Stimme des Ingenieurs.

Wieder detonierte eine feindliche Rakete auf den geschwächten Schilden der Piranha und durchdrang sie diesmal teilweise. Der Träger bäumte sich auf, als die Explosion den Rumpf aufriss. Sämtliche Anzeigen an den beiden links von Ineiau liegenden Brückenstationen erloschen. Flammen schlugen aus dem unter der Ingenieursstation liegenden Kühlgitter, bevor sie durch die automatische Feuerbekämpfung erstickt wurden.

„Neniau, gehen Sie zur Sensorstation und leiten Sie die Maschinenkontrolle dorthin um“, wies Ineiau durch den Rauch an und begab sich auch selbst zu der Konsole, um ihr mit der Umleitung zu helfen. „James, was ist noch verfügbar?“

Aber sie bekam keine Antwort von Lieutenant Clinton.

„Skipper, die Schilde und der Impulsantrieb sind ausgefallen. Wir sind manövrierunfähig“, meldete Stiles mit einer Mischung aus Wut und Frustration in der Stimme.

Ineiau und Neniau brachen ihre Bemühungen ab, die nun nutzlose Maschinenkontrolle zu übertragen, und studierten gemeinsam die Schäden an der Piranha. Der letzte Treffer hatte den großen Jägerhangar getroffen und aufgerissen. Ineiau hoffte, dass sich dort niemand aufgehalten hatte. Der Maschinenraum war ebenfalls getroffen worden, und obgleich es dort keinen Hüllenbruch gegeben hatte, war es eine düstere Erklärung für das Schweigen von Clinton. Impuls- und Warpantrieb waren beide ausgefallen, sollten aber reparabel sein, wenn sie nur lang genug überleben würden.

„Skipper, Sie bluten!“, hörte sie Neniau sagen. Sie fühlte mit der Hand nach der nassen Stelle am Kragen ihrer Tunika und sah schwarzes Blut an ihren Fingern. Sie erkannte mit einiger Verzögerung, dass sie nicht als Einzige auf der Brücke verletzt war. Neniaus rechter Tunikaärmel war in Blut getränkt. Und Stiles und Watanabe an der Steuerkonsole waren ebenfalls von herumfliegenden Splittern verletzt worden und bluteten ungewohnt rot aus mehreren Schnitten. Sie blieben aber beharrlich auf ihren Posten, was Ineiau mit einem irrational anmutenden Stolz erfüllte. Sie und Stiles wechselten einen Blick, als sie etwas verspätet bemerkten, dass der Beschuss durch die Romulaner aufgehört hatte.

Nur einige zehntausend Kilometer entfernt war ein Zerstörer der Saladin-Klasse aus dem Warp gekommen.

„Das ist die Orion!“, verkündete Thalin triumphierend.

Die Romulaner schienen den neuen Gegner erst nach seiner Ankunft bemerkt zu haben. Beide Schiffe lösten sich aus dem Kampf mit Piranha und Endeavour, um sich dem gefährlicheren Neuankömmling zu stellen. Die Puffins blieben bei ihrem hilflosen Mutterschiff.

Ohne zu zögern, warf sich die Orion in die Schlacht und belegte den ersten ihr entgegenkommenden Warbird mit einer vollen Breitseite aus ihren vorderen Phasern und einem Photonentorpedofächer aus den doppelt geladenen Werfern. Die geschwächten Schilde des Warbirds konnten dem nicht standhalten, und das Schiff wurde von einer spektakulären Explosion verschlungen. Dem zweiten romulanischen Schiff gelang es, der nächsten Torpedosalve von der Orion auszuweichen und nahe genug an den Zerstörer heranzukommen, um ihn in einen Kurvenkampf zu verwickeln, in dem beide Seiten nur ihre Phaser und Disruptoren einsetzen konnten, um auf die Schilde des anderen einzustechen. Ineiau erkannte, dass es trotzdem nur eine Frage der Zeit war, bis die modernere Orion ihren angeschlagenen Gegner bezwingen würde, obwohl sie selbst dabei Schläge einstecken würde.

Der zweite langsamere Kontakt kam aber jetzt ebenfalls aus dem Warp.

„Ein Kreuzer der Valley Forge-Klasse. Die Asaph Hall!“ Ineiau hatte das Gefühl, dass Thalin kurz davor war, einen Freudentanz aufzuführen.

Die Asaph Hall beendete abrupt den Kampf. Ihre Phaser und Photonentorpedos verwandelten den verbliebenen, durch die Orion abgelenkten Warbird mit ihrem ersten und einzigen Angriff in einen manövrierunfähigen, torkelnden Trümmerhaufen.

„Hier ist die USS Asaph Hall von Starfleet an das feindliche Schiff: Ergeben Sie sich und bereiten sie sich auf ein Enterkommando vor“, hörten sie Admiral van Dyke über Sprechfunk befehlen.

„Keine gute Idee, ein romulanisches Schiff zu entern“, kommentierte Stiles.

Als hätten die Romulaner ihn gehört, verschwand das Wrack ihres Schiffes in einem nuklearen Feuerball.

„Weil sie sich lieber selbst umbringen, statt sich zu ergeben“, beendete Stiles grimmig seine Aussage.

 

„Captain‘s Log der USS Piranha NCC-1266 – Stardate 2262.0803: Wir konnten heute nach Abschluss der provisorischen Reparaturen in Begleitung von USS Asaph Hall NCC-1494 und USS Orion NCC-D540 die Rückreise zur Starbase Odessa-Prime antreten. Der Antrieb der Endeavour NX-04 ist ohne eine Werft nicht mehr zu reparieren, und sie wird deshalb von der USS Asaph Hall NCC-1494 abgeschleppt. Captain Michael Balsekar und die anderen Überlebenden seiner Besatzung werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre ursprüngliche Heimat nicht wieder sehen. Die meisten von ihnen haben die Absicht geäußert, Starfleet beizutreten, oder um es aus ihrer Sicht zu sehen, in Starfleet zu bleiben. Rear Admiral Lydia van Dyke hat ihre Unterstützung für sie ausgesprochen, aber auch diejenigen, die nicht in Starfleet sein wollen, ausdrücklich in diese Unterstützung eingeschlossen.“

 

Ineiau stand im Arboretum, in dem die Särge der Toten bedeckt mit den Flaggen ihrer jeweiligen Heimat aufgebahrt waren. Auf der Bank zwischen den beiden Bäumen standen einundzwanzig mit schwarzem Trauerflor versehende Bilder der Toten, aber es gab nur vierzehn Särge. Außer den Besatzungen der beiden zerstörten Puffins hatten sie auch den Körper von Crewmember Rob Miller nicht mehr auffinden können. Ineiau verinnerlichte sich die einundzwanzig Namen derer, die unter ihrem Kommando gestorben waren.

Zumindest mit James Clinton hatte einer der Toten diesen Ort geliebt und im Rahmen seiner Fähigkeiten gepflegt. Ineiau hatte bereits verfügt, dass die beiden Bäume und die anderen Pflanzen zusammen mit der alten Holzbank nach ihrer Rückkehr in die Arboreten der Shiva umgesetzt werden würden.

Sie hörte hinter sich die Tür öffnen und drehte sich um, als Admiral van Dyke ins Arboretum trat.

„Sir, ich wusste nicht, dass Sie an Bord gekommen sind.“

„Ich weiß, ich habe Commander Stiles Sie nicht rufen lassen, nachdem er mir sagte, wo Sie sind.“ Ihre Stimme klang immer noch hart, aber freundlicher und weniger streng als bei den bisherigen Gesprächen. „Es ist immer schwer, gute Männer und Frauen zu verlieren. Ich weiß, dass dies Ihre erste echte Schlacht als Kommandantin eines Schiffes war. Waren das auch die ersten Verluste unter Ihren Befehl, Captain Ineiau?“

Ineiau schüttelte traurig den Kopf. „Nein, es sind leider vorher schon drei Besatzungsmitglieder unter meinem Kommando gestorben.“

Van Dyke sah die Bilder und Särge an. „Aber die vorherigen Erfahrungen machen es nicht leichter, das habe ich ebenfalls festgestellt. Das Universum kann wunderschön sein, aber ebenso gefährlich und tödlich. Es wird nie leichter. Und es darf auch nie leichter werden, jemanden zu verlieren.“

Mensch und Ani schwiegen übereinstimmend, während sie gemeinsam der Toten im verwilderten Arboretum gedachten.

 

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