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Der Aufpasser

von Harald Latus

Kapitel 1

Kapitel 1

 

Toni stand vor dem Büro der Abflugkontrolle. Hier sollte sie den Befehl entgegennehmen. Es herrschte geschäftiges Treiben und mehrere Captains erschienen und nahmen von einem Offizier ihre Aufträge entgegen. Die meisten warfen einen kurzen Blick darauf und machten sich wieder auf den Weg. Nachdem ein Captein den Raum durch eine große Holzgetäfelte Tür verlassen hatte, winkte der Lieutenant Commander ihr zu, „Sie sind dran“, sagte er zu ihr und die junge Frau stand auf, richtete ihre Uniform und trat zur Tür, die sich sofort öffnete. Ein Admiral saß hinter dem Schreibtisch und schaute sie interessiert an. Sein Blick fiel auf das Display und ein Lächeln umspielte kurz seine Mundwinkel.

„Ihr erster Einsatz?“, fragte er, obwohl dies unzweifelhaft aus der sicherlich geöffneten Dienstakte hervorging. Der Mann war alt, seine kurzen Haare waren schlohweiß, es zeigte sich jedoch kein Anzeichen für Haarverlust, selbst in seinem Alter. Der Admiral stand auf und gab ihr die Hand, „Carter Wellington. Wissen Sie, dass wir etwas gemeinsam haben?“

Toni Sanders war verblüfft, wie konnte ein Admiral mit ihr eine Gemeinsamkeit haben? Doch sie antwortete höflich und spielte mit, „Wie kommt es, dass wir eine solche Verbundenheit haben sollten?“ Carter Wellington lächelte. „Wir beide sind der Ersatz für jemanden der derzeit seine Aufgaben nicht erfüllen kann. Captain Rhonda Herschel befehligte ursprünglich das Schiff mit dem Sie aufbrechen werden, sie ist jedoch durch einen Sportunfall derzeit nicht in der Lage ihre Aufgaben wahrzunehmen. Sie haben also zumindest in dieser Beziehung Glück, dass ohnehin eine Frau am Steuer war, was in dieser Zeit aber wohl kaum noch eine Rolle spielen dürfte.“

Damit überreichte er Toni ein Padd mit dem Auftrag. Zumindest Anlass, Fracht und Ziel waren ihr schon bekannt, nicht jedoch das Schiff und als sie den Namen las, hatte sie das Gefühl ihr Herzschlag würde für einen Moment aussetzen. Das Schiff war die USS MALINCHE, Sternenflottenregistrierung NCC-77899 aber allein der Name war eine Offenbarung. Der Bruder Ihres Vaters hatte auf der MALINCHE als Captain gedient, damals ein Schiff der Excelsiorklasse, und ein Schiff mit diesem Namen zu führen war für sie eine besondere Ehre.

Admiral Wellington hatte mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet. Schließlich hatte er die Akte von Captain Sanders nicht ohne Grund auf dem Bildschirm.

„Ich bin mir sicher, Sie werden dem Schiff und seinem Namen alle Ehre machen und nun sehen Sie zu, dass Sie an Bord kommen, auf Velaros Prime wartet man dringend auf die Versorgungsgüter.“, gab der Admiral in väterlichem Tonfall zu verstehen.

Toni Sanders schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann hatte sie sich gefangen, „Selbstverständlich Sir, ich werde mein Bestes geben“, versicherte sie.

„Davon bin ich überzeugt, viel Erfolg und einen angenehmen Flug.“, ergänzte der Admiral, „Danke Sir“, sagte Toni, die sich beim Admiral noch einmal mit Handschlag bedankte und dann auf dem Weg zum Andockring im Inneren der Basis verschwand.

Im Büro von Admiral Wellington trat ein Mann hinter einer Abtrennung hervor. Auch er trug die Rangabzeichen eines Admirals.

„Bist Du sicher, dass sie das Schaffen wird?“, wollte Wellington von seinem Kollegen wissen?

„Ich vertraue ihr blind. Ihre Ausbildung war exzellent, sie war auf der Akademie ein schlaues wissbegieriges Mädchen und hat sich auf meinem Schiff die ersten Sporen verdient. Sie wird die Sache ohne Schwierigkeiten durchziehen, davon bin ich überzeugt.“

„Na Dein Wort im Geiste der Propheten, aber immerhin hatte sie ja einen ausgezeichneten Lehrmeister.“, entgegnete Carter Wellington. „Nun mach dich auf und lass Sie nicht so lange warten. Ich glaube, auch Sie ist nicht begeistert von der neuen Regel die Du der Flotte empfohlen hast.“, ergänzte er und machte eine Handbewegung zur Tür.

„Wir werden sehen, wie sie sich schlägt,“ erklärte der Besucher, strich sich durch seinen ergrauten Vollbart und machte sich auf den Weg.

 

*  *  *

 

Toni stand im Zugang zum Schiff, dass im Inneren der Sternenbasis angedockt war. Ein ausfahrbarer Tunnel war mit dem Schiff verbunden und Captain Sanders Schritt entschlossen auf die Türe im Rumpf der Intrepid Klasse III zu. Das Schiff sah zwar ähnlich aus wie die Vorgänger, war aber eine vollkommene Neukonstruktion. So hatte es neue Triebwerke erhalten, ähnlich wie diverse andere Updates wie stärkere Schilde bessere Waffenphalanxen und neue Torpedoabschussrampen. Auch wenn es modernisiert war, so konnte es nicht mit der neuen Pathfinderklasse mithalten, die eine Weiterentwicklung dieses Designs war.

Nachdem sich die Tür im Rumpf geöffnet hatte, stand Toni vor einem Commander, wahrscheinlich dem ersten Offizier, der seine Hände hinter dem Rücken verschränkt hielt. Toni schätzte ihn auf mehr als zwei Meter Höhe, womit er sie um zwei Kopflängen überragte. Sein Körper war stark gebaut und etwas Sport hätte ihm sicherlich gut getan, aber das war sekundär, er sollte ja keinen Wettbewerb gewinnen.

 

Mit den Füßen noch im Andocktunnel machte Toni pflichtbewusst Meldung, wie es sich für einen Angehörigen der Sternenflotte ziemte. „Erlaubnis an Bord zu kommen?“, fragte sie den Offizier, der mit starrem Blick über sie hinweg einen weit entfernten Punkt fixiert hatte. „Mein Name ist Nyle Rodgers, ich bin der erste Offizier dieses Schiffes. In den Befehlen steht, dass Sie unser neuer Captain sind. Wer würde sich anmaßen, dies nicht anzuerkennen. Erlaubnis gewährt!“, erwiderte der Commander ein wenig trotzig und trat einen Schritt zur Seite.

„Danke!“, sagte Toni und betrat das Schiff. Auch wenn es nur ein vorübergehender Auftrag war, diese ersten Schritte unter einem eigenen Kommando waren etwas Besonderes für sie.

Während sie begleitet vom Commander den Flur entlang ging, wandte sie sich an den neben ihr gehenden. „Commander, wie viele Gästequartiere sind derzeit verfügbar?“ Der Commander war für einen Moment verwirrt. Dann jedoch beantwortete er die Frage, „Derzeit stehen vier Gästequartiere zur Verfügung, zwei davon mit VIP Status.“

Toni Sanders versuchte ihre lange rote Mähne mit den fein gekräuselten Haaren zu bändigen, was jedoch nicht richtig gelingen wollte. „Gut bereiten Sie ein Quartier für einen Admiral vor, das andere werde ich nutzen. Ich bevorzuge die rechte Schiffsseite.“ Inzwischen waren sie am Turbolift angekommen und traten durch die sich öffnenden Türen.

Der Commander verschluckte ein Lachen, was Toni jedoch sofort auffiel. „Erster Auftrag mit Begleitung?“, fragte er. „Mag sein, sagen Sie mir gerne, wenn Sie zum Captain befördert werden, dann komme ich auch zum Lachen vorbei. Brücke“, gab sie das Kommando und der Lift setzte sich in Bewegung.

 

Auf der Brücke angekommen begab sich Toni Sanders zum Stuhl des Captains.

„Commander, informieren Sie mich über den aktuellen Status.“

Nyle Rodgers, der neben Toni stand nahm Haltung an. Er sah nach vorn, verschränkte wieder die Hände hinter dem Rücken und blickte starr nach vorn auf den Hauptbildschirm. „Die Fracht ist bereits an Bord. Das Schiff wurde für das Auslaufen vorbereitet, der Antrieb ist hochgefahren wir können jederzeit starten“, sagte er, als würde ein Computer den Text herunterlesen.

Toni nickte und wandte sich an die Crew: „OPS, der Transporterchief soll sich bereithalten für das Eintreffen eines Admirals und ein Offizier der Wache sollte sich am Andocktunnel postieren, falls der Admiral diesen Weg wählt. Sobald er an Bord ist, weisen Sie ihm das Quartier zu, welches der Commander vorgesehen hat. Wenn er eingetroffen ist, machen wir uns auf den Weg. Nummer Eins, informieren sie mich entsprechend. Ich bin im Bereitschaftsraum.“

Damit nahm sie ihre Tasche auf, erhob sich und war mit wenigen Schritten im Raum des Captains verschwunden.

Die Crewmitglieder drehten sich von ihren Stationen zum Commander um. Er sah in die Gesichter seiner Crew und hatte scheinbar das gleiche miese Gefühl wie seine Kameraden.

„Wie sagt ein altes Sprichwort der Erde? Das Leben ist kein Wunschkonzert und Manchmal kommt man vor Regen in die Traufe!“ Dann setzte er sich in den Stuhl des Captains und übernahm die Brückenaufsicht.

 

Nyle Rodgers hatte eine solide Karriere hingelegt. Er war inzwischen achtunddreißig Jahre alt und war vor vier Jahren zum ersten Offizier ernannt und auf die MALINCHE versetzt worden. Sie wurde seine neue Heimat, seitdem sie aus dem Dock gelaufen war. Ihre erste Mission hatte sie damals mit Bravour hinter sich gebracht. Unter dem Kommando von Captain Elias Scott, dem ersten Captain der USS MALINCHE hatte er mit Zufriedenheit gedient, doch nach nur einem Jahr Dienst wurde dieser aus unbekannten Gründen durch eine frisch zum Captain beförderte Frau, Captain Rhonda Hershel ersetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war er ein engagierter Offizier gewesen, der sich fit hielt, seine Überzeugung vertrat und dem Captain ein guter ausführender Offizier war.

Nyle Rodgers dachte daran welcher Unterschied sich daraus ergeben hatte und dass er sich mit der Zeit zunehmend unwohl fühlte. Das lag vor allem daran, dass Captain Hershel einen seiner Meinung nach unzumutbaren Führungsstil hatte. Ja, er musste selbst zugeben, dass er sich hatte gehen lassen, nachdem er feststellen musste, dass all seine aus Überzeugung entstandenen Vorschläge nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Auch wenn er von diesem Schicksal nun vorübergehend erlöst war, so blieb doch die Frage, wie sich Captain Sanders aufführen würde und die schlimme Aussicht, dass Captain Hershel schon bald wieder ihren Fuß auf das Schiff setzen würde. In all dieser Zeit hatte er nie ergründen können, warum sie eine so schroffe und beratungsresistente Art an sich hatte.

Er hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt sich versetzen zu lassen, doch er fürchtete, dass sie ihn nicht gehen lassen oder mit einer sehr schlechten Bewertung ins Abseits stellen würde.

Notgedrungen und unzufrieden fügte er sich diesem Schicksal und hoffte auf ein Wunder.

 

Captain Sanders wusste genau, was sie nun zu tun hatte. „Computer, hiermit übernehme ich Captain Toni Sanders das Kommando über die USS MALINCHE. Trage mich als amtierenden Captain in die schiffsinternen Register ein. Autorisierung Theta Alpha sieben Gamma Hydra. Zusatzanfrage: Computer, stelle die Akten der Brückencrew zusammen und zeige eine vollständige Liste der Mannschaft auf. Ich benötige zudem die schiffsinternen Logbücher der letzten drei Monate einschließlich aller freigegebenen Dateien.“

Das System ließ einen Signalton ertönen und bestätigte die Anfrage. „Kommandocodes übertragen und aktiv. Temporäre Befehlsgewalt laut Flottenregister für die kommende Mission bestätigt.“

 

Ähnlich wie beim Flug durch die unendlichen Weiten des Alls gab es auch in der Sternenbasis weder Tag noch Nacht. So war es Toni nicht aufgefallen, dass sie sich mehr als drei Stunden mit dem Anlesen von Daten über die Crew, das Schiff und die vergangenen Missionen beschäftigt hatte, bis das Türsignal ertönte. „Herein“, rief sie und sah vom Bildschirm auf.

Die Türe öffnete sich und der erste Offizier trat ein. Er nahm Haltung an und sah aus dem Fenster, während er seine Informationen schilderte.

 

„Ma’am, wir haben bislang noch keine Information erhalten, die auf den Admiral hinweisen. Weder wurde er an Bord gebeamt, noch ist er an der Andockschleuse eingetreten. Welche weiteren Befehle haben Sie für mich?“ Toni Sanders stutzte, das wurde ihr zu ominös. Ein Admiral der seinen Abflug verpassen würde? Niemals!

„Commander, stehen Sie bequem und sehen Sie mich bitte an, wenn ich mit Ihnen kommuniziere. Sicher wissen Sie besser als meine Wenigkeit, wie es um Captain Rhonda Hershel steht. Mir wurde vorübergehend das Kommando übertragen, welches ich als Offizier der Flotte wahrnehme. Sie kennen die Bestimmungen sicherlich ebenso gut wie ich, also tun sie uns den Gefallen und machen Sie einfach Ihren Job.

Ich will Ihren Captain weder ersetzen noch verdrängen, das sollten Sie bereits an meiner Quartierwahl bemerkt haben. Falls dies dennoch nicht klar sein sollte versichere ich Ihnen, dass ich nach diesem Auftrag nicht um eine Verlängerung ersuchen werde. Für weitere Aufträge wird sicherlich ein anderer Captain oder auch Captain Rhonda Hershel wieder bereitstehen. Zudem würde ich es begrüßen, wenn Sie mich einfach Captain nennen.“

 

„Aye, Sir“, kam es vom Commander. Captain Sanders fiel eine wichtige Frage ein. „Nummer eins, warum haben Sie mich nicht informiert, dass der Admiral bislang nicht eingetroffen ist, ich hätte beim Flottenkommando nachgefragt und wir könnten längst auf dem Weg sein.“

Der Commander schaute sie verdutzt an. „Captain es gab kein Zeitfenster, in dem wir den Besuch erwarten sollten. Weder der Transporterchief noch die Wache am Andockring haben sich gemeldet.“

Toni Sanders wurde ein wenig ungehalten, „Für die ist es doch das Größte mit allen Ehren empfangen zu werden oder sich bei jeder Gelegenheit in die Schiffsführung einzumischen, wenn ein Admiral an Bord wäre, dann hätte er sicher nichts Besseres zu tun gehabt als mich von meiner Arbeit abzuhalten...“, doch plötzlich hielt sie inne.

„Computer, wie ist die Anzahl aller Individuen an Bord?“ Der Computer ließ einige Verarbeitungstöne hören, dann kam seine Antwort. „Auf dem Schiff befinden sich derzeit 231 Personen.“

Toni sprang auf, „Da haben Sie es, er ist längst an Bord. Die Standardzahl der Besatzung beträgt 230 Personen. So ein linker Hund, der will mir garantiert gleich einen reinwürgen.“, sie drehte sich zum Commander, der Ihre Gedanken scheinbar erriet. „Deck fünf, Sektion achtzehn, Raum 5014“, sagte er.

 

„Bereiten Sie den Abflug vor, wir starten sofort und dann werde ich einen Antrittsbesuch beim Admiral machen.“, wies Toni den ersten Offizier an, stürzte aus dem Raum und nahm im Captainsstuhl Platz. Sie aktivierte das Intercom und machte eine Ansage.

„An die Crew der MALINCHE, ich bin Captain Toni Sanders, Ihr kommandierender Offizier für den nun beginnenden Auftrag. Unsere Aufgabe lautet medizinische Versorgungsgüter nach Velaros Prime zu liefern. Die Aufgabe ist zeitkritisch, da die Lage auf dem Planeten ohne die benötigten Medikamente schnell außer Kontrolle gerät. Also alles auf die Stationen wir fliegen sofort ab.“ Damit schaltete sie das Interkom ab und wandte sich an Nichelle Rand. „Lieutenant, holen Sie Abfluggenehmigung ein und lassen Sie die Raumtore öffnen. Lieutenant Ucla Codas, lassen Sie die Andockklammern lösen. Sobald das erledigt ist, soll der Maschinenraum vollständige Bereitschaft melden.“

An den ersten Offizier gewandt sagte sie: „Wenn alles bereit ist, verlassen Sie das Raumdock, ich bin so bald wie möglich wieder auf der Brücke, aber zuerst werde ich mich beim Admiral melden. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss halt der Berg zum Propheten kommen.“ Damit stand sie auf und war schnell im Turbolift verschwunden.

Entschlossen trat sie auf Deck fünf aus dem Turbolift und folgte dem Gang nach rechts. Auf den Türen war die entsprechende Nummer angegeben und schnell hatte sie den Raum 5014 erreicht. Sie betätigte das Türsignal und hörte eine leise Stimme die Antwort gab, ein Zeichen für die gute Schallisolierung. Die Türen öffneten sich und im Gegensatz zu ihrem Gemüt, welches am liebsten den Raum gestürmt hätte, trat sie vorsichtig in das Quartier ein, welches im Halbdunkeln lag.

Der Admiral saß auf dem Sofa und sah sie belustigt an. „Computer hebe das Lichtniveau auf fünfzig Prozent an. Sie haben aber lange gebraucht, um mich zu finden, ich bin schon länger an Bord als sie.“, scherzte er.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein, von allen Admirals die einen solchen Job machen könnten, kommen ausgerechnet Sie?“ Captain Sanders war komplett verwirrt.

„Ich bin nur auf Urlaub hier, denn ich weiß, dass Sie dieses Schiff im Griff haben werden, so wie Sie es bei mir gelernt haben, so wie es ihr Vater führen würde und genau so, wie es Ihr Onkel auf dem Schiff mit dem gleichen Namen getan hat.“, erklärte der Admiral.

„Dieses Schiff ist schlampig geführt. Jeder Hangarchief ist mit der Anzahl seiner Shuttles und Arbeitsgeräte vertraut. Sie können nichts dafür, aber die haben mich in einer Workbee einfach reingelassen und keinem ist aufgefallen, dass sie ein Schiff zu viel haben. In meiner Uniform bin ich ohne Nachfrage in den Lagerraum mit der Fracht gekommen. Ein Unding für ein Schiff der Sternenflotte und ein Schwachpunkt in der Sicherheitslogistik. Diese Güter sind heißbegehrt, da man sie für viele Zwecke einsetzen kann und der Weg nach Velaros Prime ist alles andere als kurz und sicher.“

Captain Sanders nahm auf einem der angebotenen Sessel Platz.

„In der Auftragsbeschreibung stand nichts von Gefahren irgendwelcher Art. Zudem haben wir Slipstreamantrieb. Mit dem kann sicher kein Schmugglerschiff mithalten.“, entgegnete Toni.

„Sie sollten sich an meine Worte erinnern ‚Verlasse dich nie zu sehr auf die Technik, sie lässt dich genau dann im Stich, wenn Du sie am meisten brauchst‘ und das ist kein geflügeltes Wort, sondern traurige Realität.“

Captain Sanders sah den Admiral eindringlich an. „Irgendwelche Empfehlungen, die uns helfen könnten, Admiral?“, fragte die junge Frau.

Roger van Dyke stand auf und umrundete den Tisch, bis er vor Toni stand, die inzwischen ebenfalls aufgestanden war. Durch die Fenster war zu sehen, dass sich das Schiff bewegte und langsam durch die Raumtore glitt.

„Wenden Sie das an, was Sie auf meinem Schiff und in der Flotte gelernt haben, handeln Sie umsichtig. Gute Vorbereitung und ein ausgewogener Führungsstil sollten für den Anfang reichen. Wir werden sehen, wie weit wir damit kommen.“

„Na gut“, sagte Toni, „dann werde ich mal meinen Job machen, wir sehen uns später.“

Roger lächelte der jungen Frau hinterher, die sich nun wieder auf den Weg zur Brücke machte.

 

Die Türen des Turboliftes öffneten sich auf der Brücke und sofort erhob sich der erste Offizier aus dem Stuhl des Captains, nahm Haltung an und blickte nach vorne.

„Status?“, verlangte Toni vom ersten Offizier, während sie in ihrem Stuhl Platz nahm.

„Wir haben das Raumdock verlassen Captain und sind bereit zu beschleunigen.“, erklärte der erste Offizier, während er weiter den Blick nach vorne richtete.

„Lieutenant Renner, setzen Sie einen Kurs Richtung Velaros Prime, keine unnötigen Umwege.“, der Captain tippte an seinen Kommunikator, „Lieutenant Walker, ich wünsche, dass das Schiff zunächst mit der maximalen dauerhaften Warpgeschwindigkeit fliegt. Stellen sie sicher, dass ausreichend Energie vorhanden ist und halten Sie den Slipstream Antrieb in Bereitschaft, ich komme später darauf zurück.“

Damit beendete sie die Kommunikation und wandte sich wieder der Steuerfrau zu, die ihre Eingaben abgeschlossen hatte.

„Captain, alles bereit für den Warpsprung auf Ihr Kommando.“

Toni Sanders war sich klar darüber dass nun alle auf Ihren Einsatzbefehl warteten und sie wollte sie nicht enttäuschen. „Na denn Lieutenant Lendris, geben sie den Gäulen mal die Sporen!“

 

Der junge Lieutenant tippte auf die Schaltfläche und das Schiff schoss davon. Die typischen Warpsterne bildeten sich auf dem Bildschirm und Captain Sanders entspannte sich ein wenig.

Nach einer halben Stunde, in der sich nichts ereignete, übergab sie die Aufsicht an ihren ersten Offizier und zog sich in den Bereitschaftsraum zurück.

Sie war mit dem Studium der ausgewählten Unterlagen noch nicht annähernd fertig geworden. Die Crewakten waren unspektakulär, aber mit der Zeit fiel auf, dass hauptsächlich kleinere Negativeinträge von Captain Hershel vorhanden waren. Eine Anfrage an den Computer ergab, dass die letzte Beförderung eines Crewmitglieds vor drei Jahren erfolgte. Damals noch unter dem Kommando von Captain Elias Scott.

Das war wenig erbaulich und sie als temporärer Captain würde es schwer haben, dies zu ändern. Ein Leitspruch ihres Mentors Roger van Dyke war immer, ‚Führen Sie Ihre Mannschaft immer so, wie Sie geführt werden möchten‘

Aus unerklärlichen Gründen hatte Captain Hershel einen Zweischichtbetrieb auf dem Schiff eingeführt. Es war ein Wunder, dass hier noch keiner opponiert hatte, denn in der Flotte waren drei-  und Vierschichtsysteme an der Tagesordnung, je nachdem, welche Aufgabenstellung ein Schiff hatte.

Die Schiffslogbücher von Captain Rhonda Hershel waren knapp und meist von einer gewissen Unzufriedenheit geprägt. Von Verdrossenheit über die Aufträge, Beanstandungen über mangelnde Leistung der Maschinencrew bis hin zu vermeintlichem Fehlverhalten von einzelnen Crewmitgliedern war alles dabei, einschließlich einiger Punkte die in einem Schiffslogbuch, nach Meinung von Toni Sanders, nichts zu suchen hatten. Der Captain suchte die Fehler überall, nur nicht bei sich selbst.

Captain Sanders öffnete das Schiffslogbuch des ersten Offiziers. Nach Tonis Meinung war er scheinbar ein fähiger Offizier, der möglicherweise durch die ständigen Widersprüche des Captains resigniert hatte. Dennoch hatte er dem Captain viele Vorschläge unterbreitet, zu Beförderungen, Änderungen der Schiffsabläufe bis hin zu persönlichen Wünschen der Crewmitglieder. Er hatte alles aufgeführt, jedoch immer mit demselben ablehnenden Ergebnis von Captain Hershel. Doch einen Vorteil hatte es. Es war dokumentiert und ein Anhaltspunkt für Toni, wie sie die Situation verbessern konnte.

Für Toni war es ein Wunder, dass noch keiner der Besatzung die Flucht auf ein anderes Schiff angetreten hatte. Aber es war wohl wie immer. Das Schiff war eine Gemeinschaft. Es hatten sich Freundschaften oder auch Leidensgemeinschaften gebildet, auf die keiner verzichten wollte und einen Freund zurückzulassen, um ein besseres Leben zu beginnen war meist keine Option.

Toni Sanders tippte an ihren Kommunikator. „Commander Rodgers, Statusbericht!“

Die Stimme des ersten Offiziers drang aus der Audioanlage. „Hier Rodgers, der Flug verläuft derzeit problemlos, keine besonderen Vorkommnisse.“

Captain Sanders antwortete umgehend. „Das ist gut, kommen Sie bitte in meinen Raum, es gibt einiges zu besprechen. Übergeben Sie die Brücke an den Wissenschaftsoffizier. Sanders, Ende.“

Schon nach wenigen Sekunden ertönte das Türsignal und der Captain rief „Herein.“

Commander Nyle Rodgers durchschritt die Tür und blieb dann in angespannter Haltung stehen, in der Erwartung neue Befehle zu erhalten.

„Commander, stehen sie bequem, wir sind hier nicht beim Apell. Begleiten Sie mich zum Sofa, da spricht es sich entspannter.“ Der erste Offizier folgte dem Captain, der aufgestanden war und auf das Sofa und den kleinen Tisch direkt unter den Fenstern zusteuerte. Durch das transparente Aluminium konnte man die Warpsterne betrachten, die am Schiff vorbeizogen.

 

Inzwischen hatten sie Platz genommen und der Offizier hatte wieder eine Position gewählt, bei der er die Möglichkeit hatte, den Captain nicht direkt ansehen zu müssen. Eigentlich wollte Toni dieses Thema erst später anschneiden, aber es nervte sie in diesem Moment so stark, dass sie es zuerst nannte.

„Commander, wie ich Ihnen bereits gesagt hatte bevorzuge ich bei einer Kommunikation den direkten Blickkontakt. Vergessen Sie alle Befehle von Captain Hershel zu diesem Thema.

Ich benötige Ihre Hilfe bei der Bewältigung einiger dringenden Themen. Admiral van Dyke ließ mich wissen, dass einiges hier an Bord suboptimal läuft und als Captain, egal ob nun fest eingesetzt oder nur temporär, ist es meine Aufgabe hier Abhilfe zu schaffen.“

Captain Sanders informierte den ersten Offizier über das Versagen im Hangar Bereich ebenso wie die Tatsache, dass sich ein eigentlich Unbefugter Zutritt zu sensiblen Bereichen verschaffen konnte.

„Nummer Eins, Sie sind meine rechte Hand, der ausführende Offizier, der dem Captain den Rücken freihält für wichtige Entscheidungen. Ausschlaggebend dafür ist eine sehr gute Crewleistung, die ich derzeit unter den gegebenen Umständen noch nicht sehe.

Arbeiten Sie einen Plan aus, der sowohl den Sicherheitsdienst als auch die Verantwortlichkeiten der anderen Gruppen an Bord klar definiert und legen Sie ihn mir vor. Zudem möchte ich, dass wir auf ein Dreischichtsystem wechseln. Ich verkürze Ihre Schicht auf der Brücke für heute um zwei Stunden, die ich selbst übernehme, damit Sie Zeit für die Ausgestaltung der Angaben haben.

Wenn ich als Captain entscheide, dass ich die Brückenaufsicht auf 12 Stunden ausdehne, dann ist das meine persönliche Entscheidung. Ich muss aber nicht die ganze Crew in diese Abfolge zwingen. Als Captain hat man selten körperlich anstrengende Aufgaben zu erledigen, da lasse ich das angehen. Ich habe auch immer einen bequemen Stuhl, in den ich mich bei Bedarf setzen kann. Das ist bei dem Rest der Crew nicht immer gegeben. Ich brauche eine Crew, die ausgeschlafen und zufrieden ist, damit sie ihren Job erstklassig machen kann. Irgendwann muss sie aber auch neue Kraft finden und die kommt nicht nur durch einen erholsamen Schlaf, sondern auch durch Interaktion mit anderen Crewmitgliedern.

Wenden Sie an, was Sie an der Akademie und im Schiffsdienst gelernt haben. Ich möchte, dass die verantwortlichen Leiter der Arbeitsgruppen und die direkt betroffenen Teammitglieder vor Schichtantritt eine aktuelle Information aller Themen erhalten, die keine Verschlusssache sind. Das wird beim Vertrauensaufbau helfen.“

Der erste Offizier musste das erst einmal verdauen, dann setzte er zu einer Erwiderung an: „Captain Hersel sagte immer…“

Toni Sanders schnitt ihm jedoch das Wort ab, „Was Captain Hershel sagt, interessiert mich nicht. Ich habe hier ein Schiff und eine Crew zu führen und erledige diese Aufgabe, so wie ich es gelernt habe.“

Commander Rodgers zuckte zusammen. Das war eine klare Ansage, mit der er nicht gerechnet hatte. Und das von einer Frau, die so jung und klein aussah als könnte sie seine Tochter sein. Der ehemalige Captain hatte zwar auch immer nur das getan, was ihrer Meinung nach richtig war, aber nie hatte sie so präzise Anweisungen ausgegeben.

Toni beugte sich vor, „Eines noch Commander, ich habe aus Ihren offiziellen Logbüchern von Wünschen der Crew erfahren, die von Captain Hershel allesamt abgelehnt wurden. Führen Sie sich die Themen des letzten halben Jahres noch einmal zu Gemüte und lassen Sie mich wissen, was schnell, mittelfristig oder auch auf lange Zeit umsetzbar wäre. Das ist erst einmal alles. Ich danke Ihnen, erwarten Sie mich in Kürze wieder auf der Brücke.“, damit stand Captain Sanders auf und Commander Rodgers war klar, dass die Besprechung zu Ende war und er verließ den Bereitschaftsraum.

 

Mit wenigen Schritten stand der Captain kurz darauf auf der Brücke und trat zu ihrem Captainsstuhl. „Ensign Codas, senden Sie mir alle Daten zu unserem Ziel einschließlich Navigation und voraussichtlicher Ankunft auf mein Display. Commander ich löse Sie ab, Sie kennen Ihren Auftrag.“, erklärte Toni und machte es sich im Stuhl bequem. Doch diese Entspannung hielt nicht lange an. Die Daten, welche Ucla Codas gesendet hatte waren nicht das, was Captain Sanders erwartet hatte. Sie hatte eine Reisezeit von neun bis maximal zehn Wochen genannt bekommen, doch das, was sie sah, überschritt diese Einschätzung um ein Vielfaches.

In diesem Moment wurde ihr klar, dass Sie nicht ein einfaches Kommando für einen ersten Einsatz erhalten hatte. Es war eine Herausforderung und milde gesagt keine kleine. Das würde sie nach Schichtende mit dem Admiral klären müssen, denn es kam einer Herkulesaufgabe gleich, dies umzusetzen.

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