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Der Aufpasser

von Harald Latus

Kapitel 2

Kapitel 2

 

Das erste Kommando als Führungsoffizier war für Captain Sanders erst wenige Stunden alt und sie stand bereits wieder vor dem Quartier von Admiral van Dyke. Sie betätigte den Türsummer und erhielt sofort Einlass. „Warum habe ich diesen Auftrag erhalten, Admiral?“, fragte Toni direkt nach dem Eintreten ihren ehemaligen Vorgesetzten frei heraus.

„Ist Ihnen das nicht klar? Inzwischen müssten Sie doch die Umstände auf dem Schiff kennen.“, gab Roger van Dyke lapidar zurück, während er sich am Nahrungsreplikator zu schaffen machte.

„Admiral, bei allem Respekt, der Kurs, die aktuelle Geschwindigkeit und die Entfernung lassen erkennen, dass wir annähernd 560 Tage unterwegs sein werden bis wir ankommen. In dieser Zeit werden die medizinischen Versorgungsgüter höchstwahrscheinlich nicht mehr von Nutzen sein, weil bis dahin alle ausgerottet sind.“ Roger van Dyke kam mit zwei Gläsern gefüllt mit Fruchtsaft zum Couchtisch und stellte sie darauf ab. Dann setzte er sich in den Sessel und forderte Captain Sanders auf, es ihm gleich zu tun.

„Toni, Sie haben inzwischen sicherlich die Lage auf dem Schiff erkannt. Auch wenn so ein Schiff ein Mikrokosmos ist, so dringen derlei Dinge immer wieder durch und werden von engagierten pflichtbewussten Offizieren weitergegeben. Dieser Auftrag kann nur von diesem Schiff erfüllt werden, das sollte Ihnen klar sein. Die besondere Ausstattung sollte es ermöglichen die Medikamente in kürzester Zeit bereitzustellen. Leider haben sich die Erfahrungen mit der Crew und der Leitung des Schiffes nicht so entwickelt wie erhofft, erwartet, und gewünscht. Es blieb uns nur die Möglichkeit einen ambitionierten Captain auf dieses Schiff zu bringen, der dafür Sorge trägt, dass hier alles ins Lot kommt. Dieser Auftrag ist wichtig. Sehr viel hängt davon ab, ob wir in dem Zielsektor mit der Föderation Fuß fassen können. Dafür ist die Lieferung der Güter unabdingbar.

Betrachten Sie mich in dieser Hinsicht weniger als Aufpasser und mehr als Hilfestellung in kritischen Situationen. Ich habe nicht den Wunsch auf der Brücke in Ihre Führung einzugreifen, aber ich bin da, wenn Sie einen Rat brauchen und glauben Sie mir, früher oder später werden Sie froh sein, wenn Sie einen alten Hasen an Bord haben.“

Toni Sanders war immer noch ungehalten, aber sie hatte sich ein wenig beruhigt. Immerhin hatte ihr der Admiral durch die Blume erklärt, dass man große Stücke auf sie hielt. Es hätte auch ein erfahrener Captain sein können, den man mit diesem Auftrag betraut hatte. Insofern war die Auswahl allein schon eine Auszeichnung für sie.

„Um aus diesem Desaster das zu machen, was man Ihnen gesagt hat, eine neun- bis zehnwöchige Reise ist es unerlässlich, dass Sie den Quanten Slipstreamantrieb in Ihre Berechnungen einbeziehen. Das ist in Ihren bisherigen Daten noch nicht berücksichtigt. Heute Morgen hatten sie dazu jedoch noch eine ganz andere Meinung, wie sie sich bestimmt erinnern. Mit dieser Technologie ist eine mindestens sechzig fache Beschleunigung der aktuellen Warpgeschwindigkeit von 9,9995 möglich. Mit Slipstream wäre diese Reisezeit also durchaus realisierbar. Es liegt daher bei Ihnen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um dieses Unternehmen zum Erfolg zu bringen.“

Trotzdem brannte Toni ihre erste Frage immer noch auf dem Herzen. „Admiral, warum gerade ich? Es gibt mit Sicherheit viele talentierte Captains mit besserer Erfahrung, die einen solchen Job leicht bewältigen können.“

Roger van Dyke konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Doch dann setzte er zu einer entwaffnenden Antwort an, die Toni sprachlos werden ließ.

„Weil Sie unvoreingenommen sind. Sie haben sich in Ihrer Karriere immer den schwierigen Weg ausgesucht. Sie sind daran gewachsen und haben alle gestellten Aufgaben mit Bravour bewältigt. Sie waren schon immer mein Favorit für eine solide Karriere. Sie haben aber auch das gewisse Etwas, was man braucht, um nicht nur einfach den Job zu bewältigen. Sie haben den Enthusiasmus für den Dienst, der für einen guten Captain unverzichtbar ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie das schaffen werden.“, gab Roger van Dyke zur Antwort und Toni Sanders wusste, dass er es ehrlich damit meinte.

„Das waren sehr ermunternde Worte Admiral, das muss ich jetzt erst einmal verdauen.“, antwortete Captain Sanders und erhob sich. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nachtruhe und morgen früh wird wohl eines meiner ersten Gespräche eine Unterredung mit dem Chefingenieur sein. Bis Morgen Admiral.“ Damit verließ sie das Quartier und begab sich zu dem von Commander Rodgers zugewiesenem Raum. Ein Crewman hatte bereits die wenigen Sachen hierhergebracht, die sie dabeihatte. Für heute war das genug. Ein aufregender Tag neigte sich dem Ende zu und sie hatte ein wenig Magengrummeln bei der Vorstellung, was noch alles auf sie zukommen würde.

 

*  *  *

 

Captain Sanders hatte am Abend lange gebraucht, bis sie zur Ruhe gekommen war. Immer wieder waren ihr die vielen Fragen im Kopf herumgegangen, die sich bei der Schiffsführung dem Auftrag und der Situation als Interimscaptain ergaben.

Am frühen Morgen aktivierte sie noch in Ihrem Quartier den Sichtschirm. Commander Rodgers hatte wie gefordert einen entsprechenden Vorschlag zum neuen Schichtbetrieb ausgearbeitet, den Sie direkt akzeptierte. Verbesserungen konnten sicherlich noch erfolgen, sie sah es aber als wichtig an, dass er zuerst einmal eine Bestätigung erhielt, was scheinbar unter Captain Hershel nicht an der Tagesordnung war.

Sie machte sich dienstfertig, schlüpfte in ihre Uniform und prüfte ihr Aussehen im Spiegel. Ihre langen fein gekräuselten Haare waren wie immer ein kleines Problem, welches sie aber schnell mit den nötigen Mitteln in den Griff bekam. Ihre Körpergröße war ein anderes, an der sie jedoch keine Änderungen vornehmen konnte. Doch sie hatte gelernt sich zu behaupten, was vielleicht auch der Grund dafür war, dass man sie so akzeptierte wie sie war. Allerdings war es dennoch ungewöhnlich, denn ihr Aussehen und Ihre Statur waren der eines Kadetten immer noch ähnlicher als einem gestandenen Captain, was wohl viele irritierte.

Noch bevor sie das Quartier verließ, tippte sie ihren Kommunikator an, „Commander Rodgers. Lassen sie alle Führungsoffiziere sowie die Brückencrew in den Besprechungsraum kommen. Ich möchte unsere besondere Situation erörtern.“ Es dauerte einige Sekunden bis zur Rückmeldung des Commanders, vielleicht ein Zeichen dafür, dass derartige Vorgänge an Bord dieses Schiffes bislang nicht praktiziert wurden. „Verstanden Captain, Commander Rodgers Ende.“, war aus dem Kommunikator zu hören. Allein der Klang der Stimme des Offiziers verriet ihr, dass sie mit Ihrer Vermutung richtig lag.

Nach nicht einmal zwei Minuten kam der Captain aus dem Turbolift und trat in den links neben der Brücke liegenden Besprechungsraum ein. Der Raum war prall gefüllt mit den Führungsoffizieren, die Brückenmannschaft stand auf der rechten Seite an der Wand aufgereiht und Ucla Codas war die letzte, die von der Brücke eintrat, während sich Toni Sanders ans Kopfende des Tisches bewegte und setzte. Sie blickte in die Runde und sah teils verwirrte, teils mutlose Gesichtsausdrücke. Einige schienen eine gewisse Gleichgültigkeit auszustrahlen, aber zumindest die Brückencrew schien hellwach und aufmerksam zu sein.

„Guten Morgen. Ich freue mich sie heute hier begrüßen zu können und sie persönlich kennen zu lernen. Bislang kenne ich die Crew nur aus den Dienstakten, die ich studiert habe. Ich gehe davon aus, dass zumindest die Brückencrew durch den ersten Offizier heute Morgen bereits ein Briefing erhalten hat“, sie blickte an ihre rechte Seite wo der Commander saß und ihr zunickte. Sie wandte sich wieder der Crew zu, „für die anderen möchte ich das hiermit nachholen.

Unser Auftrag führt uns nach Velaros Prime, einem Planeten der knappe fünfzehnhundert Lichtjahre von der Erde entfernt ist, mit einer Ladung von dringend benötigten medizinischen Gütern. Die Lage auf dem Planeten ist dramatisch und sie können sicher ermessen, dass wir unser Möglichstes tun müssen, um so schnell wie durchführbar dort anzukommen. Es hat sich herausgestellt, dass es sich um eine ansteckende Krankheit von epidemischen Ausmaßen handelt. Ohne Behandlung endet diese Krankheit immer tödlich.“

Captain Sanders aktivierte auf dem Wandschirm eine Grafik, die den aktuellen Kurs abbildete und blendete nach einem Moment die Reisezeit bei maximaler Warpgeschwindigkeit ein.

 

„Wie sie alle wissen, ist in einer solchen Situation ein schnelles Eingreifen von Nöten. Die Flotte hat daher entschieden, eines ihrer schnellsten Schiffe, die USS MALINCHE mit dem Auftrag zu betrauen. Sie rechnet unter Berücksichtigung der technischen Voraussetzungen mit einer Auftragsdauer von neun bis zehn Wochen.

Ich habe vor dieses Ziel einzuhalten im Interesse einer schnellen Eindämmung der Infektionen auf Velaros Prime und wurde zu diesem Zweck für den aktuellen Auftrag auf das Schiff abgestellt. Ich betone auch gerne noch einmal, dass dies eine temporäre Aufgabe ist, die mir vom Flottenkommando übertragen wurde und ich Ihren Captain keinesfalls ersetzen will.

Wie sie sehen, ist die Reisedauer bei maximaler Warpgeschwindigkeit nahezu fünfhundertsechzig Tage. Eine unzumutbar lange Dauer, mit der die Sternenflotte nicht zufrieden sein kann. Es ist daher unabdingbar, dass wir den Quanten-Slipstreamantrieb einsetzen, um das von der Flotte avisierte Ziel zu erreichen. Ich frage daher alle in diesem Raum nach Vorschlägen, die nützlich sein könnten, um dieses Ziel zu erreichen.“ Es entstand eine lange Pause, in der die Gesichter immer länger wurden und erste Offiziere tuschelten miteinander.

„Meine Damen und Herren, sie sind Offiziere der Sternenflotte und hier in einer wichtigen Besprechung der Schiffsangelegenheiten. Wir alle sind ein Team vom Captain bis zum Crewman und sitzen buchstäblich im selben Boot. Wenn Sie etwas relevantes mitzuteilen haben, dann bitte so, dass jeder daran teilhaben kann. Ansonsten heben Sie sich ihren Klatsch und Tratsch für die Freizeit auf. Hier geht es um den Erfolg oder Misserfolg der Mission und ich habe nicht vor die Flotte zu enttäuschen.“, erklärte Toni Sanders mit fester Stimme. Das hatte gesessen, der Captain sah in einige erstaunte Gesichter, aber auch kritische Mienen waren dabei.

Der zuständige Offizier für Taktik, Lieutenant Commander Torn, ein typischer Vertreter des Volkes von Vulkan, begann mit einer niederschmetternden Information, die Toni eher vom Chefingenieur erwartet hätte. Aber Vulkanier waren in der Regel kühl, nüchtern und brachten es durch Fakten auf den Punkt.

„Captain, wenn mich meine Erfahrungen nicht täuschen, dann ist dieses Schiff nur sehr selten mit dem Quanten-Slipstream Antrieb unterwegs gewesen. Captain Hershel hat wenig auf diese technische Ausstattung gegeben. Es liegen mir keine Informationen vor, inwieweit diese Technologie aktuell und dauerhaft umsetzbar ist.“ Captain Sanders nickte als Bestätigung und wandte sich an Henry Walker den Chefingenieur, „Dann fragen wir doch einmal direkt an der Quelle nach. Lieutenant Walker, Sie als Chefingenieur können uns doch sicherlich über den Status des Quanten- Slipstreamantriebs in Kenntnis setzen. Ist er einsatzbereit?“

„Selbstverständlich Sir“, antwortete dieser, doch Captain Sanders hatte aufgrund der Betonung das Gefühl, dass da ein ’Aber‘ mitschwang.

„Na dann ist ja soweit alles in Ordnung. Auch wenn sich jetzt kaum jemand gemeldet hat um Vorschläge zu machen, so sind diese natürlich jederzeit willkommen. Richten Sie ihre Vorschläge an Commander Rodgers. Sie können wegtreten, Nummer eins, fliegen Sie weiter auf diesem Kurs mit maximaler Geschwindigkeit.“ Damit erhoben sich alle und auch die Brückenmannschaft verließ den Besprechungsraum.

„Lieutenant Walker auf ein Wort!“, rief Captain Sanders dem Chefingenieur hinterher, der gerade im Begriff war den Raum zu verlassen. Resigniert blieb dieser stehen in Erwartung einer Maßregelung.

„Setzen Sie sich wieder. Ich möchte dieses Thema vertiefen.“

Mit gesenkten Schultern kehrte der untersetzte Mann zurück zum Tisch und setzte sich. Er war das Paradebeispiel für einen Sitzzwerg und es sah so aus, als hätte ein Kind am Tisch Platz genommen. Auf Captain Sanders wirkte er wie ein Häufchen Unglück.

„Lieutenant Walker, mir wurde bereits von geringer Nutzung des Slip Stream Antrieb durch den ersten Offizier berichtet, wo liegt das Problem?“, wollte der Captain wissen und sah den Offizier dabei interessiert an.

„Grundsätzlich funktioniert der Antrieb, aber die Leistungsfähigkeit ist begrenzt. Mehr als ein paar Minuten hat die Konfiguration nicht hergegeben. Einige der Energieanordnungen können die benötigte Leistungsmenge nicht bereitstellen. Uns fehlt es an einem entsprechenden Konzept zur Nutzung.“, erklärte der Lieutenant.

„Ich bin mit dem Konzept des Antriebs vertraut, aber die Erwartungen waren sicherlich nicht unbegründet. Schließlich lassen sich aus dieser Technologie noch viel schnellere Geschwindigkeiten erreichen, wie es die Voyager einst dokumentiert hat.“, antwortete der Captain.

„Der Quanten-Slipstreamantrieb beruht auf dem Prinzip, dass ein Raumschiff durch einen im Subraum erzeugten Korridor gezogen wird und dass eine Art Strömung, der Slipstream, das Raumschiff auf eine hohe Endgeschwindigkeit beschleunigt. Es handelt sich hierbei also um eine Umkehrung des Prinzips des Warpantriebs, bei dem innerhalb des Normalraums ein Warpfeld erzeugt wird und die Warpblase selbst den Normalraum nie verlässt. Die Energie aus dem Antriebskern wird dabei nicht durch Warpgondeln geleitet, sondern über den Hauptdeflektor vor das Raumschiff projiziert. Der Antriebskern benutzt, anstelle von Dilithium, Benamit-Kristalle, welche wesentlich schwerer zu bekommen sind. Zudem belastet der Quanten-Slipstream die strukturelle Integrität der Hülle und das Raumschiff läuft leicht Gefahr, bei einer Phasenvarianz im Slipstream-Antriebsfeld, aus dem Slipstream in den Normalraum zurückzufallen, wobei es größere Schäden erleidet. Darum können nur speziell konstruierte Raumschiffe den Slipstream gefahrlos nutzen.“

Captain Sanders nickte verstehend. „Ja, soweit ist mir dieser Aufbau auch geläufig. Aber die MALINCHE wurde speziell für diese Anforderungen konzipiert. Warum wurde denn das System hier auf dem Schiff nicht dauerhaft eingesetzt?“, wollte Toni Sanders wissen.

„Nach jedem Flug im Slipstream muss die Matrix neu konfiguriert werden. Allein das dauert nahezu eine Ewigkeit. Ich schätze bei allem Respekt für Captain Hershel, das war ihr einfach zu viel Aufwand eine funktionierende Prozedur daraus zu machen. Meine Versuche ihre Einstellung zu ändern waren bedauerlicherweise erfolglos.“, antwortete der Chefingenieur und Captain Sanders nahm an, dass dies seine ehrliche Annahme war.

„Wie mir Commander Rodgers mitteilte, hatten Sie bei der Berufung zum Chefingenieur mit der Beförderung zum Lieutenant Commander gerechnet. Trifft das zu?“, wollte der Captain nun wissen.

„Ja, bedauerlicherweise hat das Captain Hershel wiederholt abgelehnt. Sir.“

„Ich bin bereit dies umzusetzen, sofern Sie dieses Problem kurzfristig lösen. Unsere Reisezeit verlängert sich wie Sie gesehen haben dramatisch, wenn wir den Slipstream nicht nutzen können.“

Henry Walker sah einen Lichtstreif für sein berufliches Vorankommen am Horizont. Dieser verdunkelte sich jedoch gleich wieder, denn ihm war nicht klar, ob dies nicht erneut nur ein leeres Versprechen war.

„Dazu müsste ich erst ein auf unser Schiff angepasstes Konzept erarbeiten, gefolgt von entsprechenden Umbauarbeiten und Tests.“, erklärte er dem Captain.

„Fangen Sie gleich mit den Simulationen an. Ich würde eine dauerhafte Nutzung des Quanten-Slipstreamantriebs für vierundzwanzig Stunden anstreben, bevor eine erneute Anpassung der Matrix erfolgen muss. Damit kämen wir dem von der Sternenflotte gesteckten Ziel näher.“

Dem Chefingenieur entgleisten fast die Gesichtszüge. „Captain, wir haben bei den letzten Nutzungen Zeiten zwischen acht und zehn Minuten erreicht. Das ist meilenweit entfernt. Das ist das gleiche, als würde man neun Frauen schwängern, in der Erwartung dann in einem Monat ein Kind zu bekommen.“ Toni musste leise lachen, „Lieutenant, Sie kennen doch das alte Sprichwort: ‚Wer nach den Sternen greift braucht lange Arme‘, keiner hat gesagt, dass es einfach wird. Es ist eine ambitionierte Herausforderung, das gebe ich zu. Wollen Sie diese Beförderung? Das ist der Preis dafür. Ich erwarte gerne Ihre Vorschläge, halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Etwas geknickt wollte sich der Ingenieur auf den Weg machen. „Ach übrigens, wenn Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich an den Commander er wird dafür Sorge tragen, dass Sie alles bekommen, was verfügbar ist. Viel Erfolg!“

Damit verließ auch Captain Sanders den Besprechungsraum und trat durch die Tür zur Brücke.

 

Der Flug war eintönig und am liebsten hätte sie Commander Nyle Rodgers geholfen, dem Sie einige Aufgaben gestellt hatte. Es war an der Zeit, dass auf dem Schiff eine gewisse Routine einkehrte, die sie bislang vermisste. Aus dem Turbolift traten zwei junge Männer, gefolgt von Commander Rodgers und Toni Sanders erfasste sofort den Grund dafür. Sie stand aus ihrem Captainsstuhl auf und wies auf den Bereitschaftsraum.

Die beiden wirkten unsicher und schienen zu befürchten einen Fehler gemacht zu haben. Eine wie Toni feststellte, sehr weit verbreitete Einstellung auf diesem Schiff.

„Meine Herren, bitte“, sagte der Captain und wies auf das Sofa unter den Fenstern. Langsam steuerten sie darauf zu und setzten sich, nachdem auch Toni Platz genommen hatte. Sie nahm ein Padd auf, welches auf dem Tisch lag und aktivierte es.

„Ensign Mark Logan, Maschinist im ersten Jahr. Sie haben den Commander wissen lassen, dass Sie gerne an kniffligen Aufgaben arbeiten.“ Der junge Mann lief rot an, anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass seine Vorliebe einmal den Captain interessieren könnte. „Das ist korrekt“, sagte er mit leiser Stimme.

„Sind Sie vertraut mit den Systemen dieses Schiffs?“, wollte Captain Sanders wissen. „Aye Sir.“, kam sofort die Antwort. „Auch was den Slipstream Antrieb betrifft?“, auch hier kam die gleiche Antwort. „Aye Sir, ich habe mich gerade deswegen für dieses Schiff gemeldet.“ Toni Sanders nickte. „Bislang hatten Sie wenig Gelegenheit Ihr Wissen in die Tat umzusetzen, oder?“ Mit gesenktem Kopf antwortete der Ensign, „Nein Sir, der Chefingenieur hat mich in dieser Beziehung bislang nicht eingesetzt.“ Toni Sanders nickte.

„Sonal, Abschluss an der Akademie für Wissenschaften und angewandte Datentechnik. Abschluss an der Akademie der Sternenflotte mit exzellenten Beurteilungen. Sie arbeiten am Computerkern der MALINCHE?“ Der Vulkanier hatte eine sehr aufrechte und fast schon steife Körperhaltung. Etwas, was aus einem Vulkanier wohl nicht herauszubekommen war.

„Das ist korrekt, obwohl es auf dem Schiff drei Computerkerne gibt.“ Toni Sanders musste schmunzeln „Natürlich Lieutenant, das ist mir bewusst. Sie werden für den Chief sicherlich eine große Bereicherung sein. Auch wenn Sie heute Morgen bei der Besprechung nicht dabei waren, wurden Sie von unserem ersten Offizier inzwischen informiert?“

„Aye, Sir“, kam es von beiden wie aus einem Munde.

„Gut. Dann kennen Sie die Aufgaben, die vor uns liegen. Ich stelle Sie hiermit direkt zum Chefingenieur für Aufgaben des Slipstream Antriebs ab. Er muss ein überaus kompliziertes Problem lösen und freut sich sicherlich über tatkräftige Unterstützung. Melden Sie sich also umgehend bei Chefingenieur Walker, Er wird Ihnen neue Aufgaben zuweisen. Vielen Dank meine Herren.“

Captain Sanders stand auf und die beiden jungen Männer verließen den Bereitschaftsraum. ‚Ein Problem weniger‘, dachte sich die junge Frau ‚Auf zum Nächsten‘.

 

Das nächste Thema kündigte sich umgehend an, noch bevor sich der Captain in seinen Stuhl setzen konnte. Die OPS meldete eine nicht autorisierte Person im Casino. „Ich kümmere mich darum“, antwortete Toni Sanders, denn sie hatte bereits einen Verdacht. Das Casino lag unterhalb der Brücke und war schnell erreicht. Wie erwartet fand sie dort eine Person in Freizeitkleidung vor, die gemütlich auf dem Sofa saß. Ein Teller mit einem Steak vor sich, ließ es sich Roger van Dyke schmecken und blickte erst auf, als sich der Captain vor seinen Tisch stellte. „Das Rezept ist wirklich eines der Besten“, erklärte er, während der Captain den beiden Sicherheitsleuten signalisierte, dass sie hier nicht mehr gebraucht wurden.

„Der Gentlemen ist unser Gast. Was es bedeutet, dass Sie ihn erst am zweiten Tag seines Besuches hier gefunden haben, können Sie mit dem Sicherheitschef besprechen. Vielen Dank.“

Damit zogen die beiden Wachen ab und Roger wischte sich den Mund ab, während Toni sich setzte.

„Wäre ich nicht aus meinem Quartier gekommen, hätten sie mich nicht erwischt.“, sagte er. „aber immerhin ein Lichtblick. Was macht der Antrieb? Das sieht nicht nach Slipstream aus, wenn ich da aus dem Fenster schaue.“

„Nun mal immer langsam mit den jungen Pferden“, sagte Captain Sanders leise, „ich habe ja gerade erst mal angefangen den Laden umzukrempeln. Gerade diese Baustelle macht mir noch gehörig Kopfschmerzen, denn es sieht nicht nach einem schnellen Erfolg aus. Ich habe alle Weichen gestellt, die kurzfristig eine Verbesserung bringen sollen, aber es wird noch etwas dauern. Ich erinnere Sie gerne an einen weiteren Leitspruch aus meiner Ausbildung ‚wenn Sie ein Problem haben, nehmen Sie sich eine Tasse Kaffee, Ruhe und einen leeren Schreibtisch. Dann analysieren Sie die zugrunde liegende Situation und gehen jedes Detail von Anfang an durch‘. Den Latte Macchiato hatte ich erst heute Morgen. Daran können Sie ungefähr erkennen, wo ich jetzt stehe.“ Roger van Dyke schmunzelte, während er sich das Steak mit Kräuterbutter und der Folienkartoffel mit Sauerrahm schmecken ließ. „Captain, ich bin vollends auf Ihrer Seite und ich sehe bereits erste Fortschritte, die Sie hier gemacht haben. Lassen Sie mich wissen, wann es weiter vorangeht. Ach, und übrigens, je weniger wissen, dass ein Admiral an Bord ist, umso besser. Viele Offiziere reagieren sehr verspannt auf derartige Informationen“, entgegnete er betont leise.

Captain Sanders musste Lächeln. „Sie sind echt der Beste. Vielleicht sollte ich heute Abend noch einmal vorbeischauen und mir ein paar Ihrer Weisheiten abholen, damit es schneller vorangeht.“

Roger grinste zurück. „Aber gerne doch. Sie wissen ja, wo sie mich finden. Ich werde Ihnen auch gerne einen Drink servieren, so wie in den guten alten Zeiten.“ 

„Deal!“, sagte Captain Sanders, „aber nun muss ich zurück auf die Brücke. Mal schauen was sich inzwischen bewegt hat.“ Mit einer Geste verabschiedete sie sich, während Roger van Dyke die letzten Reste seiner Speisen verzehrte.

Der Captain hatte sich gegen Abend wieder in den Bereitschaftsraum zurückgezogen, in dem sie die nun eingehenden Berichte der einzelnen Führungsoffiziere prüfte. Auch dies schien auf dem Schiff keine gängige Regel zu sein, denn als sie diese Frage mit dem ersten Offizier besprach, musste sie feststellen, dass diese Dinge nur bei direkter Anfrage von Captain Hershel erstellt wurden. Eine tägliche Routine bestand nicht. Um ein wenig Bewegung zu haben, ging sie im Raum auf und ab, während sie las. Sie hatte sich gerade den Bericht des Wissenschaftsoffiziers vorgenommen, als das Tischterminal aufleuchtete und das Gesicht eine Dame in den Fünfzigern zeigte, deren Haare streng nach hinten gekämmt waren und die erste graue Ansätze zeigte. Ein Zeichen dafür, dass wohl ein neuer Besuch für das Nachfärben dringend anstand, wenn man sich nicht dem normalen Lauf der Dinge anpassen wollte.

Noch bevor Captain Sanders etwas sagen konnte, fing die Frau mit einer schrillen Stimme an ihren Unmut auszudrücken.

„Was machen Sie auf meinem Schiff“, fragt sie ziemlich provokativ. Toni antwortete schlagfertig „Ihren Job!“, denn sie hatte Captain Hershel natürlich durch das Bild in den Dienstakten sofort erkannt.

„Das ist mein Schiff und ich habe das Kommando. Seit wann werden Kinder zum Captain ernannt?“, giftete Hershel mit einer eindeutigen Anspielung auf Tonis Körpergröße und ihr jugendliches Aussehen. Doch das ließ Toni unbeeindruckt „Zunächst einmal haben Sie sicherlich die Eigentumsverhältnisse verwechselt. Das Schiff gehört nicht Ihnen, sondern der Flotte und es kann in diesem Sinne von jedem Captain geführt werden, den die Flotte für fähig hält, den Auftrag zu erfüllen.“, konterte Toni Sanders.

„Ach, und dann geben Sie das Kommando einem Kind? Wahrscheinlich einem Grünschnabel, der höchsten seit einem Jahr Captain ist? Das ist doch lachhaft.“

Toni Sanders war gerade in der Laune für die richtige Antwort. „Seit drei Tagen, und das sagt ziemlich viel darüber aus, welchen Stellenwert man Ihnen zumisst. Wenn Sie also nichts anderes zu tun haben, als sich zu beklagen, dann entschuldigen Sie mich jetzt. Ich habe ein Schiff zu führen.“, damit beendete Toni die Kommunikation. Durch diesen Anruf wurde ihr klar, was die Crew hier auf dem Schiff ertragen musste. Eine warum auch immer verbitterte Frau, die mit ihrem Leben, ihrer Position und ihrem Ansehen unzufrieden war, was sie auf die Crew spiegelte. Daher auch all die unrühmlichen Eintragungen, die vor Verbitterung nur so trieften. Eigentlich wollte sich Toni bei dem Offizier der Kommunikation beschweren, dass man dieses Gespräch einfach so durchgestellt hatte. Sie erkannte jedoch bei einer kurzen Wiederholung, dass es eine Direktverbindung zum Terminal des Bereitschaftsraums war. Eine eher ungewöhnliche Art der Kontaktaufnehme. Jemand schien dies regelmäßig zu nutzen, um den üblichen Weg der Kommunikation zu umgehen. Sie hatte so das Gefühl, dass Sie den anderen Gesprächspartner auch noch kennen lernen würde.

 

Captain Sanders betrat wieder die Brücke und setzte sich in den zentralen Stuhl. Commander Rodgers reichte ihr ein Padd mit dem aktuellen Status, der Fluggeschwindigkeit und einer kleinen Grafik, auf der man sehen konnte, wie weit sie bislang gekommen waren. Sie waren nun seit annähernd zwei Tagen unterwegs und hatten gerade einmal einen lächerlich kurzen Teil des Weges geschafft. Wenn nicht bald eine wesentliche Beschleunigung der Geschwindigkeit einsetzen würde, dann würde das Unternehmen zum Rohrkrepierer werden und das wäre sowohl für die Reputation von Admiral van Dyke wie auch des kommandierenden Offiziers in diesem Fall Ihre Wenigkeit, ein Schandfleck in den Akten. Sie wollte aber keine voreiligen Schlüsse ziehen. Erst heute Morgen hatte sie ihre Befehle und Wünsche bekanntgemacht, zudem flogen Sie mit der absolut maximalen Warpgeschwindigkeit, in der Hoffnung, dass eine Nutzung des Slipstreamantriebs möglich werden würde, wenn das Warpaggregat die unter diesen Bedingungen benötigte Pause einlegen musste.

Die Stunden vergingen langsam mit dem immer gleichen Blick auf die vorbeiziehenden Warpsterne, bis die Delta Schicht auftauchte.

Commander Carter Newman, der Schiffsarzt, ein Mann in den Fünfzigern mit schütteren schwarzen Haaren trat neben Captain Sanders und diese übergab ihm die Brücke.

 

Captain Sanders und Commander Rodgers betraten gemeinsam den Turbolift. „Ich möchte meine Runde machen, wollen Sie mitkommen?“, fragte sie freundlich. Nyle Rodgers sah sie verwirrt an, „Bitte?“, fragte er. Toni Sanders hatte es sich schon gedacht. Das war auch der Grund, warum sie ihn angesprochen hatte. „Na eine Runde vor dem Feierabend, um zu sehen, ob alles im Lot ist, damit man beruhigt schlafen kann.“

Der verdutzte Ausdruck im Gesicht Ihres ersten Offiziers sprach Bände. „Ich habe diese Routine von meinem damaligen Captain übernommen. Sie werden sehen, es ist ein unschlagbares Mittel für einen ruhigen Abend.“, erklärte sie, während er sich scheinbar noch nicht entschieden hatte mitzukommen. „Hangardeck!“, wies sie den Computer an und der Turbolift änderte nahezu unmerklich seine Richtung.

Nach wenigen Sekunden hatten sie ihr erstes Ziel erreicht und traten aus dem Lift, durchquerten den kurzen Flur und traten in den Hangar ein. Direkt am Eingang schnappte sie sich ein Padd und drückte es dem ersten Offizier in die Hand. „Das werden Sie brauchen“, erklärte sie ihm. Zwei Crewman waren gerade dabei an einem Typ 6 Shuttle eine Wartung vorzunehmen. Auf den ersten Blick war zu sehen, dass Sauberkeit in diesem Bereich keine große Rolle spielte. Auch die Shuttles waren nicht so korrekt positioniert, wie die Standflächen vorgegeben waren. Captain Sanders stieg die Treppe zum Kontrollraum hoch und betrat den Flugstand. Von hier aus wurden alle Shuttleaktionen gesteuert, vom Öffnen der hinteren Tore bis zu Shuttlestarts und Landungen. Teilweise wurden auch benötigte Waren auf diesem Weg angeliefert. Der Offizier der Wache war an diesem Abend ein junger Ensign der gerade eben erst die Delta Schicht angetreten hatte.

„Sind Sie der Decksoffizier heute Abend?“, fragte sie den Mann, der sicherlich noch nicht lange auf dem Schiff war. Er wirkte verunsichert, wahrscheinlich hatte sich der bisherige Captain des Schiffes noch nie bis hierher verirrt. „Da haben Ihnen Ihre Kollegen aber eine ganze Menge Arbeit hinterlassen Ensign. Bringen Sie den Laden hier mal auf Vordermann. Eine Grundreinigung ist sicherlich schon überfällig und wenn ich die Positionen der abgestellten Shuttles sehe, dann will ich gar nicht erst nach der Fixierung fragen.“ Der junge Ensign machte einen entgeisterten Gesichtsausdruck. „Naja, Sie sind der wachhabende Offizier. Stellen Sie ihre Männer ab und überwachen sie es. Der Commander notiert es und sieht sich morgen Früh das Ergebnis an.“, gab sie ihren Wunsch an, „Legen Sie los“, versuchte sie mit einem aufmunternden Nachsatz. Mit einem freundlichen Nicken verließ sie mit dem ersten Offizier wieder den Kontrollbereich und machte sich auf zum nächsten Ziel.

 

Die Zentrale der Sicherheitsabteilung lag auf dem gleichen Deck und als Captain Sanders durch die Türen in das Sicherheitsbüro kam war der Sicherheitschef Lieutenant Senior Grade. Torben Nol, ein vereinigter Trill noch an seiner Station, obwohl der Wachwechsel schon stattgefunden hatte.

Sofort stand er auf, als Captain Sanders und der erste Offizier eintraten. Seine Miene drückte Schuldbewusstsein aus. Er hatte wohl von seinen Kollegen erfahren, was im Casino vorgefallen war. „Es tut mir leid Captain“, versuchte er zumindest eine Entschuldigung.

„Seien Sie froh, dass es nur mein Gast war. Stellen Sie sich vor ein Romulaner, ein Breen oder ein Attentäter wäre auf unser Schiff gelangt. Was hätte der in fast zwei Tagen alles anstellen können.

Ich möchte, dass sie während dem Flug in regelmäßigen Abständen in allen Fluren mit je zwei Leuten Präsenz zeigen. Achten Sie darauf, dass in systemkritischen Bereichen ein Zugriff unter einer halben Minute bleibt. Ich würde es begrüßen, wenn Sie einen Plan ausarbeiten, den Sie dem ersten Offizier geben, er kann mich dann morgen Früh über Ihre Ausarbeitung informieren. Ich wünsche Ihnen eine entspannende Ruhephase. Bis Morgen.“ Während die beiden Führungsoffiziere den Raum verließen und sich zum Maschinenraum aufmachten notierte der erste Offizier die Wünsche des Captains.

„Und das haben Sie jeden Tag gemacht?“, fragte der Commander ungläubig, „Jeden Tag, aber glauben Sie nicht, dass es immer so schwer ist. Sie werden feststellen, nach wenigen Tagen läuft alles wie am Schnürchen. Die sind dann auch auf den Besuch vorbereitet. Heute kommt das jedem wie ein Überfall vor, aber es wird besser. Wissen Sie, was das Beste daran ist? Ihre Leute erkennen, dass Sie daran interessiert sind, dass alles läuft. Sie wissen aber auch, dass sie kontrolliert werden. Sie fassen Vertrauen und werden bestenfalls auch mit neuen Ideen an Sie herantreten, die wir dann besprechen können. Ich habe vor kurzem erste Erfahrungen mit Ihrem bisherigen Captain machen dürfen und kann Ihre Situation gut verstehen. Aber es ist doch nicht das, was Sie im Laufe der Jahre gelernt haben. Sie sind länger auf dem Schiff als Captain Hershel, Sie müssten doch noch andere Zeiten kennen.“

Nyle Rodgers ließ einen Unmutston hören. „Alles, was ich als Commander und erster Offizier getan habe, wurde von ihr als falsch ineffizient und unnötig abgetan. Sie hat das Schiff im Alleingang geführt, niemanden nach seiner Meinung oder Optimierungen gefragt. Sie wusste einfach alles besser und hat alle Hilfsangebote abgelehnt. Irgendwann stumpft man ab und macht einfach nur noch das, was sie will, damit man seine Ruhe hat. Jedes Abweichen von Ihrer Linie wurde mit Negativeinträgen geahndet. Ein Grund warum sich niemand mehr traut eine eigene Meinung zu haben.“ Das ungleiche Paar war inzwischen bei der Astrometrie angekommen. Hier war nicht viel los. Ein einzelner Wissenschaftler arbeitete die Flugdaten ab und glich die vorausliegende Strecke mit eventuellen in den Sternenkarten angegebenen Hindernissen ab.

Nachdem die Türe sich geschlossen hatte, drehte sich der Vulkanier um und sah Captain und erstem Offizier in die Augen. „Was kann ich für Sie tun?“ fragte er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und wartete auf eine entsprechende Antwort.

Schnell glich Captain Sanders das Gesicht des Vulkaniers mit den Crewakten ab. Es war nicht der leitende Offizier für diese Abteilung.

„Wie groß ist die Vorausberechnung für den Flug mit aktueller Warpgeschwindigkeit?“, wollte sie wissen. Die Antwort kam wie zu erwarten rein vulkanisch. „Die von der Flotte geforderte Vorausberechnung beträgt zwei Parsec.“ Captain Sanders nickte, „das ist korrekt. Für unsere Belange aber inzwischen nicht mehr ausreichend. Wie Ihnen ihr Führungsoffizier inzwischen sicherlich mitgeteilt hat, beabsichtigen wir in Kürze den Slipstream Antrieb in Benutzung zu nehmen. Hierfür ergeben sich größere Distanzen als die angegebenen 6,52 Lichtjahre. Ich möchte, dass Sie dies in Ihre Berechnungen übernehmen, damit wir jederzeit den Quanten-Slipstreamantrieb nutzen können und nicht erst noch auf die Berechnungen warten müssen. Erstellen Sie für den Beginn der Alpha Schicht einen entsprechenden Bericht und übertragen Sie ihn an den ersten Offizier. Eine Aktualisierung sollte dann alle zwei Stunden erfolgen. Danke Lieutenant.“ Der Vulkanier zeigte mit einem Nicken, dass er verstanden hatte, auch wenn er bei den Ausführungen des Captains seine linke Augenbraue gehoben hatte, was sicherlich einer fehlenden Information seines Teamleiters über die morgendliche Besprechung gegolten hatte.

 

Toni Sanders verließ mit dem ersten Offizier den Raum mit dem Ziel des Maschinenraums, der gleich um die Ecke auf demselben Deck lag. Hier erwartete den Captain eine Überraschung. Geschäftiges Treiben zeigte sich im Raum. Viele Verkleidungen waren von der Wand abgenommen worden, um an dahinter liegenden Energieleitungen und Kupplungen zu kommen.

Eine Klappe öffnete sich und ein Ensign kroch aus einer der Jeffreysröhren. „Ist erledigt Chief!“, rief er dem Chefingenieur zu, der an der Hauptkonsole die Arbeiten überwachte, wie die Königin eines Bienenschwarms ihre Untergebenen.

„Ah, Captain. Commander…“, grüßte er die beiden eingetretenen, als er sie bemerkte.

„Was ist denn hier los?“, wollte der Captain wissen. „Nun Ma’am, Sie haben keinen Zweifel daran gelassen, was Sie von mir und meinem Team erwarten, und nachdem Sie zusätzlich, diese Wunderkinder hier abgestellt haben“, damit zeigte er auf Ensign Mark Logan und den Vulkanier Sonal, „war mir klar, dass Sie es damit vollkommen ernst meinen. Allerdings sind das hier nicht nur ein paar Handgriffe. Für Ihren Wunsch braucht die Maschinensektion ein etwas größeres Update. Damit wollen wir bis morgen früh fertig sein, damit Sie es sofort umsetzen können. Es wird nicht gleich das sein, was Sie haben wollen, aber es ist hoffentlich ein guter Anfang.“

Captain Sanders war beeindruckt, durchschritt den Kontrollbereich des Maschinenraums, umrundete den Warpkern und kam wieder zurück. „Sie haben es richtig erkannt Chief, ich habe es absolut ernst gemeint und Sie tun gut daran meine Wünsche umzusetzen, denn es sind gleichzeitig meine dienstlichen Befehle. Ich bin gespannt auf die erste Aktivierung. Viel Erfolg Ihnen allen.“, sagte sie und stieß den ersten Offizier beim Hinausgehen an. „Sehen Sie, der Erste, der es verstanden hat.“

Auch wenn der erste Offizier mit gemischten Gefühlen diesem Rundgang beiwohnte, erkannte er inzwischen ein Muster, welches so abwegig gar nicht war.

Auf dem Weg zu den Wissenschaftslaboren machte der Captain bei den Lagerräumen halt und versicherte sich, dass auch hier alles in Ordnung war. Im Gegensatz zum Shuttlehangar war hier alles an seinem Platz und die Ladungssicherung war vorbildlich. Wer das veranlasst hatte, war ungewiss. Es hätten auch die Dockarbeiter sein können, welche die Ladung hier angeliefert hatten. „Commander finden Sie den Verantwortlichen hierfür auf dem Schiff und machen Sie noch einmal klar, dass ich nur diesen korrekten Zustand akzeptiere.“, damit machten Sie sich auf zu den Wissenschaftlern. Hier fand sie ein ähnliches Bild wie im Maschinenraum. Wahrscheinlich hatte der Chefingenieur seine Angaben hinterlassen, wie mit dem Quantenslipstreamantrieb umzugehen war. Auf den Schematas der Bildschirme waren grafisch dargestellte Subraumtunnel und Berechnungen zu sehen, die am kommenden Morgen wohl zum Einsatz kommen sollten. Der Captain nickte dem leitenden Offizier zu, „Viel Erfolg!“, rief sie ihm zu, bevor sie den Raum wieder verließen.

 

Damit waren eigentlich alle Bereiche abgedeckt und der erste Offizier war der Annahme, dass der Rundgang damit abgeschlossen sei. Umso erstaunter war er, als Captain Sanders den Turbolift betrat und ‚Deck 13‘ als nächstes Ziel angab. „Captain, da unten ist nichts als die Crewquartiere und die Mannschaftsmesse.“

Toni Sanders nickte, während der Turbolift bereits stehenblieb. „Genau deshalb kommen wir hier her.“ Die Tür öffnete sich und zwei Crewman pressten sich an die Wand, um den beiden Platz zu machen „Keine Umstände“, sagte der Captain freundlich und trat ein wenig zur Seite damit alle Platz hatten. Weiter führte sie der Weg in die Mannschaftsmesse, die hinter dem Hauptdeflektor am unteren Ende des Schiffes lag. Einige Crewman saßen beim Kartenspiel drei andere hatten sich gerade etwas zu Essen gewählt. Der Raum war steril und ungemütlich. Nur das Notwendigste war vorhanden.

Toni Sanders sah was sich die Personen ausgesucht hatte und war nicht gerade begeistert. Die Gerichte waren nichts außergewöhnliches und die Portionen konnten sicherlich den großen Hunger nicht stillen. Gemeinsam mit Nyle Rodgers trat sie vor den Nahrungsreplikator.

„Einen großen Latte Macchiato und ein Stück Mohnkuchen“, wies sie den Computer an.

Im Hintergrund hörte sie bereits ein höhnisches Lachen, auch wenn es sehr leise war, sie hatte es mitbekommen. Fast zeitglich meldete sich der Computer. „Diese Speisen stehen der Mannschaft nicht zur Verfügung, bitte wählen Sie ein anderes Gedeck aus.“ Toni Sanders blickte zu Commander Rodgers, der etwas pikiert aus der Wäsche guckte. Es schien ihm besonders peinlich zu sein.

„Computer, liste alle Speisen, die in diesem Replikator nicht verfügbar sind.“ Auf dem Bildschirm wurde eine Liste ausgegeben, die unendlich schien und Toni Sanders konnte sich schon denken, woher diese Beschränkung kam.

„Computer, Anpassung. Ergänze alle Speisen und Getränke auf allen Decks die diesen Einschränkungen unterliegen mit der kompletten Liste für die Offiziere.“ Ein Signalton ertönte und die Meldung des Computers bestätigte diese Anweisung. Erneut bestellte Toni Sanders und erhielt das Gewünschte. Commander Rodgers traf seine Auswahl und erhielt ebenfalls, was er bestellt hatte.

Die beiden gingen an einen freien Tisch und setzten sich, während zwei andere Crewman aufsprangen und ihre Bestellung am Replikator abgaben, nur um zu sehen, ob es geliefert wurde. Sie wurden nicht enttäuscht.

Commander Rodgers schien sich nicht wohlzufühlen in seiner Haut. Captain Sanders spürte dies sofort. „Commander, ist es üblich, dass Sie diesen Bereich meiden?“ Rodgers druckste ein wenig herum, „nun Captain Hershel betrachtete die unteren Decks eher als notwendiges Übel, da hier die Mannschaften stationiert sind, die kein Offizierspatent haben.“, Toni die an ihrem Kaffee genippt hatte schüttelte den Kopf. „Commander, wir alle sind eine Crew. Jeder leistet täglich seinen Beitrag dafür, dass dieses Konstrukt eines Schiffes funktioniert. Egal ob Offizier, Captain, Kadett oder Mannschaft. Erinnern Sie sich doch bitte an ihre Zeit an der Akademie. Jeder hat doch zu Anfang ein Idol, dem man nacheifert, ein Ziel, das man erreichen will und auch wenn jemand nur ein Mannschaftsmitglied ist, er hat denselben Respekt für seine Arbeit verdient wie jeder andere auf dem Schiff.

Verwechseln Sie das bitte nicht mit der Rangordnung oder der Qualifikation. Jeder leistet im Rahmen seiner Möglichkeiten das, was er kann. Wir alle sitzen in dieser fliegenden Büchse, die durch einen lebensfeindlichen Raum gleitet. Wir alle stellen uns den Gefahren im All, ob bewusst wie wir auf der Brücke, oder unbewusst und unbeachtet hier unten. Aber jeder verdient den gleichen Respekt. Ich wünsche mir, dass Sie sich diese Vorgehensweise zu Eigen machen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sie mich weitergebracht hat. Sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit als auch menschlich im Umgang mit der Crew. Lassen Sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Es ist der beste Weg, um sich den Alltag zu erleichtern.“

 

Auf dem Rückweg fragte sie den Commander. „Nummer eins, Sie schienen sich in der Messe nicht wirklich wohlzufühlen. Lag es vielleicht daran, dass die Wohnlichkeit dort zu wünschen übrigließ. Sie kennen doch sicherlich jemanden, der sich mit Innenausstattung auskennt. Vielleicht kann er ein paar Updates vornehmen, damit sich die Leute dort wohler fühlen. Einen Schirm der den Leuten die Sicht nach draußen zeigt ist sicherlich auch keine schlechte Idee, wenn sie schon keine Fenster haben. Ich lasse Ihnen da freie Hand.“

Der Commander schaute auf sein Padd, welches er die ganze Zeit mit sich herumgetragen hatte und machte sich einige Notizen. Nach einiger Zeit hatten sie im Turbolift wieder die Brücke erreicht und der Captain verabschiedete sich vom ersten Offizier. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe, wir sehen uns morgen zum Beginn der Alphaschicht. Ich für meinen Teil werde noch ein wenig Hausaufgaben nachholen.“, damit trat sie aus dem Turbolift auf die Brücke und der Commander blieb im Lift zurück.

 

Nyle Rogers hatte nach wenigen Minuten sein Quartier erreicht und reflektierte, was er eben erlebt hatte. Er zog die Uniform aus, trat in die Schalldusche und versuchte all das einzuordnen. Das sanfte Rauschen der Reinigungsanlage gab einen guten Hintergrund für seine Überlegungen.

Er schätzte Captain Sanders als zielstrebige Frau ein und musste zugeben, dass Sie sich um das gesamte Schiff Sorgen machte. Das begann damit, dass sie die einzelnen wichtigen Stationen aufsuchte und ihre Aufwartung machte. Eine solche Vorgehensweise war ihm zwar bekannt, aber er hatte sie nie selbst umgesetzt. Die Aussagen wie sinnvoll es war einer solchen Tradition anzuhängen waren sehr differierend. Nur wenige schwörten darauf, dass es die Crew, das Schiff und die Aufgaben voranbrachte. Auch Captain Scott hatte diese Vorgehensweise nie vorgeschlagen oder durchgeführt, zumindest nicht, soweit es ihm bekannt gewesen wäre.

Captain Hershel pendelte ohnehin nur zwischen Ihrem Quartier, der Brücke und dem Bereitschaftsraum. Selbst den Besprechungsraum hatte sie nur in seltensten Fällen genutzt. Er hatte sie außer bei direkten dienstlichen Anlässen nie an anderen Stellen im Schiff gesehen. Der Rest des Schiffes war für sie nur ein notwendiges Übel, welches unter ihrem Kommando zu funktionieren hatte. Der erste Offizier bezweifelte sogar, dass sie Personen außerhalb des Führungskreises und der Brückenmannschaft überhaupt mit Namen kannte.

Captain Sanders erhielt von ihm aber nicht nur für ihre Sorge um die Crew einen dicken Pluspunkt. Auch der Umgang war ein ganz anderer. Bei Ihr herrschte Respekt vor der Arbeit jedes Einzelnen und auch wenn sie um die Ränge wusste, so hatte er das Gefühl, dass bei ihr jede Person als Individuum den gleichen Wert besaß.

Er verließ die Schalldusche mit der Einstellung ihr eine unvoreingenommene Chance zu geben. Die hatte sie auf jeden Fall verdient.

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