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Der Aufpasser

von Harald Latus

Kapitel 6

Kapitel 6

 

„Bericht!“, rief Captain Sanders über die Brücke.

„Ich würde mal sagen, Sie haben es uns abgekauft“, war von Nora Lendis, der Steuerfrau zu hören. Captain Sanders stimmte dem zu, „Das war eine hervorragende Idee, durch Zünden der Steuerdüsen den Verlust der Steuerung vorzutäuschen, uns in der Wolkendecke sofort zu stabilisieren und die Position zu ändern.“

Der Chefingenieur meldete sich aus dem Maschinenraum, „Ich hoffe, die Glücksfee ist uns hold, denn jetzt haben wir nicht nur das Problem mit den Dilithiumkristallen, auch unsere Warpgondeln sind magnetisiert. Selbst wenn wir es hinbekommen, die Kristalle einsatzbereit zu machen, brauchen wir für die Entmagnetisierung der Spulen mindestens eine Woche. So lange werden wir hier festsitzen, wenn nicht ein Wunder geschieht oder mir acht zusätzliche Arme wachsen.“

„Verstanden Mister Walker, aber wir hatten leider keine andere Wahl. Seien Sie froh, dass wir noch in einem Stück sind, es hätte auch anders kommen können. Ich weiß, Sie tun ihr Bestes und genau das versuchen wir auch. Brücke, Ende.“

Der fragende Blick des Captains traf Villiana Roskova, „Soweit ich das mit den wenigen Daten erkennen kann, die ich habe, werden wir nicht verfolgt. Aber das kann sich auch schnell ändern“, merkte die Wissenschaftlerin an.

„Lieutenant Lendis sinken Sie in tiefere Wolkenschichten und halten Sie die Umlaufbahn. Nummer eins, wir sehen uns in zwanzig Minuten im Besprechungsraum. Sehen Sie zu, dass alle Führungsoffiziere und die Brückencrew teilnehmen, wir müssen einen Verteidigungs- und Fluchtplan generieren, ich bin in meinem Raum.“ Damit verließ Captain Sanders die Brücke.

Im Bereitschaftsraum angekommen warf sie sich auf das Sofa vor dem Fenster und streckte für einen Moment alle Viere von sich. So langsam verstand sie die Intension einen erfahrenen Offizier auf die erste Reise zu entsenden. Natürlich hatte sie alles gelernt, was für ihren Job wichtig war. Sie hatte viele Jahre als erster Offizier gedient und dennoch war es etwas anderes an der Spitze zu stehen und die letzte Entscheidungsgewalt zu haben. Manche Sachen waren einfach zu entscheiden oder zu regeln, andere erforderten gesunden Menschenverstand. Doch die schwierigen Entscheidungen und seien sie noch so klein, brachten sie immer ins Grübeln, ob sie damit etwas positives erreichte oder alles nur noch viel schlimmer machte.

Nach einigen Minuten raffte sie sich auf und ging zu ihrem Schreibtisch. Sie aktivierte das Display und wartete auf den Verbindungsaufbau. Auf dem Bildschirm erschien Roger van Dyke der ein höfliches Lächeln zeigte.

„So wie es scheint ist noch nicht alles verloren Captain, oder?“, fragte er und wartete auf die Antwort.

„Nun ja, es ist ehrlicherweise suboptimal gelaufen. Aber nicht immer geht die Rechnung auf. Zumindest konnten wir uns fürs erste unsichtbar machen. Wir brauchen aber auch eine gute Strategie, damit wir so schnell wie möglich weiterfliegen können.

Mir liegt die Abnutzung der Benamit Kristalle immer noch schwer im Magen. Ich habe mir viele Stunden um die Ohren geschlagen und keine Lösung gefunden. Ich würde das gerne heute Abend mit Ihnen besprechen, wäre das möglich?“

Das Lächeln von Roger van Dyke wurde breiter. „Aber natürlich, ich erwarte sie gerne um 1900 zum Abendessen? Danach können wir uns des Problems annehmen ich werde alles tun, damit das ein erfolgreicher und produktiver Abend wird.“

Toni Sanders fiel ein Stein vom Herzen. Auf ihren ehemaligen Captain konnte sie sich immer noch verlassen. Er hörte zu, er gab Ratschläge und versuchte niemals ihre Meinung zu übergehen. Das hatte sie aber bei anderen Captains eher negativ in Erinnerung und war deshalb für dieses Angebot sehr dankbar. „In Ordnung um 1900 werde ich bei Ihnen sein. Sanders, Ende!“

Ihr Blick fiel auf die Uhr, es war gerade noch genug Zeit sich kurz frisch zu machen, bevor sie zur Besprechung gehen musste.

 

Captain Sanders betrat mit gemischten Gefühlen den voll belegten Besprechungsraum und ging langsam zu ihrem Platz. Ihr war klar, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, einerseits weil sie sich nun in einer misslichen Lage befanden, andererseits, weil das Schiff einige Schäden erlitten und mit großer Sicherheit einen erhöhten Reparaturbedarf hatte. In manchen Augen sah sie die Besorgnis, dass man vielleicht nicht von dieser Mission zurückkehren würde, in anderen eher eine unterschwellige Wut und Enttäuschung, die falschen Entscheidungen getroffen zu haben. Nur wenige Augenpaare blickten sie optimistisch oder neutral an. Toni Sanders setzte sich ans Kopfteil des Tisches direkt neben ihren ersten Offizier und blickte nach vorne. „Lassen Sie uns damit beginnen, wie unsere taktische Lage aussieht.“, sagte sie zu den Anwesenden.

Captain Sanders hatte die Blicke richtig interpretiert, denn der Trill Torben Nol ergriff umgehend das Wort und wollte vom Captain wissen: „darf ich fragen, warum wir nicht den Versuch unternommen haben uns zu verteidigen. Unser Schiff ist sicherlich dafür ausgelegt eine breite Möglichkeit an Gegenmaßnahmen zu generieren. Auch drei klingonische Schiffe sollten wir auf Abstand halten können.“ Das zustimmende Nicken einiger Personen war dem Captain bei dieser Frage nicht entgangen.

„Lieutenant Commander Torn, möchten Sie auf diese Frage eine qualifizierte Antwort geben?“ fragte Toni Sanders den für die Taktik verantwortlichen Vulkanier und lehnte sich etwas in ihrem Stuhl zurück.

„Gerne Captain. Dem einen oder anderen mag sich der Verdacht aufdrängen, dass wir uns in dieser Situation zu passiv verhalten haben, dennoch war die gewählte Taktik, wenn auch durch Inkaufnahme von diversen Schäden, die bessere Wahl. Aufgrund des derzeit beschränkten Energiehaushalts war es die bessere Entscheidung die verfügbare Energie in den Erhalt der Schilde fließen zu lassen, als eine Gegenmaßnahme gegen drei voll einsatzfähige klingonische Schiffe zu starten. Bedingt durch deren Tarnfähigkeit wäre es sicherlich aussichtslos und zudem eine Energieverschwendung gewesen, wenn wir versucht hätten Zufallstreffer zu erzielen. Photonentorpedos erzielen zudem nur dann die volle Wirkung, wenn vorher die Schilde entsprechend geschwächt sind.“ Der Trill war mit dieser Antwort nicht zufrieden, musste aber erkennen, dass er die fehlende Energie nicht berücksichtigt hatte und stellte keine weiteren Fragen.

Die leitende Wissenschaftsoffizierin stand auf und drückte eine Fernbedienung. Auf dem Wandschirm erschien ein Diagramm, dass in einer dreidimensionalen Darstellung die Situation wiedergab. Die MALINCHE flog in einem tiefen Orbit innerhalb der Wolkendecke um den Planeten herum, während drei Bird of Prey den Planeten in einem hohen Orbit im Weltraum umkreisten, um jederzeit gewappnet zu sein, wenn das Föderationsschiff den Planeten wieder verlassen wollte.

„Ein unbemerktes entkommen, wird wohl nicht möglich sein, im hohen Orbit werden die drei Schiffe ausreichen, um uns überall zu finden. Wenn nur eines unsere Signatur findet, sind die anderen schnell zur Stelle.“, erklärte Lieutenant Roskova. Sie legte die Fernsteuerung auf den Tisch und schob sie zum Chefingenieur.

Auch er stand auf und sah den Captain zunächst mit einem strafenden Blick an. Dann drehte er sich um und schaltete das Display auf eine technische Ansicht um.

„Die Warpgolndeln wurden magnetisiert, was unseren Antrieb für mindestens einige Tage lahmlegen wird. Wir müssen sie entmagnetisieren, sonst wird der Warpantrieb nicht funktionieren. Uns wurden schwere Schäden an den Achternschilden zugefügt. Allgemein sind die Schildgeneratoren sehr stark belastet worden und müssen auf jeden Fall vor einem erneuten Einsatz überprüft werden. Mehrere Relais sind durchgebrannt einige ODN Knoten ebenfalls. Unser gesamter Energieverbrauch, wird derzeit von den Generatoren gespeist. Das Trägheitsdämpfungsfeld und die strukturelle Integrität müssen erst noch wieder aufgebaut werden, die dafür notwendigen Arbeiten laufen bereits auf Hochtouren. Sorgen macht mir aber der Antrieb. Ohne den Warpantrieb werden wir hier nicht wegkommen und selbst dann müssten wir schon voll beschleunigen. Ob das alles beim jetzigen Zustand der Gondeln so funktioniert, ist für mich derzeit noch fraglich.“

Toni Sanders hatte damit gerechnet, dass der Bericht des Ingenieurs schlecht ausfallen würde. Sie hatte seine Bemerkung vor wenigen Minuten nicht vergessen. Dass das Schiff aber im Prinzip handlungsunfähig war, versetzte auch ihr einen Stich ins Herz.

Mit leicht belegter Stimme antwortete sie, „In Ordnung. Mir ist klar, dass der Zustand des Schiffes derzeit nicht optimal ist. Unser Auftrag lautet in etwas mehr als drei Wochen am Zielpunkt anzukommen und dann auf schnellstem Weg wieder zur Sternenbasis zurückzukehren. Die aktuellen Hauptprobleme beschränken sich also auf Reparaturen, Warpantrieb und unsere Gesellschaft im Orbit. Ich möchte Sie alle bitten ein wenig vorauszudenken. Lassen Sie sich Ideen einfallen, wie wir diese Piraten abschütteln können, wie wir Ihnen entkommen können und wie wir fristgerecht unseren Auftrag erledigen. Das gilt in besonderer Hinsicht dem Ingenieursteam. Ich weiß, dass Sie es nicht hören wollen, aber ohne unseren Slipstreamantrieb sind wir nicht in der Lage, diesen Auftrag fristgerecht zu erfüllen. Lieutenant Walker, fordern Sie jede Hilfe an, die Sie benötigen, unser erster Offizier wird Ihnen ausreichend Personal zur Verfügung stellen, damit Sie schnell vorankommen. Ich erwarte eine aktualisierte Statusmeldung alle zwei Stunden. Nummer eins, sammeln Sie bitte die Vorschläge der Crew und legen sie mir ein Padd auf meinen Tisch. Ich sehe es mir später an.“ Damit stand sie auf und zeigte allen, dass die Besprechung beendet war.

 

A A A

 

Toni Sanders war auf dem Weg zu Admiral van Dykes Quartier und überlegte noch immer, wie sie eine längere Phase von Slipstreamzeit mit geringerer Abnutzung der Kristalle hinbekam. Es waren eigentlich nutzlose Fragen, denn hier im Flur würde sie sicherlich keine Lösung finden. Deshalb war sie froh, dass sie ihren alten Vorgesetzten fragen konnte, der immer ein wenig anders an die Problemstellung heranging. Vieles hatte sie schon von ihm abgeschaut, aber die Möglichkeit so extrem um mehrere Ecken zu denken war ihr nicht gegeben.

Sie betätigte den Türsummer vor der Tür und erhielt sofort Einlass. Ein ganz besonderer Duft erfüllte den Raum, der Toni an etwas aus ihrer Jugend erinnerte. So etwas hatte sie sehr selten erlebt und ein inneres Gefühl auf Vorfreude kam in ihr auf, auch wenn sie nicht wusste, wie der Admiral das wissen konnte.

Roger van Dyke kam auf sie zu und gab ihr die Hand. „Toni, es freut mich, dass Sie mir die Ehre erweisen, bitte kommen Sie näher.“ Der Tisch war liebevoll gedeckt mit Tellern und Besteck, sowie einer kunstvoll gefalteten Serviette. Eine Flasche Rotwein stand auf dem Tisch und die entsprechenden Gläser warteten bereits darauf befüllt zu werden.

Aus einer Thermobox entnahm Roger zwei viereckige Keramikschalen und stellte sie auf die Teller.

Toni Sanders konnte es kaum glauben, was sie da vor sich sah. In den Schalen befand sich eine Leibspeise von ihr, die sie damals immer mit Heißhunger verschlungen hatte und von der sie immer alles bis zum letzten Rest aufgegessen hatte.

Es war ein einfaches Gericht, schnell zuzubereiten und mit nur wenigen Zutaten aber nur dann gut, wenn es ihre Mutter für sie kochte. Irgendetwas daran machte sie anders als in den Restaurants, wenn man es dort überhaupt bekam. Es war einfache Hausmannskost.

„Schinkennudeln?“, fragte Toni überrascht, als Roger die Abdeckung anhob. „Richtig! Nach dem Rezept deiner Mutter zubereitet und hier in der Küche selbst gekocht. Nicht aus dem Replikator.“, merkte Roger stolz an.

Toni versuchte einen ersten Happen und fühlte sich sofort in ihre Jugend zurückversetzt. Sie schloss die Augen und ein wohliges Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. Plötzlich saß sie gedanklich wieder am Tisch Ihrer Eltern. Diesen Klassiker hatte sie schon seit Jahren nicht mehr gegessen, aber er war noch immer genau so gut wie bei Ihrer Mutter.

„Wie haben Sie das hinbekommen?“, wollte Toni wissen, während sie ihre Augen wieder öffnete und sich das Gericht schmecken ließ.

„Nun, ich kenne Dich schon so lange und es war kein Problem bei deiner Mutter zu fragen, was Dein Leibgericht ist und wie man es zubereitet.“, antwortete Roger mit einem Lächeln.

„Boh, ist das gut.“, kam es von Toni, die fast vergessen hatte, dass noch ganz andere Fragen zu klären waren, die sie eigentlich am liebsten noch vor dem Essen gestellt hätte. Captain Sanders probierte von dem Rotwein, den Admiral van Dyke ihr eingegossen hatte und er konnte sehen, wie sie sich so langsam entspannte. Gemeinsam leerten sie ihre Schalen und Roger setzte noch einen oben drauf, als er am Nahrungsreplikator als Nachspeise ein Eis orderte, gefolgt von einem Cappuccino für jeden.

Captain Sanders lehnte sich nach der Nachspeise mit einem abwesenden Blick zurück. Für Admiral van Dyke sah es so aus, als sei sie in sich gekehrt und schien zu überlegen. Diesen Gesichtsausdruck kannte er bei ihr sehr gut. Jedes Mal, wenn sie sich selbst hinterfragte, hatte sie diesen unergründlichen Blick, der durch alles hindurchzuwandern schien.

„Houston an Sanders, haben wir ein Problem?“, fragte Roger mit einem Lächeln auf den Lippen.

Toni setzte sich auf. „Ich hatte heute einen anstrengenden Tag mit vielen Entscheidungen und nach dem Meeting bin ich mir nicht mehr sicher, ob diese Crew noch voll hinter mir steht. Auch wenn es nach meiner Ansicht keine bessere Lösung gegeben hätte, habe ich den Eindruck, dass ich alles falsch gemacht habe.“

Roger nickte langsam, jedoch nicht zur Bestätigung ihrer Meinung.

„Ich verstehe, der Job eines Captains ist bisweilen schwierig, wenn es um harte Entscheidungen geht. Die Sorgen um die Crew kann ich gut nachvollziehen. Man ist am Anfang immer hin und her gerissen zwischen den Extremen. Oft fragt man sich, ob einen die Crew mag, oder ob man nur toleriert wird und sie möglicherweise im Zweifelsfall opponieren würde.

Lass es Dir von einem alten Hasen sagen: Es ist unmöglich everybodys Darling zu sein, wie man so schön sagt. Ein ehrlicher selbstkritischer Umgang mit der Crew ist gut. Man sollte ebenso wenig durch Härte führen, wie durch Angst und Diktatur oder wie bei Rhonda Hershel durch Gleichgültigkeit. Willkür ist aber auch keine Lösung. Die beste Crewführung ist mit Respekt und Anerkennung. Dafür bist Du nach meiner Ansicht auf dem besten Weg. Härte, Angst, Willkür oder Diktatur sind niemals eine Option, die eine Sternenflottencrew zusammenhält und zu Höchstleistungen anspornt.“, damit wechselte Roger erneut auf die persönliche Ebene und versuchte damit ihre Zweifel mit Einfühlungsvermögen zu zerstreuen.

Toni Sanders schüttelte den Kopf, was wohl eher ein Zeichen von Ratlosigkeit als Ablehnung war.

„Mir gehen momentan einfach zu viele Sachen durch den Kopf. Ich habe zu viele Baustellen, für die ich noch keine zufriedenstellende Lösung habe. Das fängt beim Warpantrieb an, geht über den Slipstreamantrieb bis hin zu dem Problem mit den Piraten und da sind noch eine ganze Menge Dinge mehr.“

Roger stand auf und aktivierte das Wanddisplay. „Nimm Dir ein Problem nach dem anderen vor. Konzentriere dich auf eine einzige Sache und rekapituliere die Möglichkeiten. Schließe aus was nicht funktioniert und prüfe, was sich bislang als sinnvoll erwiesen hat.“

Das war leicht gesagt, denn all diese Dinge waren dringend, eilbedürftig und hatten eine hohe Priorität. Aber die Antwort des Admirals hatte ihr den Geist geöffnet. Sie überlegte, was für sie derzeit am wichtigsten war und wo sie einen Einfluss nehmen konnte. Der Warpantrieb war beim Chief in guten Händen, die Piraten waren derzeit auf Distanz, also blieb die ungelöste Frage nach der Abnutzung der Benamit Kristalle.

„Ich denke eine Lösung für das Abnutzungsproblem der Benamit Kristalle wäre für den Erfolg der Mission ein großer Fortschritt, bei dem ich mich einbringen kann. Der Slipstreamantrieb muss laufen, sonst werden wir terminlich nicht hinkommen.“

Der Admiral nickte zustimmend. Ihm war klar, dass die Mission einem straffen Zeitplan folgen musste, daher hatte er sich mit Admiral Wellington darauf geeinigt diese spezielle Aufgabe selbst zu übernehmen, anstatt einen erfahrenen Captain damit zu betrauen. Für die Föderation stand viel auf dem Spiel. Neue Mitglieder oder Allianzen, speziell in diesem weit abgelegenen Sektor waren schwer zu etablieren und deshalb war es umso wichtiger, diese Aufgabe rechtzeitig abzuschließen. Für ihn war es notwendig, dass Captain Sanders nicht den Mut verlor. Es war im Grunde immer dasselbe. Alle angehenden Captains wollten eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der sie sich beweisen konnten, keiner nahm gerne einen einfachen Auftrag an, bei dem man in Ruhe lernen und reifen konnte. Es musste immer ein großer Brocken sein, den man am liebsten einfach schlucken wollte, ohne ihn zu kauen und der einem dann im Halse stecken blieb. Bei Toni Sanders war es allerdings etwas anderes. Sie brachte alles mit, was für die Mission gebraucht wurde und hatte auf Rogers Schiff eine gute Schule durchlaufen. Dem Admiral war klar, dass Sie gemeinsam mit diesem Schiff die beste Wahl und die beste Chance auf eine erfolgreiche Erfüllung der Aufgabe war.

„Was kommt Dir als erstes in den Sinn, wenn Du deine ‚Baustellen‘ betrachtest“, wollte Roger wissen.

„Ich würde ganz klar sagen, der Slipstreamantrieb. Ich habe mich in meiner Freizeit intensiv darum gekümmert, habe aber noch keine Lösung gefunden.“

Der Admiral rief eine Aufstellung auf das Display, mit den aktuellen Parametern des Slipstreamantriebs „Was macht dich so sicher, dass es überhaupt eine Lösung gibt?“, wollte er von Captain Sanders wissen.

„Das steht außer Frage“, gab Toni selbstbewusst zurück. „Kristalle sind in ihren Eigenschaften sehr ähnlich, sie haben nahezu die gleiche Dichte, lassen sich gut in Schwingung versetzen und eignen sich für Antriebsaggregate. Zwar nutzen sich Dilithiumkristalle ebenfalls ab und müssen einem Rekristallisierungsprozess unterzogen werden, aber dies ist nur in sehr großen Abständen der Fall.

Es muss also einen Grund geben, warum sich die Benamit Kristalle so schnell abnutzen. Ich vermute eine der Einstellungen stimmt nicht und deshalb entsteht dieser besondere Verschleiß.“ Roger nickte und sah auf den Wandschirm, „Zeig mir, welche Daten Du dir angesehen und verglichen hast.“

 

Toni rief ein Diagramm auf, welches einen Abschnitt des Fluges zeigte, bei dem man die Energiewerte und die Werte der Mischkammer sehen konnte. Auf den ersten Blick zeigten sich keine Unterschiede. Der Antrieb lief sauber mit einer konstanten Energierate, genau wie es der Warpantrieb auch tat. Dennoch sahen die Kristalle nach dem Flug stark mitgenommen aus, was sich an kleinen Unebenheiten der Oberfläche zeigte. Es war deutlich, dass etwas einen überproportionalen Einfluss auf die Kristalle hatte.

Roger sah sich die Energiewerte an, sie sahen gut aus, auch die Ablenkung der Kristalle lag im Rahmen der Spezifikation, die Bandbreite der Schwingungen war in Ordnung es gab keine Unterschiede die relevant sein konnten.

Der Admiral orderte am Replikator noch zwei Latte Macchiato und setzte sich aufs Sofa. Er rief Toni zu sich und gab ihr eine der Tassen. „Jetzt überlegen wir einmal ganz in Ruhe, wo das Problem herkommt. Mit unkoordinierter Hektik erreichen wir gar nichts. Lass uns in Ruhe analysieren, was es für ein gutes Funktionieren braucht. Es ist immer wichtig, dass die Grundlagen stimmen.“

Toni nahm dankend die Tasse mit dem Milchschaumgetränk, nippte einmal kurz daran und stellte sie dann auf den Tisch. „Die Grundzutaten sind ein Benamit Kristall, Materie und Antimaterie. Das Mischungsverhältnis ist immer gleich nur die Menge bestimmt den Energieausstoß. Wir versetzen den Kristall in Schwingung und damit entsteht in der Mischkammer die Energie, vereinfacht ausgedrückt.“

Der Admiral war zufrieden, „Und damit haben wir bereits einen wichtigen Fakt. Es ist eine Mechanische Schwingung im Material des Kristalls, ähnlich als würde man eine Glocke anstoßen, die einen Ton erzeugt. Tonschwingungen, zum Beispiel ein hoch gesungenes C kann Gläser zerspringen lassen, damit sind wir bei einer mechanischen Abnutzung. Was führt also zum Zerspringen des Glases?“

Toni Sanders waren diese Lösungen zu einfach, das hatte sie als aller erstes bereits ausgeschlossen

„Die Resonanzfrequenz löst so etwas aus, das ist ja einfach, aber daran liegt es nicht, denn die wird logischerweise nicht erreicht. In allen drei Aktivierungsphasen wurde dieser Wert nicht erreicht, dennoch ist eine nicht unerhebliche Abnutzung der Kristalle feststellbar.“

„Es gibt also einen Faktor, der uns bislang entgangen ist, bei unseren Überlegungen“, bemerkte Roger. „lass uns noch einmal unser Wissen auffrischen. Auch im Antrieb benötigen wir wie bei allen Dingen die mit Frequenzen zu tun haben eine Schwingung. Um diese optimal nutzen zu können muss es eine harmonische Schwingung nach dem linearen Kraftgesetz eines mechanischen Federpendels sein.

Die Schwingungen unterscheidet man in drei unterschiedlichen Sinuswellen: Das Zeit-Orts-Gesetz, das Zeit-Geschwindigkeits-Gesetz, und dem Zeit-Beschleunigungs-Gesetz.

Eine harmonische Schwingung entsteht nur, wenn alle drei Sinuswellen im gleichen Abstand mit der gleichen Auslenkung stattfinden.“

Roger rief die Daten die Warpantriebs auf, bei dem deutlich zu sehen war, dass alle drei Schwingungen im Diagramm im gleichen Abstand erfolgten, also eine harmonische Schwingung darstellten.

Im Gegensatz dazu konnte man bei den Benamit Kristallen sehen, dass zwar die Auslenkung identisch, die Schwingungsdauer der Beschleunigungslinie auf der Zeitachse vier Auslenkungen hatte, während die anderen nur drei besaßen. Damit war es keine harmonische Schwingung mehr.

Roger deutete mit der Hand auf den Wandschirm, der das entsprechende Diagramm enthielt.

„Hier haben wir unseren Übeltäter, diese Abweichung erzeugt eine überproportionale Abnutzung. Wenn der Chefingenieur es schafft, diesen Wert konstant zu halten, dann wird es eine harmonische Schwingung, die geringere Abnutzungen bedeuten.“

Toni Sanders atmete tief durch und ihre Anspannung löste sich. Sie fühlte sich von einer großen Last befreit. Sofort sicherte Sie die Ergebnisse und stellte sie dem Maschinenraum zur Verfügung, damit sollte die nächste Aktivierung des Slipstreamantriebs deutlich besser laufen.

„Siehst Du, war doch gar nicht so schwer“, merkte Admiral van Dyke an, „Es bringt meistens gar nichts, wenn man zu verbissen an einer Sache arbeitet, da verknoten sich nur die Gedanken und dann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.“

„Als Captain hätte mir das auffallen müssen, so oft wie ich mir die Sachen angesehen habe.“, erklärte Toni und ließ sich erschöpft in den Sessel fallen.

„Das ist ein Irrglaube vieler kommandierender Offiziere. Sie sind immer der Ansicht, dass sie alles wissen müssten oder jedes Problem lösen könnten, wenn sie sich nur intensiv genug damit befassen. Tatsächlich ist es die Aufgabe der Ingenieure, sich um diese Sachen zu kümmern. Das ist ihr Job.“, gab van Dyke zurück.

„Das mag wohl sein, aber denen habe ich schon genug Aufgaben vergeben, auch unser Ingenieur hat nur sehr begrenzte Kenntnis von dem Slipstreamantrieb, weil er nur so selten genutzt wurde“, wollte Captain Sanders ihre Entscheidung rechtfertigen, „Und auch das ist falsch. Ein Ingenieur muss sich mit allen technischen Dingen des Schiffes vertraut machen, egal ob der Captain sie einsetzt oder nicht. Schließlich muss der Captain auch darauf vertrauen können, dass sein Ingenieursteam alle Möglichkeiten des Schiffes einsatzbereit hält. Das ist die Aufgabe, nicht mehr und nicht weniger.

Aber jetzt einmal zu erfreulicheren Dingen. Ich denke wir haben uns dafür eine Belohnung verdient. Was hältst Du von einem selbst gemixten Dink? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Andorian Moonlight?“

Toni Sanders wurde hellhörig. Während ihrer Dienstzeit auf der AVIATOR hatte der Captain bei besonderen Gelegenheiten immer wieder einmal auf seine alten Erfahrungen zurückgegriffen und einzigartige Longdrinks kredenzt, die schon eher als Kunstwerke bekannt waren um einfach nur als Getränk zu gelten.

„Da sage ich auf keinen Fall nein, es ist nach meinem Dafürhalten, das schönste Hobby, welches Du hast. Ich habe das schon geliebt als ich noch ein Kind war und Du zu Besuch kamst.“, entgegnete Toni.

„Na dann wollen wir mal. Computer, Zugriff auf die persönlichen Replikatoreintragungen von Roger van Dyke. Wir benötigen zwei hohe Gläser mit Bodenbeleuchtung, gefüllt mit 8 Millimetern andorianischem Schnee, darauf folgen 150 Milliliter dunkelblauer Pentarebensaft, 5 Milliliter weißes Kamirsirup, danach erneut 20 Milliliter Rebensaft. Wiederhole die letzten beiden Anweisungen drei Mal. Zum Abschluss wird ein Spritzer Zitronensaft zugegeben.“

Der Computer bestätigte die Anweisung und im Replikator materialisierten die beiden Getränke. Roger schaltete die Beleuchtung ein und kam mit den Gläsern zum Tisch.

Es war erneut ein Kuntswerk, fast wie ein Gemälde. Der von unten beleuchtete Schnee reflektierte das abgegebene Licht nach oben, wo es durch den tiefblauen Pentarebensaft drang und das Kamirsirup anstrahlte wobei der Anschein entstand, als ob die Flüssigkeit nach unten heller wurde, was jedoch nur an der fluoreszierenden Wirkung des Kamirsirups lag, welches das einfallende Licht mehrfach verstärkte, so dass in den höheren Schichten der Rebensaft dunkler erschien. Das Kamirsirup wirkte dabei wie kleine Wolken, die im Glas umherschwebten.

„Auf Dein Wohl und die erfolgreiche Lösung eines Problems“, sagte Roger und hob sein Glas. Die beiden stießen an und ließen sich den Drink schmecken.

„Wie viele Rezepte kennst Du eigentlich? Und wie kommt es eigentlich, dass ich noch niemals einen Dink zweimal von dir bekommen habe.“, wollte Toni wissen, „Sehr viele!“, antwortete Roger, „Aber das andere bleibt mein Geheimnis.“, erklärte er mit einem Lächeln.

„Ich habe viele schöne Erinnerungen an damals“, gestand Toni Sanders und ihr kamen viele Gelegenheiten in den Sinn, bei denen Roger ihre Familie besucht hatte. Für eine Weile sprachen sie noch über das ein oder andere besondere Erlebnis und im selben Moment, in dem sie den letzten Rest aus dem Glas in ihre Kehle laufen ließen, kam die Stimme des ersten Offiziers aus der Audioanlage. „Captain, die Piraten haben ein Schiff in die Atmosphäre geschickt, es soll uns wohl aufspüren oder herausscheuchen. Ihre Anwesenheit auf der Brücke ist erforderlich.“ Toni Sanders bestätigte den Ruf.

„Tja, die Arbeit ruft. Vielen Dank für den entspannten Abend. Er war schön und sehr aufbauend. Das hat mir wieder richtig Energie gegeben.“, bedankte sie sich bei Admiral van Dyke.

„Das war der Plan“, sagte er freundlich. „Und jetzt sehen Sie zu, dass sie hochkommen, wer weiß was noch passiert. Das ist das Los eines Captains!“ Toni Sanders nickte noch einmal dankbar und machte sich dann auf den Weg in die Schaltzentrale der MALINCHE.

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