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Der Aufpasser

von Harald Latus

Kapitel 5

Kapitel 5

 

Captain Sanders betrat die Brücke am nächsten Morgen deutlich übermüdet. Sie hatte in der Nacht viel zu lange die Aufzeichnungen nach einer Gemeinsamkeit abgesucht, die sie aber nicht finden konnte. Es gab einfach keinen direkten Hinweis darauf, wie man die Dauer des Fluges, die Abnutzung der Benamit Kristalle und die Rekristallisierung dieser beschleunigen konnte.

Sie setzte sich mechanisch in ihren Stuhl, nahm den Zustandsbericht aller Abteilungen auf einem Padd zur Kenntnis und blickte stumpf nach vorn, wo ihr das Sternenpanorama mit Warp 9,9995 entgegenflog.

Auch für heute war wieder ein Slipstreamflug geplant. Der Chefingenieur rechnete so um die Mittagszeit damit, die Bereitschaft herstellen und die Antriebsart wechseln zu können.

Das war eigentlich Zeit genug, um noch ein paar Dinge zu erledigen, aber sie war so ausgelaugt, dass sie vorerst nichts anderes tun konnte, als auf ihrem Stuhl zu sitzen und den Flug zu überwachen.

Commander Rodgers hatte sich im Labor auf Deck fünf mit dem Innenausstatter verabredet und war spät dran. Eine Diskussion mit dem Sicherheitspersonal hatte ihn länger in Anspruch genommen als erwartet. Er trat vor die Tür, die sich sofort öffnete. Lieutenant Lewis Almond stand bereits an der runden Konsole, die sich in der Mitte des Labors befand und tippte einige Angaben von einem Padd in den Rechner, um eine Simulation zu erstellen.

„Commander“, grüßte Almond den ersten Offizier.

„Sie hatten mich wissen lassen, dass es Klärungsbedarf bei der Umgestaltung gibt. Wo liegt das Problem?“, fragte Rodgers und Lewis Almond versuchte seine Einstellung deutlich zu machen.

„Commander, Ein Raum wird für die Messe und das Wohlbefinden der Crewman nicht ausreichen. Wie bereits erwähnt sind hier einhundertneunundfünfzig Personen in Rotation zu berücksichtigen. Bei einem Dreischichtbetrieb bedeutet das zu Stoßzeiten immerhin an die hundert Personen, das ist zu viel für diesen Raum, vor allem, wenn wir ihn umgestalten wollen.“

In einem dreidimensionalen Bild hatte Almond den aktuellen Raum mit Bestuhlung, wie auch eine Skizze der möglichen Umgestaltung aufgerufen, was das Problem eindringlich verdeutlichte. Der bestehende Raum war einfach und funktionell aufgebaut. Eingang in der Mitte, links und rechts je vier Tische mit Platz für acht Personen und am Kopfende zwei Replikatoren. Es sah aus wie eine Kantine. Keine Bilder an der Wand, kaltes Licht von oben und absolut keine Wohnlichkeit.

Ganz im Gegensatz dazu die neue Raumaufteilung mit zwei Türen einer Theke und einem erhöhten Bereich rundum, leicht abgetrennte Tische, Pflanzen und Bildern. Am Kopfende prangte nun ein Bildschirm, der den Blick voraus generieren konnte. Alles in allem eine wesentliche Verbesserung. Allerdings gingen durch die großzügigere Aufteilung auch Sitzplätze verloren.

„Wenn wir keine Möglichkeit finden den Raum zu vergrößern, müssten wir auf andere Bereiche ausweichen. Mir ist aufgefallen, dass das Observation Deck vorne und hinten zwar vorhanden sind, aber keiner Nutzung zugeordnet wurden. Ich habe mich an beiden Positionen umgesehen. Es wäre zwar eine radikale Änderung, aber das Ergebnis würde uns mehr Möglichkeiten offenlassen, als bei der derzeitigen Lösung.“

Der erste Offizier sah sich die ausgearbeiteten Entwürfe an. Sie waren beeindruckend. Der vordere Aussichtsraum war in eine Bar umgestaltet worden, in der zwar nicht sehr viele Sitzplätze existierten, aber es sah bereits auf der Simulation wesentlich heimeliger aus, als der kantinenartige derzeitige Raum. Das Highlight war dann aber das hintere Aussichtsdeck, bei dem man den Anblick nach Achtern hatte. Da dieser Raum ganz hinten am Heck unterhalb der Shuttleplattform lag, konnte man den Ausblick ungehindert genießen. Auch hier war der Raum stufenartig aufgebaut. Und man konnte von jedem Sitzplatz das außergewöhnliche Panorama genießen.

„Das ist ehrlich gesagt anders als ich erwartet hatte. Mehr Platz wird es in dem ursprünglichen Raum nicht geben, denn dahinter beginnt der Hauptdeflektor. Mehr als eineinhalb Meter auf jeder Seite wird kaum möglich sein.“, erklärte der erste Offizier.

Lewis Almond rief den Decksplan auf und schaute sich den Bereich an. „Ja, Sie haben recht, für Stuhlreihen und um eine angenehme Umgebung zu schaffen ist das suboptimal. Aber es bietet sich eine andere Alternative an. Das könnte dem ganzen Schiff zum Nutzen gereichen.

Wie Sie wissen, hat der Captain bereits in einem Memo an die Crew mitgeteilt, dass jeder einen Anspruch auf Zeit im Holodeck haben sollte. Einige der bisher aufgerufenen Programme zur Unterhaltung könnten wir in dem ehemaligen Bereich für die Mannschaftsmesse fest installieren.“

Almond beendete die dreidimensionale Darstellung und tippte auf dem Display einige Änderungen ein. Der erste Offizier konnte nicht genau folgen was Lewis Almond hier gerade tat, aber er nahm an, dass er die Basisdaten für die dreidimensionale Darstellung aktualisierte.

Nach wenigen Minuten rief der Offizier wieder das Darstellungsprogramm auf und präsentierte seinen Vorschlag. Im zentralen Bereich der ursprünglichen Messe stand nun ein Billardtisch. Zwischen den Türen war eine kleine Bar und an den Wänden Arcadeautomaten, zwei Flipper und eine Dartscheibe zu sehen. Einige Tische in halbrunder Form waren an den Seiten positioniert, sowie ein Pokertisch für Kartenspiele. Als Zusatz waren nun jedoch zwei Bereiche markiert, die in dem verlängerten schmalen Bereich zu beiden Seiten der Hauptdeflektorspulen eingepasst waren, ohne genaue Beschreibung was dort eingesetzt werden sollte.

„Damit könnten wir das maximale abdecken, was machbar ist. Die Umgestaltung dürfte nicht allzu schwierig werden und es gibt damit einen Gemeinschaftsraum für Freizeitaktivitäten. Das entlastet mit Sicherheit auch die Holodecks, deren Nutzung durch die neue Regel möglicherweise zu einer unbefriedigenden Überbelegung führen könnte.“

Nyle Rodgers musste erst einmal schlucken. Das überstieg ganz klar das, was er mit dem Captain abgestimmt hatte und es war klar, dass er dies erst absegnen lassen musste.

„Laden Sie mir die Präsentationen auf ein Padd, ich werde es dem Captain vorlegen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie diesen erweiterten Umfang akzeptieren wird, aber ich will ihn ihr nicht vorenthalten.“

Lieutenant Almond sicherte die Daten auf einem Padd und reichte es dem ersten Offizier. „Ich denke, mit dieser Lösung kann die gesamte Crew ihren Alltag verbessern. Lassen Sie mich wissen, was ich schlussendlich umsetzen soll.“ Damit drehte er sich um und begab sich wieder zu seiner Aufgabe in der Technik.

 

Nyle Rodgers trat auf der Brücke aus dem Turbolift und sah sofort, dass Lieutenant Roskova im zentralen Stuhl des Captains saß. Auf seinen fragenden Blick antwortete sie mit einem Kopfnicken in Richtung Bereitschaftsraum. Der erste Offizier schritt an ihr vorbei und betätigte den Türsummer.

Es dauerte eine ganze Weile, bevor er ein schwaches Herein hörte und sich die Türen öffneten.

Der Commander trat ein und sah, dass sich der Captain gerade eben erst vom Sofa unter den Fenstern erhob, wo sie offensichtlich gelegen hatte.

„Es tut mir leid Captain, ich wollte Sie nicht stören.“ Toni Sanders stand auf, „kein Grund sich zu entschuldigen, ich bin diejenige die nicht fit ist. Die halbe Nacht habe ich in den Daten nach einer Lösung gesucht für die Problematik der Abnutzung der Kristalle und einer längeren Slipstreamphase.

Leider habe ich keine Lösung gefunden, dafür fehlt mir aber jede Menge Schlaf.

Aber gut, dass Sie da sind, ich musste ja irgendwann mal wieder hochkommen. Wie spät ist es?“, fragend drehte sie sich zum Fenster und sah, dass die Warpsterne ihr noch entgegenflogen.

„Elfuhrvierzehn, der Chefingenieur hat den Start für zwölfuhrdreißig vorgesehen. Sie haben also noch genug Zeit.

Ich hatte mich heute Morgen mit Lieutenant Almond getroffen, um über die Umgestaltung der Messe zu sprechen. Er hat mich darauf hingewiesen, dass bei einer Neuauslegung einige Sitzplätze wegfallen, was den ohnehin knappen Platz weiter reduzieren würde. Er hat zusätzliche Möglichkeiten präsentiert, die ich jedoch vorher mit Ihnen abstimmen möchte, da sie deutlich von dem ursprünglichen Plan abweichen.“, damit schaltete er das Padd ein und reichte es ihr.

 

Lieutenant Almond hatte sich viel Mühe gemacht und eine umfassende Erklärung geliefert, die seinen Vorschlag untermauerte. Die Idee, mit der Verlegung der Messe nach hinten unter den Shuttlehangar und die Umgestaltung der Messe in einen Freizeitbereich fand sie hervorragend, ohne sich die näheren Details anzusehen.

„Das ist ein beeindruckender Vorschlag, doch Mister Almond hat etwas vergessen. Computer liste alle Lagerräume auf, die von Schiffsequipment belegt werden. Zeige auf wie stark die Belegung im Einzelnen ist.“

Der Computer ließ einige Verarbeitungstöne erklingen, dann wurden auf dem Wanddisplay die Angaben dargestellt. Captain Sanders schüttelte den Kopf. Wartungsteile für Antrieb und Technik waren nahe des Deflektors platziert, medizinische Ausrüstung auf dem ganzen Schiff verteilt ebenso, wie Equipment für temporäre Außeneinsätze. Es war ein heilloses Durcheinander.

„Computer, summiere den Abteilungsbedarf und prüfe an welchem Platz die Gegenstände optimal für jede Abteilung positioniert werden können, so dass ein schneller Zugriff möglich ist. Markiere freiwerdende Flächen oder Räume. Erstelle eine Liste, welche Güter an welchen Platz transportiert werden müssen.“

Nach wenigen Sekunden hatte der Computer die Darstellung aktualisiert. Zwei große Lagerräume auf Deck elf waren komplett frei geworden. „Sehr gut“, kam es von Captain Sanders. „Beziehen Sie diese Räume mit ein. Ich möchte das sie daraus eine Sporthalle machen und einen für die gemäßigten Sachen wie Gymnastik und Yoga. Dann haben wir auch einen festen Übungsraum für die Sicherheit und die Ausbildung in Nahkampftechniken. Man kann nie wissen, wann man so etwas braucht.“ Nyle Rodgers nickte. „Das wird ein ziemlich großes Projekt, ich werde es gleich an Lieutenant Almond weitergeben.“, damit drehte er sich um und verließ den Raum.

Toni Sanders trat vor den Spiegel, richtete ihre Uniform und verließ dann ebenfalls den Bereitschaftsraum. Lieutenant Roskova machte sofort den zentralen Stuhl frei in den sich der Captain setzte.

„Brücke an Maschinenraum. Lieutenant Walker, läuft alles nach Plan?“, wollte sie vom Chefingenieur wissen. „Lieutenant Walker hier, wir werden rechtzeitig zum Termin umstellen, rechnen Sie in 10 Minuten damit, dass wir den Antrieb vom Netz nehmen.“, gab dieser zurück.

„Verstanden, Brücke Ende.“, erklärte der Captain, „Lieutenant Lendis, übertragen Sie die Kontrolle des Antriebs an den Maschinenraum. Der Antrieb wird von dort aus umgestellt.“, gab Sie Anweisung an die Steuerfrau. „Aye Sir.“, war die Antwort.

Die wenigen Minuten vergingen schnell. Das Schiff fiel unter Warp und man ersparte es sich dieses Mal den Impulsantrieb zu nutzen, da die Umstellung nun schneller erfolgen sollte.

Captain Sanders war erstaunt, dass bereits nach zehn Minuten die Umstellung vollzogen war und sich der gewohnte Slipstreamtunnel auf dem Hauptschirm bildete. Für heute waren drei ganze Stunden geplant.

Toni Sanders entspannte sich ein wenig und ließ die letzten Tage Revue passieren.

Sie hatte erste Erfolge bei der Mannschaft verzeichnet, das Schiff flog zumindest in Abschnitten bereits mit Slipstream und diese Phasen konnten kontinuierlich ausgebaut werden. Eine weitere heute angewendete Verbesserung war die schnelle Umstellung zwischen Benamit und Dilithium Kristallen, was zuvor deutlich länger gedauert hatte.

Alles in allem war sie fürs erste zufrieden mit dem Fortschritt. Sie war kein Freund davon solche Dinge übers Knie zu brechen. Es gehörte Feingefühl dazu, besonders wenn man als neuer Captain aufs Schiff kam und niemanden von der Crew kannte. Bislang hatte sie sich gut geschlagen, befand sie. In der Hoffnung, dass dieser Erfolg mit den bereits eingeleiteten Maßnahmen für die Mannschaft sich fortsetzte und weitere Verbesserungen der Zeitintervalle für den Slipstreamantrieb zu erwarten waren, konzentrierte sie sich wieder auf die Überwachung des Fluges.

Dem Captain war bewusst, dass sie gerade beim Slipstreamflug noch immer besser werden mussten. Es waren Unregelmäßigkeiten zu spüren. Man konnte es fast mit einem alten Flugzeug der Erde vergleichen, dass von den Wolken durchgeschüttelt wurde oder mal in ein Luftloch absackte. Sie erinnerte sich, dass sie einmal bei einer Flugschau dabei war und die Gelegenheit hatte in einem solchen Gefährt mitzufliegen. Es war in gewisser Weise beunruhigend und sie fragte sich damals, wie sich diese Technologie so lange halten konnte, wo doch Beamen so viel einfacher und schneller war.

Wieder war ein deutliches Rucken zu spüren und der Captain sah seine Wissenschaftsoffizierin fragend an. Diese reagierte sofort. „Alles im grünen Bereich. Die strukturelle Integrität hält, die Matrix für den Antrieb ist stabil. Ich muss aber aufgrund der mangelnden Erfahrung zugeben, dass ich nicht sagen könnte, ob dies tatsächlich normal ist.“

Das war wenigstens eine ehrliche Antwort. Captain Sanders nickte Lieutenant Roskova dankbar zu und sah auf die Uhr. Es waren nur noch wenige Minuten bis zur erneuten Abschaltung. Doch auch dieser Flug wurde noch weiter ausgedehnt. Lieutenant Walker holte alles aus dem Antrieb heraus was möglich war, ohne eine Beschädigung oder Überlastung zu riskieren.

Dann fiel das Schiff mit einem erneuten harten Ruck aus dem Slipstream und stoppte wieder im Normalraum.

 

Nachdem der Wechsel heute Mittag so schnell vollzogen wurde, rechnete Captain Sanders auch jetzt mit einer zügigen Umstellung. Es würde sich sicherlich nicht lohnen nun den Impulsantrieb zu starten. Doch die Zeit verstrich und nichts passierte. Captain Sanders war gerade im Begriff den Maschinenraum zu rufen, als sich der Chefingenieur meldete.

„Captain, wir haben leider ein Problem, der Träger für die Dilihtiumkristalle passt nicht, er ist scheinbar um einige Nanometer zu groß und lässt sich nicht einsetzen. Wir müssen ihn neu fertigen und die Kristalle dann einmessen. Es wird vorerst keinen Warpantrieb geben, ich bedaure.“

Captain Sanders senkte ihr Kinn auf die Brust, „Das ist sehr ärgerlich, wir haben den Föderationsraum inzwischen weit hinter uns gelassen und sind darauf angewiesen, dass…“

„Captain, drei Schiffe gehen in nächster Nähe unter Warp.“, unterbrach sie Lieutenant Roskova.

„Ich nehme an, dass Sie das gehört haben Mister Walker. Damit wäre bewiesen, dass es Murphys Gesetz bis in den Weltraum geschafft hat. Geben Sie Gas, wer weiß, was noch auf uns zukommt. Brücke, Ende.“, sagte der Captain und an die OPS gewandt, „Lieutenant Codas, gelber Alarm und Schilde hoch!“

Es war vielleicht eine Spur zu viel des Guten, aber Toni Sanders hatte gelernt vorsichtig zu sein.

Natürlich war Murphy's Gesetz kein bewiesener Grundsatz, sondern eher eine skeptische Lebensweisheit, die durch eine verzerrte Wahrnehmung zustande kam. Aber bedauerlicherweise hatte sich das Schicksal aus Ihrer Erfahrung schon viel zu oft für die Bestätigung dieser Regel entschieden.

„Lieutenant Roskova, ich brauche Informationen und das möglichst schnell.“ Die Wissenschaftlerin war schon dabei alles für einen ersten Bericht herauszusuchen.

„Die Schiffe ähneln der Skeldar Klasse. Sie wird von den Kilanari gebaut, einer Welt, die der Sternenflotte skeptisch gegenübersteht. Sie wird aber auch oft von den Ferengi zum Handel angeboten, da könnte jeder drinsitzen. Die Schiffe haben einen großen Frachtraum und eigenen sich daher besonders für Handeltreibende. Es gab aber auch schon Sichtungen von Piraten, die diese Schiffsklasse verwendet und sie in waffenstrotzende Monster verwandelt haben.

Diese Schiffe haben eine Standardbewaffnung, nichts, was uns beunruhigen müsste.“

Captain Sanders nickte „Danke, dann wollen wir doch mal sehen, ob jemand zuhause ist.“

„Captain, ich habe eine eingehende Übertragung.“, meldete sich Nichelle Rand.

„Umso besser“, war die Antwort des Captains, „Auf den Schirm!“

Die Bildübertragung nahm den ganzen Frontschirm ein und zeigte den Blick auf eine überschaubare Brücke. Der Raum war eher klein, die Stationen dicht gedrängt. Ein humanoider Mann erhob sich aus dem zentralen Stuhl und trat einige Schritte vor. Seine Kleidung würde man als Kaufmann einordnen. Die Jacke war aus einem feinen Zwirn genäht und besaß zahlreiche Applikationen, die Hose war in schlichtem schwarz gehalten und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf den Oberkörper.

„Seien Sie gegrüßt, ich bin Captain Codales. Mein Schiff ist die NERENTI, wir sind Handelstreibende, die versuchen unsere Waren denjenigen anzubieten, die sie brauchen. Die SONETA und die RUPATIS gehören zu meinem Verband. Was macht die MALINCHE, unverkennbar ein Schiff der Föderation, in diesem abgelegenen Gebiet, so weit von ihrer Heimat entfernt?“

Captain Sanders versuchte den Mann einzuschätzen. Er war groß, schlank, hatte einen mittelbraunen Teint, glatte schwarze Haare und trug auf seinem Gesicht ein dunkelrotes Tattoo, das einen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen darstellen könnte.

Ein Blick von Captain Sanders reichte aus, um Villiana Roskova zu signalisieren, dass sie dazu eine Identifizierung erhoffte. Einstweilen versuchte sie es mit Freundlichkeit.

„Ich bin Captain Sanders von der USS MALINCHE, wie Sie bereits erkannt haben. Nun, Sie scheinen die Sternenflotte sowie die Grenzen der Föderation recht gut zu kennen, dann sollten Sie auch wissen, dass wir immer wieder einmal unerforschte Gebiete aufsuchen, sie Kartographieren und nach neuen Spezies für unsere Gemeinschaft Ausschau halten.“

Codales hatte seine Hände vor sich zusammengelegt und den Kopf ein wenig gesenkt. Er nickte kurz. „Ja, das ist mir bekannt, aber oh Wunder, der Sektor ist bereits kartographiert und man glaubt es kaum, die Karten stammen von der Föderation, wie auch immer sie vor drei Jahren in Umlauf gekommen sind. Das führt mich also zu der Frage, was Sie wirklich hier machen, ganz allein, ohne Unterstützung und mit nur einem einzigen Produkt in ihren Lagerräumen. Der Zusammensetzung nach ein Vaccine für schlimme Krankheiten, für andere aber auch der Grundstoff für Granaten mit hoher Sprengkraft. Sie wollen doch sicherlich keinen Krieg anzetteln, oder?“

Jetzt wurde es Toni Sanders aber zu spezifisch. Wieso wusste er so viel über all das. Wie war er an die Information gekommen, dass er den Inhalt Ihrer Fracht so genau kannte. Admiral Wellington hatte bereits angedeutet, dass dieser Stoff nicht nur als Medizin einzusetzen war. Die Frage, warum sie Allein war, konnte sie sich selbst beantworten. Es gab kein anderes Schiff, welches mit dieser Technik ausgestattet war, folglich musste die MALINCHE allein aufbrechen.

„Für eine Zufallsbekanntschaft kennen Sie unser Schiff, unsere Herkunft und unseren Auftrag schon fast zu gut. Wie Sie wissen, ist die Föderation für ihre humanitäre Grundeinstellung bekannt. Wenn wir helfen können, dann tun wir das auch. Aber Ihre Informationen sind mir schon zu spezifisch, um geraten zu haben.“

Captain Codales hob die Arme, „Aber ich bitte Sie Captain, ihr Schiff fällt vor unseren Sensoren aus dem Warptransfer und die Föderation hat an allen Ecken und Enden das Schiff mit seiner einzigartigen Signatur bemalt. Da brauche ich doch nicht zu raten. Ein umgehender Scan ist oft die einzige Waffe gegen Piraten, die sich in diesen Weiten immer wieder einmal zeigen. Wir hatten schon wiederholt Kontakt und das war nicht gerade zu unserem Vorteil. Von uns droht Ihnen jedoch kein Unheil. Sie haben sicher erkannt, dass unsere Waffensysteme den Ihren unterlegen sind, weshalb ihre Sicherheitsmaßnahmen vielleicht ein wenig zu vorsichtig ausgefallen sind. Ich würde Sie gerne auf mein Schiff zum Essen einladen, wenn Sie möchten, können Sie auch gerne mit Begleitung kommen. Ich würde mich sehr freuen von Ihnen zu hören, Nerenti Ende.“

„Gelben Alarm aufheben, nehmen Sie die Schilde runter, sie benötigen eine Menge Energie und da der Antrieb noch nicht läuft ist das schlecht für den Energiehaushalt.“, befahl Captain Sanders, doch schon im nächsten Moment bereute sie ihre Entscheidung.

„Captain, für einen Augenblick habe ich ein weiteres Schiff wahrgenommen, aber es ist sofort wieder von den Sensoren verschwunden.“, wurde sie von der Wissenschaftsoffizierin informiert.

„Schilde sofort wieder hoch“, rief der Captain. Aber es war bereits zu spät. „Eindringlingsalarm auf Deck 12“, meldete der Computer und Captain Sanders schalt sich einen Narren, auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen zu sein.

„Roter Alarm. Sicherheit, sofort alle Bereiche absuchen, vor allem Deck 12 wir haben einen Eindringlings Alarm. Das ist keine Übung.“

Jetzt würde sich zeigen, ob die Umstellung der Sicherheitsaufgaben nach ihrem Wunsch das entsprechende Ergebnis erzielen würde. Torben Nol, der Sicherheitschef, der auf der Brücke an seiner Station stand, koordinierte seine Leute und gab Anweisungen in welchem Bereich der Schiffscomputer fremde Lebenszeichen entdeckt hatte. Nach nur vier Minuten machte er Meldung.

„Captain, wir konnten vier Personen in Gewahrsam nehmen. Der Computer zeigt keine weiteren Eindringlinge an. Die Personen befinden sich in der Brig.“

Toni Sanders atmete auf, „Danke Lieutenant. Eine gute und schnelle Reaktion. Ich werde mir das merken.“ Der Captain öffnete einen Kanal, „Maschinenraum, wie weit sind sie mit der Prozedur für den Warpantrieb. Wir haben hier Probleme mit nicht autorisiertem Zutritt und ich möchte möglichst schnell hier verschwinden.“

Die gestresste Stimme des Chefingenieurs war zu hören, „Aye Captain, wir haben den roten Alarm mitbekommen. Meine Ingenieure reißen sich gerade Arme und Beine aus, aber es wird auf absehbare Zeit keinen Warpantrieb geben. Ich arbeite gerade an einer Überbrückung für die Impulsmaschinen, damit wir wenigstens beweglich sind.“ Captain Sanders schüttelte resigniert den Kopf.

„Captain, ich erhalte gerade eine Subraumnachricht auf einem Prioritätskanal.“, kam es von der Kommunikationsstation. Nichelle Rand machte ein ratloses Gesicht und zuckte mit den Schultern. “Legen Sie es in meinen Raum“, sagte der Captain und blickte Commander Rodgers an. „bleiben Sie wachsam. Wenn sich etwas tut, dann geben Sie Bescheid.“ Damit stand sie auf und ging in Ihren Raum.

Prioritätsrufe waren der Sternenflotte vorbehalten. Es waren abhörsichere Verbindungen. Doch wer sollte sie hier draußen kontaktieren, wenn er genau um die Verzögerung wusste. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schaltete das Terminal ein.

Sie blickte in ein Quartier der Sternenflotte, welches ihr bekannt vorkam. Dann setzte sich ein Mann vor die Kamera. „Schwierigkeiten?“, fragte Roger van Dyke mit einem hoffnungsvollen Gesicht.

Dieser Mann war wirklich ein absoluter Ruhepol. Jeder andere Admiral wäre aus der Haut gefahren, aber er war eher ein Freund der Beistand leisten konnte.

Toni Sanders beugte sich vor, stellte die Ellbogen auf die Tischplatte und stützte ihren Kopf auf die Daumenballen, „Ich bin auf den ältesten Kniff von Trickbetrügern hereingefallen. Während einer höfliche Konversation betreibt, versuchen andere mein Schiff zu übernehmen. Zum Glück war die Sicherheit zur Stelle und konnte Schlimmeres verhindern. Ich befürchte aber, es ist noch nicht ausgestanden, denn unser Antrieb ist immer noch offline und ich habe das dumpfe Gefühl, da kommt noch was.“

Roger nickte, „das verstehe ich sehr gut. Doch auf meinem Schiff waren wir oft in solchen Situationen, wie Sie sich erinnern werden. Wir haben Lösungen entwickelt für fast jedes Problem, was sich uns in den Weg gestellt hat. Sensoren, Schilde, Waffen, Ausweichmanöver. Sie waren die Beste und haben immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Sie haben immer die perfekte Lösung angewendet. Das können Sie doch nicht alles vergessen haben, oder?“

Tonis Kopf sank noch tiefer und sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. „Ja und ich habe vergessen meine Angaben auf dieses Schiff zu laden, denn die Verbindung mit der Sternenflottenbibliothek ist derzeit ein wenig offline, wie Sie sicherlich festgestellt haben“, sagte Toni frustriert.

Der Admiral setzte ein breites Grinsen auf. Diesen Gesichtsausdruck kannte Toni inzwischen zur Genüge. Jeder Vorgesetzte hatte diesen Blick drauf, wenn er sich seinem Untergebenen weit überlegen sah und meinte er könne sich alles herausnehmen. Nur, dass er bei Roger van Dyke eine ganz besondere Bedeutung hatte. Roger hielt drei Isolineare Chips vor die Kamera. „Sehen Sie, das ist der Unterschied zu einem alten Hasen. Das ist wichtiger als mein Haustürschlüssel. Ohne DAS gehe ich nicht vor die Tür, geschweige denn auf ein anderes Schiff.

Computer, übertrage die Dateien der Isolinearen Speicher in den Hauptcomputer, Zugriffsrechte werden durch Captain Sanders erteilt.“

Der Bildschirm auf dem Schreibtisch änderte sich. Das Bild des Admiral verschwand, statt dessen wurden zahlreiche Angaben in die Schiffsdatenbank geladen, die viele verschiedene Dinge abdeckten. Alles, was Roger van Dyke in seiner langen Karriere an besonderen Lösungen entwickelt hatte wanderte über den Bildschirm. Bis schließlich wieder das Bild des Admirals erschien.

„Das sollte Ihnen einstweilen helfen, um die Situation etwas besser zu bestimmen. Denken Sie daran, wer zuerst handelt ist im Vorteil. Ich bin immer für Sie ansprechbar. Van Dyke Ende.“

Damit verschwand die Kommunikationsverbindung. Im selben Moment hörte der Captain den Türsummer. „Herein!“, rief sie und die Türen öffneten sich. Durch die sich öffnenden Schiebetüren trat Torben Nol, der Trill, der die Leitung der Sicherheitsabteilung ausübte. Er hob eine Tasche auf den Tisch und öffnete sie. „Darin befinden sich kleine haftfähige Transponder. Diese Teile wollten Sie an der Ladung anbringen, um sie aus dem Schiff zu beamen. Man heftet sie an und aktiviert sie, dann können sie sogar durch unsere Schilde nach draußen beamen. Eine gewitzte Masche, mit der man schnell jedes Teil aus einem fremden Schiff beamen kann. Sie haben drei verschiedene Signaturen.“

Captain Sanders nahm ein Teil aus der Tasche und drehte es in der Hand. „Ja, und drei Schiffe liegen uns gegenüber, die einen großen Frachtraum haben. Ich glaube es wird Zeit unseren werten Captain Codales noch einmal zu kontaktieren“

Der Captain umrundete den Schreibtisch, steuerte auf die Tür zu, die sich umgehend öffnete und sie trat auf die Brücke. Während sie sich in ihren Stuhl setzte, sprach sie die Wissenschaftlerin an, „Villiana, führen Sie Protokoll 644 aus.“ Die Russin wirkte verwirrt. „Captain, ein solches Protokoll ist mir nicht bekannt.“

Toni Sanders lächelte, „das mag sein es befindet sich im wissenschaftlichen Zentralspeicher. Aktivieren Sie es und führen Sie einen intensiven rundum Scan durch.“ Lieutenant Roskova nickte, „Aye Sir!“, sagte sie und wandte sich ihren Kontrollen zu.

„Mister Logan, aktivieren Sie Protokoll Gamma sieben Alpha, das wird uns mehr Schutz geben und möglicherweise andere davon abhalten mehr über unser Schiff zu erfahren. Und nun zu unserem Charmeur. Lieutenant Rand, öffnen Sie einen Kanal zu Captain Codales von der NERANTI.“

„Auf dem Schirm“, erklärte Lieutenant Rand und das Gesicht von Captain Codales erschien bildfüllend auf dem Hauptdisplay.

„Oh, was für eine Freude Captain Sanders. Haben Sie sich doch dazu entschlossen meine Einladung zum Essen anzunehmen? Ich bin mir sicher wir werden einen sehr harmonischen Abend genießen.“, begann der Kommandant der NERANTI. Doch Toni Sanders Gesicht sprach Bände. Sie hielt eines der Geräte hoch, die für den Diebstahl der Fracht gedacht waren und die zusammengezogenen Augenbrauen sowie der kühle Blick verrieten ihm, dass wohl ein Missverständnis entstanden war.

„Tun Sie nicht so scheinheilig. Sie haben ein Enterkommando auf mein Schiff entsandt in der Hoffnung unsere Güter stehlen zu können. Warum sonst sollten Sie Markierungsbojen für drei unterschiedliche Ziele mit sich führen? Ich kann Ihnen sagen, dass ich Ihre Männer festgesetzt habe und sie werden sich bei der Föderation einem Verfahren von Piraterie stellen müssen. Ich hätte nicht übel Lust auch Sie und ihre Schiffe festzusetzen und Ihnen ein Föderationskommando auf den Hals zu hetzen. Doch wir haben es ein wenig eilig unsere Mission zu erfüllen, die derzeit noch hinter dem Zeitplan herhinkt.“ Captain Codales wand sich wie ein Aal als er seine Entrüstung über diese wilde Unterstellung abwiegelte.

„Aber Captain Sanders, so etwas würde ich niemals tun, ich bin ein ehrenwerter Geschäftsmann. Ich versichere Ihnen, dass Sie mit Ihrer Annahme völlig falsch liegen. Meine Schiffe sind überhaupt nicht in der Lage sich gegen ein solches Schiff der Sternenflotte wie die MALINCHE zur Wehr zu setzen. Sie können gerne meinen Frachtraum inspizieren. Ich versichere Ihnen, dass wir mit dieser Angelegenheit und dem Entern Ihres Schiffes nicht das Geringste zu tun hatten.“

Lieutenant Roskova meldete sich, „Captain ich erfasse nach dem von Ihnen genannten Scan drei weitere Schiffe, die mir zwar von den Positionen angezeigt werden aber sie sind nicht zu sehen oder mit den normalen Sensoren zu erfassen. Das lässt auf eine Tarnung schließen, möglicherweise klingonischer Natur.“

Sofort sprang Captain Codales auf diese Information an, „Sehen Sie, diese Bedrohung ist nicht von mir ausgegangen, ich habe nichts damit zu tun.“ Captain Sanders drehte sich zur Wissenschaftlerin um, „Klingonen, hier draußen?“, die Wissenschaftlerin grenzte die Sache ein wenig ein. „Das ist nur eine Vermutung. Mir wäre sonst nichts bekannt, was eine Anzeige erzeugt aber von den Sensoren und Bildsystemen nicht erfasst werden kann.“

Captain Codales war plötzlich nicht mehr so sehr an einem Austausch mit Captain Sanders gelegen.

„Nun, wie ich sehe scheinen Sie ja die Ursache des Enterversuchs gefunden zu haben und da sie ja nicht auf meine Einladung eingehen möchten ist es wohl an der Zeit mich höflich zurückzuziehen.“

Doch Toni Sanders wollte so schnell nicht aufgeben. „Sie schulden mir noch eine Erklärung, das sieht mir zu sehr nach einem abgekarteten Spiel aus. Ich will die Wahrheit wissen, sonst könnte ich vielleicht vergessen, dass ich der Sternenflotte angehöre und keiner wird später wissen, warum hier die Trümmer von drei Schiffen im Raum herumtrudeln.“

Es war nur ein Bluff, aber er schien Captain Codales zumindest so zu verunsichern, dass er für einen Moment überlegte.

„Sie wissen gar nicht, wie schwer es uns die Piraten machen“, begann er und sah hilfesuchend seinen Kollegen an, der ihm langsam zunickte. „Sie haben uns schon wiederholt ausgeraubt, wenn wir in dieser Gegend unterwegs waren. Inzwischen konnte ich einen Deal aushandeln: wenn ich den Lockvogel für potenzielle Opfer spiele und sie aufhalte, bis die Piraten die Fracht analysiert haben, dann bleiben meine Schiffe unbehelligt. Mir ist klar, dass dies nicht gerade anständig ist. Aber hier draußen ist sich jeder selbst der Nächste.

Es ist nun an der Zeit mich von Ihnen zu verabschieden. Es ist schade, denn ich hätte Sie zu gern näher kennengelernt, aber um meine Crew und meine Fracht zu schützen sollte ich nun besser den Rückzug antreten.“ Damit verschwand das Bild von Codales Brücke auf dem Schirm und man konnte sehen, wie die drei Schiffe nacheinander in den Warptransfer verschwanden.

Toni Sanders sah Lieutenant Roskova fragend an, „Sorry, aber sie sind verschwunden. Die drei anderen Schiffe jedoch nicht. Ich habe immer noch klare Anzeigen, auch wenn wir sie nicht sehen können. Ein Schiff liegt direkt vor uns.“

Plötzlich verschwammen die Sterne und aus dem Nichts tauchte direkt vor ihnen ein Bird of Prey gegenüber der MALINCHE auf und Captain Sanders sah genau in den Rot leuchtenden Torpedoschacht, dessen Licht bedrohlich pulsierte. Dann meldete sich Nichelle Rand. „Captain, ich erhalte einen Ruf“, Toni Sanders nickte dem Lieutenant zu, „Ich bin gespannt, was uns erwartet. Maschinenraum, haben wir inzwischen Antrieb?“ wollte sie vom Chefingenieur wissen.

„In wenigen Sekunden werden wir die Überbrückung für die Impulsmaschinen fertig haben, Captain. Mehr kann ich Ihnen leider nicht bieten.“ Captain Sanders senkte ihren Kopf, „Na schön, dann muss das eben reichen. Lieutenant, auf den Schirm!“

Der Bildschirm wechselte auf die Ansicht der Brücke eines Bird of Prey. Zum Erstaunen von Captain Sanders saß jedoch auf dem zentralen Stuhl kein Klingone, sondern ein grünhäutiger Mann, den man eher mit Orionern in Verbindung brachte.

„Captain, ich glaube Sie haben etwas das mir gehört, und damit meine ich meine Männer und Ihre gesamten Güter.“, erklärte der Fremde, der eine Jacke mit einem auffällig hohen Kragen und sehr viel Geschmeide in Gold und Silber trug. Auf dem dunkelbraunen Leder hoben sich diese Stücke sehr prägnant ab, was wohl auch die Absicht dahinter war. Er wollte damit zeigen, wer er war.

Toni Sanders zeigte sich wenig beeindruckt. „Ihr Enterversuch ist kläglich gescheitert, wie Sie bereits erkennen durften und nachdem wir unsere Schilde veränderten, werden Sie wohl keine verwertbaren Scanergebnisse mehr erhalten haben.“

„Das mag wohl sein, aber ich, Bor Toparis gebe nicht klein bei, ich werde sie so lange mit meinen drei Schiffen jagen, bis Ihre Schilde zusammenbrechen und dann werde ich nicht nur die Fracht nehmen, sondern auch ihr schönes Schiff und die gesamte Crew. Falls Sie es vergessen haben, es gibt immer noch einen einträglichen Markt für Sklaven und ich kenne einen Ankäufer, der mir Höchstpreise für Föderationsangehörige bietet. Es wird also ein dreifacher Gewinn für mich sein.

Wo wir gerade so schön bei den Preisen sind, Sie werden sich sicherlich fragen, wie ich an die drei Schiffe der Klingonen gekommen bin. Für den richtigen Preis verkaufen einem die Ferengis jede Ware, auch solche Schiffe.“

Toni Sanders versuchte weiter Stärke zu zeigen, auch wenn ihr dies zunehmend schwerfiel.

Ein einzelnes Schiff gegen drei Bird of Prey kam einem Desaster gleich. Dafür reichte die Kampfkraft der MALINCHE nicht aus, auch wenn sich die Voyager, ebenfalls ein Schiff der Intrepid Klasse, damals gegen mehrere Feinde erfolgreich zur Wehr setzen konnte. Doch sie kannte dieses Schiff nicht im Detail, konnte die Stärken und Schwächen nicht genau einschätzen und derzeit war auch der Warpantrieb außer Kraft gesetzt, was viele Optionen ausfallen ließ.

„Noch ist es nicht so weit und glauben Sie mir, auch wir werden nicht kampflos aufgeben. Ich empfehle Ihnen das Weite zu suchen und zwar so schnell wie möglich“, versuchte es Captain Sanders und setzte dabei das beste Pokerface auf, was sie hatte. Das schien dem Piraten nicht so recht zu schmecken, wie sie an seinen Gesichtszügen gut erkennen konnte. Mit ärgerlicher Miene trennte er die Verbindung. Womöglich hatte er sich angesichts seiner Drohgebärden und materieller Übermacht, sowie dem bereits erfolgreichen infiltrieren des Schiffes in einer weit besseren Situation gewähnt. „Lieutenant, gibt es irgendeinen Ort an den wir uns zurückziehen können?“, wollte der Captain von Villiana Roskova wissen.

„Ich starte sofort einen Scan Captain“, gab die Wissenschaftlerin zurück und fing sofort damit an eine entsprechende Abtastung zu starten. Captain Sanders befürchtete schon, auf was das hinauslaufen würde, daher war sie der Ansicht, dass gute Vorbereitung zum Schutz eine gute Sache sei. „Lieutenant Codas, Nehmen sie alles, was unsere Energiebilanz hergibt, um die Schilde und die strukturelle Integrität zu verstärken. Ich gehe davon aus, dass man uns zeigen möchte, wie verwundbar wir sind.“, wies sie die Andorianerin an.

Inzwischen hatte Lieutenant Roskova die Ergebnisse ihrer Sensorabtastung zusammengestellt.

„Captain, die beste Option ist derzeit ein massereicher Gasriese, wir könnten uns in seiner Atmosphäre verbergen, die für starke sensorische Störungen spricht. Wir sind dann zwar ebenfalls blind, aber die Schiffe werden uns nur finden, wenn sie uns sehen können, was in dieser Waschküche sicher unmöglich erscheint. Der Planet ist in akzeptabler Entfernung und mit den Impulsmaschinen in achtzehn Minuten erreichbar.“

Captain Sanders nickte. „Roter Alarm. Lieutenant Lendis, setzen Sie einen Kurs und schaffen Sie unser Schiff dorthin. Das wird sicherlich ein Höllenritt, denn ich rechne mit dem Schlimmsten.“

Die Brücke wurde in rotes Licht getaucht und der Alarmton war zu hören, „Audio aus!“ befahl der Captain, worauf das Tonsignal verstummte, doch fast im selben Augenblick enttarnten sich zwei weitere Bird of Prey vor ihren Augen und versperrten der MALINCHE damit den Weg.

„Lieutenant, Ausweichmanöver und nichts wie weg hier“, rief Captain Sanders, während sie auf ihrem Display nur ein Wort an die Maschinencrew schickte. „Warp?“

Die Antwort, die sie auf dem Display ablas, war wie zu erwarten enttäuschend, aber sie bemerkte, dass das Schiff inzwischen wenigstens mit den Impulsmaschinen beschleunigte. Es dauerte einige Sekunden, bis die klingonischen Schiffe gewendet hatten. Doch dann wurde das Schiff von mehreren harten Schlägen durchgeschüttelt. „Raumladungen“, rief Lieutenant Roskova, Sie hoffen wohl, dass wir klein beigeben und sie das Schiff in bestmöglichem Zustand übernehmen können.“

Die MALINCHE steuerte, verfolgt von den Piraten, auf den Gasriesen zu, der nur langsam näherkam. Immer wieder trafen Sie Raumladungen, die das Schiff heftig durchschüttelten. Doch dann stellten die Piraten ihre Taktik um und feuerten mit ihren Disruptoren in schneller Folge auf das Föderationsschiff. Der Hauptschirm zeigte erneut den Piratenführer Bor Toparis, der sich ein gemeines Grinsen nicht verkneifen konnte. „Sehen Sie es endlich ein, Sie haben keine Chance gegen unsere Übermacht. Ich gebe Ihnen eine letzte Gelegenheit mir Ihr Schiff und Ihre Waren zu übergeben, sonst sehe ich mich gezwungen noch härtere Maßnahmen zu ergreifen.“

Wie zum Beweis ließ der Pirat einen Dauerregen von Disruptorschüssen auf die MALINCHE regnen, der es in sich hatte. Auf der Brücke ging für einen Moment die Beleuchtung aus.

„Wenn Sie meinen, dass wir deswegen klein beigeben, dann haben Sie sich getäuscht. Es gehört mehr dazu ein Sternenflottenschiff in Besitz zu nehmen als Ihre ständigen Drohungen und der Dauerbeschuss unseres Schiffes. Wir haben einen langen Atem und sind am Ende vielleicht auch die Besseren.“, rief Captain Sanders ihm entgehen und zeigte Nichell Rand an, dass sie die Verbindung kappen sollte. Das Bild verschwand augenblicklich vom Schirm.

„Captain, Schilde nur noch bei sechzig Prozent und weiter fallend.“, meldete die Andorianerin.

Toni überlegte, es war klar, was der Piratenführer mit diesem Vorgehen beabsichtigte. Wenn erst einmal die Schilde aufgezehrt waren, dann war das Schiff für die Torpedos ein leichtes Ziel. Andererseits wollte er, wie er sagte, zumindest die Ladung und bestmöglich auch die Crew und das Schiff zu Geld machen. Höchstpreise gab es nur bei einwandfreier Ware. Das war ein kleiner Vorteil den sich Captain Sanders ausrechnete nachdem sich Bor Toparis so mit seiner Absicht offenbart hatte. Ein Fehler, wie Toni Sanders befand, denn so wusste sie, dass er ganz bestimmt nicht zum Äußersten gehen würde, so lange er eine Chance sah, das bestmögliche Geschäft zu machen.

Die Möglichkeit sich zur Wehr zu setzen war allerdings begrenzt. Das Schiff lief derzeit nur mit den Generatoren, die ohnehin schon weniger Energie lieferten, wie ein laufender Warpantrieb. Zog sie Energie für Waffenfeuer ab, dann würde das als erstes zu Lasten der Schilde, der Trägheitsdämpfer und strukturellen Integrität gehen. Zudem könnten es sich die Piraten dann auch anders überlegen und vielleicht härteren Beschuss auffahren, der bei einer Flucht die Chancen minimierte. Deshalb vermied sie es einen Feuerbefehl zu geben, auch wenn einige auf der Brücke das möglicherweise anders sehen würden.

Unter Dauerfeuer flüchtete das Föderationsschiff zu dem Gasriesen, der nun immer näher kam.

„Captain, das Dauerfeuer beschränkt sich jetzt auf unsere Warpgondeln. Die Schilde sind runter auf sechzehn Prozent. Wenn wir nicht bald entkommen können, dann werden unsere Gondeln depolarisiert und dann war es das mit dem Warpantrieb.“

Die Andorianerin schaute mit Sorge auf ihre Anzeigen, ein weiteres rotes Signal veranlasste sie zur nächsten Meldung, während sie alles tat, um dem Schiff den bestmöglichen Schutz zu bieten.

„Das Trägheitsdämpfungsfeld ist ausgefallen, ich aktiviere das Backupsystem, aber mit dem Energielevel wird es höchstens fünfzig Prozent erreichen.“

Captain Sanders hatte ja bereits gesagt, dass dieser Weg nicht einfach werden würde, aber nun wurde es richtig eng. Die Umlaufbahn des Planeten war in greifbare Nähe gerückt, als der Antrieb mit einem harten Ruck ausfiel. Die MALINCHE trudelte dem Planeten entgegen und lief Gefahr unkontrolliert abzustürzen. Um alle Achsen drehend verschwand sie in der oberen Wolkenschicht und entzog sich somit dem Blick der Angreifer.

 

„Traktorstrahl, sofort!“, wies Bor Toparis seinen Kollegen an der Station an, aber der schüttelte mit dem Kopf. „Zu viele Interferenzen, ich bekomme kein klares Signal“, erwiderte der Mann an der Konsole.

„Stellen Sie sich nicht so an, erfassen Sie alles, was in der Flugbahn liegt und weisen Sie unsere Begleitschiffe an, dies ebenfalls zu tun, dann werden wir sie schon aus den Wolken ziehen.

Wir waren erfolgreich. Jetzt müssen wir uns nur noch unsere Beute einsammeln.“

Bor Toparis lehnte sich zurück in seinen Stuhl, nach dem er eine ganze Zeit konzentriert und nach vorn gebeugt den Angriff auf die MALINCHE verfolgt hatte, wohlweislich mit dem Ziel die maximale Gewinnmarge zu erreichen. Doch jetzt, so war er sich sicher, konnten sie nicht mehr entkommen. Er vertraute seinem Team und deren Fähigkeiten, schließlich funktionierte diese Taktik nicht zum ersten Mal. Es sollte also kein Problem sein, das Schiff zu bergen.

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