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Der Aufpasser

von Harald Latus

Kapitel 4

Kapitel 4

 

Nyle Rodgers, der erste Offizier, prüfte am Morgen vor Dienstantritt die eingegangenen Tagesberichte vom Vorabend. Besonders auffällig war der Bericht des Hangar Chiefs der sehr unzureichend und nachlässig verfasst war. Der Commander überlegte, ob er dem Offizier eine Nachricht schreiben sollte, entschied sich dann jedoch für eine direkte Nachkontrolle. Zuvor prüfte er jedoch die weiteren Zustandsberichte notierte sich einige positive und negative Dinge dazu und tippte dann seinen Kommunikator an. „Rodgers an Brücke, ich komme etwas später, ich muss noch eine wichtige Überprüfung durchführen.“ Die Antwort kam direkt von Captain Sanders, womit er um diese Uhrzeit nicht gerechnet hatte, „In Ordnung wir erwarten Sie dann in Kürze. Brücke, Ende.“

Schnell hatte der Commander den Weg zum Shuttlehangar gefunden und war durch die sich öffnende Tür eingetreten. Es war kaum zu übersehen, dass hier wieder einiges im Argen lag. Kontrollierte Beiboote waren nicht korrekt abgestellt und gesichert worden, Verschmutzungen waren allgegenwärtig und der diensthabende bajoranische Offizier saß in seinem Büro und las auf einem Padd, das sicherlich keine dienstlichen Anweisungen enthielt.

Auch das Eintreten des Commanders veranlasste ihn nicht zu einer Meldung oder seine Position zu verändern. „Chief Batona, Ihr gestriger Bericht für den Shuttlehangar ist bedauerlicherweise unzureichend und sehr nachlässig verfasst. Ich vermisse einige Angaben, die diesem Arbeitsbericht des vergangenen Tages zwingend beigefügt sein müssen.“

Der Lieutenant Junior Grade jedoch reagierte sehr gelassen. „Mein Gott, bislang hat nie einer nach einem Bericht gefragt und es hat auch keinen interessiert, wie es hier unten aussieht, oder wie wir unsere Arbeit machen. Sie haben sich bisher auch kaum hier blicken lassen.“ Nyle Rodgers sah den Mann strafend an, der scheinbar erkannte, dass es der Commander durchaus ernst meinte. Also stand er mit deutlichem Missfallen aus seinem Stuhl auf, unerfreut über die Störung seiner bisherigen Tätigkeit und blickte den ersten Offizier gelangweilt an. „Seien Sie froh, dass Sie überhaupt einen Bericht bekommen haben. Der Captain hat so etwas noch nie verlangt.“, fügte er hinzu.

„Falls es Ihnen entgangen sein sollte, derzeit hat hier Captain Sanders die Befehlsgewalt. Sie ist sehr an einem strukturierten Ablauf interessiert und bemüht sich darum die Effizienz zu steigern. Es liegt an Ihnen, ob sie diese Aufgabe beibehalten, oder ob Ensign Watanabe durch eine Beförderung Ihr Vorgesetzter wird. Der hat nämlich bereits seine Bereitschaft zur Verbesserung unter Beweis gestellt.“

Batona lachte auf, „Sie wissen genau so gut wie ich, dass auf diesem Kahn noch niemals jemand befördert wurde und das wird sich durch den neuen, temporär eingesetzten, Captain sicher nicht ändern. Von mir aus schreibe ich einen neuen Bericht, aber an der ganzen Situation wird das sicherlich nichts ändern.“

Der erste Offizier wollte etwas klarstellen. „Lieutenant, es geht hier darum aus diesem Schiff und der Crew ein funktionierendes Gesamtkonzept zu machen. Wenn Sie ihre Leistungen nicht deutlich steigern, werde ich dies in meinem Bericht an den Captain deutlich machen. Sie haben die Wahl.

Ich komme um zehneinhundert wieder vorbei und bin gespannt, wie sie sich entscheiden.“

Lieutenant Batona winkte mit der Hand ab, „ja ja, machen Sie nur. Ich werde hier sein.“, erklärte er, setzte sich wieder und nahm sein Padd wieder auf.

Der erste Offizier verzichtete auf eine disziplinarische Maßnahme, Batona würde schon sehen, dass er es ernst meinte. Fürs erste hatte er genug gesehen. Eine Chance wollte er Lieutenant Batona noch lassen, aber er würde nicht zögern, eine Empfehlung abzugeben, wenn es notwendig war.

 

*  *  *

 

In dem Moment, in dem der erste Offizier die Brücke betrat, meldete sich gerade der Chefingenieur, „Captain, wir haben alle Vorbereitungen getroffen und sind bereit für den Wechsel der Kristalle.“

Captain Sanders stand auf, „Das sind gute Neuigkeiten. Ich würde mir das gerne einmal ansehen. Ist das im Bereich des Möglichen?“, wollte sie wissen.

„Aber gerne, dann können Sie aus erster Hand erfahren, welche Aufgaben wir dabei jedes Mal zu erledigen haben. Wenn Sie bereit sind, würden wir den Antrieb abschalten und mit der Umrüstung beginnen.“ Der Captain gab dem ersten Offizier ein Zeichen. „Gut dass Sie gerade gekommen sind Mister Rodgers, bitte übernehmen Sie. Ich schaue mir mal an wie das mit der Umrüstung funktioniert. Ich will es zumindest einmal gesehen haben. Steuer, gehen Sie unter Warp, wir fliegen mit vollem Impuls weiter.“, damit drehte sie sich um und war schnell im Turbolift verschwunden.

 

Captain Sanders war auf dem Weg in den Maschinenraum und trat auf Deck 8 aus dem Lift. Ihr kamen auf dem Weg zwei Crewmen entgegen, die sich lebhaft miteinander unterhielten. Anscheinend hatten sie gerade ihre Schicht beendet. Toni hörte, wie sich eine der beiden Frauen an ihre Kollegin wandte, blieb an einem Display stehen und folgte dem Gespräch, während die beiden auf den Lift warteten. „Ich habe gehört, dass der Captain sich wohl entschlossen hat die Messe umzugestalten. Mir wäre es lieber, sie würden sich mal um die Quartiere kümmern. Ich hätte gerne meinen eigenen Bereich. Jan und Mockla lassen immer ihren Mist rumliegen und ich kann die Musik von Sandor schon lange nicht mehr ertragen. Es nervt einfach nur noch.“

Die andere Frau ließ ein leicht abfälliges Lachen hören. „Tora, sei froh, dass sie wenigstens die Replikatoren freigeschaltet hat. Damit bekommen wir jetzt endlich einmal Zugriff auf anständiges Essen. Auf dem Schiff gibt es nur beschränkten Platz. Wenn Du ein eigenes Quartier haben willst, dann hättest Du die Offizierslaufbahn einschlagen müssen. Die bekommen sowas. Jetzt mal ehrlich, glaubst Du wirklich, an der Messe wird sich was ändern? Die leben dort oben in ihrer schönen Welt und werden wohl kaum eine Lounge aus dem Aufenthaltsraum machen.“ Nun sprach wieder die Frau, die wohl Tora hieß: „Es ist doch wie immer: Wir alle sitzen im gleichen Boot, nur die Mannschaft soll rudern und die Offiziere hängen mit dem Seil am Heck und wollen Wasserski fahren.“

Toni hörte, wie sich die Lifttüre öffnete und konnte der weiteren Konversation nicht mehr folgen.

Eigentlich gab es an den Quartieren nichts auszusetzen, auch wenn sie je nach Dienstgrad unterschiedliche Größe hatten, so war eigentlich an alles gedacht. Das Familien an Bord sein sollten, war ihr jetzt nicht bewusst, aber man wusste ja nie. Sie merkte sich vor, dass sie sich diese Sache einmal näher ansehen wollte. Es konnte nichts schaden, wenn man etwas verbesserte.

Die Tür zum Hauptmaschinenraum öffnete sich und der Chefingenieur Henry Walker machte eine einladende Geste zum Captain, „Seien Sie mein Gast!“, rief er und deutete mit der anderen Hand auf den Warpkern, bei dem der Fusionsvorgang zum Erliegen kam. „In wenigen Minuten, wenn wir die Kammer entlüftet haben, können wir mit den Umbaumaßnahmen beginnen“, erklärte er, während beide nähertraten. Die Crew des Maschinenraums war angespannt, das konnte man unschwer erkennen. Die neue Aufgabe war noch weit davon entfernt Routine zu werden. Zwei Techniker schoben eine Antigrapheinheit und nahmen das Benamit Kristallpaket aus einem abgeschirmten Behälter. Die Kristalle sahen auf dem Tisch wie ein Edelstein Ausstellungsstück aus, das man im Museum betrachten konnte.

Ein zischendes Geräusch ließ Toni Sanders herumfahren. Einer der Ingenieure hatte die Reaktionskammer geöffnet und die Dilithiumkristalle entnommen. Er kam an den Tisch und stellte sie ab. Nun konnte Toni Sanders unschwer erkennen, dass sich diese beiden Minerale allein schon durch das Aussehen unterschieden. Während das Dilithiumkristall ein milchiger Stein war, sah man beim Benamit eine tiefblaue durchsichtige Färbung. Auch die Form war deutlich unterschiedlich. Während es sich beim Dilithium um ein hexagonales Prisma erster Ordnung handelte, war der blaue Stein ein Durchkreuzungszwilling von zwei Pentagondodekaedern, der vielmehr Flächen besaß und damit wesentlich höhere Ablenkungszahlen erreichte.

Captain Sanders sah den Chefingenieur an. „Ich habe in den Schiffsinformationen zum Slipstreamantrieb den ganzen Abschnitt gelesen, der mit der Energieform zusammenhängt, aber mir will nicht in den Kopf gehen, warum das hier so ein Problem darstellt, dass wir ganze zwei Stunden verlieren, in denen wir quasi handlungsunfähig sind.“

Henry Walker zeigte auf den Benamitkristall, „Wie Sie unschwer erkennen können hat dieses Schätzchen sehr viel mehr Flächen als der einfache Dilithiumkristall. Die Energiemenge ist um ganze Potenzen höher und diese Mengen brauchen wir auch, wenn wir über den Deflektor einen stabilen Strahl absenden wollen. Er dehnt quasi den Subraum zu einem Schlauch, durch den wir hindurchschlüpfen können. Dieser virtuelle Schlauch nimmt also vor uns Raum ein, weil er sich aufdehnt. Dabei entsteht ein Vakuum, welches uns voranbewegt. Das ist dann in etwa so, als würde man an einem Strohhalm ziehen. Da sich im Subraum auch Kommunikationswellen schneller bewegen können, funktioniert das auch mit dem Schiff. Es ist im Wesentlichen der gleiche Effekt.“

„Ja, aber das erklärt immer noch nicht die lange Ausfallzeit“, beharrte Toni auf einer Erklärung.

„Dazu wollte ich ja jetzt gerade kommen“, kam es von Chief Walker, „Die Kristalle müssen in der Kammer sehr genau eingemessen werden. Das ist ein langwieriger Vorgang, der immer wieder vor Inbetriebnahme durchzuführen ist. Liegen wir auch nur ein paar Nanometer falsch könnte das den Antrieb beschädigen oder das ganze Schiff zur Explosion bringen.

Im Prinzip müssen wir den Antrieb dabei jedes Mal komplett neu hochfahren. Eine Aufgabe, die man in der Regel nur einmal macht, bevor man das Aggregat in Betrieb nimmt. Dann läuft er bis zu einem Jahr lang ohne Probleme. Hier ist es aber etwas anderes.“

Inzwischen war der Benamitkristall in die Reaktionskammer gebracht worden und drei Ingenieure arbeiteten daran ihn einzumessen. Es war tatsächlich eine zeitraubende Prozedur und Captain Sanders überlegte, ob man das nicht beschleunigen konnte. Aus der Reaktionskammer ließ sich eine Schublade herausfahren, in der die Kristalle positioniert wurden. „Chief, haben die Kristalle eigentlich immer die gleiche Form und Größe?“, wollte der Captain wissen. Ihre Unterrichtsstunden zur Warptheorie waren schon ein paar Jahre her.

„Aye, Captain. Jeder Antrieb hat aufgrund seines Leistungsverhaltens eine eigene feste Form und Größe, sonst wäre es ja auch einfach.“

Toni Sanders sah den Chefingenieur mit nachdenklicher Miene an. „Nehmen wir einmal an wir wollen einen Kuchen backen, der die Abmessungen des Kristalls hat“, Henry Walker wusste nicht, worauf der Captain hinauswollte, machte aber mit. „Okay, ich versuche mir also einen Backofen vorzustellen und dann?“

Toni reagierte ein wenig pikiert, „ich möchte nur einen Vergleich ziehen. Stellen Sie sich also vor ich nehme mein Backblech und damit der Kuchen genau in der Mitte des Ofens steht benutze ich eine fest vorgegebene und befestigte Form für den Kuchen. Das Backblech schiebe ich dann in den Ofen, wobei es gerade so hineinpasst es soll saugend hineingleiten, also auf den Nanometer genau. Damit ist die Position vorgegeben, bis ins Detail.

Mein Vorschlag lautet also, bauen Sie eine Halterung für die Kristalle, die nanometergenau in die Reaktionskammer passt. Dann könnten Sie die Kristalle einmessen, bevor sie in die Kammer kommen und es wäre nur noch ein Tausch nötig, weil sie schon genau in der richtigen Position sind.“

Henry Walker brauchte einen Moment, um die Analogie umzusetzen. Es war nicht das beste Beispiel, aber er hatte begriffen, was dem Captain vorschwebte und so schlecht war die Idee tatsächlich nicht.

„Gut, ich habe verstanden, was Sie vorschlagen, wir müssten das einmal testen, bevor wir es anwenden. Aber die Idee hört sich zumindest in der Theorie schon mal ganz gut an. Dass da bislang noch keiner dran gedacht hat, ist auch komisch, aber es ist ja auch keine alltägliche Anordnung auf unserem Schiff. Ich will sehen, ob es sich umsetzen lässt. Geben Sie mir etwas Zeit wir werden es versuchen.

Für den heutigen Flug haben wir ein Fenster von einer Stunde vorgesehen. Wenn das störungsfrei funktioniert, werden wir die Zeit verdreifachen, sofern der Kristall das mitmacht. Wir werden danach die Abnutzung nach dem Flug genau bewerten.“

Captain Sanders sah den Chefingenieur prüfend an. „Was schätzen Sie, wann können wir den nächsten Slipstream starten?“, fragte Sie.

Der Chefingenieur warf einen prüfenden Blick zu den Kollegen, die an der Mischkammer arbeiteten. „Ich schätze in einer Stunde und hoffe, dass es künftig schneller funktioniert. Aber dafür sind einige Maßnahmen nötig, die mit höchster Präzision gefertigt werden müssen.“

„Ich verstehe“, sagte der Captain, „dann lassen Sie sich nicht aufhalten. Ich bin auf der Brücke und erwarte ihre Bereitschaftsmeldung.“

Damit verließ sie den Maschinenraum wieder und der Chefingenieur eilte zu seinen Kollegen, um die Aufgabe zu beschleunigen.

 

*  *  *

 

Captain Sanders saß in ihrem zentralen Stuhl auf der Brücke und erwartete die Aktivierung des Slipstreamantriebs. Eine Stunde, hatte der Chefingenieur gesagt und die war nach ihrem Ermessen gerade abgelaufen. Sie wollte gerade den Maschinenraum rufen, als sich Lieutenant Henry Walker meldete. „Captain, wir sind soweit. Wenn Sie den Befehl geben, dann kann es losgehen.“

„Gut, dann lassen Sie uns diese Schleichfahrt beenden, Lieutenant Lendris, wir starten den Slipstreamantrieb gleich, Lieutenant Renner, prüfen Sie noch einmal die Navigationsdaten, Lieutenant Sonal, denken Sie bitte daran vor und nach dem Flug eine Kopie der Matrix abzuspeichern, damit eine Auswertung erfolgen kann.“ Ihr schlug ein mehrstimmiges „Aye Sir“, entgegen und damit war klar, dass alle bereit waren.

„Na dann, ab die Post!“, rief sie der Steuerfrau zu und hielt sich an ihren Stuhllehnen fest. Die starke Beschleunigung hatte sie nur einmal überrascht.

Auf diesen Moment hatte Toni Sanders den ganzen Morgen gewartet. Sie hatten noch nicht einmal einen Bruchteil der Reise geschafft. Mit etwas Glück würden Sie nun näher an den Rand der Föderation gelangen. Die Reise ging ins Hinterland, genau in die entgegengesetzte Richtung des Beta, Gamma und Deltaquadranten.

Der Flug durch den Slipstream verlief heute wesentlich harmonischer. Es gab nur wenige Phasen, in denen es unruhig wurde. Captain Sanders hatte immer einen aufmerksamen Blick auf den Hauptschirm auf dem man sehen konnte, wie das Schiff annähernd durch eine Kanalröhre hindurchflog, während man schneller war als jedes andere Schiff mit einem konventionellen Warpantrieb. Diese Technologie war noch immer experimentell. Es gab nur wenige Schiffe, die damit ausgestattet werden sollten. Die MALINCHE war das Erste, welches in Betrieb ging und es war in der Regel so, dass diese ersten Ergebnisse der Inbetriebnahmen an das Entwicklungszentrum der Sternenflotte, das technische Corps, weitergegeben wurden. 

Während Sie den anhaltenden Flug der MALINCHE mit Slipstreamgeschwindigkeit weiter überwachte, machte sich Toni Sanders Gedanken darüber, dass Captain Hershel eine eher unorthodoxe Art hatte ihr Schiff zu führen. Es konnte eigentlich nicht sein, dass dies unbemerkt geblieben war, denn die Logbucheintragungen mussten ans Flottenquartier weitergesendet werden.

In all den Berichten war niemals auch nur eine Anmerkung zu dieser Technologie zu sehen.

Mit all den Maßnahmen, die sie nicht umgesetzt hatte, einschließlich der Behandlung der Crew war es ein Wunder, dass sie bisher unbehelligt blieb.

Das alles musste einen Grund haben, der ihr bislang verborgen geblieben war. Auch der etwas merkwürdige Anruf, den sie von ihr erhalten hatte, ergab wenig Sinn vor diesem Hintergrund.

Sie beschloss, nach Beendigung des Slipstreamfluges den Admiral aufzusuchen, um mit ihm einige Worte über dieses Thema zu wechseln.

„Captain, eine Nachricht kommt herein, ein offline Video von Admiral Carter Wellington.“, meldete sich Nichelle Rand beim Captain. „Sehr gut, legen Sie es in meinen Raum. Lieutenant Roskova, Sie haben die Brücke.“

Captain Sanders verließ den Stuhl und gelangte mit wenigen Schritten in Ihren Bereitschaftsraum. Die Videonachricht war bereits auf dem Schirm und Toni drückte die Abspieltaste.

 

„Captain, ich grüße Sie.

Ich muss mich entschuldigen, dass ich Ihnen eine Mission aufgegeben habe, über die Sie nicht sehr viel wissen. Es ist mir zuzurechnen, dass ich mich nicht vergewissert habe, dass Sie alle Details zur Verfügung haben. Hiermit möchte ich das nachholen. Sie hatten vollkommen Recht, dass Sie danach gefragt haben. Mir ist klar, dass diese Nachricht sie erst später erreichen wird, wenn Sie den Slipstreamantrieb verwenden, daher die Aufzeichnung.

Im Rahmen einer Deep Space Mission wurde mit der USS BOGOTA einem Schiff der Centaur Klasse unter Captain Nystal Roon, einem Bolianer, ein Forschungsschiff in diesen fernen Sektor entsandt, um das Terrain zu erkunden und mögliche Verbündete für die Föderation zu finden. Ähnlich wie die Voyager hatten sie Erstkontakte in diesem weit von der Föderation abgelegenen Gebiet. Sie benötigten mehr als zwei Jahre für die Rückreise, kam aber mit einer Überraschung nach Hause. Sie hatten einen Subraumsender hinterlassen und mehrere Kommunikationsrelais auf dem Rückweg ausgesetzt. So war es möglich, zumindest Nachrichten zwischen Velaros Prime und der Föderation auszutauschen. Die Zeitdifferenz betrug selbst mit Subraumgeschwindigkeit mehrere Wochen. Zudem war das Signal entsprechend schwach und konnte nur mit den größten Radioteleskopen der Erde aufgefangen werden.“ Toni Sanders stoppte die Aufzeichnung und ging an den Replikator um sich eine Erfrischung zu holen. Mit einem Glas Eistee kam sie zurück und setzte sich wieder. Sie drückte die Taste für das Fortführen der Nachricht und Admiral Wellington führte weiter aus:

„Im Laufe der Zeit festigte sich die Kommunikation zwischen der Föderation und Velaros Prime. Seit Kommunikationsbeginn war dies drei Jahre her und nun kam es zu einer Katastrophe.

Die Bewohner von Velaros Prime schilderten eine Krankheit mit ihren Symptomen, die von einem Reisenden eingeschleppt wurde. Er war mit einem Schiff unterwegs, welches noch mit Kryotechnik arbeitete und strandete im System von Velaros. Er wurde von den Velorianern gerettet und aus dem Kryoschlaf geweckt. Dies hatte sich als fataler Fehler herausgestellt. Man konnte eindeutig feststellen, dass er der Patient 0 war und damit eine Epidemie ausgelöst hatte. Anhand der Daten war schnell klar, dass es sich nur um das Anchilles Fieber handeln konnte. Eine Seuche, die schon viele Humanoide dahingerafft hatte und die in 2364 auf der Föderationswelt Styris IV verheerende Opfer forderte. Möglicherweise war er von dort gestartet in der Hoffnung der Seuche entgangen zu sein. Die Kryophase hatte seinen Zustand konserviert und nach dem Auftauen konnte sich das Anchilles Fieber in seinem Körper ausbreiten.

Die Föderation hat ein Gegenmittel, welches Sie vom Planeten Ligon II beziehen konnte und legte sich einen großen Vorrat an, um schnell handeln zu können.

Ein großer Anteil dieses Gegenmittels lagert nun im Bauch Ihres Schiffes und es ist wichtig, dass es so schnell wie möglich an sein Ziel kommt. Nur wenige Personen kennen diese Informationen. Ich hoffe, dass Ihnen die Brisanz dieser Situation bewusst ist. Neben der Forschung ist humanitäre Hilfe eine der wichtigsten Aufgaben, die sich die Föderation auf die Fahne geschrieben hat. Ich hoffe, Sie können das Gegenmittel liefern, bevor sich die Seuche zu weit ausbreitet. Ich wünsche gutes Gelingen. Carter Wellington, Ende“

Captain Sanders überlegte, ob sie den Chefingenieur damit konfrontieren sollte, damit seine Anstrengungen noch schneller vorangingen.

 

*  *  *

 

Es war genau zehn Uhr Morgens, nach militärischer Zeit 1000 und Commander Rodgers betrat das Hangardeck um wie angekündigt seine wiederholte Überprüfung durchzuführen. Lieutenant Batona Randar saß in seinem Stuhl und las auf einem Padd, welches eindeutig keine dienstliche Information enthielt. Der Hangar sah genau so aus, wie er ihn am Morgen vorgefunden hatte. Der Lieutenant hatte es wohl nicht für so wichtig erachtet, obwohl ihn der erste Offizier darauf hingewiesen hatte.

„Wie ich sehe, lassen Sie es weiter an der nötigen Haltung fehlen, ihre Aufgaben fristgerecht und ordentlich zu erfüllen. Es bleibt mir daher keine Wahl als diese Verfehlung dem Captain zu melden. Ich bin sicher, sie wird es sich nicht nehmen lassen Ihre Nachlässigkeit selbst zu bewerten. Stellen Sie sich darauf ein, dass der Captain Sie zu sich rufen wird. Alles, was dann passiert liegt nicht in meiner Hand. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Dienst Lieutenant Batona.“ Damit verließ er den Hangar wieder und machte sich auf zur Brücke.

 

Captain Sanders hatte gerade erst die Nachricht von Admiral Wellington verdaut und war wieder auf die Brücke getreten, als der erste Offizier aus dem Turbolift trat. „Captain, kann ich Sie bitte in einer dringlichen Sache kurz sprechen“, sprach er sie an. Der Captain nickte und wies wieder auf den Bereitschaftsraum, in den sie eintraten.

Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, kam der erste Offizier direkt zur Sache.

„Captain, ich habe Ihren Rat befolgt und will mir den abendlichen Rundgang zur Gewohnheit machen. Dabei ist leider Lieutenant Batona Randar unangenehm aufgefallen. Er hat einen nachlässigen und schlampig verfassten Bericht abgegeben und schon kurz nach der Reinigung der Deltaschicht sah der Hangar wieder unzumutbar aus. Da er auf meine Intervention und Nacharbeitsforderung nicht reagiert hat empfehle ich ein Gespräch mit Ihm, damit ihm bewusstwird, dass es unter Ihrem Kommando anders läuft.“ Toni Sanders lächelte, „aber warum denn ein Gespräch mit mir. Sie haben ihm doch genau das bereits gesagt, was ich nur wiederholen kann. Wir machen das ganz anders. Lassen Sie den Fähnrich von der Deltaschicht hierherkommen, der sich um den Hangar sofort gekümmert hat. Informieren Sie auch Lieutenant Batona, er möge sich bei mir melden. Wir werden das schnell und elegant lösen.“, erklärte sie dem ersten Offizier. Nyle Rodgers tippte an seinen Kommunikator, „Ensign Watanabe, kommen Sie bitte in den Bereitschaftsraum des Captains. Rodgers, Ende.“ Mit einem prüfenden Blick musterte er den Captain der am Schreibtisch stand und ihn erwartungsvoll ansah. Wieder tippte er auf seinen Kommunikator. „Lieutenant Batona, der Captain erwartet Sie im Bereitschaftsraum, bitte kommen Sie unverzüglich auf Deck eins. Rodgers, Ende.“

Keine zwei Minuten später ertönte das Türsignal und Captain Sanders rief „Herein“.

Lieutenant Batona und Ensign Watanabe traten ein und nahmen Haltung an.

Captain Sanders stand noch immer vor ihrem Schreibtisch und hielt ihre Hände hinter dem Rücken zusammen.

„Meine Herren, wie Ihnen sicher schon bewusst geworden ist, leite ich das Schiff nach einem anderen Credo, wie es Captain Hershel möglicherweise getan hat. Für mich zählt Leistung, Einsatzbereitschaft, Zuverlässigkeit, Kreativität und das Wissen um die alltäglichen Aufgaben, die auszuführen sind. Dafür biete ich jedem der diese Weisungen einhält meine Zusage, alles zu tun, damit Sie auf diesem Schiff und mit Ihrer Tätigkeit zufrieden sein können, auch wenn Sie wie jetzt fern der Heimat sind.

Ich habe mir erlaubt die einzelnen Stationen zu besuchen und mir ist im Hangar aufgefallen, dass diese Punkte scheinbar nicht eingehalten wurden. Fähnrich Watanabe hat auf mein Feedback hin sofort damit begonnen, diesen Fehler zu korrigieren. Ich musste jedoch durch den ersten Offizier erfahren, dass die Nachlässigkeit im Hangar nach nur einem Schichtwechsel wieder Einzug gehalten hat. Dies kann und will ich nicht akzeptieren und ich erachte es als an der Zeit die hierfür notwendigen korrigierenden Maßnahmen einzuleiten.“ Toni Sanders drehte sich um und entnahm aus einer kleinen Schachtel einen einzelnen Pin. Sie kam damit auf den Fähnrich zu, „Fähnrich Akio Watanabe, hiermit befördere ich Sie zum Lieutenant Junior Grade, mit allen Rechten und Pflichten und ernenne sie hiermit zum Hangar Chief. Sie sind ab sofort weisungsbefugt.“ Der Fähnrich wusste nicht so recht wie ihm geschieht, denn er war bereits seit Indienststellung auf dem Schiff, aber nach einem Jahr, als Captain Hershel an Bord kam war die reguläre Beförderung ausgeblieben, das hatte sich in all der Zeit nicht geändert.

Nun trat Captain Sanders zu Lieutenant Batona. „Lieutenant, Sie haben es an der notwendigen Ernsthaftigkeit, an Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit mangeln lassen. Der erste Offizier hat mir Ihre aktuellen Leistungen vorgelegt, die ich nicht gutheißen kann. Damit im Hangar kein Disput über die Zuständigkeit entsteht, degradiere ich Sie zum Ensign für die Dauer dieses Auftrags.

Ich empfehle Ihnen Ihre Einstellung zu ändern, wenn Sie ihren bisherigen Rang wiedererhalten möchten und bin gerne bereit bei entsprechender Leistung Ihre Wiedereinsetzung zu bewilligen.

Als ihr Captain darf ich hoffen, dass dies die einzige Situation dieser Art war, bei der ich korrigierend eingreifen musste. Sie können wegtreten. Lieutenant Watanabe melden Sie sich nachher beim ersten Offizier, Sie werden in die Alpha Schicht versetzt.“

Die beiden Offiziere verließen den Raum und gingen wieder auf ihre Stationen. Nyle Rodgers schaute ihnen nach, bis sich die Türen geschlossen hatten.

„Finden Sie nicht, dass es etwas hart war, in Bezug auf Fähnrich Batona?“, fragte er den Captain.

„Nummer eins, ich weiß es hätte vielleicht auch eine Verwarnung oder eine Rüge getan. Unter uns, das werde ich vorerst nicht in den Akten erwähnen. Aber was mir missfallen hat, war die Antwort die er Ihnen als vorgesetztem Offizier gegeben hat. Das kann ich so nicht akzeptieren. Ein Offizier muss sich jederzeit unfehlbar verhalten und ein gutes und positives Beispiel geben, vor allem, wenn er als Führungsperson für andere fungiert. Das habe ich in seiner Einstellung nicht wiedererkannt.“

Der erste Offizier nickte, „Das kann ich verstehen. Bedauerlicherweise habe ich damit wenig Erfahrungen auf diesem Schiff sammeln können, da Captain Hershel in dieser Beziehung eine eher gleichgültige Haltung an den Tag gelegt hat. Ich gehe aber wie Sie davon aus, dass dieses Beispiel einen Lerneffekt haben wird, der dazu führt, dass sich solche Sachen nicht wiederholen.

Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gerne darum kümmern jemanden für die Umgestaltung der Messe zu finden.“

Toni Sanders umrundete den Schreibtisch und setzte sich in ihren Stuhl. „Tun Sie das, ich möchte wirklich, dass sich die Crew auf diesem Schiff wohl fühlen kann. Es ist mir egal ob wir kurze oder längere Aufträge haben. Aber man muss sich hier zuhause fühlen können. Das betrifft alle die hier dienen, ausnahmslos.“, erklärte der Captain.

 

*  *  *

 

Der erste Offizier hatte den Bereitschaftsraum verlassen und begab sich in den Besprechungsraum auf der anderen Seite der Brücke.

„Computer, liste alle Personen auf die Kenntnisse in Design, Inneneinrichtung oder Architektur aufweisen“, gab er dem Rechner die Anweisung, was mit einem Quittungston bestätigt wurde. Nyle Rodgers setzte sich an den großen Tisch und sah auf den Bildschirm, der sich mit einigen Namen füllte. Der erste Offizier prüfte die Angaben. Einige Personen konnte er gleich wieder streichen, die nur hobbymäßig dieser Passion nachgingen. Allerdings wollte er bei dieser wichtigen Sache eine professionellere Sichtweise in Betracht ziehen.

Nach kurzer Zeit hatte er die Entscheidung auf drei Kandidaten eingeschränkt.

Ein vielversprechender Offizier war Lewis Almaond. Er hatte drei Semester Raumschiffdesign und Architektur studiert, diesen Weg aber zugunsten einer Technikerkarriere abgebrochen. Dennoch sah er für den ersten Offizier am geeignetsten aus.

„Commander Rogers für Lieutenant Almond!“, sagte er, nachdem er seinen Insignienkommunikator angetippt hatte.

„Almond hier, Commander“, war die Antwort. „Können Sie bitte in den Besprechungsraum auf der Brücke kommen, ich möchte eine spezielle Aufgabe mit Ihnen besprechen.“, erwiderte der erste Offizier und erhielt umgehend eine Bestätigung.

Schon nach kurzer Zeit betrat Lewis Almond den Besprechungsraum und sah den ersten Offizier fragend an. „Wie kann ich helfen Commander?“, fragte er.

„Ich hoffe das Sie es können Lieutenant. Nehmen Sie Platz, ich erkläre es Ihnen.“

Lewis Almond stammte von der Erde, er war schlank, ungefähr 175 cm groß, hatte dunkelrote Haare und sein Gesicht war übersäht von Sommersprossen. Das alles erinnerte Nyle Rodgers an Personen, die aus dem damaligen Irland kamen. Sie hatten oft ähnliche Pigmentstörungen.

 

„Lieutenant, der Captain und ich haben kürzlich einen Rundgang durchs Schiff unternommen und sind dabei auch auf die Messe der Mannschaftsmitglieder gestoßen, die wie man so sagt, wenig wohnlich erscheint. Sie hat mich gebeten dies zu ändern. Ich bin daher auf der Suche nach jemandem, der sich mit Innendesign auskennt, ein paar kreative Ideen hat und der diesen Ort in eine behaglichere Atmosphäre verwandeln kann. Können Sie sich vorstellen, was man daraus machen kann?“ Zur Visualisierung blendete er auf dem Monitor einige Bilder ein, die zugegebenermaßen recht trostlos erschienen.

„Typisches Raumschiffdesign, nur das Nötigste und auf Funktion ausgelegt, keine Extras.

Wohnlichkeit ist Luxus, den man einsparen kann. Dieses Credo hat damals dazu geführt, dass ich mich von diesem Berufsbild abgewendet habe, obwohl meine Leidenschaft daran hängt. Mit ein wenig gutem Willen kann man aus jedem Raum etwas Besseres erschaffen. Ich bin sicher, dass mir dazu einiges einfällt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass dies Raum fordert, das heißt nicht alle Sitzplätze werden erhalten bleiben. Darf ich fragen, wie groß der Anteil der Mannschaft ist, die diesen Raum nutzen sollen?“ Auf diese Frage war der erste Offizier nicht vorbereitet, allerdings hatte er schnell eine entsprechende Antwort parat. „Die Crew besteht aus 230 Personen bei 71 davon handelt es sich um Offiziere, die das Privileg haben, die Offiziersmesse besuchen zu dürfen, der Rest würde diese Möglichkeit nutzen.“ Lewis Almond zeigte ein überraschtes Gesicht. „Das ist sehr viel für diesen kleinen Raum. Bevor wir beginnen, würde ich gerne eine ganzheitliche Betrachtung dieser Situation vornehmen. Gibt es weitere Räume, die als Ausweichgelegenheit dienen könnten?“ Nyle Rogers überlegte einen Moment. „Ich glaube kaum. Wie Sie wissen, ist der Platz auf dem Raumschiff begrenzt und die Ressourcen müssen optimal genutzt werden. Ich lasse Ihnen einen Plan zukommen, in dem Sie alle Räume und deren Belegung erkennen können. Wir müssen aber auch noch darüber sprechen, wie wir Sie für diese Aufgabe von Ihren üblichen Pflichten freistellen können.“

 

A A A

 

Captain Sanders hatte sich das Kommando eines Raumschiffes nicht so arbeitsintensiv vorgestellt. Sie kannte die Aufgaben von Ihrer Zeit als erster Offizier und war der Ansicht, dass der Captain zwar das Steuer in der Hand hatte, um zu bestimmen, wohin die Fahrt geht. Doch, dass es eine so ausufernde Wirkung hätte, das war ihr nicht in den Sinn gekommen.

Sie bestellte sich am Nahrungsreplikator einen großen Latte Macchiato und setzte sich im Bereitschaftsraum hinter den Schreibtisch. Der Blick aus dem Fenster zeigte den Subraumtunnel, durch den die MALINCHE mit Slipstreamgeschwindigkeit navigierte. Eben noch hatte sie dem ersten Offizier gesagt, dass sich hier jeder zuhause fühlen sollte. Ihr fiel wieder das Gespräch mit den zwei Crewman ein, die sich über die Quartiere unterhalten hatten. Zuerst suchte sie in den Crewakten nach dem Namen Tora und wurde schnell fündig. Auch die Unterbringung war dort vermerkt.

Jetzt war es relativ einfach. Der Schiffsplan verriet ihr, auf welchem Deck sie ihr Quartier hatte. Zu Ihrer Überraschung stellte sie fest, dass es sich um ein Gemeinschaftsquartier mit acht Personen handelte. Eigentlich besaß die Intrepid Klasse keine Sammelquartiere, aber durch die gestiegene Zahl der Besatzung, die wohl auf den Slipstreamantrieb zurückzuführen war, hatte man einfach vierzehn Räume in derartige Quartiere verwandelt, um auf die gestiegene Anzahl der Crew zu reagieren. Für Captain Sanders wieder einmal ein Zeichen dafür, dass sich Personen, die diese Änderungen umsetzten, gar nicht über die Umstände einer langen Reise fern der Heimat im klaren waren. Für diese unteren Ränge gab es nahezu keine Privatsphäre und keinen Respekt für die Entbehrungen, mit denen man klarkommen musste.

Möglicherweise war man aber auch von einer anderen Aufgabenstellung ausgegangen. Ein funktionierender Slipstreamantrieb machte auch eine schnelle Eingreiftruppe möglich und vielleicht waren diese Quartiere ursprünglich für die Unterbringung von Marins ausgelegt, die oft nur kurze Missionen begleiteten. Für Captain Sanders stand es daher außer Frage, dass sich hier umgehend etwas ändern musste. Im Schiffsplan waren angrenzend an den Quartieren auch kleine Räume für das Verstauen von Gütern vorgesehen, die in der Realität so gut wie nicht genutzt wurden. Wenn man diese Kapazität mitverwenden würde, dann ergäbe sich deutlich mehr Platz.

Dennoch war das, was sie dort sah aus ihrer Sicht suboptimal. Ein Gemeinschaftsschlafraum, Gemeinschaftsduschen, Gemeinschaftstoiletten und selbst Arbeitsvorbereitungen alles in einem Quartier. Das musste sie selbst im Rahmen Ihrer Ausbildung nicht tolerieren.

Plötzlich kam ihr eine Idee. Ihr Vater hatte sie einmal auf einen einwöchigen Trip in die unberührte Natur der Wälder des ehemaligen nordamerikanischen Kontinents mitgenommen. Da es im Hinterland keine Hotels gab, hatte er eine fahrbare Unterkunft gechartert. Sie war nicht groß, maximal zweieinhalb Mal fünf Meter. Aber es war ein eigener Bereich. Schnell skizzierte sie ein Bild aus ihrer Erinnerung. Auf einige Sachen, die man in der Wildnis brauchte, wie eine Küche, konnte man auf dem Raumschiff verzichten, aber das Wesentliche konnte man bestimmt unterbringen. Der Platz reichte aus, um das umzusetzen, was sie sich vorstellte.

Sofort tippte sie ihren Kommunikator an und rief den ersten Offizier, der umgehend auf Ihren Ruf reagierte. „Hier Rodgers Captain, ich sitze gerade mit Lewis Almond zusammen im Konferenzraum, um die Modifizierung der Mannschaftsmesse zu besprechen.“

Toni Sanders horchte auf, das war eine gute Gelegenheit. „Ich bin sofort bei Ihnen“, sagte sie und setzte sich in Bewegung. Schnell war sie über die Brücke in den gegenüber liegenden Besprechungsraum geeilt.

Captain Sanders hatte alle Informationen zusammengetragen. Sie setzte sich neben den ersten Offizier und hielt dies auf einem Padd notiert Commander Rodgers entgegen. „Haben Sie davon gewusst?“, wollte sie wissen.

„Der Aufbau des Schiffes ist mir in dieser Hinsicht bekannt Captain. Ich hatte jedoch nicht erwartet, dass dies ein Problem mit Priorität darstellt“, was ihm einen strafenden Blick des Captains einbrachte. „Vielleicht sollte ich Sie einmal in eine solche Sammelunterkunft stecken, vielleicht ändern Sie Ihre Meinung dann ja möglicherweise.“ Der erste Offizier wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte das Schiff weder entworfen noch gebaut.

„Ich möchte, dass das umgehend geändert wird. So wie ich das den Schiffsplänen entnehme sind vier der Räume derzeit noch unbelegt. Sehen Sie sich meine Zeichnung an. Ich möchte, dass sie dies so umsetzen, wie ich es als Modulbauweise skizziert habe. Lassen Sie sofort jemanden damit beginnen, aber vermeiden Sie es die unteren Dienstgrade einzusetzen. Ich möchte nicht, dass es so schnell die Runde macht, wie die Umgestaltung der Crewmesse. Wie lange schätzen Sie für die Umsetzung?“

„Aye Sir, für die Replikation der Großteile benötige ich noch ihre Einwilligung. Sie wird einen entsprechenden Anteil an unserer Rohmaterie benötigen. Was die Dauer anbetrifft, schätze ich drei Tage pro Modul. Was würden Sie sagen Mister Almond?“

Der Offizier nahm das Padd von Commander Rodgers entgegen und tippte durch die Angaben.

„Das sollte gehen. Die Grundidee ist ja nicht neu, so etwas ähnliches haben wir auch für längere Außenmissionen auf Planeten. Das lässt sich sicherlich anpassen. Ich würde Ihnen zustimmen Drei Tage sollten für die Herstellung eines Musters ausreichen, vorausgesetzt die Pläne sind detailgenau fertig gestellt.“

Captain Sanders nickte zufrieden. „Informieren Sie mich, wenn Sie fertig sind, ich möchte das sehen, wenn es bezugsfertig ist. Danke.“ Der erste Offizier nickte und Captain Sanders eilte nun auf die Brücke. Bald sollte der Slipstreamantrieb abgeschaltet werden und dann war es besser, wenn sie in ihrem zentralen Stuhl saß.

 

Der Captain sah auf die Uhr, die Zeit im Slipstream betrug nun eine Stunde zehn Minuten und siebenundvierzig Sekunden. Plötzlich änderte sich der Anblick, der Tunnel löste sich auf und die Sterne kamen wieder zum Vorschein. Der Chefingenieur meldete sich auf der Brücke.

„Captain, der zweite Flug konnte ohne Probleme beendet werden, wir konnten sogar noch einige Minuten mehr rauskitzeln, wie Sie gesehen haben. Allerdings war der erste Ansatz für ein Wechselsystem noch nicht optimal, so dass wir gezwungen sind dies neu zu überdenken. Sobald es einsatzbereit ist, werden wir es verwenden.“

Toni Sanders stand auf und zog ihre Uniform zurecht. „In Ordnung Chief, geben Sie Bescheid, wenn wir den Warpantrieb wieder hochfahren können. Brücke Ende.“

Sie drehte sich um und sah Lieutenant Sonal an, „Lieutenant, bitte speichern Sie die Daten ab und senden mir je eine Kopie des ersten und zweiten Kennfelds, sowie die Angaben zur Überwachung und den Endstand, einschließlich der Abnutzungsrate der Kristalle. Ich möchte die Daten vergleichen.“

Mit diesem Datenbestand würde sie sich heute Abend in aller Ruhe beschäftigen. Sie war gespannt, ob ihr daran etwas auffiel, was die ganze Situation verbessern konnte. Sie hatte ein scharfes Auge und ihr entgingen selbst die kleinsten Unregelmäßigkeiten nicht. In diesen Daten musste einfach das Potenzial zur Verbesserung stecken.

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