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Starship Vengeance - Hinter feindlichen Linien

von Thilo

Geheimhaltung

Im Jahr 2374

 

Nach ihrer Ankunft auf der alten Starbase 1, die im Orbit vom Jupiter im Sol-System lag, sah Lieutenant Commander Hel sich im Foyer um. Sie war zusammen mit anderen überwiegend sehr jungen oder sehr alten Starfleet-Mitgliedern hierher befohlen worden, damit sie die neu zusammengestellten Schlachtflotten besetzen würden.

Der Krieg gegen das Dominion tobte jetzt seit einem Jahr ohne eine Entscheidung. Starfleet rüstete mit Höchstgeschwindigkeit auf, um die erlittenen schweren Verluste zu ersetzen. Während die Werften mit Rekordgeschwindigkeit neue moderne Kriegsschiffe bauten, wurden gleichzeitig aus den Depots der Reserveflotte ältere Sternenschiffe hervorgeholt und wieder einsatzfähig gemacht. Hel und die anderen hier anwesenden Offiziere und Mannschaftsgrade würden diesen älteren Einheiten zugeteilt werden. Durch die Fenster des Foyers konnte sie an den Andockringen der Sternenbasis neben Kreuzern der Excelsior- und Miranda-Klassen auch eine einzelne Constitution sehen. Sie wusste zwar, dass sie trotz ihrer diesbezüglichen Unerfahrenheit als Erster Offizier eingesetzt werden würde, aber sie war bislang weder über das Schiff noch über ihren Captain informiert worden, was ungewöhnlich war. Sie hatte im Foyer mit einigen anderen Offizieren gesprochen, die sämtlich diese Informationen erhalten hatten.

Sie wurde aus ihren Gedanken durch eine Begrüßung in der vulkanischen Hochsprache gerissen. „Leben Sie lange und in Frieden“, begrüßte sie ein sehr jung aussehender Vulkanier, die rechte Hand zum Gruß erhoben.

Sie erwiderte die Begrüßung in ihrem besten Vulkanisch. „Leben Sie lange und in Frieden!“

Der Vulkanier hob sichtbar überrascht über ihre schlechte Aussprache eine Augenbraue, setzte aber ruhig und höflich die Vorstellung als Jüngerer fort: „Ich bin Soltak, Sohn von Surrek und T’Less.“

„Ich bin Hel vom Clan der Schwarzen Pferde“, erwiderte sie vorsichtig.

Die Augenbraue senkte sich verstehend. „Ich hatte Sie für eine Vulkanierin gehalten. Ich bitte für meine anmaßende Vermutung um Entschuldigung, Commander Hel.“

Hel grinste jetzt nervös. „Sie sind nicht der Erste, Soltak. Ich nehme es nicht übel.“

„Ich gehe dann davon aus, dass Sie mir keine Hilfestellung geben können, wie man sich als Vulkanier in einer rein menschlichen Besatzung verhält?“

„Nur aus der Sicht einer Marikanerin. Aber ich fürchte, dass wir vom Verhalten und Charakter Menschen ähnlicher sind als Vulkaniern.“

Soltak nickte, während er sich umsah. „Und doch sind Sie jetzt für mich zumindest äußerlich die einzige mir vertraut wirkende Person. Menschen und andere Wesen erscheinen mir sehr fremdartig.“

„Sie sollten doch an der Akademie Erfahrungen mit Nicht-Vulkaniern gemacht haben?“

Er schüttelte den Kopf. „Meine Ausbildung fand an der vulkanischen Akademie in ShiKhar statt. Ich habe vor zwei Tagen zum ersten Mal in meinem Leben Vulkan verlassen.“

Hel lächelte mitfühlend. „Ich weiß nicht, ob es Ihnen weiterhelfen wird. Mir ist es genau umgekehrt ergangen. Ich war ein Jahr lang Teil eines sonst rein vulkanischen Forschungsteams. Anfangs hatte ich versucht, mich an meine Kollegen anzupassen, aber dann habe ich mich einfach verhalten, wie es meinem eigenen Charakter entspricht, und es hat funktioniert. Seien Sie Sie selbst!“

Soltak schien sich für vulkanische Verhältnisse zu entspannen. „Ich danke Ihnen, Commander Hel. Ich habe über menschliches Verhalten gelesen, und es kommt mir alles sehr unlogisch vor. Ihr Vorschlag erscheint mir als adäquater Lösungsansatz.“

Sie lauschten der Durchsage, in der neben anderen Namen auch Soltak aufgerufen wurde.

Er hob zum Abschied die Hand zum vulkanischen Gruß und wandte sich zum Gehen.

„Viel Glück, Soltak“, wünschte sie ihm leise.

Er zögerte kurz, dann nickte er dankbar, bevor er in der Menge verschwand.

Jetzt wurde auch Hel zusammen mit anderen ihr unbekannten Namen aufgerufen und zum Fährenterminal 3 beordert.

Sie hängte sich ihre Reisetasche über die Schulter und verließ ebenfalls das Foyer.

 

Hel erreichte das Fährenterminal 3, in dem bereit zahlreiche Personen warteten. Sie erkannte neben Menschen und wolfsartigen Frikkanern außerdem einige Ani. Angesichts der Tatsache, dass das Dominion von xenophobischen Formwandlern regiert wurde, war sie nicht besonders angetan darüber, dass die Ani, die ebenfalls zur Gestaltwandlung fähig waren, möglicherweise auf dem gleichen Schiff wie sie sein würden.

Ein älterer menschlicher Mann mit einem ergrauten Spitzbart und ebenso grauem Haarkranz erblickte Hel. „Großartig, außer einem Haufen Chamäleons haben wir anscheinend noch einen spitzohrigen Computer dabei.“

Mehrere der drachenartigen, allesamt weiblich aussehenden Ani drehten sich entrüstet zu ihm um.

Hel musterte den Mann erbost. „Haben Sie ein Problem damit? Und möglicherweise bin ich als Erster Offizier Ihre zukünftige Vorgesetzte.“

„Nur insofern, dass mir nicht vorher mitgeteilt wurde, dass ich meine Kenntnisse in vulkanischer Anatomie auffrischen muss“, erwiderte der Mann griesgrämig.

Hel grinste, was ihr nicht nur von ihrem Gesprächspartner einen überraschten Blick einbrachte. „Nein, soweit ich sehe, ist nicht ein Vulkanier hier anwesend. Dann vermute ich, dass Sie Arzt sind? Haben Sie Ihre Bettmanieren vom medizinischen Notfallhologramm übernommen?“

Er erholte sich von seiner Überraschung. „Noch ein Chamäleon? Das wird hier langsam unübersichtlich! Und ja, ich bin als leitender Medizinischer Offizier vorgesehen, auf welchem Schiff auch immer. Manfred Hoffmann, zu Ihren Diensten … glaube ich zumindest.“ Mit einem koboldhaften Grinsen fügte er hinzu. „Das EMH habe ich bisher noch nie verwendet, und wenn ich mir die ganzen hologrammblinden Ani besehe, werde ich es wohl kaum als meine Vertretung nutzen können.“

„Hel vom Clan der Schwarzen Pferde“, erwiderte sie immer noch grinsend. „Und nein, ich bin weder Vulkanierin noch Ani. Ich bin Marikanerin.“

„Also doch Vulkanierin, nur als Partytier, statt als Computer!“

Hel zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

Hoffmann grinste jetzt breit. „Habe ich es nicht gesagt!“, verkündete er triumphierend, während er auf Hels Gesicht zeigte.

Hel musste jetzt lachen. „Sind Sie immer so unmöglich?“

Eine junge Ani mit hochgesteckten lackschwarzen Haaren, die neben sie getreten war, mischte sich jetzt ebenfalls mit einem angespannten Lächeln ein. „Zumindest ist er die ganze Zeit so unmöglich, seit er hier angekommen ist. Und ja, außer über die Ani und die Frikka-Wölfe hat er ebenfalls über die anderen Menschen hergezogen und gelästert. Freier Himmel, ich bin Aki Se-nari-Ke, Taktik. Wenn Sie unsere neue Erste Offizierin sind, können Sie uns sagen, wo wir hinkommen und wer unsere Kommandantin ist?“

„Wenn Sie ohne Vorwarnung nach drei Monaten wohl verdientem Ruhestand wieder in den aktiven Dienst eingezogen werden, würden Sie ebenfalls unmöglich sein“, verteidigte sich Hoffmann. „Und mich würde ebenfalls interessieren, warum wir hier im Unwissen gelassen werden.“

„Ich weiß es selbst nicht“, gab Hel zu.

„Captain im Terminal“, rief jemand vom Eingangsbereich aus.

Alle drehten sich zum Eingang und nahmen Haltung an. Hel erkannte den Captain als eine hochgewachsene, anscheinend schon recht alte Ani, die eine Reisetasche trug. Neben ihr stand ein junger menschlicher Lieutenant, dem es ganz offensichtlich nicht recht war, dass sie ihr Gepäck selbst trug.

Hel unterdrückte ihren Unmut. Also war ihr Kommandant auch ein Chamäleon. Aber zumindest schien sie wie Hoffmann ebenfalls aus dem Ruhestand geholt worden zu sein, und sollte dementsprechend hoffentlich die entsprechende Erfahrung haben.

„Bitte rühren. Wir sind nicht auf dem Exerzierplatz“, sagte die große Ani, die wiederum die anwesenden Besatzungsmitglieder musterte.

Hel hatte das Gefühl, dass der Blick der Ani für einen Herzschlag länger auf ihr selbst ruhte.

Die Anwesenden entspannten sich.

„Ineiau“, hörte Hel neben sich jemand sagen. Es klang fast nach einem Stoßseufzer. Sie sah sich kurz in die Richtung der Sprecherin um und erkannte, dass es sich um eine eisgraue Frikka-Wölfin in der Uniformtunika der Sicherheit handelte.

Hel atmete tief durch, trat zu der Ani und stellte sich vor. „Lieutenant Commander Hel vom Clan der Schwarzen Pferde, Sir.“

Die Tribalzeichnungen der alten Ani verfärbten sich kurz rot. „Freier Himmel! Captain Ineiau Cher-kira-Ke. Dann dürften Sie also meine Erste Offizierin sein? Ich hatte bisher noch nie eine Marikanerin als solche.“

„Ich vermute es zumindest, da niemand von uns weiß, auf welches Schiff wir überhaupt kommen, Sir.“ Hel war überrascht, dass Ineiau offenbar nur anhand des Namens ihre Art erkannt hatte.

Ineiau seufzte, bevor sie antwortete: „Dann sind Sie wirklich meine Erste Offizierin! Ich werde ebenso im Dunklen gelassen wie Sie alle.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie mit einem schmalen Lächeln hinzu: „Und ich habe eine Abneigung dagegen, mit Sir angesprochen zu werden.“

Hel war irritiert. „Sie wissen es ebenfalls nicht? Was geht hier vor?“

Ineiau zuckte mit den Schultern. „Das frage ich mich schon, seitdem ich aus dem Ruhestand geholt wurde. Ich hatte eigentlich erwartet, dass ich das Kommando über ein Schiff eines mir vertrauten älteren Typs erhalten würde. Was nun wirklich kein Grund für eine Geheimhaltung wäre. Mein Eindruck ist, dass Admiral Nechayev einen unangemessenen Spaß an der ganzen Geheimnistuerei hat.“ Sie zeigte auf die wartenden großen Shuttles und den jungen Lieutenant neben ihr. „Zumindest sollten wir es bald erfahren. Diese Fähren werden uns laut Lieutenant Heise dorthin bringen.“

Hel sah sich nach der versammelten Besatzung um und versuchte, deren Anzahl abzuschätzen. Sie vermutete, dass vielleicht zweihundert Personen im Terminal warteten.

Jetzt sprach die eisgraue Frikka-Wölfin Ineiau an, während sie sich ehrfürchtig verbeugte: „Captain Ineiau, es ist mir und den anderen Wölfen eine große Ehre, unter ihrem Kommando zu stehen. Ihre legendären großartigen Verdienste sind …“

Ineiau schien für einen Moment erbost zu wirken, als sie die Wölfin unterbrach: „Ich möchte klarstellen, dass ich weder eine Legende bin, noch irgendeine Art von Heldenverehrung verdiene. Ich bin wie Sie selbst nur ein Mitglied von Starfleet.“

Die Wölfin sah zu Boden. „Ich wollte nicht unangemessen wirken.“

„Dann sehen Sie mich bitte an. Ich bin keine Heilige. Stellen Sie mich bitte nicht auf das Podest von einer“, erwiderte Ineiau freundlicher. Sie ließ ihren Blick über die Wölfe schweifen, bei denen Hel jetzt auffiel, dass sie überwiegend Sicherheitskräfte waren. „Ich bin erfreut darüber, dass Frikka inzwischen zu einem Mitglied der Föderation geworden ist, obwohl der Angang Ihrer Regierung etwas … unorthodox war. Und ich freue mich ebenso darüber, dass ich Sie als Mitglieder meiner Besatzung dabei habe.“ Sie ließ wieder ihren Blick auf der eisgrauen Wölfin ruhen. „Aber ich fürchte, dass ich Ihren Namen nicht mitbekommen habe“, stellte sie mit einem Lächeln fest.

„Lieutenant Lani aus Sazana. In meinen Befehlen steht, dass ich leitender Sicherheitsoffizier werde, aber ebenfalls ohne Angabe des eigentlichen Schiffes.“

Lieutenant Heise, der Ineiau ins Terminal begleitet hatte, versuchte nervös, ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. „Sir, wir sollten die Fähren besteigen, damit wir rechtzeitig ankommen. Admiral Nechayev wartet bereits.“

Hel konnte sehen, wie Ineiau bei der erneuten Anrede als Sir mit den Augen rollte, während sich ihre Tribalzeichnungen für einen Moment wieder rot verfärbten. „Also gut Ladys, verteilen Sie sich bitte auf die Fähren, damit Lieutenant Heise nicht wegen der Verzögerung der Kopf abgerissen wird.“ Sie lächelte ihn freundlich an. „Natürlich nur im übertragenen Sinne.“

Sie schritt mit Heise im Kielwasser zur nächsten Großfähre. Hel folgte ihr.

Als die beiden ranghöchsten Offiziere setzten sich Hel und Ineiau in die vorderste Sitzreihe direkt hinter dem Cockpit mit den beiden Piloten. Heise mühte sich damit ab, ihre Reisetaschen in die Gepäckfächer zu verstauen, bevor er sich neben sie setzte. Mit einem hörbaren Schnaufen ließ sich Doktor Hoffmann auf dem letzten Platz in der vorderen Sitzreihe fallen.

„Also, wohin fliegen wir?“, fragte Hel den jungen Lieutenant.

„Ich weiß es nicht, Sir“, erwiderte Heise und wirkte dabei von ihr eingeschüchtert, obwohl er wie alle anderen erheblich größer war als Hel.

„Aber Sie wissen es“, stellte Hoffmann an die Piloten gerichtet das Offensichtliche fest.

Die junge Ensign im Pilotensitz sah sich zu ihnen um, bevor sie zögerlich zur Bestätigung nickte. „Ja Sir, wir fliegen den Jupitermond Io an. Ich bin aber nicht darüber informiert, was dort wirklich ist.“

„Dort gibt es nichts, am allerwenigsten Sternenschiffe“, entfuhr es Hel. Dann bemerkte sie, dass sich Ineiau mit einem überraschten, nachdenklichen Gesichtsausdruck in ihren Sitz zurückgelehnt hatte.

Ineiau atmete tief durch. „Doch, dort gibt es eine geheime Einrichtung. Und ich ahne, welches unser Sternenschiff ist. Aber solange ich nicht weiß, ob sie es wirklich ist, kann und darf ich nicht darüber mit Ihnen sprechen.“

Hel hob irritiert eine Augenbraue, was ihr trotz der Umstände einen amüsierten Blick von Doktor Hoffmann einhandelte.

Die Luken wurden geschlossen, und die vier Fähren verließen die Sternenbasis. Sie passierten sämtliche Docks und geparkten Sternenschiffe, bevor sie auf Warp sprangen.

Nach einigen Minuten mit Überlichtgeschwindigkeit fielen die Shuttles dicht bei Io wieder aus dem Warp. Sie tauchten in die stürmische Atmosphäre voller Vulkanasche ein.

Hel erschauerte bei dem Anblick und fragte sich nach dem Grund, ausgerechnet hier mitten im Strahlengürtel des Jupiters irgendeine Niederlassung geschweige denn eine Militärbasis einzurichten.

Aus den Sturmwolken schälte sich eine schwarze Station heraus, deren Haupttor sich für sie öffnete.

Im Innern der Station lag ein großes Sternenschiff. Es gehörte zu keinem Typ, der Hel bekannt war, obwohl es offensichtlich schon älter war. Vom Aussehen vermutete Hel, dass es zu der gleichen Generation wie die ihm sehr ähnlich sehenden Kreuzer der modernisierten Constitution-Klasse gehörte, obwohl es deutlich größer und massiger war als jedes Schiff aus deren Zeit. Als sie sich weiter näherten, sah sie vor der Brücke einen großen Ausschnitt im hellgrau lackierten und in blau abgesetzten Diskus. Und jetzt konnte sie den Namen und die Registernummer lesen: USS Vengeance NCIA-300.

„Was ist das für ein Schiff?“, fragte sie unbewusst laut.

„Das ist die Vengeance. Sie wurde als illegales Projekt von einem unserer Geheimdienste gebaut“, antwortete Ineiau neben ihr, bevor sie Hel direkt ansah. „Sie ist ein reines Schlachtschiff und existiert offiziell nicht!“

Hel sah schockiert die Vengeance weiter an. „Ich habe noch nie von ihr gehört. Aber ihre Form sieht so … alt aus. Wie viele hat Starfleet davon?“

Ineiau lachte kurz humorlos. „Sie ist alt. Sie sollte jetzt etwas über einhundertzehn Jahre alt sein, wobei sie vor rund sechzig Jahren ihre jetzigen linearen Warpgondeln erhalten hat. Und sie ist ein Einzelschiff. Sie gehört keiner Klasse an, und es gibt dementsprechend keine Schwesterschiffe.“ Während die Fähren an den seitlichen Schleusen des Primärrumpfes der Vengeance andockten, ergänzte sie leise: „Kein Wunder, dass Admiral Nechayev so eine Geheimniskrämerei betreibt.“

Hel fragte sich während des Andockmanövers, warum ein so altes Schiff immer noch einer derartigen Geheimhaltung unterlag und Ineiau dieses als selbstverständlich hinnahm.

 

Ineiau betrat gefolgt von Hel und Doktor Hoffmann das Foyer der Schleuse des Andockringes. Eine Bootsmannpfeife ertönte, und die Ehrenwache hinter der graziösen, blonden Frau in einer rot-schwarzen Uniform stand still.

„Rebecca?“, vergewisserte sich Ineiau, was ihr von Hel einen überraschten Blick einbrachte, die sich wahrscheinlich jetzt fragte, warum sie sich bei ihrem Gegenüber nicht mit deren Namen sicher war, trotz offensichtlicher Vornamensbasis.

„Das ist korrekt, Skipper“, bestätigte die jung wirkende Frau mit ausdrucksloser Stimme.

Formell fuhr Ineiau fort: „Freier Himmel, ich bitte darum, an Bord kommen zu dürfen, Lieutenant Fisher.“

„Erlaubnis erteilt, Captain Ineiau. Willkommen zurück auf der Vengeance.“

„Danke, und es ist schön, Sie wieder dabei zuhaben, Rebecca. Ich nehme an, dass Sie bei den Startvorbereitungen mitgeholfen haben?“

„Ich habe sie beaufsichtigt, Skipper.“

Ineiau nickte nachdenklich und schritt mit Hel die Ehrenwache ab. Sie sahen alle so jung aus. Bis auf Doktor Hoffmann, Hel und ihr selbst schienen sämtliche Besatzungsmitglieder frisch von der Akademie gekommen zu sein. Obwohl Fisher ebenso jung aussah, kannte Ineiau natürlich den wahren Grund dafür.

Hinter ihr strömten jetzt die anderen Besatzungsmitglieder in das Foyer. Fisher wies kurz und knapp die Mitglieder der Ehrenwache an, die Neuankömmlinge auf dem Schlachtschiff einzuweisen und ihnen ihre Quartiere zuzuweisen.

Dann wandte sie sich wieder an Ineiau: „Admiral Nechayev erwartet Sie zusammen mit Lieutenant Commander Hel, Lieutenant Aki, Lieutenant Lani, Doktor Hoffmann und ihrem eigenen Adjutanten Lieutenant Heise in Ihrer Kabine, Skipper.“

„Meine Kabine oder die von Admiral Nechayev?“, vergewisserte sich Ineiau.

„Admiral Nechayev ist nicht an Bord einquartiert. Ich spreche von der Kabine 3-0012 für den Kommandanten dieses Schiffes, also Sie, Skipper.“ Sie wandte sich kurz an die anderen Offiziere. „Sie können Ihr Gepäck hier lassen. Ich lasse es später in ihre Quartiere bringen.“

Ineiau sah sich kurz zu den genannten Offizieren um. „Also gut, dann sollten wir uns auf den Weg machen.“

Hoffmann sah sich irritiert um. „Wenn hier alles so geheim und auf Nummer sicher ist, warum wurde bisher nach unserer Ankunft kein Bluttest gemacht, um sicherzugehen, dass niemand von uns ein Wechselbalg ist?“

Fisher deutete auf das Schleusentor hinter ihnen. „Das ist nicht nötig, Sie wurden beim Betreten mit einem hochauflösenden Bioscanner durchleuchtet.“

Hoffmann drehte sich jetzt erstaunt zu der Schleuse um. „Warum, zum Teufel, wird das dann nicht überall gemacht, bevor wir alle an Blutarmut wegen der üblichen Tests sterben?“

„Die verbaute Technik wurde noch nicht entwickelt“, antwortete Fisher ohne jede Ironie.

„Was?“

„Ein Teil der verbauten Technik in diesem Schiff stammt auch vom heutigen Standpunkt gesehen aus der Zukunft und lässt sich nicht ohne Weiteres reproduzieren.“

„Und Sie beide sprechen gerade über Dinge, welche unter die höchste Geheimhaltungsstufe fallen“, beendete Ineiau die Diskussion.

Sie nahm Heise wieder ihre Reisetasche ab, was fast zu einem Tauziehen ausuferte, weil er diese für sie tragen wollte. Dann begaben Sie sich gemeinsam zum Turbolift.

Während die Kabine zu ihrem Zielpunkt eilte, brach Aki die Stille. „Sie hatten schon vorher das Kommando über die Vengeance? Aber in den Geschichtsbüchern steht doch, dass Sie nur Shiva, Piranha und Shokaku befehligt hatten.“

„Ja, ich war schon mehrfach Kommandantin der Vengeance für Geheimaufträge. Und wenn Sie meine Akte in Ruhe überprüfen, werden Sie einige Lücken in den verzeichneten Zeitabschnitten meiner Dienstzeit finden“, antwortete Ineiau. Dann schüttelte sie kurz irritiert den Kopf. „Geschichtsbücher?“

Sie verließen den Turbolift und betraten nach ein paar Metern entlang des Korridors die Kabine 3-0012, an deren Tür bereits oder immer noch Ineiaus Name und Rang standen.

Admiral Alynna Nechayev erwartete sie im großen Wohnbereich und las dabei auf dem Terminal am Schreibtisch neben dem Fenster. Sie und ein indisch aussehender Lieutenant mit einem Turban und eindrucksvollem schwarzen Vollbart erhoben sich bei ihrer Ankunft.

Nechayev musterte kurz die angetretene Kommandocrew, während Ineiau ebenfalls kurz den jetzt neben ihr stehenden Mann mit dem Turban ansah.

„Captain Ineiau, Ladys und Gentlemen, willkommen auf der Vengeance“, begann Nechayev. „Ich möchte gleich zur Sache kommen. Sie werden sich mit diesem Sternenschiff keiner unserer Flotten anschließen, sondern hinter den feindlichen Linien unabhängig operieren. Die Existenz der Vengeance unterliegt weiterhin soweit möglich der Geheimhaltung. Mit Captain Ineiau und Lieutenant Fisher stehen uns zumindest zwei Offiziere zur Verfügung, die bereits auf der Vengeance gedient haben und deren Fähigkeiten kennen.“ Sie blickte streng der Reihe nach alle Anwesenden außer Fisher an. „Wenn jemand von Ihnen noch einen Transfer auf eine andere Position wünscht und dies ausreichend begründen kann, ist jetzt der letzte Augenblick dafür.“

Zögernd meldete sich Hel: „Sir, ich habe keine Einwände, meinen Teil zur Verteidigung der Föderation zu leisten. Aber ich habe bisher nur in der Verwaltung und als Laborleiterin gearbeitet und wurde seit meinem Akademieabschluss auf keinem Sternenschiff eingesetzt. Ich habe nicht die Erfahrung, um als Erster Offizier zu dienen.“

Nechayev blickte sie beinahe freundlich an. „Sie sind nach Captain Ineiau die ranghöchste Offizierin. Ein großer Teil der Aufgaben eines Ersten Offiziers sind Verwaltungsarbeit und Organisation. Die einzige Alternative für diese Aufgabe wäre Lieutenant Abhinav Singh, aber er wird bereits als Chefingenieur benötigt.“ Sie zeigte kurz auf den Inder neben Ineiau. „Und Sie haben mit Captain Ineiau eine erfahrene Vorgesetzte.“

Hel atmete tief durch. „Ich werde es tun, Sir.“

Nechayev sah sie kurz weiter prüfend an, bevor sie fortfuhr: „Unsere Zeit ist zu knapp, um Ihnen das übliche Einfahren mit der Vengeance zu ermöglichen. Sie werden sich also während Ihres Einsatzes einarbeiten müssen. Wenn Sie dabei auf technische Unklarheiten oder Probleme stoßen, wenden Sie sich an Captain Ineiau oder Lieutenant Fisher. Sie kennen beide die Besonderheiten dieses Schiffes.“ Sie wartete einen Moment ab, ob Fragen kommen würden, dann blickte sie Ineiau an. „Sie werden mit der Vengeance nach Deep Space 9 reisen. Captain Sisko und ich haben eine gemeinsame Operation zusammen mit der Defiant geplant. Eigentlich bräuchten wir dafür außer der Defiant ein zweites Kampfschiff mit einer vollwertigen Tarnvorrichtung, welches wir jedoch nicht haben. Die Stealthsuite der Vengeance kommt dem jedoch hoffentlich nahe genug. Nach Abschluss dieser Mission werden sie sich auf Deep Space 9 versorgen und dann in dem Wilden Raum die Infrastruktur und Logistik im Hinterland des Dominions angreifen. Ihre dortigen Ziele und Informationen sind bereits im Computer hinterlegt. Weitere aktualisierte Instruktionen und Kontakte erhalten Sie von Admiral Jellico, meinem Stellvertreter, nach Abschluss der ersten Operation.“

„Der Wilde Raum liegt außerhalb der Reichweite des Subraumfunks zur nächsten Sternenbasis“, stellte Fisher diese Tatsache ruhig fest.

Nechayev warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Das ist richtig. Sie sind dort auf sich selbst gestellt. Wir werden warpfähige Nachrichtentorpedos zur Kommunikation verwenden.“ Sie sah wieder Ineiau an. „Sie werden morgen früh um 08:00 TEZ von Io Station aufbrechen. Nutzen Sie die Zeit. Ich werde Sie nicht länger bei Ihren Vorbereitungen stören. Ich wünsche Ihnen Erfolg und Glück! Kommen Sie sicher wieder zurück!“

Ohne ein weiteres Wort verließ Nechayev gefolgt von Lieutenant Heise die Kabine.

„Charmant“, kommentierte Doktor Hoffmann.

„Ja, sie erinnert mich teilweise an eine ehemalige Vorgesetzte“, erwiderte Ineiau nachdenklich. Sie sah jetzt ihren Chefingenieur an. „Gibt es für die Kopfbedeckung einen kulturellen oder religiösen Grund?“

„Turban“, berichtigte Hoffmann sie.

„Lieutenant Abhinav Singh ist ein Sikh aus Nordindien. Männliche religiöse Sikhs kann man an ihrem kunstvoll gebundenen Turban erkennen. Diese Kopfbedeckung, der Bart und die nicht geschnittenen Haare entsprechen den Traditionen, die auf die Gurus zurückgehen, und sind dabei …“, begann Fisher zu erklären.

„Zu viel Information, Rebecca! Ich benötige nicht den kompletten Memory-Alpha-Artikel darüber. Eine kurze Erklärung hätte gereicht“, unterbrach Ineiau sie nicht unfreundlich mit einer erhobenen Hand.

Hoffmann und Hel sahen jetzt zunehmend interessiert Fisher an.

„Keine spitzen Ohren“, stellte Hoffmann beinahe enttäuscht fest.

„Und Admiral Nechayev schien etwas gegen Sie zu haben“, ergänzte Hel neugierig.

Ineiau seufzte, ignorierte die Einwürfe und wandte sich wieder Abhinav Singh zu: „Sie und ihr Ingenieurteam sind schon länger an Bord?“

„Seit drei Wochen für die Reaktivierung der Vengeance, Madam.“

„Bitte vergessen Sie die Anrede Sir oder Madam bei mir wieder. Ich wäre dankbar, wenn Sie und Ihre Leute dann mich und Rebecca bei der Einweisung der restlichen Besatzung unterstützen würden.“

„Selbstverständlich, Madam … Captain.“

„Und die Anrede Captain bitte ebenfalls vergessen. Ineiau ist dafür völlig ausreichend.“

„Alternativ akzeptiert Captain Ineiau die Anrede Skipper“, warf Fisher hilfsbereit ein.

„Wie ist der Status des Schiffes?“, fragte Ineiau und ignorierte abermals den Einwurf.

„Alle Systeme arbeiten optimal. Die Computersysteme sind auf den neuesten Stand gebracht.“ Er zögerte kurz. „Das heißt, sie waren es schon. Tatsächlich scheint das Betriebssystem auf einem neueren Stand zu sein als die Computer von den anderen Schiffen in Starfleet.“

„Der aktuelle OS-Stand von Starfleet ist V137.008. Die Vengeance ist auf Stand V149.010“, ergänzte Fisher.

„Das sollte eigentlich nicht möglich sein!“, entfuhr es Hel.

„Es ist streng geheim, aber beim Bau dieses Schiffes wurde auch aus heutiger Sicht Technik aus der Zukunft verwendet. Wie weit die Abteilung für Temporäre Ermittlungen darin verwickelt war oder ist, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Existenz der Vengeance immer noch geheimgehalten wird.“ Ineiau bedeutete den anderen, sich in die schwarzen Sessel zu setzen, während sie zur Getränkebar ging und begann, mehrere Becher vorzubereiten. Sie stellte zufrieden fest, dass sich offenbar jemand um die vollständige Ausstattung der Bar gekümmert hatte. Sie ging davon aus, dass es Fisher gewesen war, die mit Ineiaus Angewohnheiten und Wünschen vertraut war. „Trinkt jemand keinen Kaffee?“

Singh und Lani hoben beide eine Hand.

„Möchten Sie Snoopatee, Lani?“

„Ja bitte, aber wirklich nur, wenn es keine Umstände bereitet, ansonsten würde …“, begann Lani sichtbar nervös. Sie brach angesichts von Ineiaus drohend erhobenen Zeigefinger ab.

„Es bereitet keine Umstände. Abhinav?“

„Grüner Tee bitte, falls welcher da ist.“

„Es ist welcher da. Bitte fahren Sie mit Ihrem Bericht fort.“

Fisher assistierte Ineiau mit den Getränken und verteilte sie.

„Das Schiff ist vollständig mit Betriebsstoffen und Vorräten ausgestattet. Sämtliche Magazine sind komplett bestückt. Als einzige Ausnahme ist das Magazin für die Großtorpedos leer geblieben. Das Schiff selbst ist offensichtlich während seiner Einlagerung sehr gut gepflegt worden und trotz seines Alters in hervorragenden Zustand.“

„Das ist beruhigend zu hören. Und ich gehe davon aus, dass einfach keine Großtorpedos vorrätig sind. Wenn man keinen Mond oder Planeten damit verwüsten will, sind sie sonst wegen ihrer geringen Reichweite und Beschleunigung nur von fragwürdigem Wert in einer Raumschlacht. Weshalb diese Planetenzerstörer schon lange nicht mehr hergestellt werden.“ Sie setzte sich in einen der Sessel und bedeutete Fisher, ebenfalls Platz zu nehmen, nachdem diese sich zuerst hinter ihr mit ihrem eigenen Kaffeebecher aufstellte.

Hoffmann schaufelte erschreckend viele Löffelladungen Zucker in seinen Kaffee. „Auch auf die Gefahr hin, wieder als unmöglich bezeichnet zu werden. Ich weiß, dass Ani sich untereinander erkennen können, selbst wenn sie gestaltgewandelt sind. Sind Sie ebenso in der Lage, die Gründer des Dominions zu erkennen?“

Ineiau überlegte, bevor sie zu einer Antwort ansetzte. „Ich weiß es nicht. Nach meinem Wissensstand ist es bisher nicht zu einer Begegnung zwischen Ani und Gründern gekommen. Oder die entsprechende Ani hat ihr Gegenüber schlicht nicht als solche erkannt. Letzteres würde also Nein bedeuten. Tatsächlich sehen die von ihnen als Exekutive künstlich erschaffenen Vorta und Jem’Hadar uns und andere Gestaltwandler als Perversion und Häresie gegenüber ihren als Götter verehrten Gründern an. Obwohl das Dominion bisher trotz vorhandener Gelegenheiten keine Überfälle auf unsere Heimatwelt Areka ausgeführt hat. Möglicherweise finden wir bald mehr heraus, da es auf Deep Space 9 mit dem Konstabler Odo einen uns freundlich gesinnten Formwandler gibt.“

„Also könnte es sein, dass die Gründer im Gegensatz zu ihren Untergebenen in Ihnen etwas Höherwertiges als in uns normalen Wesen mit einer festen Gestalt sehen.“

„Das wäre möglich, aber ich möchte mich nicht darauf verlassen und halte es außerdem für unwahrscheinlich. Bisher haben die Jem’Hadar Ani ebenso getötet wie alle anderen, was sie nicht ohne Zustimmung ihrer Gründer tun würden.“

Hoffmann nickte nachdenklich.

Ineiau sah sich in der Runde um, ob noch jemand eine weitere Frage dazu hätte. Dann fuhr sie fort: „Wie sie ja bereits erfahren haben, hat die Vengeance einige immer noch streng geheime Besonderheiten. Ich denke, ich muss nicht betonen, dass das, was ich Ihnen jetzt erzählen werde, nicht weitergegeben werden darf.“ Dann atmete sie tief durch, bevor sie begann, die wahre Herkunft der Vengeance von Sektion 31 zu enthüllen und detailliert auf ihre Eigenschaften und Fähigkeiten einzugehen.

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