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Alleinschuld

von Emony

Kapitel 1

Noch während sein Freund und Captain - Jonathan Archer - ihm den Tod des Cogenitors zum Vorwurf machte, war Trip als verließe er seinen Körper. Er hörte die Worte wie durch dichten Nebel. Er fühlte sich gelähmt.

„Selbstmord, Trip.“

Der Cogenitor hatte sich seinetwegen das Leben genommen. Sie – er wusste natürlich, dass sie eigentlich ein ES war, doch es wirkte irgendwie mehr weiblich als männlich oder irgendwie dritt geschlechtlich auf Trip, so dass er irgendwann begonnen hatte, den Cogenitor mit sie zu bezeichnen. Dieses Pronomen schien ihm selbst dann noch passend, als sie ihm mitteilte, dass sie fortan Charles heißen wolle.

Und nun war Charles tot. Wegen ihm und seiner Unüberlegtheit. Es war allein seine Schuld und er konnte Jons Enttäuschung verstehen. Die wachsende Wut, aus der er keinen Hehl machte.

„Immer handelst du so impulsiv!“ – „Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein!“

Handelte er wirklich IMMER unüberlegt? Aus einem Impuls heraus, seinem Sinn für Gerechtigkeit, hatte er dem Cogenitor das Lesen beigebracht. Er hatte ihr doch nur zeigen wollen, dass sie sich nicht von den Frauen und Männern ihrer Spezies unterschied. Dass sie nicht minder intelligent war und ein Recht darauf hatte – das war zumindest seine Ansicht – besser als ein Haustier behandelt zu werden. Selbst Porthos wurde von Jon besser behandelt, als der Cogenitor von seinen Leuten. Er hatte es doch nur gut gemeint, ihrer ganzen Art helfen wollen. Und nun ...

„Wegtreten!“ Mit diesen Worten kehrte ihm Jon den Rücken zu und Trip wurde schlagartig bewusst, dass das hier für lange Zeit, wenn nicht gar für immer, das letzte Gespräch unter Freunden zwischen ihnen gewesen sein mochte. Er hatte Jon in jeder Hinsicht enttäuscht, so sehr sogar, dass dieser glaubte schuld am Handeln seines Offiziers zu sein. Dass er ihm kein gutes Beispiel abgegeben hatte.

„Jon ...“ Trips Stimme brach und er wagte es nicht, diesen Satz zu vollenden. Es würde nichts bringen. Eine Entschuldigung war diesmal einfach nicht genug. Nichts konnte sein Fehlverhalten entschuldigen oder wieder gut machen.

Jonathan Archer blieb regungslos stehen. Starrte stur hinaus auf die vorbeiziehenden Sterne und zeigte Trip, im wahrsten Sinn, die kalte Schulter.

Wie betäubt verließ Tucker den Bereitschaftsraum, durchquerte dann hastig das kleine Vorzimmer und die Brücke. Beinahe fluchtartig stieg er in den Turbolift, spürte dabei die Blicke der anwesenden Führungsoffiziere, schenkte ihnen jedoch keine weitere Beachtung. Er brachte es nicht fertig auch nur einem von ihnen in die Augen zu sehen, aus Angst davor, dort die selbe Enttäuschung zu entdecken, die in Jons Blick gelegen hatte.

Seine Beine trugen ihn im Grunde von allein zu seiner Kabine, deren Türe mit einem leisen Zischen hinter ihm zu glitt. Und kaum, dass er sich sicher und unbeobachtet fühlte, sackte er in sich zusammen, fiel auf die Knie und ließ mit einem einzigen Schrei den Schmerz heraus, welcher mit der Schuld einherging, die nun für immer Teil seines Denkens, seines gesamten Seins sein würde.

Er hatte den Tod eines intelligenten Lebewesens zu verschulden! Er ganz allein!

Als sein Schrei verstummte folgten bittere Tränen und er wünschte sich, dass er niemals mit auf diese Mission gegangen wäre. Was für ein Forscher war er, wenn er sich überall einmischte, nur weil es nicht seinem Sinn für Gerechtigkeit entsprach? Was für ein Mensch war er, wie arrogant, dass er glaubte andere belehren zu müssen, wo er doch selbst noch so viel zu lernen hatte? Und was für ein Freund?

Er zitterte am ganzen Leib, bekam kaum noch Luft, vermochte es absolut nicht sich zu beruhigen. Hier war er sicher, konnte diesem erdrückenden Gefühl nachgeben. In diesen vier Wänden war er weder Chefingenieur noch Commander, hier war er einfach Charles Tucker.

Trip.“

Ja?“

Ich möchte Trip heißen.“

Eigentlich ist mein Name Charles.“

Dann möchte ich Charles heißen.“

Er hatte sich geehrt gefühlt, war deshalb blind gewesen. Hatte nicht gesehen, was dies bedeutet hatte. Er hätte voraussehen sollen, dass man dem Cogenitor nicht gestatten würde sich zu bilden, Berge zu erklimmen, Filme zu sehen, in einer eigenen Wohnung zu leben oder einen Namen zu tragen. Er hätte auf T’Pol hören sollen, wenigstens dieses eine Mal und auch auf Phlox, der ihn darauf hingewiesen hatte, dass er den Unterschieden verschiedener Kulturen gegenüber aufgeschlossener sein sollte.

Von Menschenrechten hatte er T’Pol erzählt und sie hatte ihm klargemacht, dass die Vissianer keine Menschen seien. Zumindest hatte sie es versucht. Und er, unüberlegt und arrogant in seinem Denken, war davon überzeugt und verblendet gewesen und hatte geglaubt dem Cogenitor etwas Gutes zu tun. Der Grundgedanke war gut gemeint gewesen, die Verwirklichung jedoch der größte Fehler seines Lebens. Ein unverzeihlicher, unumkehrbarer Fehler, dessen Last ihn für den Rest seines Lebens begleiten würde.

~

„Herein!“, drang die Stimme des Captains gedämpft durch die Metalltür.

Zögerlich betrat Trip den Bereitschaftsraum und fand Jon hinter seinem Tisch sitzend vor. In der vergangenen Nacht hatte er eine Entscheidung gefällt, die ihm die einzig sinnvolle Konsequenz für sein Fehlverhalten zu sein schien und nun war er gekommen, um Jonathan Archer darüber zu informieren.

Der Captain stand auf und straffte die Schultern. „Wo ist Ihre Uniform, Commander? Wenn ich den Schichtplan richtig im Kopf habe, dann hat Ihr Dienst bereits vor dreiundzwanzig Minuten begonnen.“

Trip sah kurz an sich hinab, ließ seinen Blick über die hellblaue Jeans und den dunkelgrünen Sweater gleiten. Dann sagte er, so entschlossen klingend wie es ihm nur möglich war: „Ich habe vergangene Nacht das Sternenflotten-Hauptquartier kontaktiert, mit der Bitte um sofortige Entlassung aus dem Dienst.“

Archer atmete tief durch und sah ihm dann fest in die Augen. „Ich weiß, denn ich habe vor nicht ganz fünf Minuten mit Admiral Forrest gesprochen, der Dank dir nun wieder einmal Botschafter Sovals belehrenden Vorträgen ausgeliefert ist.“ Während Archer sich die nächsten Worte zurecht legte, presste er Ober- und Unterkiefer so fest aufeinander, dass die Wangenknochen deutlich sichtbar hervortraten. „Der Antrag wurde abgelehnt“, sagte er dann nach einigen langen Sekunden.

„Warum?“ Trip sah ihn überrascht an. „Ich verdiene es aus dem Dienst entlassen zu werden.“

„Ja, das tust du. Da hast du verdammt Recht! Aber so leicht werde ich es dir nicht machen, Trip. Ich lasse nicht zu, dass du alles aufgibst, was du bisher erreicht hast. Denn du bist ein brillanter Ingenieur und hast hart für diese Stelle gearbeitet.“ Abermals machte Archer eine Pause, nur um wenige Augenblicke später weiterzusprechen. „Als dein Captain muss ich dir sagen, dass du vorerst jeglicher Befehlsgewalt auf diesem Schiff enthoben wurdest.“ Trip nickte gefasst, unfähig zu irgendeiner anderen Reaktion. „Du wirst deine Arbeit verrichten, bist jedoch bis auf Weiteres von Erstkontakten und Außenmissionen ausgeschlossen.“ Tief durchatmend ging Jonathan Archer um seinen Tisch herum, blieb vor Trip stehen und legte ihm die Hände auf dessen Oberarme. „Als dein Freund rate ich dir in Zukunft den Kopf einzuschalten. Ich möchte dich nicht verlieren. Weder als Ingenieur noch als Freund. Ich brauche dich auf dieser Reise, Trip. Wir alle machen Fehler. Das alles hier ist neu für uns. Wir müssen nach gewissen Regeln spielen, ob sie uns nun gefallen oder nicht. Und hin und wieder – das habe selbst ich in den vergangenen zwei Jahren gelernt – ist es kein Fehler, sich den Rat T’Pols zu Herzen zu nehmen.“

„Ich verdiene diese Milde nicht, Jon. Ich habe Angst davor wieder solche oder ähnliche Fehler zu begehen. Ich bin ungeeignet für diese Mission.“

Archer ließ die Arme sinken. „Ich habe auch schon einige Fehler begangen und wenn man es genau betrachtet, weitaus mehr Leben auf dem Gewissen, Trip. Doch aufgeben werde ich nicht und ich lasse nicht zu, dass du es tust. Nur aus Fehlern lernt man und glaub’ mir, auch die Vulkanier sind nicht so unfehlbar wie sie immer tun. Sie können damit einfach besser umgehen, weil sie von Logik und nicht von Gefühlen geleitet werden. Dein Schuldgefühl, das Gefühl unzureichend zu sein, ist nach diesem Vorfall verständlich. Mir ging es nicht anders, als wir wegen meines Befehls das Leben auf einem ganzen Planeten ausgelöscht haben.“

„Das war ein Unfall. Die Schockwelle war nicht deine Schuld, denn du konntest nicht vorausahnen, dass dies geschehen würde.“

„Und dennoch ist es wegen mir geschehen. Es spielt keine Rolle, wer letztlich die Schuld dafür bekam. Ich war neugierig, wollte den Planeten besuchen, und es kam zu dem Unfall. Punkt. Ebenso hast du geglaubt, etwas Gutes zu tun, nicht bedacht, dass der Cogenitor unglücklicher als zuvor sein würde, nachdem du ihm gezeigt hast, dass es ebenso intelligent ist wie der Rest seiner Spezies. Das war ein schwerwiegender Fehler, den du mit Sicherheit nicht noch einmal begehen wirst und aus dem du gelernt hast, dass wir fremde Kulturen zu respektieren haben.“

Trip nickte und faltete die Hände hinter dem Rücken, sah seinen Captain unverwandt an. Ihm war klar, dass trotz diesem Gespräch Gras über diesen ganzen Vorfall würde wachsen müssen, bevor er das Vertrauen zurückerlangen würde, dass er durch sein Handeln verloren hatte. Doch dies war etwas, das sich irgendwann wieder einrenken würde.

Der Cogenitor würde tot bleiben und mit dieser Gewissheit würde er selbst nun für immer leben müssen.

„Ist das alles, Captain?“, erkundigte er sich schließlich.

„Ziehen Sie Ihre Uniform an, Commander, und treten Sie Ihren Dienst an. Sie sind spät dran und werden die versäumte Zeit nachholen.“

„Aye, Sir“, nickte Tucker und verließ nach dem „Wegtreten“ den Bereitschaftsraum des Captains.

ENDE

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