TrekNation

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Ohne Glocken, ohne Geigen

von MariaMagdalena

Kapitel 1

Hoshi und Travis saßen zusammen in der Messe, einen ganzen Haufen Padds auf dem Tisch ausgebreitet. Es war spät in der Nacht, und am Morgen würde ihr Captain ein Duell auf Leben und Tod kämpfen müssen, mit einer Waffe, die er am Vortag das erste Mal in den Händen gehalten hatte. Commander Shran dagegen, der Andorianer mit der verletzten Ehre, war von Jugend an auf Fälle wie diese vorbereitet worden. Der Ausgang des Kampfes war so vorhersehbar, dass Hoshi immer wieder die Tränen zurückblinzeln musste, die sich ihr aufdrängten. Schlimm genug, dass Commander Tucker und Lieutenant Reed mit unbekanntem Schicksal auf einem fremden Schiff verschollen waren. Wenigstens für Captain Archer musste es doch eine Rettung geben! Fieberhaft suchten die beiden Ensigns nach irgendeinem Schlupfloch in den Regeln.

Plötzlich stieß Travis einen triumphierenden Laut aus. „Das hier klingt interessant!“

Zwischen Zweifel und Hoffnung schwankend blickte die Linguistin ihn an.

„Ein Kämpfer kann um Verschiebung des Duells bitten, wenn seine Nachkommenschaft nicht gesichert ist und die Gefahr besteht, dass sein Clan nach ihm ausstirbt“, zitierte er.

„Wie kann uns das helfen?“ fragte Hoshi müde.

„Captain Archer hat keine Kinder, soweit ich weiß“, erklärte Travis.

Hoshi nahm ihm das Padd aus der Hand und las den Abschnitt selbst. „Das gilt nur für Verheiratete“, seufzte sie.

Der schwarze Navigator machte ein betretenes Gesicht. „Es wäre wohl zu schwer, innerhalb der nächsten vier Stunden eine Frau für ihn zu finden.“

„Selbst wenn…“ setzte sie an. Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: „Aber da wir nichts Besseres gefunden haben, sollten wir Captain Archer die Idee zumindest mitteilen.“

~*~

Jonathan Archer machte ein ziemlich betretenes Gesicht, als sein Kommunikationsoffizier ihm im Beisein der verbliebenen Führungsoffiziere die Möglichkeit unterbreitete.

„Es wäre gar nicht die schlechteste Lösung“, versuchte Hoshi ihn zu überzeugen. „Wir würden genügend Zeit gewinnen und den Ausgang der wichtigen diplomatischen Einigung zwischen Andorianern und Tellariten nicht gefährden. Wenn Sie morgen sterben, wird niemand da sein, der Ihre Sache fortführt!“

„T’Pol wird da sein!“ unterbrach Jon sie.

„Die Andorianer werden ohne weiteres keine Befehle von einem Vulkanier entgegennehmen“, widersprach der Subcommander.

„Wenn die Einigung erfolgreich ist, wächst vielleicht so viel Gras über die Sache, dass Shran zur Vernunft kommt und seine Herausforderung zurückzieht“, fuhr Travis fort.

Doktor Phlox nickte. „Die Idee hat einiges für sich, würde ich sagen.“

Jon schüttelte den Kopf. „Sie vergessen ein Detail. Es befindet sich keine Frau in Reichweite, die infrage käme.“

„An Bord sind 24 weibliche Crewmitglieder. Unter diesen Umständen sollte die Sternenflotte wohl eine Ausnahme der Fraternisierungsregeln machen“, wandte Phlox ein.

„Wie stellen Sie sich das vor?“ brauste der Captain auf. „Soll ich einem meiner Untergebenen *befehlen*, mich zu heiraten?“

T’Pol begegnete ruhig seinem Blick. „Eine einfache Bitte sollte genügen“, erwiderte sie.

Die beiden sahen sich für einen langen Moment in die Augen. Dann wandte Jon sich ab. „Ich kann Ihnen nicht noch eine Zweckehe zumuten“, sagte er leise.

T’Pol wollte widersprechen, doch Phlox kam ihr zuvor. „Ich glaube nicht, dass die Andorianer eine Ehe mit einem Vulkanier anerkennen würden. Bei dieser Regelung geht es um Nachwuchs, und nach dem heutigen Stand der Wissenschaft sind Menschen und Vulkanier nicht genetisch kompatibel.“

T’Pol nickte zögernd, Jon seufzte.

„Es gibt immer noch 23 menschliche Frauen an Bord“, merkte Travis an.

„Ich kann schlecht eine beliebige Frau aus dem Schlaf reißen und sie bitten, mich auf der Stelle zu heiraten“, entrüstete sich Jon.

Hoshi schlug das Herz bis zum Hals. Mit keinem Gedanken hatte sie diese Möglichkeit in Betracht gezogen, als sie und Travis die Regellücke entdeckt hatten. Doch plötzlich erschien es ihr die einzig logische Konsequenz. Mit einem schüchternen Räuspern machte sie auf sich aufmerksam.

Alle Köpfe wandten sich der zierlichen Asiatin zu. Sie richtete ihren Blick auf Jon, versuchte ihm auf telepathischem Wege ihr Einverständnis mitzuteilen. Es auszusprechen, wagte sie nicht.

Jon sah zu Boden. „Das kann ich Ihnen nicht antun, Hoshi.“

Sie hob ihr Kinn. „Ich würde größere Opfer bringen, um Ihr Leben zu retten“, sagte sie entschlossen.

~*~

Shran saß gedankenversunken auf seinem ordentlich gemachten Bett, als Jon eintrat.

„Ich dachte mir schon, dass ich Sie nicht wecke“, kommentierte er.

„Setzen Sie sich“, war die einzige Antwort des Andorianers.

Jon nahm neben ihm Platz. „Ich beabsichtige zu heiraten“, sagte er unumwunden.

„Das freut mich für Sie, aber dazu wird es nun ja wohl nicht mehr kommen“, antwortete Shran in bedauerndem Tonfall.

„Ich habe die Regeln dieses Kampfes studiert“, fuhr der Captain fort, sein Gegenüber ignorierend. „Es gibt da eine Passage, die kinderlosen Kämpfern eine Gnadenfrist einräumt.“

Überrascht blickte der Commander auf. „In der Tat. Ich erinnere mich.“

„Wenn die Ehe bis morgen früh rechtskräftig ist, wird das Match verschoben, bis meine Frau ein Kind zur Welt bringt, nicht wahr?“ Jon konnte noch immer nicht recht glauben, dass diese Regel ihm das Leben retten sollte.

„So ist es“, bestätigte der Andorianer und seine Fühler zuckten in Zustimmung. Ein recht humorloses Lächeln trat auf sein Gesicht. „Ich werde Sie nicht fragen, warum Ihr Wunsch, sich zu verheiraten, so plötzlich aufgetreten ist…“

Es schmerzte Jon, einen so schlechten Eindruck auf seinen schwierigen Freund zu machen. „Unter normalen Umständen wäre diese Beziehung nicht legalisierbar“, hörte er sich sagen.

Shran zog fragend die Augenbrauen nach oben, was ihn zu sehr an T’Pol erinnerte.

„Die Sternenflotte verbietet Liaisons zwischen Offizieren in derselben Kommandokette“ erklärte er.

Der Andorianer nickte. „Sie erwähnten das, als ich Ihnen von mir und Talas berichtete.“ Sein Gesicht bewölkte sich, als er seine tote Geliebte erwähnte. Dann schien er den Gedanken gewaltsam beiseite zu schieben. „Wer ist Ihre Braut?“

„Hoshi Sato, mein Kommunikationsoffizier“, antwortete Jon fast ohne Zögern.

Nun lächelte Shran. „Eine schöne Frau, ja. Ich hatte schon früher den Verdacht. Sie haben Geschmack, Captain.“

„Danke“, sagte Jon, während er sich verdutzt an eine Begebenheit zu erinnern versuchte, die in dem Andorianer einen solchen Verdacht hätte entstehen lassen können. Er selbst hatte auf persönlicher Ebene bisher kaum einen Gedanken an die hübsche Asiatin verschwendet.

Nach einem kurzen Moment des Schweigens begann Shran: „Ich bin froh, dass sich die Angelegenheit auf diese Weise regeln lässt. Ich habe Talas versprochen, dass ich sie rächen werde, und ich werde zu meinem Wort stehen. Aber ich betrachte Sie als meinen Freund. Es wird mir etwas leichter fallen, Sie zu töten, wenn ich weiß, dass Ihr Name weiterleben wird.“

Jon nickte und fragte sich, wie lange Shran wohl auf Nachwuchs warten würde. Er hatte nicht vor, diese Ehe zu vollziehen.

~*~

In den frühen Morgenstunden waren die Absprachen mit dem Hauptquartier der Sternenflotte getroffen und die Mehrzahl der Crewmitglieder informiert. Captain Gross, der das am nächsten gelegene Sternenflottenschiff in dem von T’Pol erstellten Beobachtungsgitter befehligte, war auf der Enterprise eingetroffen, um die Trauung vorzunehmen. Alles sollte hieb- und stichfest sein auf der legalen Ebene.

Hoshi stand in ihrem Quartier vor dem Spiegel und betrachtete sich traurig. Sie trug ein cremefarbenes Kostüm, das ihr ausgezeichnet stand. Crewman Ramirez, eine hübsche junge Frau ganz ähnlicher Statur, hatte damit vor ihrer Tür gestanden und ihr angeboten, es auszuleihen.

„Gil und ich haben zwei Tage vor unserem letzten Take-Off geheiratet“, erklärte die junge Mexikanerin. „Ich hab das Kostüm mitgenommen, damit es mir Glück bringt und mich immer an diesen wunderschönen Tag erinnert. Ich bin froh, dass es jetzt sogar noch jemand anderem Glück bringen kann.“

Hoshi seufzte. „Vielen Dank, Crewman. Jetzt fühle ich mich wenigstens ein ganz klein bisschen wie eine Braut.“

„Das ist eine reine Vernunftehe, oder?“ traute sich die andere Frau zu fragen.

Hoshi seufzte erneut und nickte. „Aber für die Andorianer darf es nicht den Anschein haben.“

„Verstehe.“ Sie legte dem Offizier eine mitfühlende Hand auf die Schulter. „Aber es gäbe schlimmere Männer als den Captain, oder?“

Hoshi zwang sich zu einem Lächeln. „Da haben Sie Recht. Es sind auch vor allem die Umstände, die mich so traurig machen. Als kleines Mädchen wollte ich immer ein rauschendes Hochzeitsfest mit allen Freunden und Verwandten, mit einem wunderschönen Prinzessinnenkleid, mit Unmengen von Kirschblüten. Es stand für mich immer fest, dass ich im Mai heiraten wollte. Und jetzt ist November, wir sind auf einem Raumschiff im kalten, kahlen All, und nicht einmal meine Eltern sind anwesend.“

„Diese Farce wird doch bestimmt nicht lange dauern“, tröstete Ramirez sie. „Dann ist die Ehe ganz schnell annulliert, und eines Tages werden Sie Ihre Traumhochzeit bekommen. Mit dem richtigen Mann macht es sowieso viel mehr Spaß.“

Als Ramirez gegangen war, fühlte sie sich schon nicht mehr ganz so elend. Sie blickte ihrem Spiegelbild freundlicher entgegen und bemerkte, dass ihr das Kostüm wirklich ganz ausgezeichnet stand. Mit wenigen Handgriffen steckte sie ihre Haare zu einer hübschen Hochsteckfrisur. Sie sah tatsächlich immer mehr aus wie eine richtige Braut. Ein aufgeregtes Kribbeln begann in ihrem Bauch zu tanzen. Heute war ihr Hochzeitstag! In einer halben Stunde würde sie Mrs. Archer heißen. Der Gedanke war absurd, doch sie konnte nicht verhindern, dass ein mädchenhaftes Kichern über ihre Lippen kam. Mrs. Archer! Sie! Die Frau des Captains!

Erneut ertönte das Signal an ihrer Tür. Sie öffnete und empfing erstaunt Crewman Wallis aus der Hydroponie.

„Ich habe gehört, dass Sie… nun… Ich dachte mir, sie hätten vielleicht eine Verwendung hierfür…“ Stammelnd und mit rotem Gesicht überreichte der junge Mann ihr einen Blumenstrauß. „Es könnte Ihr Brautstrauß sein“, fügte er zaghaft hinzu.

Hoshis Herz klopfte, und Tränen schossen ihr in die Augen. Wie rührend alle Anteil nahmen! „Danke“, flüsterte sie. „Er ist wunderschön!“

Die meisten Blüten entstammten Nutzpflanzen, da reine Zierblumen aus Platzmangel nicht gehalten werden konnten. Dennoch hatte Wallis erstaunliches floristisches Geschick bewiesen und einen beeindruckenden Strauß gebunden. Zartrosafarbene und hellgrüne Blüten rankten sich wasserfallartig ihre Arme hinunter.

Zum dritten Mal an diesem Tag meldete das akustische Signal einen Besucher. Diesmal war es T’Pol. Auch sie hatte sich festlich gekleidet.

„Wenn Sie soweit sind, sollten wir gehen“, ordnete sie an. Dann erlaubte sie sich eine kurze Musterung der Asiatin. „Sie sehen sehr überzeugend aus“, sagte sie anerkennend. „Captain Archer wird beeindruckt sein.“

„Solange uns die Andorianer die Sache abnehmen…“ murmelte Hoshi.

„Ihnen wäre auch bei einer weniger bemerkenswerten Braut nichts anderes übrig geblieben“, kommentierte die Vulkanierin.

Während sie neben dem Subcommander den Gang hinunter schritt, überlegte sie ratlos, ob sie gerade ein Kompliment oder eine Kritik an ihrem Erscheinungsbild bekommen hatte. Sie konnte sich nicht recht entscheiden.

~*~

Nur wenige Arbeitsplätze waren besetzt, alle irgendwie abkömmlichen Crewmitglieder hatten sich in der Messe eingefunden, wo die Zeremonie stattfinden sollte.

Jon trug seine beste Paradeuniform. Die Atmosphäre machte ihn nervös. In einer Sekunde kam er sich vor wie ein Hochstapler, in der nächsten identifizierte er sich ganz mit der Rolle des Bräutigams, der in Kürze eine wunderschöne Frau heiraten würde.

Schmerzlich vermisste er Trips Anwesenheit. Nur allzu gern hätte er vorher noch einmal mit seinem Freund gesprochen, über seine gemischten Gefühle geredet, die Ratlosigkeit, was aus der Situation zu machen sei. Trips Aufgabe hätte es sein sollen, ihm die Ringe zu reichen. Stattdessen stand Shran neben ihm, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, während Trip – hoffentlich! – immer noch auf einem feindlichen Schiff um sein Überleben kämpfte. In Ermangelung seines besten Freundes und mit dem Hang zur dramatischen Symbolik hatte Jon sich für den Andorianer als ‚Best Man’ entschieden.

„Es tut gut zu sehen, dass die Verehelichung für menschliche Männer ebenfalls ein bewegendes Erlebnis ist“, raunte der Commander mit der blauen Haut.

„Ich hätte es mir nie zu träumen gewagt, dass diese Hochzeit eines Tages möglich sein würde“, flüsterte Jon zurück, der bei seiner Verbotene-Liebe-Geschichte bleiben wollte. Vielleicht wäre es besser gewesen, Hoshi darin einzuweihen, überlegte er. Jetzt war es vorerst zu spät dazu. Seit dem überstürzten Beschluss ihrer Heirat vor knapp fünf Stunden hatte er sie nicht mehr gesehen. Jede Minute würde sie zur Tür hereinkommen, doch das nächste, was er zu ihr sagen würde, wäre „Ja, ich will.“ Ein Flattern in seinem Bauch überraschte ihn, und er versuchte es mit einem irritierten Kopfschütteln zu vertreiben.

Ausgerechnet Hoshi.

Das Reden und Flüstern im Raum wurde leiser und erstarb dann ganz. Travis, der sich selbst als Zeremonienmeister verpflichtet hatte, nickte einem Ensign an einer Konsole zu. Die Tür am hinteren Ende der Messe öffnete sich, und aus den Lautsprechern ertönte der klassische Einzugsmarsch der Braut. Alle drehten sich zu Hoshi um, und überraschte „Oh“s und anerkennende „Ah“s füllten den Raum.

Auch Jon drehte sich zu seinem Kommunikationsoffizier um, der auf so plötzliche Weise seine Braut geworden war. Sein Herz machte einen unerwarteten Hüpfer. Sie sah so wunderschön aus! War das wirklich der unscheinbare Ensign, den er wohl hundertmal um irgendwelche Übersetzungen gebeten hatte, ohne auch nur einmal die bezaubernde Frau hinter dem Dienstgrad wahrzunehmen? Wie oft hatte sie ihm und der Enterprise aus der Patsche geholfen? Die Xindi-Mission zur Errettung der Erde wäre nicht geglückt ohne ihre selbstlose Hilfe. Er hatte sie im Arm gehalten, nachdem die Freude über sein unerwartetes Überleben sie übermannt hatte. Sie war ein Teil seines Lebens, eine sehr gute Freundin. Aber dass sie auch eine Frau war, eine wunderschöne Frau, diese Erkenntnis überwältigte ihn in diesem Moment, als sie mit einem Brautstrauß in den Händen zum Hochzeitsmarsch auf ihn zugeschritten kam.

~*~

Zufrieden mit seiner Arbeit betrachtete Travis den Einmarsch der Braut. Hoshi machte eine sehr gute Figur in dem Kostüm, und fast bereute er, dass dort vorn der Captain stand und nicht er. Dann jedoch erinnerte er sich, welchen Preis Archer – wenn auch erst in einiger Zeit – für diese Ehe würde zahlen müssen, und es fiel ihm schon leichter, seinem Vorgesetzten diese beeindruckende Frau zu gönnen.

Und schließlich war das ganze ja sowieso keine wirkliche Ehe. Oder? Travis hatte da so was läuten gehört, dass der Captain angeblich froh sein sollte über die Gelegenheit, eine eigentlich verbotene Beziehung zu legalisieren. Soweit er wusste, war das nur eine Geschichte für die Andorianer. Aber wenn er nun das selige Grinsen auf Archers Gesicht betrachtete, war er sich da gar nicht mehr so sicher.

Hoshi sah auf und schenkte ihrem Bräutigam ein schüchternes Lächeln. Auch sie bemerkte seinen Gesichtsausdruck. Ihr Lächeln wurde breiter, und sie errötete ein klein wenig, was sie in Travis’ Augen noch schöner machte. Ihre ganze Haltung strahlte vom einen auf den anderen Augenblick mehr Selbstbewusstsein aus. Travis war sich immer noch nicht sicher, ob diese Heirat eine Vorgeschichte hatte oder nicht, aber dass es Hoshi gefiel, ihrem Captain zu gefallen, stand ganz außer Frage.

Am improvisierten Altar angekommen, nahm das Brautpaar Platz. Captain Gross begann mit einer kurzen, ergreifenden Rede, die von ungewöhnlichen Umständen handelte, die man getrost Schicksal nennen könne. Überrascht sah Travis auf. Was war hier eigentlich die Coverstory wofür, fragte er sich. Sollten die Andorianer glauben, dass die Hochzeit echt war, oder sollten die Menschen glauben, dass sie nur wegen den Andorianern heirateten?

Das Eheversprechen war ein ergreifend feierlicher Moment. Beide bekräftigten ihr Einverständnis mit klarer Stimme. Travis sah Hoshis vor Glück strahlendes Gesicht, als Archer ihr den Ring an den Finger steckte. Archers Augen leuchteten. Spätestens jetzt war er sicher, Zeuge einer Liebesheirat geworden zu sein.

~*~

Sein Kuss war sanft und gleichzeitig fest, wie sie ihn sich vorgestellt hätte, wenn sie ihrer Phantasie jemals diesen Weg erlaubt hätte. Sie erschreckte sich vor sich selbst, als sie merkte, dass sie Lust auf mehr bekam. Heute Nacht, als sie für wenige Stunden schlaflos in ihrem Bett gelegen hatte, um sich auf die Hochzeit vorzubereiten, hatte sie geglaubt, dass dieser Augenblick schrecklich werden würde. Stattdessen war er einfach nur schön und zauberhaft.

Die ganze Zeremonie war zauberhaft, so unwirklich. Es war, als habe diese Geschichte ein Eigenleben entwickelt. Sie fühlte sich, als sei sie in die Rolle einer Filmheldin geschlüpft. Hoshi Sato, die Braut, heiratete heute ihren Captain, den sie liebte. War sie wirklich diese Frau, die glücklich in die Augen ihres Ehemannes lächelte und seit einer Minute Hoshi Archer hieß? War dieser Ehemann wirklich Captain Jonathan Archer, der so lange Jahre nichts anderes gewesen war als ihr Vorgesetzter, und vielleicht auch eine Art Freund? Sie merkte, dass sie diese Fragen nicht ohne weiteres beantworten konnte und war erleichtert, als die offenbar stehen gebliebene Zeit wieder einrastete und sich der Applaus der Crew erhob.

Jon nahm ihre Hand in seine und hielt sie hoch, als wären sie beide soeben Sieger in einem sportlichen Wettkampf geworden. Sie sah in sein Gesicht und erblickte dort die gleiche Hochstimmung und die gleiche Überraschung darüber, die sie selbst fühlte.

Shran umarmte erst Jon, dann sie und hatte tatsächlich Tränen der Rührung in den Augen. Dann schloss Travis sie in die Arme, flüsterte: „Alles, alles Gute, Hoshi!“ Es klang so aufrichtig, dass sie kurz davor war, selbst zu glauben, dass sie tatsächlich diese glückliche Braut war. T’Pol war die nächste. „Habe ich nicht gesagt, er würde beeindruckt sein?“ fragte sie mit der vulkanischen Version eines humorvollen Zwinkerns, das Hoshi nur erkannte, weil sie lange genug zusammen auf der Brücke gearbeitet hatten.

Die ganze Crew reihte sich ein in die Gratulantenschlange, und sie musste sogar die haarigen Tellariten umarmen, die sich diese menschliche Geste mit großer Begeisterung abgeschaut hatten.

Dann sorgte Travis dafür, dass die Menge um das Paar zurückwich, und ein altmodischer Wienerwalzer ertönte.

Hoshi und Jon lächelten sich zu. Erst vor kurzem waren die Standardtänze des 20. Jahrhunderts Thema einer feuchtfröhlichen Diskussion gewesen, die zu einem vergnüglichen Auffrischungskurs geführt hatte. Beide hatten Erfahrung mit diesem altmodischen Tanz und ernteten großen Applaus für ihren Brautwalzer. Als die Töne verklangen, schlang Hoshi lachend die Arme um seinen Hals. Er schenkte ihr eins dieser jungenhaften Lächeln, und nichts deutete in diesem Moment darauf hin, dass an dieser Hochzeit irgendetwas nicht stimmte.

„Kuss! Kuss! Kuss!“ skandierten ein paar übermütige Ensigns in den hinteren Reihen.

Es schien das natürlichste der Welt, dass Jon sich lächelnd zu ihr hinunterbeugte und ein zweites Mal seine Lippen auf die ihren drückte.

„Das war aber kein richtiger Kuss, Captain!“ beschwerte sich einer der Ensigns lachend. „Das können wir so nicht gelten lassen!“

„Die richtigen Küsse kommen später, wenn Sie längst wieder Ihrer Arbeit nachzugehen haben“, versicherte Jon gutmütig. „Ich will Sie bloß nicht allzu neidisch machen.“

Die zweideutige Antwort wurde mit ausgelassenem Gejohle quittiert. Hoshi spürte den beruhigenden Druck seiner Hand, der ihr wahrscheinlich versichern sollte, dass das nur leere Worte waren. Sie missverstand das Zeichen absichtlich und führte seine Hand an ihre Wange. Sie würde später darüber nachdenken, was genau sie nun eigentlich wollte von ihrem Captain, von dieser Zweckehe. Im Moment entwickelte sie da ganz erstaunliche Ideen…
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