TrekNation

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Ohne Glocken, ohne Geigen

von MariaMagdalena

Kapitel 2

Den Empfang überstand Jon in einer Art Rauschzustand, indem er sich bemühte, sein Hirn nicht einzuschalten. Zu gut fühlte es sich an, seine junge Frau im Arm zu halten, mit ihr zu tanzen oder sie einfach nur anzusehen. Er wollte nicht darüber nachdenken, was an diesem Morgen passiert war. Es war mehr als die Freude, dem sicher geglaubten Tod entgangen zu sein. Das wusste er schon jetzt. Aber was es dann war, dieser Frage musste er sich noch früh genug stellen.

Nicht, dass er die Antwort nicht bereits wusste. Er hatte sich verliebt. Das passierte, auch ihm, ab und zu. Meist erledigten sich solche Fälle nach kurzer Zeit, wenn er die entsprechende Frau nicht mehr sah. Manchmal gehörte sie zu seiner Crew, und er ging ihr absichtlich für ein paar Wochen aus dem Weg, was zumeist die gleiche Wirkung erzielte. Wie aber sollte das passieren, wenn er nun mit derjenigen verheiratet war?

Es war eine harmlose kleine Verliebtheit. Oder jedenfalls hätte sie das bleiben können, wenn die Umstände anders gewesen wären. Nun aber hatte er sie schon mehrmals geküsst. Er hatte sie geheiratet, um genau zu sein. Mehr als leichte Zweifel machten sich in ihm breit, dass diese Strategie besser als seine vorige war.

Hoshi. Ausgerechnet. Nun, wieso auch nicht? Sie war schön, sie war mehr als clever, sie war mutig und selbstlos und freundlich und wusste immer Rat. Immer unglaublicher erschien es ihm, dass sie ihm nicht schon früher aufgefallen war.

Wie aber sollte es weitergehen? Er konnte schlecht von ihr erwarten, dass sie das Spiel einfach weiterspielte und eine ganz normale Ehe mit ihm führte. Obwohl dieser Gedanke sicherlich einiges für sich hatte.

Er musste mit ihr reden. Es war nicht mal Zeit gewesen, die näheren Umstände ihrer Ehe zu klären. Sie waren nach internationalem Recht der Erde verheiratet, und die Sternenflotte hatte Wert darauf gelegt, dass alles seine Ordnung hatte. Es war jedoch klar, dass diese Ehe nichts als eine Farce war, um seine Haut lange genug zu retten, dass er die diplomatische Einigung erzielen konnte, die ihm so wichtig war. Früher oder später musste sie geschieden oder annulliert werden. Hoshi würde darauf bestehen.

Würde sie doch, oder? Er dachte an das glückliche Lächeln, dass sie ihm geschenkt hatte, als er ihr seine ewige Liebe und Treue versprochen hatte. Fast schämte er sich dafür, aber in diesem Moment hatte er es auch so gemeint. Seine Gedanken wanderten zurück zu dem Augenblick, als Hoshi eine Eheschließung vorgeschlagen hatte. Sie selbst war es doch gewesen, die auf sich als potenzielle Mrs. Archer aufmerksam gemacht hatte. War es möglich, dass sie vielleicht in ihn verliebt war?

Und selbst wenn. Würde die Sternenflotte es zulassen, dass sie eine ganz normale Ehe führten? Könnte er es? Würden sie auf demselben Schiff dienen können? Würden sie glücklich zusammenleben, eines Tages Kinder haben? Und würde Shran dann vor seiner Tür stehen und ihn erneut zum tödlichen Duell herausfordern?

Der Andorianer erschien neben ihm und legte ihm in inzwischen schon vertrauter Geste die Hand auf die Schulter. „Es sind nicht gerade die glücklichsten Umstände, die zu dieser Feier geführt haben. Aber wenn ich Sie so glücklich vor mir sehe, bin ich fast ein bisschen stolz, am Zustandekommen Ihrer Ehe beteiligt zu sein.“

Jon berührte den anderen Mann am Arm und lächelte traurig. „Jedenfalls bin ich bedeutend glücklicher, als wenn Sie mich unserer ursprünglichen Tagesordnung entsprechend in diesem Augenblick getötet hätten.“

~*~

Nach den relativ kurzen Feierlichkeiten zog sich das Brautpaar zurück. Hoshis persönlicher Besitz war inzwischen in Jons Quartier gebracht worden. Eine weitere dieser Angelegenheiten, die sie im Vorfeld nicht abgesprochen hatten. Wenn sie darüber nachdachte, war es natürlich nahe liegend, dass sie Tisch und Bett – oder zumindest Quartier – teilten, wenigstens solange die Andorianer an Bord waren. Langsam aber fragte sich Hoshi, ob sie diese Sache nicht doch etwas unterschätzt hatte.

Jon Archer war so ein ehrenhafter Mann. Er hatte doch wohl nicht wirklich vor, ein Kind zu zeugen und sich nach dessen Geburt von Shran umbringen zu lassen, oder?

Sie überlegte, ob sie sich auf einen der Stühle setzen sollte, oder ob es wohl einen allzu schlechten Eindruck machte, wenn sie sich kurz auf dem Bett ausstreckte. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. T’Pol hatte empfohlen, dass sich das Paar zurückziehen und ausruhen sollte, um den Andorianern den Ehevollzug vorzugaukeln. Der Subcommander hatte versichert, dass sie sofort Bescheid geben würde, wenn das Marodeur-Schiff gesichtet werden sollte oder einer der vermissten Offiziere Kontakt aufnahm.

Jon ging direkt auf sein Bett zu, ließ sich fallen und machte damit Hoshis Hoffnungen zunichte. Es gab ein Sofa in den Privaträumen des Captains, doch das war so schmal und kurz, dass selbst Hoshis zierliche Figur dort unmöglich Platz hatte. Der Fußboden sah ebenfalls nicht sehr einladend aus.

„Nehmen Sie es mir übel, wenn ich ein paar Minuten die Augen zu mache?“ fragte Jon gähnend. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.“

„Ich auch nicht“, gab sie zurück und konnte nicht verhindern, dass ihr Tonfall ein ganz klein bisschen zickig klang. „Schlafen Sie nur“, fügte sie deshalb schnell noch hinzu.

„Entschuldigen Sie. Die Müdigkeit hat wohl meine Qualitäten als Gentleman außer Betrieb gesetzt.“ Er erhob sich. „Nehmen Sie das Bett. Da ist ja noch die Couch.“

Hoshi warf besagtem Möbelstück einen zweiten Blick zu, der ihren Eindruck nicht besserte. „Seien Sie nicht albern. Wozu haben Sie ein Doppelbett? Immerhin sind wir verheiratet, haben Sie das schon vergessen?“

Sie lächelte müde und ließ sich dankbar in die Kissen fallen. Er widersprach nicht, sondern streckte sich erneut aus, nachdem er etwas zur Seite gerückt war, um ihr Platz zu machen. Keiner von beiden machte sich die Mühe, Kleidungsstücke abzulegen. Noch ehe sie sich darüber überhaupt Gedanken machen konnten, waren beide fest eingeschlafen.

~*~

Jon erwachte durch das Piepen des Komm-Signals. „T’Pol an Captain Archer“, tönte es aus dem Lautsprecher.

Sofort war er hellwach und betätigte den Schalter. „Sprechen Sie!“

„Ein andorianisches Schiff hat die Signatur des Marodeurs geortet.“

„Ich bin sofort auf der Brücke.“

Einen kurzen Augenblick verfluchte er seine Faulheit. Er trug immer noch die Paradeuniform, die nun einen reichlich zerknitterten Eindruck machte. So nachlässig gekleidet eine wichtige Interaktion durchzuführen, widersprach seinem Führungsstil. Außerdem würde er vielleicht das Misstrauen der Andorianer erwerben, denn es war offensichtlich, dass er die Uniform nicht ausgezogen hatte. In Windeseile also tauschte er seine Kleidung und warf der tief schlafenden Linguistin einen zärtlichen Blick zu, bevor er die Tür seines Quartiers hinter sich schloss.

~*~

Erschöpft von ihrem stundenlangen Überlebenskampf und einer denkbar knappen Rettungsaktion, und doch mit dem euphorischen Gefühl, es wieder einmal geschafft zu haben, betraten Trip und Malcolm die Dekontaminationskammer.

Phlox erwartete sie am Fenster, das zur Kommunikation mit der Außenwelt diente, bis sie ordnungsgemäß desinfiziert und entkeimt ins Schiff entlassen wurden.

„Sie haben durch Ihr kleines Abenteuer einiges verpasst“, eröffnete ihnen der Denobulaner mit einem genussvollen Grinsen, während er ihnen das Dekontaminationsgel durch eine Schleuse aushändigte. „Ein schönes kleines Fest ist Ihnen heute Morgen entgangen.“

„Was gab es denn zu feiern?“ fragte Trip pflichtschuldig, obwohl er eigentlich nur noch unter die heiße Dusche und dann ins Bett wollte.

„Nun, zum einen die Allianz von Andorianern, Tellariten, Vulkaniern und Menschen“, berichtete der Arzt.

„Hat der Captain es also mal wieder geschafft“, stellte Malcolm anerkennend fest.

Auch Trip nickte beeindruckt. Als sie die Enterprise verlassen hatten, hätte er keinen Cent darauf gewettet, dass es zwischen Tellariten und Andorianern nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden zum Krieg kommen würde.

„Und außerdem hat Captain Archer geheiratet“, schloss Phlox so beiläufig, dass nur seine vor Vergnügen blitzenden Augen ihn verrieten.

„Captain Archer hat *was*?!“ fragte Malcolm sofort ungläubig.

Trip starrte den Denobulaner nur wortlos an. Es sah ihm nicht ähnlich, derartig dumme Scherze zu machen. Aber Jon konnte unmöglich… Was zur Hölle war passiert?

„Hat das irgendwas mit der Allianz zu tun?“ fragte Trip schwach. „Sagen Sie nicht, er musste eine Tellaritin heiraten, damit die hässlichen Kerle sich uns anschließen!“

Phlox lächelte. „Vermutlich hätte der Captain auch das getan. Aber es stand zum Glück nicht zur Diskussion. Er hat Ensign Sato geheiratet.“

„Hoshi?!“ tönte es ungläubig von beiden Offizieren wie aus einem Mund. Sie tauschten einen fassungslosen Blick.

„Mrs. Archer“, bestätigte Phlox mit einem Nicken.

~*~

Als Hoshi erwachte, lag sie allein in dem großen Bett. Sie wusste sofort, wo sie sich befand, und sie hatte das Gefühl, sehr lange geschlafen zu haben. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits früher Abend war. Ihr Magen knurrte. Sie setzte sich auf und stellte fest, dass jemand auf dem kleinen Tisch einen kalten Imbiss serviert hatte. Es hatte also durchaus seine Vorteile, die Frau des Captains zu sein. Dankbar für den Luxus, nicht extra in die Messe gehen zu müssen, wandte sie sich den Sandwichs zu.

Der Dienst, für den sie heute eingeteilt gewesen war, endete in einer Viertelstunde. Sie nahm an, dass jetzt wohl keiner mehr ihren Dienstantritt erwartete. Niemand hatte sich bei ihr gemeldet. Offensichtlich war ihre Anwesenheit nicht von Nöten gewesen. Vermutlich warteten sie immer noch darauf, dass eins der 128 Schiffe der neuen Allianz eine Spur des Marodeur-Schiffes entdeckte.

Sie dachte an Trip und Malcolm, die vielleicht längst tot waren. Die beiden MACOs, die der Transporter noch hatte bergen können, hatten von lebensfeindlichen Umständen in diesem Schiff berichtet. Sicher, bis jetzt hatten der Commander und der Lieutenant es immer wieder geschafft, auswegslose Situationen zu überleben. Sie würde die Hoffnung nicht aufgeben. Immerhin handelte es sich bei den beiden um Freunde. Kurz überlegte sie, ob sie einer Heirat mit dem charmanten Chefingenieur mit mehr Enthusiasmus zugestimmt hätte. Doch aus Angst vor der Antwort schob sie diesen Gedanken schnell beiseite.

Ein Thunfisch-Sandwich in der Hand, erhob sie sich, um ihr neues Zuhause eingehender zu betrachten. Etwas weiblicher Charme fehlte durchaus in diesen vier Wänden, befand sie. Ihr persönlicher Besitz lag in drei Kisten neben der Tür gestapelt. Sie wollte jedoch nicht mit der Umdekoration des Quartiers beginnen, bevor sie nicht das Okay des Captains dazu hatte. Möglicherweise war es gar nicht erforderlich.

Sie würden endlich reden müssen. Hoshi wollte wissen, woran sie war. Wollte sichergehen, dass sie nur die Schauspielerin war, die eine Rolle erfüllte. Zugleich hatte sie Angst vor dieser Antwort. Das Schauspiel würde zu Ende sein, sobald die andorianischen Zuschauer außer Sichtweite waren.

~*~

Jon erwartete seine beiden vermissten Führungsoffiziere und Freunde vor der Tür der Dekontaminationskammer. Ganz beseelt von dem euphorischen Triumphgefühl, nicht nur eine kritische Mission erfolgreich beendet zu haben, sondern auch zwei schon fast verloren geglaubte Männer gerettet zu haben, freute er sich darauf, seinen besten Freund begrüßen zu können.

Er hörte die Stimmen der beiden Männer und Phlox’, als sich die Tür öffnete. Dann stand Trip vor ihm. Sein Gesichtsausdruck hielt Jon davon ab, ihn in eine kräftige Umarmung zu ziehen.

„Wie ich höre, muss man gratulieren“, sagte Trip steif.

„Es war nicht ganz einfach, aber wir haben die Allianz geformt“, antwortete Jon und gab sich Mühe zu lächeln, obwohl er spürte, dass nicht alles in Ordnung war.

„Das meine ich nicht“, erwiderte der Chefingenieur, und seine Stimme nahm einen fast feindlichen Tonfall an.

„Trip“, versuchte Malcolm beruhigend dazwischen zu gehen, doch der blonde Mann schenkte ihm keinerlei Beachtung.

„Wegen… dieser Hochzeitssache, meinst du?“ fragte Jon unsicher nach.

Trip nickte. „Ja, wegen deiner Hochzeit mit Hoshi. Himmel, was fällt dir ein? Wie kannst du es wagen, einen untergebenen Ensign zu heiraten! Weißt du eigentlich, was du ihr damit antust?“

Jon war sprachlos über das völlig überraschende Aufbrausen seines Freundes. „Was… Phlox, was haben Sie ihm erzählt?“ wandte er sich schließlich an den Denobulaner.

„Dass Sie Ensign Sato – pardon, Ensign Archer – geheiratet haben, um einem Duell aus dem Wege zu gehen, das die Formung der Allianz verhindert hätte“, entgegnete der Arzt ratlos. Er schien sich ebenfalls keinen Reim auf das Verhalten seines Kollegen machen zu können.

Trip war noch nicht am Ende mit seinem Protest. „Ich kann nicht glauben, dass du Hoshi den Befehl gibst, deine Frau zu werden, nur um deine eigene Haut zu retten!“

Jetzt war Jons Geduld zu Ende. „Meine eigene Haut hatte damit herzlich wenig zu tun!“ rechtfertigte er sich ärgerlich. „Es ging mir nicht um mein Leben. Du weißt, dass ich höhere Ziele stets in den Vordergrund stelle und mehr als einmal bereit war, mein Leben für die größere Sache zu opfern! Mir ging es um die Allianz! Die Verhinderung von Kriegen! *Nie* hätte ich einer solchen Sache zugestimmt, nur um mein Leben zu retten! Und das weißt du, Trip!“ Jetzt war auch er in Rage.

Der Commander war noch immer nicht zufrieden. „Warum musste es ausgerechnet Hoshi sein? Gibt es auf diesem Schiff nicht genug Frauen?“

Jon stutzte. War ihm eine wesentliche Entwicklung im Gefühlsleben seines Freundes entgangen? „Mir war nicht bewusst, dass du ein besonderes Interesse an Ensign Sato hast“, antwortete er vorsichtig.

„Und mir wäre ebenfalls nicht aufgefallen, dass du dich sonderlich für sie interessierst!“ schoss Trip zurück. „Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was du ihr damit antust? Was du von ihr verlangst?“ Er hielt kurz inne. „*Was* genau verlangst du eigentlich von ihr, Jon? Phlox sagt, ihr habt eine legale Ehe geschlossen. Sag mir nicht, dass du…“

Er ließ den Satz unbeendet im Raum stehen, doch Jon kannte ihn gut genug, um zu wissen, was er gesagt hätte, wenn sie allein gewesen wären. Abgesehen davon, dass er auf diese Frage derzeit keine Antwort wusste, wurde es langsam Zeit, der Unterredung eine andere Richtung zu geben und den untergebenen Offizier in seine Schranken zu verweisen.

In bemüht ruhigem Tonfall sagte Jon: „Ihr seid beide übermüdet. Ruht euch aus. Es hat keinen Sinn, auf diesem Niveau weiter zu diskutieren, Trip.“ Eine Bemerkung konnte er sich jedoch nicht verkneifen, als er noch einmal in Trips immer noch zorniges Gesicht sah. „Und übrigens: Die Sache war Hoshis eigene Idee.“

Mit diesen Worten ließ er die Offiziere stehen und machte sich auf den Weg auf die Brücke. Es wartete noch eine Menge Arbeit auf ihn.

~*~

Hoshi kam sich vor, als hätte sie Stubenarrest, aber sie traute sich auch nicht nach draußen. Jeder würde sie fragen, wie sie sich als Mrs. Archer fühle, und würde womöglich Dinge wissen wollen, auf die sie selbst keine Antwort hatte.

Glücklicherweise befand sich unter ihren persönlichen Sachen ein Padd mit einer Übersetzung, die sie noch beenden musste. Die meiste Zeit starrte sie jedoch ins Leere oder drehte den ungewohnten Ring an ihrem Finger und fragte sich, wann Captain Archer wohl in sein Quartier zurückkehren würde.

Sie hatte sich nie wirklich Gedanken gemacht, wie lange eine Schicht des Captains dauerte. Eigentlich war es schon so, dass man ihn zu jeder halbwegs christlichen Uhrzeit auf der Brücke oder in seinem Bereitschaftsraum antraf. Porthos döste in seinem Körbchen in der Ecke und schien nicht mit der unmittelbaren Rückkehr seines Herrchens zu rechnen.

Eine Ewigkeit später öffnete sich die Tür.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so lange allein gelassen habe, Ensign“, entschuldigte Jon sich. Die Betonung ihres Dienstgrades außerhalb der Dienstzeit verdeutlichte Hoshi, dass sich eine unangenehme Distanz zwischen ihnen aufgebaut hatte.

Sie lächelte müde. „Kein Problem. Aber wir sollten über einige Sachen reden.“

Er nickte. „Deshalb bin ich hier.“

So. War er das? Sie war also nur ein weiterer abzuarbeitender Punkt auf seiner Agenda? Sie seufzte. Solche Gedanken brachten gar nichts.

„Sind die Andorianer noch an Bord?“ fragte sie.

„Ich habe Shran versprochen, dass wir ihn persönlich nach Andoria bringen“, bestätigte Jon.

„Das heißt, ich werde noch für ein paar Tage hier wohnen müssen“, schloss Hoshi.

Er nickte zögernd. „Es tut mir leid, dass Ihnen dadurch Unannehmlichkeiten entstehen. Ich bin aber ohnehin sehr selten hier, und zum Schlafen werde ich eine brauchbarere Couch auftreiben.“

Nun war es an ihr, zögernd zu nicken. „Soll ich meinen ganzen Kram auspacken oder lieber in den Kisten lassen?“

„Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause“, sagte er verlegen.

„Ich frage vor allem, weil ich nicht weiß, ob mit Commander Shrans Anwesenheit hier gerechnet werden muss“, erklärte sie. „Vielleicht erwartet er, dass Sie ihn zum Essen einladen.“

Jon zuckte die Schultern. „In den letzten Tagen habe ich mit Shran und dem Tellariten in meinem privaten Speiseraum gegessen. Ich denke nicht, dass er eine Einladung in mein Privatquartier erwartet.“

„Vielleicht wäre das aber eine nette Sache?“ überlegte Hoshi. „Ich könnte etwas Japanisches kochen. Und wir zeigen Shran soviel häusliche Harmonie, dass er das Ende des Essens kaum erwarten kann.“

Jon lachte leise. „Eine schöne Idee. Ich werde es ihm vorschlagen.“

~*~

Hoshi bestand darauf, dass er auch diese Nacht nicht auf der Couch schlief. „Seien Sie nicht albern“, sagte sie. „Wir sind erwachsene Menschen. Ich hätte ein sehr schlechtes Gewissen, wenn Sie morgen mit Rückenschmerzen auf der Brücke stehen. Und auf Außenmissionen haben wir schon mehr als einmal in derselben Höhle geschlafen.“

Jon erwähnte nicht, dass Hoshis große, dunkle Augen damals eine ganz andere Rolle für ihn gespielt hatten (nämlich gar keine), ebenso wie ihr zarter, durchtrainierter Körper. Beides konnte er jetzt nur sehr schlecht aus seiner Wahrnehmung ausblenden, und allein der Gedanke, sich wenige Zentimeter neben sie zu legen, bereitete ihm Hitzewallungen. Während er sich im Bad mit einem züchtigen Pyjama bekleidete, hoffte er inständig, dass dieser eventuelle Peinlichkeiten verbergen würde, wenn die sich nicht vermeiden lassen würden. Es war lange her, dass er mit einer Frau im Bett gelegen hatte (wenn man von dem komatösen Schlaf am Vormittag absah), und er traute seinem Körper nicht recht zu, die Unverfänglichkeit dieser Situation zu begreifen.

Ein Gedanke führte ihn zum nächsten, und die erstaunlich heftige Reaktion Trip Tuckers fiel ihm wieder ein. Kurz entschlossen öffnete er die Badtür, um in dieser Frage Klarheit zu bekommen.

Hoshi hatte sich ebenfalls umgezogen und trug den gleichen dienstlich gelieferten Pyjama mit langen Ärmeln und Beinen. Nichts an ihr wirkte übermäßig sexy, stellte Jon beruhigt fest.

„Ich… würde Ihnen gerne eine persönliche Frage stellen“, begann er unsicher.

„Ja?“ fragte sie überrascht.

„Trip hat… sehr heftig reagiert, als er von dieser Heirat –“

„Hatten Sie Kontakt zu den beiden?“ fiel sie ihm aufgeregt ins Wort. „Sie sind am Leben? Sind sie etwa – sind sie etwa zurück?“ Ihre Stimme überschlug sich beim letzten Wort und Hoffnung, Unglauben und etwas anderes mischten sich darin.

Jon fühlte sich schlecht, weil ihr offenbar niemand diese wichtige Neuigkeit mitgeteilt hatte. „Trip und Malcolm sind wohlbehalten an Bord der Enterprise zurückgelangt. Das Marodeur-Schiff haben wir zerstört. Die Allianz hat ihr erstes Ziel erreicht“, verkündete er recht kleinlaut.

Sofort fuhr sie auf. „Wieso sagt mir das eigentlich keiner? Niemand hat mir Bescheid gesagt, niemand! Ich hatte doch Dienst, wieso hat mich keiner geweckt?“

„Weil ich angeordnet habe, Ihnen Ruhe zu gönnen“, gab er zu, erschreckt durch die Heftigkeit ihres Ausbruchs.

„Den ganzen Abend sitze ich hier, traue mich nicht raus, weil ich Angst habe, einem Andorianer zu begegnen und etwas Falsches zu sagen oder zu tun“, ereiferte sie sich weiter, und obwohl das nur der halben Wahrheit entsprach – an Andorianer hatte sie wenig gedacht – konnte sie nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. „Hier hab ich gehockt und auf Sie gewartet und mir Sorgen um meine Freunde gemacht. Ich dachte, die beiden wären tot! Und dabei waren sie längst wieder auf der Enterprise! Und niemand hat mir Bescheid gesagt!“

Jon war sehr unwohl in seiner Haut. So aufgewühlt erlebte er die Asiatin selten. Sein Verdacht erhärtete sich, dass sie und Trip eine Beziehung hatten. Wenn das stimmte – wie konnte er den Schaden wieder gutmachen?

„Es tut mir sehr leid, dass ich Sie so uninformiert gelassen habe“, sagte er vorsichtig. „Ich wollte Ihnen nach der durchwachten Nacht und dem anstrengenden Morgen wirklich nur Ruhe gönnen. Warum haben Sie sich nicht über Interkomm gemeldet und mich hergebeten, wenn Sie sich nicht vor die Tür getraut haben?“ Er gab sich große Mühe, die Frage nicht wie einen Vorwurf klingen zu lassen.

Sie lachte humorlos und kämpfte tapfer, um die Tränen zurückzudrängen. „Was hätte ich sagen sollen? ‚Sato an Archer – Schatz, wann kommst du nach Hause?’“

Er sparte sich den Hinweis, dass sie vorerst seinen Nachnamen teilte. Stattdessen seufzte er nur. „Es tut mir leid“, wiederholte er.

„Geht es ihnen wenigstens gut?“ fragte sie.

„Sie haben keine ernsten Verletzungen“, bestätigte Jon.

Sie machte keine Anstalten, aus dem Quartier zu stürmen, um sich selbst davon zu überzeugen, sondern atmete nur erleichtert aus. Er wollte sie zu gern fragen, wie es um sie und Trip stand, aber nach diesem Wortwechsel konnte er keine Überleitung finden, die nicht allzu unverschämt klang.

Ein kurzes Schweigen entstand, dann half sie ihm selbst auf die Sprünge. „Sie sagten vorhin, Trip hat sehr heftig auf die Nachricht unserer Heirat reagiert?“

Dankbar fing er den Ball auf. „Ja. Wundert sie das?“

Sie zuckte die Schultern, und Jon fragte sich, ob er die Geste überinterpretierte, wenn er sie für eine vage Zustimmung hielt. Vielleicht war das auch nur Wunschdenken. „Was hat er gesagt?“ fragte sie.

„Dass ich Sie ausnutze, um meine eigene Haut zu retten“, fasste er zusammen.

Sie fuhr auf, und schon befürchtete er einen erneuten Emotionsausbruch. Sie sagte jedoch nur nachdrücklich: „Das stimmt nicht! Das wissen Sie, das weiß ich, und das weiß auch Trip. Er hätte an Ihrer Stelle dasselbe getan, und an meiner auch. Wahrscheinlich war er nur total durcheinander.“

„Ja, er war sehr geschafft“, bestätigte Jon, dankbar für ihre Reaktion, aber nur halbwegs befriedigt. „Die beiden hatten viel Stress auf diesem Schiff, und haben nur durch reines Glück und Malcolms Genie in Sachen Pyrotechnik überlebt.“

Sie lächelte schon wieder, was ihm Grund zur Hoffnung gab. Mit einem Ruck rang er sich zu seiner Frage durch. „Sagen Sie… Gibt es eigentlich irgendjemanden, der… ich meine… habe ich gewissermaßen irgendjemandem die Frau weggeschnappt?“ Na, da hatte er sich ja mal wieder toll ausgedrückt, ärgerte er sich und rollte innerlich die Augen.

Sie lachte. „Nein. Wie kommen Sie darauf?“

Jon atmete hörbar aus. „Ich dachte nur. Die Frage hätte ich Ihnen vielleicht früher stellen sollen.“

Sie winkte ab. „Wenn ich mit jemandem liiert wäre, hätte ich ihn zumindest vorher um sein Einverständnis gebeten.“

„Wenn er erreichbar gewesen wäre“, fügte Jon gedankenverloren hinzu.

Sie machte ein verwundertes Gesicht. „Ach so? Sie haben gedacht, ich und der Commander…?“

Er machte eine entschuldigende Handbewegung.

Hoshi lachte. „Nein, ganz bestimmt nicht.“

Er nickte, bemüht, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. „Schön, dass wir wenigstens das geklärt haben.“

„Und was ist mit dem Rest?“ fragte sie, während sie sich in ihrer Hälfte des Bettes ausstreckte, das jetzt ihr gemeinsames war.

Er tat es ihr gleich, doch als er ihr in der Horizontalen in die Augen sah, merkte er, dass er auf diese Weise wohl kein konstruktives Gespräch mit ihr würde führen können. „Ich weiß nicht“, stammelte er. „Ich war noch niemals verheiratet – weder normal, noch in einer Scheinehe.“

Sie lächelte. „Ich auch nicht. Aber es scheint, als ob wir uns für eine Weile daran gewöhnen müssen.“

Sie war nur eine halbe Armeslänge von ihm entfernt. Obwohl sie separate Bettdecken hatten, spürte er die Wärme, die von ihrem Körper ausging. Zu gerne hätte er sie an sich gezogen.

„Tut mir leid, dass ich vorhin so zickig war“, sagte sie.

„Ach was. *Mir* tut es leid, dass ich nicht daran gedacht habe, Sie zu informieren.“

Sie lachte leise. „Jetzt haben wir immerhin unseren ersten Ehestreit hinter uns.“

„Wenn Sie das schon als Ehestreit bezeichnen, bin ich sehr gerne mit Ihnen verheiratet“, rutschte es ihm heraus.

Ihre Antwort war ein weiteres kleines Lachen. „Sie kennen mich lange, und seit vier Jahren arbeiten wir jeden Tag auf der Brücke zusammen. Aber ich schwöre Ihnen, ich habe da noch eine ganze Reihe Eigenheiten, von denen Sie nichts wissen. Ich glaube nicht, dass ein Mann alles an mir akzeptieren kann und trotzdem gern mit mir verheiratet wäre.“

„Das klingt ja nach einem dunklen Geheimnis“, mutmaßte er. „Wenn das so ist, werde ich mir Mühe geben, alles über Sie herauszufinden, so kurz diese Ehe am Ende auch sein mag.“

Ihr Lächeln blieb. „Kein dunkles Geheimnis. Nur ein Haufen alberner Spleens. Sie werden froh sein, wenn Sie mich wieder in mein Quartier schicken können.“ Nun wurde sie doch ernst. „Meinen Sie, die Sternenflotte wird mir überhaupt erlauben, auf der Enterprise zu bleiben, wenn diese Sache vorbei ist?“

Diese Frage hatte ihn auch schon beschäftigt, in den wenigen Minuten, die seine Aufmerksamkeit nicht von anderen wichtigen Dingen beansprucht worden war. „Ich werde mit Admiral Gardner sprechen. Wenn wir die Führung davon überzeugen können, dass die Heirat tatsächlich nur eine Farce war, haben wir gute Chancen, denke ich. Was mir eher Sorgen macht, ist, dass wir noch eine ganze Weile diese Ehe aufrechterhalten müssen – offiziell. Ich habe Bedenken, dass die Sternenflotte Sie in dieser Zeit auf ein anderes Schiff abkommandieren wird.“

Ihr Gesicht verzog sich zu einem schmerzhaften Ausdruck. „Warum denn das?“

Er hätte ihr gern tröstend über die Haare gestrichen, doch er wusste nicht, wie sie diese Geste auffassen würde. Und ob er dann in der Lage sein würde, es dabei zu belassen. „Schlimm genug, mit einem Offizier in derselben Kommandokette liiert zu sein. Meiner Frau Befehle zu erteilen, ist noch einmal eine andere Sache. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich schwere Entscheidungen treffen muss. Heute Mittag hätte es gut sein können, dass ich den Befehl zur Zerstörung des fremden Schiffes hätte geben müssen, während Trip und Malcolm noch an Bord waren. Wie könnte ich so etwas tun, wenn *Sie* betroffen wären?“

„Aber Sie lieben mich doch nicht wirklich!“ widersprach sie ihm in einem Ton, der fast bettelnd klang.

Er schwieg.

„Trip ist Ihr bester Freund! Wenn Sie ihn zum Tod verurteilen können, können Sie das mit Ihrer Frau doch auch!“

Vielleicht hatte sie damit nicht ganz Unrecht. „Aber es gibt Regeln“, sagte er härter, als er es vorgehabt hatte.

„Gibt es nicht!“ fuhr sie auf. „In dieser Sache hat die Sternenflotte Neuland betreten. Sie sind der erste Captain, der einen Ensign auf seinem Schiff geheiratet hat!“

Er sagte nichts dazu, um sie nicht noch weiter zu beunruhigen. Es musste Präzedenzfälle geben, denn viele Ehepaare lernten sich auf der Akademie oder als gleichrangige Offiziere kennen und wurden unterschiedlich befördert. Er bezweifelte, dass sich auch nur eins dieser Paare finden lassen würde, das auf demselben Schiff diente. „Wir werden sehen“, sagte er nur.

Sie drehte sich zur Wand. Er beobachtete, wie ihre Schultern zuckten, doch wenn sie weinte, tat sie es lautlos.

„Gute Nacht“, flüsterte er. Er bekam keine Antwort.
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