TrekNation

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Ohne Glocken, ohne Geigen

von MariaMagdalena

Kapitel 3

Ihr erster Tag als Ensign Archer auf der Brücke verlief erstaunlich ereignislos. Es gab genug zu tun, und niemand sprach sie auf ihre Situation an. Der Captain benahm sich genauso professionell wie immer. Sie begann sich beinahe zu fragen, ob sie sich die ganze Angelegenheit nur eingebildet hatte. Dann jedoch sprach sie wieder irgendjemand mit ihrem neuen Namen an, und wenn sie beim zweiten Mal endlich darauf reagierte, wurde ihr klar, dass die Dinge sich tatsächlich verändert hatten.

Nach ihrer Schicht stattete sie dem Koch einen Besuch ab und schmeichelte ihm die Zutaten für ein japanisches Menü ab. Dabei brauchte sie nur wenig Charme spielen lassen, denn er zeigte überraschend viel Verständnis für die Absichten der jungen Ehefrau. Sie fragte sich, wie viele Crewmitglieder eigentlich wirklich an diese Farce glaubten.

~*~

Crewman Hudginson nickte der Frau des Captains respektvoll zu, als er ihr auf dem Flur entgegenkam. Wer hätte das gedacht, dass Captain Archer mal heiraten würde, überlegte er. Nun, die Tatsache an sich war vielleicht gar nicht so bemerkenswert, aber nie hätte er vermutet, dass er die betreffende Frau kennen würde. Dass sie eine Kollegin von der Brücke sein würde. Natürlich nicht. Das war schon erstaunlich. Aber wenn man darüber nachdachte – warum nicht? Beim Mittagessen erst hatte Hudginson mit etlichen Kollegen das Thema diskutiert, und sie waren einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass Archer und Sato ein schönes Paar abgaben. Bis jetzt hatte sich im Verhalten des Captains nichts geändert, und Hudginson hatte genug Vertrauen in seinen Vorgesetzten, um davon auszugehen, dass das so bleiben würde. Je länger er darüber nachdachte, desto richtiger kam es ihm vor, dass der Führer dieses Schiffes eine Frau brauchte, einen Halt, zu dem er abends heimkommen konnte. Und der hübsche, aber bodenständige Kommunikationsoffizier erschien ihm als sehr geeignete Person für diese Rolle.

Es waren diverse Gerüchte im Umlauf, was das Zustandekommen dieser Ehe betraf. Angeblich hatten die beiden ja gar nichts miteinander. „Wer’s glaubt, wird selig“, murmelte Hudginson leise vor sich hin. Die neue Mrs. Archer war schon längst zu weit entfernt, um es zu hören. Hübsch sah sie aus, schöner als sonst, und ziemlich verliebt, bildete er sich ein. Die beiden teilten ein Quartier. Niemand konnte ihm erzählen, dass sich da nichts ergab. Selbst *wenn* sie tatsächlich mehr oder weniger zufällig in diese Ehe gestolpert sein sollten – was Hudginson ernsthaft bezweifelte. Wie alle anderen hatte auch er die Blicke, das glückliche Lächeln bei der Trauung registriert. Und: Er hatte die diskrete Bemerkung Crewman Millers, des privaten Stewards des Captains, gehört. Demzufolge nächtigten Mr. und Mrs. Archer offensichtlich im selben Bett. Was also sollte es noch zu diskutieren geben?

Er seufzte. Was musste Liebe schön sein. Er dachte an eine junge Frau mit blonden Locken und sehnte den nächsten Heimaturlaub herbei, der wie immer endlos weit entfernt schien.

~*~

Hoshi musste einsehen, dass ihr Projekt eines traditionellen japanischen Menüs nur mit Hilfe ihrer einflammigen Kochplatte schwer durchführbar war. Trotzdem gab sie sich alle Mühe, den Originalrezepten ihrer Großmutter wenigstens nahe zu kommen. Selbst das war nicht leicht, da die Lebensmittelvorräte der Enterprise eher auf die amerikanische Küche abgestimmt waren. Als sie ihren Blick schließlich über den gedeckten Tisch für drei Personen und die vorläufigen Ergebnisse ihrer kulinarischen Bemühungen schweifen ließ, war sie jedoch hinlänglich zufrieden. Zumindest sah alles sehr festlich aus. Ob es auch so schmeckte, musste sich erst noch zeigen, doch Hoshi wusste, dass sie eine ganz passable Köchin war.

Fehlten nur noch die Gäste. Reumütig gestand sie sich ein, dass sie sich darauf freute, einen Abend lang die glücklich verheiratete Ehefrau spielen zu dürfen. Sie *sein* zu dürfen.

Wie auf Kommando öffnete sich die Tür, und Jon trat in sein Quartier. Bevor Hoshi sich nach Commander Shran erkundigen konnte, eröffnete er ihr: „Es tut mir leid, Sie werden sich heute auf meine Gesellschaft beschränken müssen. Ich war so sehr davon ausgegangen, dass er kommt, dass ich Shran erst auf dem Weg hierher Bescheid gesagt habe.“

„Und er weigert sich zu kommen?“ fragte Hoshi ungläubig.

„Er erklärte mir, dass frisch verheiratete Andorianer sich einen Monat lang völlig aus der Gesellschaft zurückziehen, um sich ganz auf die Zeugung von Nachwuchs zu konzentrieren. Er sagte, er könne verstehen, dass die menschlichen Gebräuche anders seien, aber seine Erziehung verbiete es ihm, unsere ohnehin schon so knapp bemessene Freizeit weiter zu beschränken.“

Leicht verärgert zog Hoshi die Augenbrauen zusammen. „In den vergangenen Tagen haben wir um die gleiche Uhrzeit gemeinsam in der Kapitänsmesse gegessen. Da hatte er auch nichts dagegen.“

Jon hob bedauernd die Schultern. Dann sah er neugierig in Richtung der Kochplatte. „Es riecht wirklich lecker. Genießen wir den Abend halt zu zweit. Was haben Sie gekocht?“

Sie spürte ein Kitzeln in der Magengrube. Ein Date mit dem Captain. Auch nicht schlecht. „Es gibt Tatsuta, japanisches Hähnchen“, erklärte sie und hoffte, dass er das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht bemerkte. Himmel, sie benahm sich wie ein Teenager! „Vorher noch eine Suppe.“

Er nickte anerkennend. „Wo haben Sie dieses schöne Geschirr her?“

„Oh, das habe ich vor langer Zeit von meinen Eltern bekommen. Ich koche sehr gerne und habe vor einiger Zeit auch mal ein paar Leuten hier japanische Rezepte beigebracht.“ Sie sammelte das überflüssige dritte Gedeck ein und spürte beruhigt, dass sie sich wieder ganz im Griff hatte. Sie wagte ein unverfängliches Lächeln in seine Richtung. Er sah sie an und lächelte zurück. Sofort bereute sie ihren Mut und konzentrierte sich darauf, sich trotz ihrer Puddingbeine aufrecht zu halten. „Die Suppe“, erinnerte sie sich selbst und wandte ihm den Rücken zu.

Das Essen verlief in einer vor Spannung knisternden Atmosphäre, die jedoch nicht wirklich unangenehm war. Sie redeten über die Arbeit, die Allianz, die vergangene Xindi-Mission, aber auch über die Träume in ihrer Kindheit, ihre jeweiligen Erlebnisse an der Akademie, über Hobbys und Haustiere. Immer wieder fing Hoshi seinen Blick auf, und ihr Inneres zog sich auf eine gar nicht unangenehme Weise zusammen. Längst war ihr klar, dass auch er flirtete, was das Zeug hielt. Ein Lächeln hatte sich in ihre Gesichtszüge gebrannt, von dem sie sicher war, dass es nüchtern betrachtet ziemlich dümmlich wirkte, doch sie konnte nichts dagegen tun.

Ermutigt von Jons Blicken und dem süßen Reiswein stellte sie eine Frage, die ihr schon seit zwei Tagen auf dem Herzen lag: „C…, J…, Captain, ich wollte immer noch –“

„Jon!“ unterbrach er sie und beantwortete die Frage, bevor sie sie ganz gestellt hatte. „Ich kenne keine Frau, die ihren Mann zu Hause mit Dienstgrad anredet.“

Sei lächelte, sagte aber: „Sind Sie sicher, dass das auch für Scheinehen gilt? Immerhin sagt selbst Trip ‚Captain’, auch wenn die Schicht vorbei ist.“

„Trip nuschelt sein ‚Cap’n’, das ist mehr ein Spitzname als alles andere“, korrigierte Jon sie. „Manchmal sagt er aber auch Jon, wenn wir alleine sind.“

Etwas an der Wortwahl ließ sie aufsehen, doch Jon sah sie so offen an, dass sie den unpassenden Gedanken sofort verscheuchte. „Also gut“, sagte sie, „Wenn du darauf bestehst: Jon.“

Ein spitzbübischer Ausdruck gesellte sich in sein Lächeln. „Es gibt da doch diesen alten Brauch, ich glaube, er ist russisch.“

Verständnislos sah sie ihn an.

„Bruderschaft trinken“, erklärte er. „Auf der Akademie haben wir das oft gemacht. Ein kleines Ritual, nach dem man sich beim Vornamen nennt.“ Er drückte ihr ihre Tasse in die Hand. „So, jetzt verschränken wir unsere Arme – so. Und jetzt trinken!“

Sie bemühte sich, trotz des unvermeidlichen Lachens einen Schluck Wein herunterzubringen. Es musste ein ulkiges Bild sein, wie sie da verschlungen halb über den Tisch gebeugt hingen, den Kopf in der eigenen Armbeuge.

Jon löste die Verrenkung. „Jetzt küsst man sich auf den Mund, und dann stellt man sich mit Vornamen vor“, sagte er beiläufig.

Sie grinste und trat diesmal um den Tisch herum. „Das ist bestimmt eine sehr effektive Flirtmethode in Russland“, vermutete sie.

Er teilte ihr Grinsen, zog sie an sich heran und drückte ihr einen kurzen, durch und durch unromantischen Schmatz auf die Lippen. „Soweit ich weiß, praktizieren das dort hauptsächlich die Männer untereinander.“

„Wirklich?“ Sie war enttäuscht, dass dieser erste Kuss seit der Trauungszeremonie so schnell vorbeigegangen war. Erstrecht, wo die Stimmung vorher doch so viel versprechend gewesen war. Doch es war, als habe die alberne Verrenkung vorhin die sexuelle Spannung zwischen ihnen gelöst.

„Ich muss allerdings zugeben, dass ich an der Akademie dieses Ritual mit Mädchen vorgezogen habe“, ergänzte Jon, dem der Schalk aus den Augen sprach.

Auch Hoshi gab sich nun locker. „Ich allerdings bin kein Mädchen mehr, sondern deine Ehefrau, und deshalb trage ich dir jetzt auf, mir beim Abwaschen zu helfen! Los, Marsch, Marsch!“

Er lachte und sammelte gehorsam das Geschirr ein, um es ins Bad zu tragen. Natürlich könnten sie auch einfach nach dem Steward klingeln, doch Hoshi hielt es für selbstverständlich, die Angelegenheit selbst zu erledigen.

Während des Abwaschs redeten sie wieder auf ganz freundschaftlicher Ebene miteinander. Hoshi hatte das Gefühl, dass Jon das Gespräch ganz bewusst auf dieser Stufe hielt. Trotzdem sagte sie schließlich: „Im Nachhinein bin ich gar nicht böse über Commander Shrans Empfindlichkeit. Es war ein sehr schöner Abend mit dir, Jon.“

Er lächelte und nickte, doch sie hatte das Gefühl, dass er innerlich vor ihr zurückwich. „Ja. Shran hat sich wirklich ein tolles Essen entgehen lassen.“

Sie beließ es dabei und fragte sich, wohin der Mann verschwunden war, der beim Abendessen auf so angenehme und viel versprechende Art mit ihr geflirtet hatte.

~*~

Trip sah auf seine Füße, als sich die Türen des Turbolifts öffneten und Hoshi zustieg. Nur mit einem Murmeln antwortete er auf ihren fröhlichen Gruß. Es war ihm klar, dass sie jede Sekunde nachfragen würde, was sein seltsames Verhalten zu bedeuten hatte, doch er konnte sich nicht dazu bringen, den Blick zu heben und ihr ins Gesicht zu sehen. Erleichtert atmete er auf, als sich auf den letzten Drücker Crewman Ramirez in den Aufzug schob und unbefangen mit Hoshi zu plaudern begann.

~*~

Zwei Tage später erreichten sie Andor. Jon befahl, ein Shuttle startklar zu machen, um Commander Shran auf seinem Heimatplaneten abzusetzen.

„Wie wird Ihr Empfang ausfallen?“ fragte er den blauhäutigen Mann augenzwinkernd. „Müssen wir mit einer jubelnden Menge rechnen, die die Landung behindert?“

„Das glaube ich kaum“, erwiderte Shran ernst. „Ich habe mein Schiff und den Großteil meiner Besatzung verloren. Die nächsten Wochen werde ich hauptsächlich mit traurigen Familienbesuchen verbringen müssen. Die Allianz ist eine gute Sache, aber nicht alle Andorianer werden das so sehen. Die Stimmung der einfachen Leute ist immer noch sehr anti-vulkanisch, wissen Sie.“

„Aber Ihre Regierung wird doch für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit stimmen, oder?“ fragte Jon besorgt.

Shran nickte. „Davon gehe ich aus. Sie haben Großes geleistet, Captain, und diese Arbeit muss weitergeführt werden. Ich werde mich sehr für Sie einsetzen. Wie immer.“ Die letzten beiden Worte fügte er mit einem Lächeln hinzu. „Sie begleiten mich doch noch bis nach Andoria?“

„Das hatte ich vor“, nickte Jon.

Er verabschiedete sich von der Besatzung der Brücke, indem er flüchtig in die Runde nickte. Kurz blieb sein Blick an Hoshi hängen, doch er zwang sich, ihr keine Sonderbehandlung zukommen zu lassen. Schnell richtete er seine Augen auf die Tür, damit sie ihm nicht ansah, wie ungern er sie zurückließ. Nun, es war ja zum Glück nicht so, als bräche er zu einer monatelangen Expedition auf. Je nach dem, wie ausführlich das Händeschütteln und Schulterklopfen mit den Honoratioren in Andoria ausfallen würde, wäre er möglicherweise noch heute Abend, spätestens aber in ein paar Tagen zurück.

Travis steuerte das Shuttle, Shran schien sich meditativ auf die Begegnung mit seinen Leuten vorzubereiten, und da er nichts Besseres zu tun hatte, hing Jon während des kurzen Fluges seinen Gedanken nach.

Diese Sache mit Hoshi. Noch hatte er das Gefühl, sich halbwegs im Griff zu haben. Aber wenn er nicht aufpasste, würden seine Gefühle schnell überhand nehmen. Gestern war er nahe daran gewesen, sich zu vergessen. Kurz verdrehte er die Augen hinter seinen geschlossenen Lidern. Wie leichtsinnig er gewesen war, dieses alberne Bruderschafts-Ritual vorzuschlagen! In dem Moment war sein einziger Gedanke gewesen, dass er die schöne Asiatin auf diese Weise einmal mehr küssen konnte. Erst, als er das Spielchen bereits vorgeschlagen hatte, war ihm die Gefährlichkeit der Aktion bewusst geworden, und es hatte ihn jedes Bisschen an Selbstbeherrschung und Disziplin gekostet, die Stimmung zwischen ihnen wieder in freundschaftliche Bahnen zu lenken, statt sich zu Dummheiten hinreißen zu lassen, die Hoshi ihm wahrscheinlich sogar ohne zu zögern erlaubt hätte.

Er war nicht gerade ein Frauenheld, aber er besaß doch genug Erfahrung um zu wissen, dass die Linguistin gestern Abend auch mit ihm geflirtet hatte. Er hätte schon aus Stein sein müssen, um das nicht zu bemerken. Unglücklich rutschte er auf seinem Sitz hin und her, während er an den vergangenen Abend dachte. Er hätte nicht viele der verstaubten Register seiner Verführungskünste ziehen müssen, um die Armlänge zu überbrücken, die sie des Nachts voneinander trennte. Wie gerne er das getan hätte! Aber er wusste zu gut, dass das eine sehr große Dummheit gewesen wäre. Er war ihr Captain, und es war das Beste, wenn sie den Erwartungen der Sternenflotte entsprachen und ihre Beziehung platonisch hielten. Auch, wenn es ihm schwer fiel.

~*~

Sobald das Shuttle sicher auf Andor gelandet war, meldete Travis sich und den Captain ordnungsgemäß ab. Wie üblich trugen sie ihre Kommunikatoren bei sich, doch sie würden sich nur bei Bedarf melden, oder spätestens, um ihre Rückkehr anzukündigen.

Hoshi zwang sich, ihren Freund mit einem Lächeln zu verabschieden. Innerlich ärgerte sie sich, dass Jon nicht einmal das selbst getan hatte. Heute Morgen hatte er das Quartier bereits verlassen gehabt, als sie erwachte, und auch ihr Frühstück hatte sie nur mit Commander Shran zusammen im privaten Speiseraum des Captains eingenommen. Dessen anzügliches Grinsen bei der Nachfrage nach dem vergangenen Abend kostete sie einiges an Beherrschung, und ihre Laune war nicht die beste gewesen, als Jon sich mit einem unverbindlichen Nicken verabschiedet hatte, das nicht einmal ihr persönlich gegolten hatte.

Was war los mit diesem Mann, den sie geheiratet hatte? Sie konnte sich denken, dass er absichtlich auf Abstand ging, sich willentlich dazu durchgerungen hatte, die kribbelnde Atmosphäre beim Abendessen gegen die kalte Unverbindlichkeit auszutauschen, mit der er sie jetzt ignorierte. Wenn sie es recht bedachte, machte diese Haltung wahrscheinlich sogar Sinn und war letztlich zu ihrer beider Besten. Trotzdem fühlte sie sich ungerecht behandelt. Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, war sie auch unheimlich enttäuscht.

Seufzend nahm sie ein Padd mit weiterzuleitenden Transmissionen zur Hand. Nach dem Ende ihrer Schicht kehrte sie in das Quartier zurück, dass ihr immer noch so fremd vorkam, und trotz Porthos’ schwanzwedelnder Wiedersehensfreude heute auch so unglaublich leer.

~*~

Travis langweilte sich unbeschreiblich in Andoria. Ein Meet-and-Greet folgte dem nächsten, und sobald die Gespräche interessant wurden, schickte man ihn weg. Die andorianischen Frauen waren kalt und wenig entgegenkommend, und überhaupt fror er sich hier unten den Hintern ab! Die Stimmung war gereizt und viel weniger enthusiastisch, als er angesichts der beeindruckenden Leistung der Allianz angenommen hatte. Er war froh, als Archer ihm ankündigte, dass sie den Planeten am kommenden Morgen verlassen würden.

~*~

Travis stellte eine Verbindung her und kündigte ihre baldige Rückkehr auf die Enterprise an. In wenigen Minuten würden er und der Captain an Bord kommen. Hoshi bestätigte und erteilte ihm die Erlaubnis anzudocken.

Zwei Nächte hatte Hoshi allein in dem großen Bett des Captains verbracht. Sie hatte ernsthaft überlegt, ob ihre Anwesenheit in diesen Räumen überhaupt noch angebracht war, aber nach dem eher halbherzigen Einsammeln ihrer persönlichen Gegenstände hatte sie sich nicht dazu durchringen können, in ihr eigenes, leeres Quartier zurückzukehren. Sie sagte sich, dass sie den Befehl des Captains abwarten oder die Sache wenigstens mit ihm besprechen sollte. In den Momenten, in denen sie sich eingestand, dass das nicht die ganze Wahrheit war, schalt sie sich einen naiven Dummkopf, weil sie entgegen jeder Vernunft immer noch ein bisschen hoffte, er würde sie vielleicht bitten zu bleiben. Wenn sie ihn durch ihre Rückkehr zu den alten Gewohnheiten vor vollendete Tatsachen stellte, würde er sie wahrscheinlich nie wieder darauf ansprechen, selbst wenn er wollte. Wenigstens ihre Taschen aber standen gepackt neben der Tür.

Der Andockvorgang war Routine. Sie achtete kaum auf die Abläufe und war in Gedanken schon beim Zusammentreffen mit dem Ehemann, dessen Verbindung sich jetzt wohl auf die auf dem Papier beschränken würde. Erst als Lieutenant Reed anmerkte: „Sie sind viel zu schnell! Sie sollten längst abbremsen!“, sah sie auf und rief dann schnell die entsprechenden Daten auf ihren Bildschirm. Tatsächlich, das Shuttle näherte sich mit viel zu hoher Geschwindigkeit.

„Rufen Sie sie!“ befahl der Subcommander.

Hoshi gehorchte. „Shuttlepod one, was ist los?“ fragte sie nervös in ihr Mikrofon.

Es dauerte zwei Sekunden, bis Travis sich meldete. „Hier Shuttlepod one. Wir haben die zu hohe Geschwindigkeit gerade erst bemerkt. Die Anzeigen sind falsch. Ich habe versucht abzubremsen, aber die Schubumkehr funktioniert nicht.“

„Sie sind also nicht in der Lage, Ihre Geschwindigkeit dem Andockvorgang anzupassen?“ fragte T’Pol ruhig.

„Nein, verdammt, wir können nicht bremsen!“ Travis’ Stimme war deutlich nervös.

Auf ihrem Schirm sah Hoshi, dass das Shuttle sich bereits gefährlich nah bei der Enterprise befand. In wenigen Minuten würde es an der Außenhülle zerschellen.

Innerhalb von Sekunden breitete sich eine verzweifelte Unruhe auf der Brücke aus. Hoshi fühlte, wie ihr Herz ihr bis zum Hals klopfte. Hatte Captain Jon Archer die Erde gerettet, um bei einem Shuttle-Unfall ums Leben zu kommen? Sie kämpfte gegen das völlig irrationale Bedürfnis, eine Verbindung herzustellen und laut seinen Namen zu rufen.

In die ausbrechende Hektik hinein tönte T’Pols wie immer stoisch ruhige Stimme: „Brücke an Maschinenraum: Gehen Sie auf einen halben Impuls!“ Den Mann auf Travis’ Platz wies sie an: „Bringen Sie die Enterprise aus der Flugbahn des Shuttles!“

Hoshi starrte auf den Bildschirm, der die Entfernung zwischen den beiden ungleichen Schiffen anzeigte. Das war zu nah! Sie würden es nicht schaffen! Der Antrieb brauchte eine kurze Zeit, um anzulaufen, und noch bewegte die Enterprise sich keinen Zentimeter, während Jon und Travis immer weiter auf ihre verdammt harte Hülle zurasten.

Tränen stiegen ihr in die Augen. Entschlossen zwinkerte sie sie zurück. Jon hatte ausweglosere Situationen überlebt. Menschen wie er starben nicht bei dummen Unfällen. Selbst wenn man sie wochenlang für tot hielt, pflegten sie plötzlich unbeschadet auf der Brücke zu erscheinen.

Nur, dass es diesmal keinen Daniels geben würde, der Jon in eine andere Zeit verfrachtete, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.

Sie hielt es nicht mehr auf ihrem Posten aus und lief, ohne sich zu entschuldigen, zum Turbolift. Warum bloß hatten sie keine Kameras an der Schiffsunterseite, so dass sie wenigstens hätte sehen können, ob… Andererseits war sie froh, den Zusammenstoß auf diese Weise nicht live miterleben zu müssen.

Die Fahrt vom obersten zum untersten Deck schien unendlich lange zu dauern. Hoshi spürte, dass sich das Schiff mittlerweile tatsächlich in Bewegung gesetzt hatte. Sie hoffte bloß, dass es noch nicht zu spät war. Sie wusste, dass, was auch immer mit dem Shuttle passieren würde, längst passiert sein würde, wenn sie in dem verglasten Observationsdeck an der Unterseite der Enterprise angekommen wäre.

Sie stürzte in den kleinen Raum und sah, wie gerade der Greifarm ausgefahren wurde und nach dem unversehrten Shuttle griff, das haarscharf an der Enterprise vorbeigerauscht sein musste. Der Greifer pflückte das kleine Schiff bei einer erstaunlich hohen Geschwindigkeit aus dem luftleeren Raum, als handele es sich um einen Baseball. Hoshi schluckte, als sie sich vorstellte, welchen Effekt diese Vollbremsung auf die Insassen haben würde. Aber sie lebten – aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest – und das war die Hauptsache. Sie waren nicht zerschellt.

Eilig und von einem wilden Gefühl der Hoffnung getrieben, das nur langsam einem Wechselbad aus prickelnder Euphorie und ängstlicher Gefasstheit wich, kletterte Hoshi eine Etage höher aufs E-Deck, wohin der Greifer das Shuttle verfrachtet haben musste. Sie hörte sich selbst schluchzen, bevor sie realisierte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Schnell drängelte sie sich an mehreren Crewmen vorbei, die Jon und Travis zur Hilfe eilten. Eigentlich hätten die Insassen des Shuttles zuerst die Prozedur der Dekontaminationskammer über sich ergehen lassen müssen, während das Shuttle mit einer hohen Strahlung dekontaminiert würde. In Fällen wie diesem wurde das Protokoll jedoch ohne einen zweiten Gedanken beiseite geschoben. Nun, Andor war ohnehin nicht für seine widerspenstigen Bakterienstämme bekannt.

Und Protokolle kümmerten Hoshi in diesem Augenblick herzlich wenig. Ängstlich stand sie in der großen Halle, während Dr. Phlox an ihr vorbeilief, Sanitäter im Schlepptau. Die Crewmen hatten inzwischen die Einstiegsklappe geöffnet. Hoshi bemerkte kaum, dass sie die Luft anhielt.

Endlich erschien Jon, gestützt auf zwei Männer, in der Öffnung. „Wie geht es Ihnen, Sir?“ fragte jemand besorgt. Jon antwortete, wie man es von ihm erwartete: „Diese Aktion hat meinen Bandscheiben nicht besonders gut getan. Ich bin dafür, dass wir doch wieder Bremsen einbauen.“

Die Männer lachten befreit. Hoshi gab keinen Ton von sich, während Tränen der Erleichterung über ihr Gesicht liefen. Trotzdem bemerkte Jon sie und blickte ihr ins Gesicht. „Hoshi“, sagte er leise.

Nun gab es kein Halten mehr für sie. Sie flog auf ihn zu und warf ihre Arme um seinen Hals. „Jon, ich bin so froh, dass du lebst“, schluchzte sie.
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