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Die Nachtschicht

von Emony

Kapitel 1

Deck 5 / Kasino

„Harry?“ Er wedelte mit der Gabel in der Hand, vor Kims Gesicht, um wieder seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Hey, Harry ... - Paris an Fähnrich Kim!“ Allmählich schien er die Geduld zu verlieren und folgte Harrys Blick, der ihn einige Tische weiter führte. Erst als auch Lieutenant Paris die junge Frau entdeckte, stutzte er und grinste. Nichtsdestotrotz, war er bis eben noch mitten in einer Diskussion mit Kim, über sein kürzlich verlorenes Hoverballspiel, vertieft gewesen und wollte den Faden unbedingt wieder aufnehmen. „Psst, Harry!“, versuchte er es erneut, und bekam diesmal Gehör.

„Entschuldigung, wo waren wir?“

„Harry, vielleicht solltest du mal deine Ohren untersuchen lassen. Ich bin sicher, dass der Doktor etwas gegen deine Schwerhörigkeit tun kann“, grinste er und erntete einen genervten Blick von seinem Freund.

„Sehr witzig, wirklich ...“ Harrys Blicke schweiften wieder ab und er begann verlegen zu lächeln, wobei seine Wangen eine rötliche Färbung annahmen, als Fähnrich Jenkins seine Blicke bemerkte und ihm ein Lächeln schenkte.

„Nicht schon wieder“, wisperte Paris und schüttelte den Kopf. Er kannte Harry inzwischen gut genug, um zu erkennen, wann dieser sich verliebt hatte. Und das war ja nun offensichtlich der Fall. „Das ist also die Frau, die mich in den letzten Wochen in der Nachtschicht ersetzt hat?“

„Hm – Ja ... Es mag seltsam klingen, aber seit einer Woche geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf“, erwiderte Harry nachdenklich und wandte sich wieder seinem Freund und dem Mittagessen zu.

Neelix hatte wieder einmal ein unidentifizierbares Gericht gekocht, dass Harry an Leola-Wurzeln und Spinat erinnerte. Es schmeckte eigenartig, aber nicht unbedingt schlecht.

„Sie scheint es dir ja wirklich sehr angetan zu haben?“

„Schon möglich. So wie B’Elanna dir“, schmunzelte der junge Fähnrich und nahm eine Gabel voll des Gerichts zu sich. Wieder schüttelte Lieutenant Paris den Kopf, musste ihm aber insgeheim Recht geben. Schließlich waren er und B’Elanna bereits seit einiger Zeit zusammen und er liebte sie wirklich über alles.

~

Wenig später öffnete sich die Tür zum Kasino und die Chefingenieurin betrat den Gesellschaftsraum. Ihr Blick wanderte auf der Suche nach jemand bestimmtem über die Tische, und als sie Tom und Harry entdeckt hatte, begab sie sich direkt zu ihnen.

„Na ihr beiden, ist hier noch ein Platz frei?“, fragte sie höflich und gab Tom einen Kuss.

„Na, für dich doch immer“, erwiderte er und nickte zu dem Tisch, an dem die andere Frau saß. „Harry, hat’s mal wieder voll erwischt.“

„Das ist nicht wahr!“, protestierte dieser sogleich. „Sie ist sehr nett und wir bilden ein gutes team in der Nachtschicht, das ist alles.“ Mit Tom über sein Privatleben zu reden, war die eine Sache, aber mit einer Frau darüber zu reden, war eine andere. Außer ein paar Runden Hoverball, einer Außenmission und den gemeinsamen Nachtschichten hatte er sich Fähnrich Jenkins ohnehin noch nicht genähert, also schien es kaum der Rede wert zu sein.

„Ja klar“, neckte B’Elanna Torres ihn.

Es war, als hätte sich das Liebespaar gegen ihn verschworen. Trotzig stand der Fähnrich auf, strich seine Uniform glatt und sah zu den Beiden hinab. „Wir sehen uns auf der Brücke, Tom. B’Elanna ...“, sagte er fast ein wenig schnippisch und verabschiedete damit kurzerhand. Es war schon nervig genug Toms Neckereien ertragen zu müssen, aber wenn er auch noch die Halbklingonin auf seiner Seite hatte, war jede Argumentation vergeblich, das hatte Harry in den vergangenen Jahren gelernt. Und er war klug genug, um einer Situation wie dieser aus dem Weg zu gehen. Bevor er das Kasino verließ, drehte er sich nochmals zu Jenkins um, die ihm abermals zulächelte.

Es war als würden seine Gefühle Achterbahn fahren. Eben war er noch frustriert und genervt gewesen, doch dann hatte ihm ein einziges Lächeln von Jenkins genügt, um seine Laune massiv zu verbessern. Und so kehrte er frohen Mutes an seinen Arbeitsplatz zurück.

~

„Was, war denn das eben? Harry ist doch sonst nicht so ...“ Torres lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah Tom fragend an.

„Das ist unser Harry, wenn er ein Geheimnis bewahren will, das ohnehin kein Geheimnis mehr ist. Jeder, der ihn nur halb so gut kennt wie ich, der weiß, dass er verliebt ist.“ Tom lächelte und ergriff B’Elannas Hände. „Ich kann ihn verstehen. – Als wir frisch zusammen waren, hat man mir auch an der Nasenspitze ansehen können, dass ich verliebt Hals über Kopf verliebt war. Es zu leugnen wäre sinnlos gewesen..“

Die Halbklingonin erwiderte Toms Lächeln und streichelte seine Hände. Ihr Magen erinnerte sie aber in diesem Augenblick daran, weshalb sie das Kasino aufgesucht hatte und ihre Pause war leider begrenzt. Gerade als ihr Magen ein weiteres Mal knurrte, und Tom auch allmählich aufbrechen musste, kam Neelix an ihren Tisch.

„Was kann ich Ihnen bringen, B’Elanna? Sie sehen hungrig aus.“

„Was gibt es denn?“, fragte sie mit kritischer Miene und fürchtete schon das Schlimmste. Tom gab ihr noch einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verschwand dann ebenfalls auf seinen Posten.

~

Deck 1, Brücke

Am Abend stand Harry an seiner Konsole und konnte den Schichtwechsel kaum noch erwarten. Er hatte den Commander gebeten eine Doppelschicht machen zu dürfen, die ihm auch letztlich genehmigt worden war. Chakotay hatte es zwar nicht nachvollziehen können, weshalb der Fähnrich seit Neuestem bereit war Doppelschichten zu schieben, aber das war ihm gerade recht. Denn auf diese Weise war es nicht notwendig, dass der Erste Offizier den Platz des Captains einnahm.

Die Tür des Turbolifts ging auf und Fähnrich Jenkins betrat die Brücke. Sie machte sich ohne Umschweife auf zu ihrer Station. Im selben Augenblick, als Jenkins Lieutenant Paris an der Conn ablöste, machte Harrys Herz einen Freudensprung. Unwillkürlich begann er zu lächeln, blieb dabei aber unbemerkt.

Der Captain und auch Chakotay erhoben sich von ihren Plätzen und gingen auf den Turbolift zu. Janeway wandte sich an den jungen Fähnrich und lächelte, zuversichtlich, dass er seine Pflichten gut erfüllen würde. „Sie haben die Brücke, Harry.“

Sein Gesicht erstrahlte noch mehr. „Aye, Captain“, erwiderte er und ging um seine Konsole herum, folgte dem Geländer, das hinter den beiden Kommandosesseln verlief und machte es sich auf Janeways vorgewärmtem Sessel bequem.

Nach und nach wechselten sämtliche Crewmitglieder ihre Schichten. Nach weniger als zehn Minuten waren lediglich vier Offiziere auf der Brücke übrig.

~

„Status?“, fragte Harry und sprach damit Fähnrich Jenkins an, die den Kopf mit einem Lächeln schüttelte.

„Unverändert, Sir. Wir fliegen noch immer mit Warp 5,5. Und die Sensoren haben nichts entdeckt.“ Jenkins drehte sich zum amtierenden Captain um. „Erlaubnis offen zu sprechen, Sir?“

Harry Kim nickte freundlich und Jenkins stand auf. Langsam bewegte sie sich auf ihn zu und blieb dann unmittelbar vor ihm stehen.

„Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Sie seit Wochen die Nachtschicht übernehmen?“ Jenkins war sich wohl bewusst darüber wie direkt ihre Frage war, aber ihr war auch nicht entgangen, dass Harry seit einiger Zeit versuchte in ihrer Nähe zu sein, ganz gleich wo sie sich aufhielt.

Er lächelte verlegen. „Der Commander hat mich dafür eingeteilt, Fähnrich.“

„Sir, es ist mir nicht entgangen, dass Sie eine Doppelschicht durchführen. Nur denke ich, dass seit Wochen nichts Aufregendes geschehen ist, was diese Sicherheitsvorkehrungen erklären würden. Gewohnheitsmäßig sind Sie nur alle drei Wochen mit der Nachtschicht dran ...“, sprach Jenkins ruhig. Sie wollte nicht, dass die anderen beiden Offiziere ihr Gespräch mitanhören konnten. Sie überlegte einen Augenblick und musterte Harry dabei. Offenbar hatte sie ihn in Verlegenheit gebracht. Seine Wangen begannen sich zu röten und scheinbar wusste er nicht, was er ihr antworten sollte. Es war beinahe so, als fühle er sich ertappt und Jenkins glaubte zu wissen, was der Grund für seine zusätzlichen Schichtdienste war.

Sie lächelte ihm zu. „Fragen Sie mich doch einfach...“

„Fragen – was?“, verstellte sich Harry und hoffte, dass er glaubhaft wirken würde.

„Das, was Sie mich schon seit einer Weile fragen wollen, sich aber scheinbar nicht trauen. Ich bin nicht blind, Sir“, endete sie flüsternd und Harry biss sich unsicher auf die Lippen.

Ganz offenbar war sie in der Tat nicht blind. War er wirklich so leicht durchschaubar? War es möglich, dass sie von Anfang an bemerkt hatte, dass er sie sympathisch und mehr als anziehend fand? Unruhig kaute er auf seiner Unterlippe, während er verzweifelt versuchte einen Satz in seinem Kopf zusammenzustellen, der ihn nicht wie einen vollkommenen Idioten dastehen lassen würde.

„Sie sind ziemlich direkt, Fähnrich“, bemerkte Harry schließlich und versuchte dabei zu lächeln, auch wenn es ihm unendlich peinlich war, dass sie ihn so leicht durchschaut hatte.

„Ja, Sir, das bin ich. Vielleicht sollten Sie sich ein Beispiel nehmen?“, grinste Jenkins erneut und versuchte somit das Eis zu brechen. Sie wollte es von ihm hören ... Sie war in dieser Hinsicht ein wenig altmodisch und zog es vor, dem Mann den ersten Schritt zu überlassen. Vielleicht fehlte ihr selbst auch einfach nur der Mut.

Harry räusperte sich und versuchte zu ignorieren, wie stark sein Herz gegen seine Brust hämmerte.

„Ich ... ich weiß, dass es auf einem Schiff nicht wirklich machbar ist – aber ... würden Sie mit mir ausgehen?“, fragte er schüchtern und hätte sich am Liebsten selbst geohrfeigt, weil er nicht genug Selbstvertrauen hatte aufbringen können, um diese eine Frage fließend auszusprechen.

„An was denken Sie dabei?“, entgegnete Jenkins. Sie wollte, dass Harry aus sich herausging und nicht wie ein verschüchterter Kadett wirkte. Sie hatte zu lange auf eine Gelegenheit wie diese gewartet. Zu lange hatte er sie nicht bemerkt und sie nicht anders behandelt, als die übrigen Besatzungsmitglieder. Jenkins hatte geduldig auf diesen Tag gewartet und nun kostete sie diesen Augenblick vollkommen aus.

„Wie wäre es mit einem Dinner? Vielleicht auch einem Tanz oder zwei? Ich denke an einen netten, gemütlichen Abend auf dem Holodeck. Ich habe ein wenig Zeit zusammengespart.“

„Laden Sie mich ein, Fähnrich Kim?“ Jenkins war beinahe am Ziel. Sie lächelte triumphierend, da sie es doch noch geschafft hatte, dass er sich mit ihr verabredete.

„Selbstverständlich ... Wie wäre es mit morgen? Da habe ich tagsüber frei.“

„Einverstanden.“ Jenkins‘ Antwort war kaum gefallen, als sie sich auch schon wieder an ihre Station begab und ihrer Arbeit nachging, als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden. Sie konnte jedoch seinen Blick spüren auf sich spüren. Als sie sich noch einmal zu Harry umwandte, lächelte er fröhlich und sie erwiderte das Lächeln.

~

Viele Stunden später wurden die vier Brücken-Offiziere wieder von der Frühschicht abgelöst. Als der Captain die Brücke betrat, erhob Kim sich sofort von dem Sessel auf und blieb stramm davor stehen.

„Rühren, Fähnrich“, kam es von Janeway. „Gab es irgendwelche Entdeckungen oder Vorkommnisse, von denen Sie mich unterrichten möchten?“

Harry lächelte Jenkins zu und schenkte dann seine Aufmerksamkeit wieder dem Captain. „Nein, Captain. Alles funktioniert innerhalb normaler Parameter. Es war eine ruhige Nacht, Ma'am.“

„Sie dürfen wegtreten, Fähnrich“, befahl Janeway. Und Harry machte sich auf zum Turbolift, Jenkins folgte ihm, nachdem sie Lieutanent Paris die Station übergeben hatte.

„Also dann um 18:00 Uhr?“, fragte Fähnrich Jenkins, sobald sich die Tür des Turbolifts hinter ihnen geschlossen hatte und Harry nickte.

Kim befahl dem Lift auf Deck 3 zu halten, wo sein Quartier lag, und antwortete Jenkins bevor er ausstieg. „Gut, bis später dann. Ich freue mich ...“ Er trat hinaus auf den Korridor und drehte sich zu ihr herum.

„Ich mich auch“, lächelte sie, ehe sich die Türen des Lifts erneut schlossen.

Harry blickte noch eine ganze Weile auf den geschlossenen Turbolift, bevor er sich auf den Weg zu seinem Quartier machte. Was ihm die ganze Nacht über nicht aufgefallen war forderte jetzt seinen Tribut, denn ihm fielen schon beinahe während des Gehens die Augen zu. Er freute sich schon auf sein Bett, schließlich hatte er jetzt etwas Schönes, wovon er träumen konnte.


ENDE
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