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Smashed to Pieces

von Emony

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Da zu stehen und zu sehen wie Trip – nein Sim! – in diesem Torpedogehäuse lag, darauf wartend seine letzte Reise anzutreten, jagte Hoshi Sato einen kalten Schauer über den Rücken. Sie spürte das typische Brennen, das aufkommender Tränen voraus ging und schloss kurz die Augen, nur um sie zwei Sekunden später wieder zu öffnen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter fühlte.

Langsam wandte sie den Kopf, so dass sie über ihre Schulter nach hinten sehen konnte, nur um dort Doktor Phlox stehen zu sehen, der ihr ein trauriges Lächeln schenkte, als wolle er sagen, dass alles wieder gut werden würde.

Die Zeit, die sie mit dem heranwachsenden Sim verbracht hatte, hatte ihr eine unerwartete Möglichkeit gegeben Trip Tucker kennen zu lernen. Sie kannte den echten Trip nicht wirklich gut. Wusste nur das, was in seiner Personalakte stand, das wenige, was er bisher von sich preisgab und dass er der Chefingenieur der Enterprise war. Mehr jedoch nicht.

Sim hatte ihr die Möglichkeit gegeben zu sehen, wie Trip als Baby war, als Kleinkind, als heranwachsender Jugendlicher und als junger Mann.

Durch diese Möglichkeit war ihr schmerzlich bewusst geworden, was sie schon viel zu lange verleugnete. Nicht nur öffentlich, auch vor sich selbst. Commander Tucker war immerhin ein vorgesetzter Offizier und gut acht Jahre lagen zwischen ihrem und seinem Geburtsjahr. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob sie irgendwelche Gemeinsamkeiten hatten. Doch sie war inzwischen mehr als gewillt dies herauszufinden. Nur woher sollte sie wissen, dass er dies ebenso wollte?

Ihrer Beobachtung nach galt sein Interesse der Vulkanierin. Was Hoshi kaum wunderte, immerhin war T’Pol der Grund der schlaflosen Nächte sämtlicher Männer an Bord. Mit ihr konnte Hoshi kaum mithalten. Sicher, sie hatte Vorzüge, aber rein optisch konnte sie T’Pol nicht das Wasser reichen. Und vermutlich war sie nicht halb so reizvoll, wie die Vulkanierin.

Trip Tucker jedenfalls schien Gefühle für die Vulkanierin entwickelt zu haben, die ihm selbst noch nicht richtig bewusste geworden waren. Hoshi konnte dies aus Sims Verhalten T’Pol gegenüber schließen. Schon als er noch ein Teenager gewesen war, hatte Sim viel von T’Pol gesprochen, immer wieder ihre Nähe aufgesucht und schließlich konnte Hoshi nicht mehr ignorieren, was so offensichtlich geworden war.

Andererseits bestand da die kleine Chance, dass lediglich Sim in T’Pol verliebt war und Trip – ihr Trip! – nichts weiter in dieser Frau sah, als die Freundin, die Kollegin. Es war nur eine kleine Chance, aber immerhin eine Chance. Und Hoshi wollte herausfinden, wie ihre Aussichten waren, was eine Vertiefung der Beziehung zu Commander Charles *Trip* Tucker anbelangte.

Der Torpedo wurde verschlossen, als Archers Abschiedsrede endete und nur wenige Augenblicke später dem Weltall übergeben. Hoshi hörte hinter sich ein unterdrücktes Schluchzen und vermied es sich umzudrehen. Sicher war es Phlox unangenehm Emotionen wie diese öffentlich auszuleben. Sie kannte den Denobulaner als einen beherrschten Mann, der zu tiefen Gefühlen imstande war, sie jedoch praktisch niemals zeigte.

Und für Phlox mussten diese Stunden besonders hart sein. Er hatte Sim geschaffen. Er war sozusagen sein Vater gewesen.

Hoshi hatte beobachten können, wie der denobulanische Arzt die Windeln des kleinen Sim wechselte, wie er ihn als Baby und auch als Kleinkind fütterte und wie er ihm das Lesen, Schreiben und Rechnen beibrachte.

Wie musste es für Phlox sein, wie unsagbar schwer, Sim loszulassen? Ihn sterben zu lassen, um ein Crewmitglied zu retten, das ihm vermutlich im Vergleich zu Sim fremd vorkam. Denn natürlich war es unmöglich, dass Phlox den Commander so gut kannte, wie er Sim kennen gelernt hatte, obgleich diese beiden Personen im Grunde identisch waren.

Hoshi legte ihre Hand über die von Phlox, welche immer noch auf ihrer Schulter ruhte. Und inzwischen hielt sie es weniger für Trost, den der Arzt ihr hatte zukommen lassen wollen, als welchen, den er selbst suchte.

Sie standen immer noch so da, als auch die letzten Crewmitglieder die Waffenkammer verließen. Tief durchatmend drehte sich Hoshi schließlich um. Und sie erschrak, als sie Tränen aus Phlox Augenwinkeln rinnen sah, die sich ihren Weg über die Wangen des Denobulaners bahnten. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Phlox sich ihr gegenüber so öffnen würde. Doch anscheinend waren auch sie sich dank Sim näher gekommen.

Hoshi hatte schon seit Beginn ihrer Reise an Bord der Enterprise ein besonderes Verhältnis zu Phlox. Sie hatte oft seinen Rat in Anspruch genommen, ganz gleich ob beruflich oder privat. Er hatte ihr viel über seine Heimat erzählt und wie er Arzt geworden war und sie hatte ihm von ihrer Vergangenheit erzählt. Doch so richtig privat waren ihre Gespräche nur selten geworden.

Sie erinnerte sich noch gut an das kurze Gespräch, das sie vor fast zwei Jahren über Elizabeth Cutler geführt hatten, als Phlox ihr erzählt hatte, dass er glaube, Ensign Cutler würde ihr romantisches Interesse an ihm bekunden.

Bis heute hatten die beiden es nicht geschafft ihre innige Beziehung zu vertiefen, obwohl Hoshi glaubte, dass sie ineinander verliebt waren.

Und sie wusste nur allzu gut, wie schwer es war, auf einem Schiff wie der Enterprise gewisse Hürden zu überwinden. Denn was, wenn es nicht funktionierte? Auch wenn ihr das Schiff an normalen Tagen riesig vorkam, so könnte es sich als zu klein erweisen, sollte sie jemand aus dem Weg gehen wollen. Das war immer so. Da konnten ganze Städte plötzlich winzig klein wirken.

Die Linguistin bemühte sich zu lächeln. „Haben Sie Lust mir Gesellschaft zu leisten, Phlox? Ich würde gerne etwas trinken gehen.“

Der Denobulaner nickte. „Gern. Ich könnte ein wenig Ablenkung brauchen.“

Wenig später saßen sich die beiden in der Mannschaftsmesse gegenüber. Sie schwiegen. Einige lange Minuten. Bis schließlich Hoshi sagte: „Sie haben das Richtige getan.“

„Da bin ich mir nicht sicher“, erwiderte der Arzt und Bitterkeit lag in seiner Stimme. „Mir ist bewusst, dass Sim nicht mehr viele Tage gehabt hätte. Doch er wäre eines *natürlichen* Todes gestorben und nicht etwa durch meine Hand. Auf Denobula gibt es einen Eid, der dem des Hippokrates gleicht. Ich habe beeidigt, dass ich Leben retten werde und nicht nehmen.“

„Phlox“, hauchte Hoshi einfühlsam und legte ihre beiden Hände auf die des Arztes. „Sie haben Sim doch geschaffen, um Leben zu retten. Commander Tuckers Leben. Ohne ihn hätten wir unsere Mission hier in der Delphic Ausdehnung nicht fortführen können. Dass Sie begonnen haben väterliche Gefühle für Sim zu entwickeln, konnte niemand ahnen. Nicht einmal Sie selbst.“ Phlox nickte stumm und seufzte schließlich. „Sie haben Sim geopfert, um Milliarden Leben zu retten, nicht nur das von Commander Tucker. Sie wissen das.“

„Mag sein“, seufzte Phlox schwermütig. „Doch das ändert nichts daran, dass ich mich schuldig fühle.“

Die junge Linguistin nippte an der Tasse Tee. „Möglicherweise würde es Ihnen helfen damit eher fertig zu werden, wenn Sie mehr Zeit mit Commander Tucker verbringen.“

„Ich sehe nicht, wie mir das helfen soll.“

„Nun ja“, begann Hoshi und nahm erneut einen Schluck Tee zu sich, ehe sie fort fuhr. „Wenn Sie Zeit mit Commander Tucker verbringen, dann sehen Sie, weshalb es unablässig war, dass Sie Sim operierten, auch wenn dies seinen Tod bedeutete.“

Phlox nickte. „Möglich, dass es mir hilft. Ein Versuch kann nicht schaden.“

Hoshi lächelte aufmunternd. „Mir hilft es immer, wenn ich über die verstorbene Person rede. Ich halte sie dadurch in meiner Erinnerung am Leben. Es löst den Schmerz zwar nicht auf, doch es mildert ihn immens.“

„Sie meinen, ich soll Commander Tucker von Sim erzählen?“

„Ja, warum nicht?“ Phlox hob und senkte die Schultern. „Sim und er waren sich sicherlich sehr ähnlich, aber nicht gleich. Immerhin wuchs Sim an Bord der Enterprise auf. Commander Tucker nicht.“

„Dennoch sind Sie nahezu identisch – gewesen“, fügte er schweren Herzens hinzu. „Wissen Sie, was Sim zu mir gesagt hat, kurz vor der Operation?“

Hoshi schüttelte lediglich den Kopf.

„Er sagte, dass er sich zwar nicht an Trips Kindheit erinnern könne, dafür aber an seine eigene. Er sagte…“ Phlox schluckte und rang einen Augenblick mit den Tränen. Hoshi sah ihn mitfühlend an, berührte abermals seine Hand. „Er sagte, dass ich ihm ein verdammt guter Vater war.“ Sein Kinn zitterte am Ende des Satzes.

„Oh Phlox!“ Nun nahm sie seine beiden Hände in ihre und drückte sie sanft und bestimmt zugleich. „Und Sie haben empfunden wie ein Vater.“

Er nickte nur, sah sich verlegen in alle Richtungen um. Er wollte nicht, dass man ihn derart niedergeschmettert sah. Verständlich, wie Hoshi fand. Er war sonst immer optimistisch, wenn alle anderen an Bord die Hoffnung verloren hatten. Er wollte, dass die Leute ihn als den fröhlichen Denobulaner sahen, nicht als den traurigen.

Sie blieben noch einige Zeit sitzen, leisteten sich stillen Trost, ehe Phlox sich letztlich von Hoshi verabschiedete, um sich in sein Quartier zurück zu ziehen.

Nach und nach verließen auch die letzten Offiziere, ausgenommen Hoshi Sato, die Mannschaftsmesse. Die Stille des Raums ließ sich innerlich erschauern, dennoch blieb sie sitzen. Sie wusste, dass ihr Quartier nicht weniger leise und einsam war. Und wer konnte schon sagen, dass nicht irgendwann an diesem Abend doch noch jemand auf einen Mitternachtssnack oder einen Drink hier hereinschauen würde?

ENDE
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