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Fesseln der Angst

von Emony

Kapitel 1

KAPITEL 1

Nachdem der Doktor mich über Interkom gebeten hat, sofort die Krankenstation aufzusuchen, bin ich nun hier. Ich stehe vor der Tür und frage mich, was mich wohl erwartet? Ich bete zu den Geistern meiner Ahnen, dass ihr nichts geschehen ist, während sie auf Rinara Prime verschollen war. Drei Wochen lang haben wir sie vergeblich gesucht – bis heute. Harry ist es heute endlich gelungen, ihre Muster zu entdecken und sie zurück auf die Voyager zu beamen. Wir mussten vom Schlimmsten ausgehen, da sie auf unsere Rufe nicht reagierte. Selbstverständlich hätte ihr Kommunikator auch einfach defekt sein können, aber jetzt wo ich hier vor dieser Tür stehe, überkommt mich ein schreckliches Gefühl. Der Doktor hat sehr dringend geklungen und darauf bestanden, dass nur ich komme.

Ich atme tief ein, versuche diese grauenvolle Vision von einer blutüberströmten Kathryn aus meinem Kopf zu verbannen und betätige den Türöffner. Der Anblick, der sich mir bietet, übertrifft all meine Albträume. Kathryn sitzt auf dem Biobett, ganz hinten auf der Krankenstation. Die Beine eng an die Brust gedrückt und die Arme darum geschlungen, wippt sie vor und zurück. Ihr Haar ist glanzlos und wirr. Mein Herz scheint stehen zu bleiben als das MHN auf mich zutritt, mit besorgtem Blick.

„Sie lässt sich nicht untersuchen, Commander. Sie wollte Sie sehen und weicht mir ständig aus, wenn ich versuche sie zu scannen“, erklärt der Doktor und wirft einen traurigen Blick in ihre Richtung.

Langsam nähere ich mich ihr und sie sieht zu mir auf. Sie hat geweint und zittert am ganzen Leib. Was ist dir nur zugestoßen, frage ich mich. Ihre Augen starren mich Hilfe suchend an und ich bleibe schließlich vor ihr stehen.

„Kathryn, bitte lassen Sie sich vom Doktor untersuchen“, sage ich sanft. „Er wird Ihnen helfen.“

„Bitte Captain“, versucht das Hologramm ebenfalls sie zu überzeugen.

Sie schüttelt heftig den Kopf und geht in Abwehrhaltung. „Fassen Sie mich ja nicht an!“

„Kathryn, was ist passiert?“, frage ich und möchte ihr tröstend die Wange streicheln, doch sie weicht mir aus. Gehetzt springt sie vom Biobett herunter und drückt sich an die Wand dahinter .

„Ich möchte Ihnen nichts tun, das wissen Sie doch. Der Doktor sagte, Sie wollten mich sehen – aber wie kann ich Ihnen helfen, wenn Sie sich vor mir fürchten?“

„Er soll gehen“, antwortet Kathryn und deutet auf den Doktor. Tränen steigen ihr in die Augen. Vor was fürchtet sie sich nur so?

Ein Blick zum MHN, den er versteht und daraufhin in sein Büro verschwindet. Wir sind allein. Ich gehe um das Bett herum, wieder auf sie zu. Dieses Mal bleibt sie stehen.

Ich mustere sie genau. Ihre nackten Beine sehen zerschunden aus, als hätte sie tagelang keine Schuhe getragen. Das Kleid, welches sie trägt, ist beschmutzt. Ich erkenne darauf Spuren von Grasflecken, Staub und... Blut – etwa ihr Blut?

„Sind Sie verletzt, Kathryn. Ist das Ihr Blut?“, frage ich unruhig. Sie antwortet mir nicht. Nicht einmal mit einer Geste. Sie steht einfach nur da und sieht mich mit diesem Hilfe suchenden Blick an. Es zerreißt mir das Herz, sie so zu sehen und ihr nicht helfen zu können.

„Was ist da unten geschehen? Hat Sie jemand verletzt?“, versuche ich erneut ein paar Informationen zu bekommen. Sie nickt ganz schwach, beinahe hätte ich es übersehen. „Möchten Sie es mir nicht erzählen, Kathryn?“

„Ich kann nicht“, murmelt sie und wischt sich zornig die Tränen aus den Augen.

„Wer hat Ihnen das angetan?“, frage ich und Wut steigt in mir auf. Wer immer das auch war, ich werde ihn finden und dafür bezahlen lassen.

„War es ein Einheimischer?“

Wieder bekomme ich nur ein kaum sichtbares Nicken als Antwort. So komme ich nicht weiter.

„Soll ich Sie in Ihr Quartier begleiten? Dort könnten Sie erst mal duschen und sich frische Kleidung anziehen.“ Erneut diese stumme Bestätigung. Ich versuche zu lächeln, aber es will mir nicht gelingen. Ihr Zustand macht mir Angst. Noch nie habe ich sie so verstört und verletzlich gesehen.

Ich betätige meinen Kommunikator: „Chakotay an Kim. Einen Ort zu Ort Transport, ins Quartier des Captains. Erfassen Sie mein Signal.“

„Aye, Sir“, höre ich die Stimme des Fähnrichs und fühle schon wie wir uns entmaterialisieren.

Ich möchte nicht, dass jemand uns auf dem Korridor begegnet. Ich bin sicher , es wäre Kathryn unangenehm.

Wir rematerialisieren inmitten des Wohnraums.

„Da wären wir. Ich lasse Sie jetzt besser allein. Der Doktor wird Sie dann später untersuchen.“

Sie schüttelt den Kopf. „Nein, ich will nicht allein sein. Bitte lassen Sie mich jetzt nicht allein hier .“ Kathryn hält mich am Arm fest, wie ein Ertrinkender sich an einen Rettungsring klammert.

„In Ordnung “, versuche ich sie zu beruhigen, „ich bleibe. Während Sie duschen repliziere ich uns einen Kaffee.“

Schweigend wendet sie sich von mir ab und geht in die hinteren Räume ihres Quartiers. Eine Gelegenheit den Doktor zu kontaktieren. Vielleicht hat er ja eine Theorie, die nicht ganz so schrecklich ist wie meine.

„Chakotay an Krankenstation.“

„Ja, Commander?“

„Wir sind jetzt in ihrem Quartier. Eine Dusche tut ihr vielleicht gut“, erkläre ich dem MHN, da wir einfach verschwunden sind.

„Verstanden.“

„Haben Sie eine Idee was ihr zugestoßen sein könnte?“, frage ich leise, damit Kathryn mich auch sicher nicht hört.

„Ja, aber... Ihr Verhalten in Begleitung ihrer Angstreaktionen auf Berührung, ließ mich zu dem Schluss kommen, dass der Captain missbraucht wurde. Könnten Sie mir bitte ihre Kleidung bringen, dann kann ich sie untersuchen und Ihnen näheres mitteilen“, bat der Doctor.

Mir wird ganz schlecht, als ich die Worte des MHNs höre. Das ist, was ich befürchtet habe. Missbrauch. Fragt sich nur auf welche Art und Weise. Es gibt viele Möglichkeiten missbraucht zu werden und ich hoffe, dass diese eine, die Schlimmste, nicht auf Kathryn zutrifft.

„Ich bringe sie Ihnen später vorbei. Möglicherweise ist der Captain dann auch eher in der Verfassung sich untersuchen zu lassen. – Chakotay Ende.“

***

„Sieh dich nur an“, murmle ich und starre auf das Spiegelbild. Ich sehe darin nicht mehr den Captain, die starke und stolze Frau, die ich einmal war. Ich sehe eine Frau, die zu unfähig war sich zur Wehr zu setzen. Eine Mitleid erregende Person, die schwach geworden ist. Mein Körper zeigt deutliche Spuren dieses. Schweins. Diesem Mistkerl, der mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin. Blaue Flecke, Kratzspuren und Blutergüsse, die sich einfach überall verteilen. Spuren, die auch die Schalldusche nicht entfernen konnte.

Ich schmecke ihn noch immer, kann ihn immer noch riechen. Übelkeit steigt in mir auf, bis ich schließlich zur Toilette renne und mich übergebe. Einmal und noch einmal. Ich kann sein Gesicht vor mir sehen, wie er mich mit seinem lüsternen, dunklen Blick anstarrt. Wie er es genießt, dass ich nicht stark genug bin. Ein drittes Mal übergebe ich mich und spüre plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich drehe mich ruckartig zu der Stimme, die zärtlich meinen Namen flüstert. Chakotay. Dass ich völlig nackt vor ihm stehe, scheint an ihm vorbei zu gehen. Ich sehe Tränen in seinen Augen. Wie paralysiert starrt er meine Wunden an.

Schnell greife ich nach meinem Morgenmantel und streife ihn mir über. Ich schäme mich. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Er sieht mich an wie ein Opfer. Und genau das bin ich.

„Kathryn, was haben die Ihnen angetan?“, fragt er fassungslos. Ich kann den Schmerz in seinen Augen sehen.

Ich wollte nicht, dass er mich je so sieht. Weder nackt, noch verletzlich oder geschunden. Ich wollte immer eine Frau sein, die er bewundert – ja, sogar begehrt. Aber wie kann man eine so schwache Frau bewundern, die so etwas zulässt.

„Chakotay, ich...“ Plötzlich spüre ich es wieder. Das Blut. Ich versuche es zurückzuhalten, aber es lässt sich nicht aufhalten und läuft meine Beine entlang.

„Mein Gott“, haucht er und schaut entsetzt auf meine Beine. „Sie bluten, Kathryn.“

„Seit ein paar Tagen hört es einfach nicht mehr auf.“ Ich nehme ein Handtuch von der Halterung und klemme es mir zwischen die Beine.

„Wer... wer hat das getan?“

„Das spielt keine Rolle“, sage ich leise. Ich möchte nicht, dass er es erfährt. Ich will nicht mit ihm darüber reden. Ich will mit niemand darüber reden. Vergessen – ich muss es einfach schnell vergessen. Ich kann das!

Abermals taucht dieses Gesicht vor mir auf. Wie ein Teufel, der sich an der Qual seines Opfers ergötzt, starrt er mich an. Ich schlucke und schließe die Augen. Ich will ihn nicht sehen. Mach, dass er verschwindet, Chakotay. Er soll mich endlich in Ruhe lassen! Plötzlich bin ich wieder dort unten, in seiner Gewalt. Hilflos. Ausgeliefert.

„Nein!“ Ich schlage um mich, will diese Erinnerung, sein Gesicht aus meinem Kopf verbannen. „Lass mich in Ruhe!“

„Kathryn?“ Jemand nimmt mich in die Arme und hält mich fest. Ich wehre mich mit aller Kraft, aber ich bin zu schwach. Ich komme nicht gegen ihn an. Ich trete ihm mit Wucht gegen das Schienbein, trommle mit den Fäusten gegen seine Brust, aber er lässt nicht von mir ab. Er wird es wieder tun; mir erneut wehtun.

„Nein! Lass mich in Ruhe. Lass mich doch endlich in Ruhe...“, flehe ich.

„Schhh, Kathryn. Ich werde dir nichts tun. Schhh.“

Ich schüttle den Kopf, vertreibe das Bild und sehe plötzlich wieder Chakotay vor mir. Er hält mich im Arm, nicht der andere...

„Es tut mir so leid, ich wollte dich nicht schlagen. Ich dachte du seiest er.“ Tränen vernebeln mir die Sicht und ich beginne gegen seine Brust zu weinen. Chakotay streichelt meinen Rücken und flüstert mir tröstende Worte ins Ohr. Ich entspanne mich allmählich in dieser Umarmung. Sein Duft beruhigt mich und sein Herzschlag, der wieder ruhiger wird.

Nur vage nehme ich wahr, wie er mich auf seine Arme hebt und zu meinem Bett bringt. Ich spüre die weichen Kissen unter mir und seine Hand, die mir zärtlich übers Gesicht streichelt. Dann deckt er mich zu und wendet sich zum gehen.

„Geh nicht, bitte.“

Er lächelt ein wenig. „Ich bleibe, bis du eingeschlafen bist. Einverstanden?“

Ich nicke nur und kuschle mich in die Decke. Ich kann seinen Atem fühlen, nah an meinem Gesicht, als er seinen Kopf neben meinen legt und ebenfalls die Augen schließt. Mit einer Hand streichelt er mir den Rücken... dann wird alles immer undeutlicher. Ich schlafe ein...

***

„Haben Sie die... Kleidung mitgebracht?“, fragt mich der Doktor erwartungsvoll. Ich gehe einige Schritte auf ihn zu und übergebe ihm das bisschen Stoff, welches Kathryn als Kleidung gedient hat. Als Kleid würde ich es nicht bezeichnen, eher als ein großes Stück Stoff.

„Sie macht mir Angst...“, gebe ich leise zu und das MHN nickt. Er scheint sich eben so viele Gedanken zu machen wie ich selbst. „Denken Sie – glauben Sie, dass der Captain... sexuell misshandelt wurde?“ Es fällt mir nicht leicht das zu fragen und schon gar nicht hinter Kathryns Rücken. Ich will keine Geheimnisse vor ihr haben, besonders nicht, wenn es dabei um sie geht.

„Ich befürchte ja. Alle Anzeichen sprechen dafür. Um es mit Sicherheit sagen zu können, müsste ich sie allerdings genau untersuchen..“ Er nimmt ihre Kleidung und sieht mich ratlos an. „Was werden wir unternehmen, wenn sich mein Verdacht bestätigen sollte? Ich bin kein Counselor, deshalb bin ich vielleicht nicht die beste Wahl um ihr zu helfen.

„Das habe ich mich auch schon gefragt. Wir müssen diesen Kerl auf jeden Fall finden und dafür zur Rechenschaft ziehen. - Er wird es noch bitter bereuen, dass er ihr das angetan hat“, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Der Doktor hebt nur eine Braue und mustert mich eingehend. Versucht er abzuwägen, ob ich es ernst meine und dazu in der Lage bin einen Vergeltungsschlag auszuüben?

Oh ja, das bin ich!

„Ich bin mir sicher, dass er von seinem Volk eine angebrachte Strafe zu erwarten hat, wenn wir ihn finden“, sagt das Hologramm und verzieht den Mund einwenig.

„So weit wird es nicht kommen. Männer wie er, die eine Frau derart verletzen, haben es nicht verdient auch nur einen Tag länger zu leben. Er hat sie völlig kaputt gemacht, sehen Sie das denn nicht? Sie ist ein Schatten ihres Selbst, und dafür muss er büßen. Die Gerechtigkeit wird siegen, das schwöre ich bei meinem Vater.“ Ich muss mich ernsthaft zusammenreißen, um wenigstens halbwegs Ruhe zu bewahren. Ich bin so wütend.

„Commander, dafür könnten Sie selbst bestraft werden und das wissen Sie. Wir werden einen anderen Weg finden, der ihm seine gerechte Strafe zuteil werden lässt. Wir sollten uns nicht auf sein Niveau herablassen.“

„Das ist Ansichtssache. Außerdem rede ich von mir und nicht von uns. Es wird mein Problem sein, nicht Ihres, Doktor.“ Ich bin fassungslos. Bin ich der Einzige, der sich rächen will? Keine andere Strafe kann mir diese Genugtuung geben, die mir sein Tod geben würde.

Das MHN sieht mich etwas herablassend an. Ich kann diesen Blick nicht ausstehen. „Commander, rein hypothetisch – wenn es dem Captain nicht nach absehbarer Zeit besser geht, und Sie am Ende wegen Mordes eine Strafe verbüßen müssten – was würde dann mit der Crew geschehen? Jemand muss sie leiten und ihr ein Vorbild sein. Wenn jeder so handeln würde, wie Sie es vorhaben, dann würden wir wieder ins Zeitalter des späten 20. Jahrhunderts zurückfallen, wo Delikte wie diese noch an der Tagesordnung lagen. Wollen Sie das riskieren? Ist Ihnen die Rache so viel wert?“, fragt er mich. Im Augenblick weiß ich nicht was ich antworten soll. Zum einen hat er vollkommen Recht, aber auf der anderen Seite sehe ich die Frau, der mein Herz gehört und vor allem sehe ich sie leiden. Ich muss darüber nachdenken.

Ich werfe dem Doktor einen letzten Blick zu. „Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie Beweise finden konnten.“ Dann verlasse ich die Krankenstation, ohne auf seine Antwort zu warten.

Ich muss Tuvok informieren. Als Sicherheitschef muss ich ihn beauftragen, eine Untersuchung einzuleiten und der Sache nachzugehen.

Ich klopfe auf den Kommunikator und sage so neutral wie möglich: „Chakotay an Tuvok.“

„Tuvok hier, Sir?“

„Kommen Sie bitte umgehend in mein Büro“, befehle ich und bekomme ein knappes „Aye, Sir“ zur Antwort.
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