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Christmas Carol

von Emony

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Picard legte das PADD beiseite und starrte auf die rote Tür seines Bereitschaftsraums, als hoffe er, dass Riker, Troi oder Data demnächst davor stünden und um ein Gespräch mit ihm baten. Doch es war dumm das zu hoffen. Er wusste es und schalt sich einen sentimentalen Idioten. Riker und Troi befanden sich auf ihrem eigenen Schiff. Und Data…, nun Data würde ganz bestimmt niemals wieder durch diese Tür schreiten. Nicht nachdem er sich geopfert hatte und mit Shinzons Schiff explodiert war.

Er hatte drei seiner wichtigsten Offiziere verloren. Und was noch viel wichtiger war, drei seiner Freunde. Einen Teil seiner Familie. Er hatte nicht übertrieben, als er die Rede an Wills und Deannas Hochzeit abhielt. Und auch ihre Nachfolger vermochten es nicht, diese Leere auszufüllen, die sie hinterlassen hatten.

Geordi schien sich immer mehr daran zu gewöhnen mit B4 zu arbeiten und nicht länger mit Data. Selbst Spot hatte B4 inzwischen akzeptiert. Picard jedoch war nicht bereit dazu. B4 konnte Data einfach nicht ersetzen. Nicht nur, weil er Datas Prototyp und unvollkommen war, sondern auch, weil er niemals Datas Vergangenheit besitzen würde. Es war Data gewesen, mit dem er all die Abenteuer erlebt hatte, nicht B4.

Ebenso hatten Will und Deanna seit mehr als zehn Jahren zu seiner Crew gehört und nicht diese beiden, die glaubten eine gute Ausbildung und ein paar Jahre Dienst würden sie befähigen den Platz der Besten einzunehmen. *Narren*, dachte Picard. *Kleingeister!*

Und nun saß er da, allein. Ohne Familie, ohne seine drei engsten Vertrauten. Mit Geordi und Worf hatte er niemals diese Nähe aufgebaut. Lediglich Beverly war ihm geblieben, doch die würde Weihnachten sicherlich mit ihrem Sohn verbringen wollen, anstatt mit ihrem Captain. Er nahm es ihr nicht übel.

Als der Türmelder erklang erschrak Picard geradezu. „Herein“, bat er und setzte sich kerzengerade in seinem Sessel auf.

Zu seiner großen Überraschung und auch zu seiner Freude, trat niemand geringeres als Doktor Crusher ein.

„Haben Sie einen Moment, Captain?“, fragte sie förmlich und wandte sich halb zur Brücke hinter sich um.

„Bitte“, erwiderte Picard und machte eine einladende Geste. „Treten Sie ein, Doktor.“

Als sich die Tür mit leisem Zischen hinter ihr schloss, machte Crusher einige Schritte und blieb unmittelbar vor Picards Tisch stehen, auf den sie sich einwenig stützte. „Ich weiß, es ist etwas kurzfristig – und wenn Sie andere Pläne haben, dann kann ich es verstehen – aber, da Wesley nicht kommen kann und wir in diesem Jahr mit der Patrouille an der romulanischen Grenze dran sind…“

„Beverly…“ Picard stand auf, legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. „Worauf wollen Sie hinaus?“

„Ich wollte Sie fragen, ob Sie Zeit und Lust haben, mit mir zu Abend zu essen?“

„Heute an Weihnachten?“

„Ja, heute. Ich habe alles selbst gemacht. Es ist so gut wie fertig. Und ich habe die Absage von Wesley erst in letzter Minute erhalten…“

„In Ordnung. Es wäre mir eine Freude den Abend mit Ihnen zu verbringen.“ Das war eine glatte Untertreibung. Er lächelte sie warm an und sie erwiderte es, erleichtert über seine Zusage.

***

Als Picard sich wenig später vor Crushers Quartier einfand, bemerkte er zu seiner Überraschung, wie ihm das Herz vor Aufregung schneller schlug. *Wie albern*, kam es ihm in den Sinn. Er fühlte sich wieder wie damals, als er als junger Kadett erstmals zu einer richtigen Verabredung gegangen war. Nur was dies kein Rendezvous. Es war ein Dinner mit einer Freundin.

Sie hatten das Thema schon besprochen und beschlossen, dass es besser war, nicht weiter auf gewisse vorhandene Gefühle einzugehen.

Picard seufzte und betätigte den Türmelder.

Als die Tür mit leisem Zischen zur Seite wich und Beverly vor ihm stand, vergaß er für einen Moment, dass er der Captain und sie die leitende Medizinerin an Bord war. Sie trug ein dunkelgrünes Abendkleid, aus schwerem Samt, das sich wie angegossen an ihre Haut schmiegte und perfekt zu ihrem roten Haar passte.

Sie bemerkte seinen Blick und brachte ein verlegenes Lächeln zustande. „Bitte“, sagte sie und deutete ins Innere des Quartiers.

„Sie sehen atemberaubend aus, Beverly“, kam es wie von selbst über seine Lippen als er ihrem Wunsch nachkam, die Augen jedoch nicht von ihr abwandte.

„Vielen Dank, Jean-Luc.“ Ihre Wangen begannen ein wenig zu glühen. Viel zu lange war es her, dass ihr ein Mann derartige Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Und Jean-Luc war weiß Gott nicht irgendein Mann!

„Nehmen Sie doch schon mal Platz, während ich die Suppe serviere.“

„Kann ich Ihnen nicht irgendwie behilflich sein?“ Er fühlte sich schlecht bei dem Gedanken, dass sie ihn den gesamten Heilig Abend über bediente.

„Nicht nötig“, erwiderte sie im gehen und trat zum Replikator, in dessen Ausgabefach bereits zwei Suppenschalen standen, aus denen es wohl duftend dampfte.

„Sie sollten mich nicht so sehr verwöhnen, Beverly. Ich könnte mich daran gewöhnen“, gestand Picard und blieb vor dem Tisch stehen.

Während sie die beiden Schalen auf dem Tisch abstellte, der festlich dekoriert war, sah sie ihn mit einem Blick an, den er von ihr nicht gewohnt war. Er war verführerisch. Ihre Augen wurden dunkel und ihre Stimme etwas tiefer. „Nichts dagegen…“ Sie lächelte sinnlich.

Augenblicklich fühlte Picard ein gewisses Kribbeln im Bauch. Es war seltsam das zu fühlen. Es war so lange her und er hatte geglaubt, dass er es nie wieder spüren würde. Er tat nichts weiter als dieses Lächeln zu erwidern, trat hinter sie und zog ihren Stuhl nach hinten, so dass sie darauf Platz nehmen konnte.

Sie kam der stillen Aufforderung nach und er nahm ihr gegenüber Platz, so dass sie sich während des gesamten Essens gut im Blick hatten. Das Kerzenlicht spiegelte sich in ihren Augen wider, warf ein tanzendes Schatten- und Lichtspiel an die Wände des Wohnraumes.

Nach der Suppe servierte Crusher goldbraun gebackene Entenschenkel, in einem Bett aus wildem Reis und dazu leicht gegartes Gemüse. Picard nahm ihr den Teller ab und streifte dabei wie zufällig ihre Hand. Ihre Haut fühlte sich seidig unter seiner eigenen an und ein angenehmes Prickeln durchströmte seine Adern.

Picard schenkte von dem Weiswein nach, der in einer Karaffe auf dem Tisch stand. „Wenn Wesley wüsste was ihm heute Abend hier entgeht…“, sagte er lächelnd und nahm wieder Platz.

Crusher setzte sich ebenfalls wieder, legte dabei die Serviette auf ihren Schoß. „Er weiß, was es zu essen gibt.“ Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich vermute ja, dass ein Mädchen dahinter steckt. Er kann ja nicht ewig bei seiner alten Mutter bleiben.“ Sie wurde ein wenig wehmütig. Denn egal wie sehr sie immer versucht hatte sich einzureden, dass sie keine Probleme damit haben würde, wenn Wesley eines Tages flügge würde, kam sie doch nicht damit zurecht. Zu weilen fühlte sie sich schrecklich einsam hier auf der Enterprise. Und ganz besonders seit Deanna nicht mehr hier war. Sie vermisste ihre Freundin sehr, mit der sie stets über alles hatten reden können.

Picard blickte sie ein wenig entrüstet an, als der letzte Satz über ihre Lippen kam. „Beverly, Sie noch weit entfernt davon alt zu sein.“

„Danke, Jean-Luc.“ Sie fühlte sich geschmeichelt.

„Und was Wesley angeht“, sagte Picard, „so glaube ich, dass er es Ihnen sagen würde, wenn er eine feste Freundin hätte. Sie sind ihm sehr wichtig und ich denke, dass ihm bewusst ist, wie viel Wert Sie darauf legen, dass Sie den Heilig Abend gemäß der Familientradition zusammen verbringen. Er wäre hier, wenn es ihm möglich wäre, da bin ich ganz sicher.“

Sie nickte und kaute nachdenklich auf ihrem Fleisch herum. „Bestimmt haben Sie Recht.“

Eine Weile aßen sie schweigend weiter, bis Picard sich räusperte, einen Schluck Wein nahm und dann sagte: „Ich hatte mir überlegt Ro Laren wieder an Bord zu holen.“

Beverly wischte sich den Mund an der Serviette und musterte Picard über die Kerzen hinweg an. „Nach allem was sie getan hat?“

„Sie hat für eine Sache gekämpft, die ihrer Ansicht nach richtig war“, erwiderte Picard nachdenklich. „Und sie hat ihre Strafe abgesessen. Sie ist ein zu guter Offizier, um sie nicht wieder einzugliedern und gerade jetzt ist die Sternenflotte mehr denn je auf gute Offiziere angewiesen.“ Beverly nickte zustimmend. Der Dominionkrieg hatte viel verändert. „Denken Sie doch nur mal an die Besatzung der Voyager. Selbst jene ehemaligen Maquisarden wurden in die Sternenflotte reintegriert.“

Sie unterhielten sich noch einige Zeit über dieses Thema, wobei sie nicht immer einer Meinung waren. Picard verstand es jedoch sehr gut zu überzeugen und letzten Endes gab sich Crusher geschlagen.

Im Hintergrund lief leise Weihnachtsmusik, als die beiden zusammen den Tisch abräumten und es sich dann auf dem großen Sofa vor dem Fenster bequem machten.

Längst waren sie bei der zweiten Flasche Wein angekommen und inzwischen hatte sich auch das Unterhaltungsthema geändert. An einem Abend wie diesem war Krieg und die Folgen nicht unbedingt das passende Gesprächsthema und so hatte Beverly irgendwann das Thema Freunde und Familie angeschnitten.

Inzwischen wusste Beverly von Jean-Luc wann er seinen ersten Kuss bekommen hatte und von wem und er wieder rum hatte so einige fast vergessene Geheimnisse über Beverly erfahren. Die Stimmung war ausgelassen und sie lachten viel.

Als ‚Have yourself a merry little Christmas’ aus den Lautsprechern erklang stellte Jean-Luc seinen Wein auf den Tisch vor sich und nahm Beverlys Hand. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er galant.

Sie nickte und ließ sich von ihm aufhelfen. Er platzierte seine rechte Hand an ihrer Taille und nahm ihre in seine linke. Beverlys rechte Hand ruhte auf seiner Schulter und langsam begannen sie sich im Takt zu bewegen.

Eine kleine Weile hielten sie den Abstand zueinander, doch nach und nach kamen sie sich näher, bis Beverly sich schließlich an Jean-Luc schmiegte und dabei den Kopf auf seine Schulter legte.

Sie waren sich nicht zum ersten Mal so nahe und doch schien es wieder ein ganz neues Gefühl zu sein. Vielleicht deshalb, weil es ungewohnt für beide war, sich so zu halten. Sich so nahe zu sein, dass sie den Atem des jeweils anderen fühlen konnten.

„Beverly“, flüsterte Picard ihr ins Haar und sie blickte aus sanften Augen zu ihm auf.

Ihre Gesichter waren dadurch nur Millimeter voneinander entfernt.

„Ja?“, hauchte sie erwartungsvoll und ebenfalls flüsternd. Ihr Herz begann schneller zu schlagen beim Blick in seine Augen. Sie sah darin eine tief verwurzelte Sehnsucht und sie wusste, dass sie allein ihr galt.

Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, sprach es jedoch nicht aus und schloss ihn wieder. Er lächelte ein wenig gezwungen, wirkte ein bisschen nervös. Dann jedoch senkte er den Kopf ein wenig und küsste sie.

Zunächst war es ein zurückhaltender Kuss, dann jedoch gewann die Sehnsucht nach mehr die Oberhand und ihre Küsse wurden leidenschaftlicher. Nur durch seine gute Erziehung ließ Picard sich nicht gehen, denn er hätte gerne auch gleich den nächsten Schritt gemacht. Beverly jedenfalls schien zufrieden damit zu sein, ihn einfach nur zu küssen, mit ihm zu tanzen und zu kuscheln.

Sie mussten sich auf dieser Ebene langsam näher kommen, nichts überstürzen. Er war aus dem Alter raus, in dem man erst handelte und dann darüber nachdachte.

„Ich bin froh, dass du mich eingeladen hast“, sagte er nach einer Weile. Sie saßen wieder auf dem Sofa. Ihr Kopf lag auf seiner Brust.

„Und ich bin froh, dass Wesley uns diesen Abend ermöglicht hat. Er hätte nicht schöner verlaufen können.“

„Der Meinung bin ich auch“, erwiderte Picard lächelnd. Sie drehte ihren Kopf und sah zu ihm auf, dann küssten sie sich wieder.

Vielleicht war heute genau der richtige Tag, um einen ganz neuen Lebensabschnitt zu beginnen – gemeinsam. Immerhin ist Weihnachten allgemein als das Fest der Liebe bekannt.

ENDE
Ich wünsche euch ein wunderschönes Weihnachtsfest!
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