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Planet der Entscheidung

von SusanQ

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Der blondhaarige Junge glitt das letzte Stück Fels hinab und begann sich zur Bucht durchzuarbeiten. Er hatte die Jacke seiner Schuluniform ausgezogen und schleifte sie mit der Hand nach. Trotzdem haftete das graue Hemd naß an seinem Körper und sein Haar klebte ihm auf der Stirn. Um ihn her, in der Schneise, die in den Dschungel dieses fremden Planeten gerissen worden war, kochte die Luft. Er kletterte mühsam durch ein Gewirr von Schlingpflanzen und zersplitterten Stämmen, als ein Vogel, nicht mehr als ein Fleck aus Blau und Grün scheinenden am unendlich wirkenden gelbvioletten Himmel, mit dämonischem Ruf emporschoß. Diesem Ruf folgte ein zweiter wie ein Echo.

„He!“, tönte es, „warte mal.“

Das Dickicht am Rand der Schneise bewegte sich, und Regentropfen fielen klatschend von den Blättern.

„Augenblick“, sagte die Stimme, „ich hänge hier fest.“

Der Blonde blieb stehen und zog mit einem Ruck seine Strümpfe hoch. Für den Bruchteil einer Sekunde versank bei dieser vertrauten Bewegung der Dschungel, und es war wie zu Hause – auf der Erde.

Wieder ertönte die Stimme.

„Man kann sich kaum bewegen bei dem ganzen Schlingzeugs hier.“

Der, dem die Stimme gehörte, verschaffte sich rückwärts aus dem Buschwerk heraus einen Weg auf den Strand. Zweige zerrten an seiner Kleidung. Seine Hände und sein Gesicht waren leicht von Dornen zerkratzt. Er war kleiner als der Blonde und etwas schmächtig. Er kam näher, bei jedem Schritt einen sicheren Stand für sine Füße suchend.

„Wo ist der Kommunikationsoffizier?“

Der Blonde zuckte mit den Schultern.

„Wir sind hier an der Küste einer Insel oder eines Kontinents auf irgend einem Klasse M Planeten. Ich glaube wenigstens es ist einer. Da hinten ist ein Gebirge. Vielleicht sind überhaupt keine Erwachsenen hier.“

Der Hagere machte ein überraschtes Gesicht.

„Und der Pilot? Ach richtig, der war ja gar nicht in der Passagierkabine, der war ja vorn, im Cockpit...“

Der Blonde blickte mit zusammengekniffenen Augen Richtung Bergkette.

„Aber die anderen von uns“, fuhr der Kleinere fort, „ein paar müssen doch wenigstens rausgekommen sein. Ein paar sind doch sicher rausgekommen, oder?“

Wie von ungefähr machte sich der Blonde wieder auf die Suche nach einem Weg zur Bucht. Er wollte möglichst ungezwungen erscheinen und sich seine Gleichgültigkeit nicht all zu offen anmerken lassen, aber der Dünne eilte ihm nach.

„Sind hier wirklich keine anderen Menschen, keine Erwachsenen?“

„Ich glaube nicht.“ Der Blonde hatte das sehr ernst gesagt, aber dann durchströmte ihn mit Wonne ein Gefühl, am Ziel seiner geheimsten Wünsche zu sein. „Endlich mal keine Erwachsenen!“

Der Hagere dachte einen Augenblick nach. „Aber der Pilot...“

Der Blonde ließ sich zurückfallen und setzte sich auf den dampfenden Sand. „Der ist bestimmt weitergeflogen nachdem er uns hier abgesetzt hat. Er konnte ja hier nicht landen, mit einem Schiff dieser Größe.“

„Abgesetzt?!“ fragte der Hagere entgeistert.

„Der kommt schon wieder zurück.“

Der Hagere schüttelte den Kopf. „Als wir runtergesaust sind, habe ich mal durch eines der Fenster geschaut, da habe ich einen anderen Teil vom Schiff gesehen und da sind Flammen rausgekommen.“ Er blickte die Schneise entlang. „Und das da ist von der Passagierkabine.“

Der Blonde ließ die rechte Hand auf einem zersplitterten Baumstumpf ruhen. Er zeigte vorübergehendes Interesse. „Was ist damit eigentlich passiert? Ich meine, wo ist sie hingekommen?“

„Die ist vom Sturm in Meer getrieben worden. War gar nicht so ungefährlich, bei den ganzen Baumstämmen und so. Ein paar von uns waren sicher noch drinn.“ Er wirkte bedrückt, zögerte etwas und fuhr dann fort: „Wie heißt du eigentlich?“

„Chuck, ähm Charles“ korrigierte sich der Blonde. „Wie soll ich dich nennen?“

„Ist mir egal, solange keiner rauskriegt wie ich von den anderen in der Schule genannt werde.“

„Wie nennen sie dich denn?“

Der Hagere wandte sich wieder der Bucht zu und murmelte im Weitergehen: „Pflaume.“

**************

Die größere der beiden gelben Sonnen war bereits untergegangen, als Pflaume wieder auf Charles zuging. Entgegen seinem Wunsch hatte sich sein Spitzname natürlich rasend schnell unter den Jungen verbreitet und alle nannten ihn bereits nach dieser wenig ansehnlichen Steinfrucht. Er hatte sich vorgenommen Charles zu hassen, hatte aber bald eingesehen, daß es hier, auf diesem fremden Planeten keinen Sinn machte einen solch kindischen Kleinkrieg zu führen. Hier würden sie nur lange genug überleben um gerettet zu werden, wenn sie zusammen arbeiteten.

Charles hatte sich aus lauter Jux aus einigen Pflanzenfasern eine Art Sonnenhut gebastelt der ihn erheblich größer und älter wirken lies. Dies mag die anderen Jungen wohl auch dazu veranlaßt haben ihn ohne Widerspruch als eine Art Anführer zu akzeptieren. Doch Charles schien das erst gar nicht zu merken. Besonders die Schar der Kleinen konzentrierte sich während ihrer Spielereien ständig in seiner Nähe und die etwas größeren beobachteten ihn aus einer respektvollen Entfernung.

Dank seines Namens wurde Pflaume von niemandem wirklich ernst genommen. Schnell begann er zu behaupten Charles hätte dies oder jenes gesagt oder angeordnet.

Sinnend saß Charles mit seinem Hut neben sich auf einem Stein und betrachtete anscheinend den Sonnenuntergang. Pflaume trat an ihn heran und räusperte sich leise, wovon Charles aus seinen Gedanken gerissen wurde. Noch leicht abwesend meinte er: „Gegen Mittag wird es wegen der beiden Sonnen sicherlich tierisch heiß. Ich glaube wir sollten morgen ein paar Hütten bauen, heute ist es zu spät.“

Pflaume nickte zustimmend, obwohl Charles ihn nicht ansah, und begann ungefragt bericht zu erstatten: „Ich habe versucht die anderen zu zählen. Wir sind sieben Große, du, ich, die Zwillinge Sam und Erick, Ralph, Jack und Henry. Wieviel Kleine es sind? - Keine Ahnung, die toben so herum, daß ich ständig von vorne anfangen mußte.“

Völlig unvermittelt meinte Charles: „Ich habe Hunger.“

„Wir alle haben Hunger“, bemerkte Pflaume fast beiläufig. „Ich habe zusammen mit den Zwillingen Sam und Erick den Wald entlang der Schneise abgesucht. Wir haben den Notsender gefunden.“

Interessiert drehte sich Charles zu ihm um. „Wirklich?“

„Ja, aber die Batterie ist ziemlich runter.“

„Oh“, mehr sagte er nicht und begann wieder nachzudenken während Pflaume links hinter ihm stehen blieb und die Lage abwartete, eine Angewohnheit, die er sich zueigen machen und sehr sehr lange beibehalten wird.

„Ralph hat etwas Ahnung von Elektronik und meinte er könne mit dem Zeug was Sam und Erick gefunden haben eine Art Bewegungsmelder basteln, allerdings reicht er nicht sehr weit durch die Atmosphäre.“

„Und das heißt?“

„Ich habe keine Ahnung“, entgegnete Pflaume und winkte Ralph heran. Der kam zögerlich näher und wurde von Pflaume angewiesen Charles seine Idee zu erklären.

„Die Batterie des Notsenders reicht für höchstens zehn Minuten, daß heißt einen Schuß ins blaue können wir uns nicht erlauben. Na ja, ich könnte eine Art Bewegungsmelder bauen der uns anzeigt, ob ein Schiff in der Nähe ist, aber je dicker die Atmosphäre direkt darüber ist, um so weniger weit reicht er ins All.“

„Du meinst wir sollten ihn auf einen Berg bringen?“

„Ja, und es muß immer einer da sein, um im richtigen Moment den Sender einzuschalten.“

„Gut, das machen wir auch morgen.“ Charles räkelte sich ein wenig und meinte: „Ich bin müde. Ich lege mich jetzt schlafen.“

**************

Charles sollte Recht behalten und das obwohl er sich geirrt hatte. Die Hütten waren wichtig, jedoch nicht wegen der Sonne, sondern wegen des Regens, der in der folgenden kühlen Nacht alle bis auf die Haut durchnäßte und zum frösteln brachte.

Einige der Jungen, darunter Jack und Charles hörten gar nicht wieder auf zu frieren. Am kommenden Tag, der hier irgendwie zu lang erschien, errichteten sie zwei Hütten aus Teilen des übriggeblieben Rumpfes des Transferschiffes und einigen der umgestürzten Bäume. Während sie die Trümmer durchsuchten fanden sie noch einige nützliche Dinge - etwas zu essen, ein Standardkoffer für medizinische Notfälle, einige ihrer Gepäckstücke.

„Wir dürfen nicht vergessen den Sender auf den Berg zu bringen.“

„Ich weiß, Pflaume.“ Charles schwitzte, obwohl er fror.

„Wir müssen auch einen Plan aufstellen wer von uns Großen wann dort Wache schiebt.“

„Ich kann nicht mehr klar denken“, gestand Charles ein.

Pflaume berührte seine Stirn, so wie es seine Mutter immer getan hat, wenn er als kleines Kind krank im Bett lag. Er glühte förmlich.

Charles versuchte sich aufzurichten doch Pflaume drückte ihn wieder in das Laub, daß ihnen als Schlafstatt diente. „Wir müssen auf den Berg, wegen des Senders.“

„Wer ist wir?“ wollte Pflaume wissen.

„Na ich und einer von den anderen Großen.“

„Du wirst nirgends hingehen. Du bist viel zu schwach, genau wie fünf oder sechs andere. - Ich werde die Zwillinge schicken.“

„Samnerick?“

„Ja, Samnerick.“

Da die beiden alles, aber auch wirklich alles zusammen machten, wurden sie schon jetzt nicht mehr als Individuen angesehen, sondern nur als ein Wesen und als solches hatten sie auch nur einen gemeinsamen Namen.

Sie plazierten den Sender und den Bewegungsmelder auf der Spitze des Berges. Da Jack und Charles krank waren, konnten sich nur Samnerick und Ralph und Henry in Zweiergruppen beim Sender abwechseln. Pflaume blieb im Lager und versuchte sich um die Kranken zu kümmern. Zuerst brachte er alle Infizierten in eine Hütte und verbot allen anderen, die keine Symptome zeigten, diese zu betreten.

**************

Nach fast drei Wochen war endgültig klar, daß es keine einfache Erkältung war. Pflaume erinnerte sich, daß seine Großmutter mal gesagt hatte ein normaler Schnupfen braucht neun Tage: drei Tage kommt er, drei Tage bleibt er und drei Tage geht er wieder. Mittlerweile waren schon 19 Tage vergangen und noch immer gab es kein Anzeichen von Raumschiffen in diesem System.

„Pflaume, du hast doch den Arztkoffer. Was ist das, was wir haben?“, fragte Charles, der schon völlig ausgezehrt auf seinem Lage aus Laub ruhte.

„Ich weiß es nicht“, gestand er ein. „Der Tricorder zeigt irgendwelche Sachen an, aber ich verstehe sie nicht. Ich glaube es ist eine Infektion.“

„Ach deshalb kommst du nicht mehr durch die Tür oder berührst einen von uns.“

Schuldbewußt blickte Pflaume zu Boden.

„Schon gut. Ich denke es ist besser so. – Schon etwas von Ralph gehört? Hat der Bewegungsmelder schon reagiert?“

Wortlos schüttelte sein Gegenüber den Kopf. Schon seit Tagen hatte Pflaume darüber nachgedacht, was sie würden tun müssen, falls keine Hilfe kommt, oder nicht rechtzeitig.

„Falls die Hilfe nicht rechtzeitig kommt oder wenn wir... Die Kleinen weinen fast die ganze Zeit über, wenn sie wach sind, und Jack ist schon seit Stunden bewußtlos...“

Pflaume nickte nur wissen und beobachtete Charles der um Jahre gealtert erschien. Doch sein neugewonnener Freund wirkte plötzlich auch sehr viel reifer. Wahrscheinlich lag es daran, daß er hier so viel Zeit hatte um nachzudenken. „Tu alles, damit nicht noch mehr krank werden.“

„Das kann ich nicht.“

„Du mußt, Pflaume.“

Pflaume ließ seinen Blick über die ausgezehrten Jungen gleiten. „Ich weiß.“

**************

Drei Tage später war es so weit. In einer einzigen Nacht waren alle in der Hütte gestorben, Charles, Jack und die vier Kleinen. Pflaume schickte die übrigen Kleinen fort - sie sollten Früchte sammeln. Ralph und Henry waren auf dem Berg beim Sender und so mußten Samnerick ihm helfen.

Die drei Jungen sammelten etwas Reisig und Holz aus dem Gestrüpp zusammen und schichteten es um die Hütte. Dann nahm er einen Energiestrahler und entzündete den Schober.

Da es hier jede Nacht regnete, war das Holz feucht und brannte schlecht. Die Flammen griffen nur sehr zaghaft um sich und es qualmte sehr, doch es war nicht nur der Rauch, der Pflaume die Tränen in die Augen steigen ließ.

Samnerick hielten den Anblick und die Gedanken, die ihnen im Hirn herumspukten, nicht aus und gingen wenige Minuten nachdem sie die Hütte entzündet hatten in den Dschungel. Pflaume blieb stehen und starrte in das lodernde Feuer. Er hatte etwas unglaubliches getan, etwas das er nie für möglich gehalten hatte, jedenfalls nicht vor ein paar Wochen.

Nie wieder wollte er gezwungen sein so etwas tun zu müssen. Nie wieder wollte er hilflos daneben stehen müssen wenn jemand litt. Nie wieder wollte er mit den medizinischen Geräten und all den Medikamenten nichts anzufangen wissen. Er wußte was er wollte - er wollte Arzt werden.

**************

Es war Nachmittag als er sich am Strand auf den Stein setzte auf dem Charles am ersten Abend den Sonnenuntergang betrachtet hatte. Da saß er nun und erblickte einen kurz aufleuchtenden hellen Lichtstrahl am langsam dunkler werdenden Himmel.

Ralph kam wild gestikulierend und laut schreiend vom Berg herabgelaufen.

„Sie kommen, sie kommen! Wir haben es geschafft! Wir werden gerettet!“ Unvermittelt blieb er stehen, blickte auf die brennende Hütte und wußte bescheid, doch er sagte nichts weiter als: „Wir müssen zum Sender, damit sie uns finden.“

**************

Henry hatte die anderen zusammengetrommelt und auf den Berg gebracht.

Gerade als Pflaume zusammen mit Ralph auf dem Gipfel eintraf, rematerialisierte ein Offizier. Er grinste Pflaume an und fragte: „Was brennt denn da?“

„Eine unserer Hütten.“

„Ihr habt es euch hier wohl recht gemütlich gemacht, was?“

Pflaume schüttelte den Kopf.

„Geht es allen gut?“

„Allen die hier sind“, entgegnete Henry.

Etwas verwirrt schaute sich der Offizier der Handelsflotte um. Pflaume beantwortete die unausgesprochene Frage: „Sechs von uns waren krank geworden. Sie sind vor einiger Zeit gestorben.“

Der Offizier nickte. „Wir nehmen euch mit. Wieviele seid ihr hier?“

Pflaume zuckte mit den Schultern. Der Offizier schaute über ihn hinweg auf die Gruppe der zerlumpten Jungen.

„Wer ist euer Anführer?“

„Ich denke das bin ich“, sagte Pflaume.

„Wie heißt du, mein Junge?“

Pflaume ließ einen langen letzten Blick über den Planeten kreisen, sah hinab zum Strand. Seine Augen blieben kurz an der Schneise im Dschungel hängen und an der noch immer leicht rauchenden Hütte. Er schien eine Weile überlegen zu müssen wie sein Name lautete. Dann sah er wieder zu dem Offizier hinauf und antwortete: „Leonard Horation McCoy.“
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