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Dopplereffekt

von SusanQ

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+ Prolog +

Rezina Prima war ein geologisch äußerst aktiver Planet, besonders die Gegend, welche die ersten Erkunder dieses Systems, vor fast einhundert Standardjahren, in Anlehnung an irdische Gegebenheiten, den San Andreas Graben genannt hatten.

Allerdings handelte es sich hier um eine völlig andere Größenordnung, was die Bewegung der Platten anging. Glitten die Pazifische und Nordamerikanische Platte auf der Erde entlang ihrer Transformstörung relativ zueinander nicht mehr als sechs Zentimeter pro Jahr aneinander vorbei, so waren es hier auf Rezina Prima zwischen den Platten I und II fast drei Meter.

Nahezu täglich erschütterten mehrere kleine Beben der Stärke 2 bis 3 auf der Richter-Skala den Boden unter den Füßen des Landeteams der Enterprise.

Selbstverständlich waren nicht überall auf dem Planeten seismische Ereignisse so häufig wie hier, doch reichten sie im Allgemeinen aus, um eine Kolonisation recht unangenehm zu machen.

Der Planet lag etwa auf halber Strecke zwischen Erde und Vulkan und bot sich somit für eine interspeziäre Kolonie geradezu an. Ein derart verwegenes Neubesiedlungsunternehmen hatte die Förderation noch nie eingeleitet, doch der Rat hielt es für an der Zeit ein solches Pilotprojekt zu starten und wenn schon, warum dann nicht mit zwei der engsten und am längsten verbündeten Rassen – Menschen und Vulkaniern.

Nicht zuletzt der vermeintliche Angriff auf die Erde durch V’ger hatte allen Verantwortlichen die Verwundbarkeit der Erde und damit der gesamten menschlichen Zivilisation ins Gedächtnis gerufen und so wurde beschlossen, eine große Kolonie außerhalb des eigenen Systems zu gründen. Nun wurden ausgewählte Planeten in der näheren Umgebung auf ihre Eignung hin untersucht.

Die Enterprise war nach Rezina Prima, einem der vielversprechenderen Kandidaten, geschickt worden, um zu überprüfen, ob die geologischen Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten merklich abgenommen hätten, so daß einer Besiedlung nichts mehr im Wege stünde.

„Sie können mir so viel über erdbebensicheres Bauen und erschütterungsfreie Fundamente erzählen wie Sie wollen, Spock, aber auf einem Planeten zu leben, wo man schon bei einem einfachen Spaziergang seekrank wird, das wäre nichts für mich.“

McCoy breitete, wie um die Balance besser halten zu können, die Arme aus und schwankte dennoch leicht, als ein schwaches Vibrieren das nächste Beben ankündigte.

Spock blickte kurz ungerührt von seinem Tricorder auf, um den Arzt lediglich eines kurzen Blickes zu würdigen, bevor er sich wieder seinem Meßinstrument zuwandte und teilnahmslos verkündete, daß sich die Kolonisten wohl eher glücklich schätzen könnten, da er hier keine Praxis eröffnen würde.

„Wie soll ich denn das bitteschön verstehen?“, erkundigte sich McCoy leicht aufgebracht.

„Statistisch gesehen ist die erste Phase einer Kolonisierung mit einem erhöhten Gefahrenpotential hinsichtlich Verletzungen durch Unfälle und Infektionen durch unbekannte Organismen verbunden. Ein Arzt, der gerade in dieser kritischen Zeitspanne, größtenteils selber indisponiert ist, wäre eher kontraproduktiv denn förderlich“, erklärte Spock auf seine gewohnt stoische Art und Weise.

Noch bevor McCoy eine adäquate Erwiderung parat hatte, wurde er von den Beinen gerissen. Eine, an der Erdoberfläche sichtbare Verwerfung tat sich in seiner unmittelbaren Nähe auf und verschluckte einen der Geotechniker.

Spock hatte sich tatsächlich auf den Beinen halten können und rief die Enterprise über den Komunikator an seinem Handgelenk: „Enterprise. Verstärkte seismische Aktivität im Zielgebiet. Notfalltransport aller Teammitglieder. Ich wiederhole – Notfalltransport.“

Er hatte auf seinem Tricorder unmißverständlich ablesen können, daß dies nur ein Vorbeben war, welches eine größere Entladung der Oberflächenspannung ankündigte, die mindestes zwei Stärken auf der Richter-Skala höher liegen würde als das eben erlebte, daß hieß, es würde 100mal so stark ausfallen.

McCoy hatte sich aufgerappelt und war dem verletzten Techniker in die drei Meter tiefe Erdspalte nachgeklettert. Von dort rief er Spock zu: „Bestellen Sie ein Medoteam in den Transporterraum. Ich versuche den Mann hier zu stabilisieren und bleibe unten, bis ich die Meldung habe, daß er sicher angekommen ist.“

~~~~~~~~~~~~~

„Das war so klar“, sagte Dr. Leonard Horatio McCoy mit fatalistischer Überzeugung in seiner Stimme, nachdem er als letzter auf der Transporterplattform vollständig rematerialisiert worden war.

Sein Gegenüber sah ihn aus blaugrauen, vom Alter bereits leicht getrübten, Augen an und erwiderte resigniert: „Früher oder später mußte mir so etwas ja passieren.“

Commander Montgomery Scott, der den Nottransport des Landeteams eigenhändig durchgeführt hatte, blickte entsetzt in den Alkoven des Transporters, wo nicht ein Dr. McCoy stand, sondern zwei…

+ Kapitel 1 +

„Ich stelle Ihnen jetzt eine ganz einfache Frage und erwarte darauf eine klare Antwort.“ Admiral Kirk ging in dem neu eingerichteten Konferenzraum auf und ab. Irgendwie hatte er sich an das neue Design noch nicht ganz gewöhnen können. Besonders vermißte er den prismaförmigen Monitor in der Mitte des Tisches, der ermöglichte, daß alle Anwesenden, ohne ständig den Kopf verdrehen zu müssen, mit sämtlichen relevanten Daten versorgt werden konnten. Er rief seine abschweifenden Gedanken wieder zur Ordnung, hielt im Gehen inne und sprach nun endlich seine angeblich so einfache Frage aus: „Wie konnte das passieren?“, wobei er auf die beiden McCoys deutete.

Niemand sagte auch nur ein Wort, so daß Kirk sich gezwungen sah jeden einzeln anzusprechen: „Scotty?“

„Ja ähm, Sir – ich weiß es nicht… daß heißt, ich weiß es nicht genau, also hundertprozentig sicher…“

Leicht enerviert sah Kirk den Chefingenieur an und sagte: „Rücken Sie schon endlich damit raus!“

„Als die Enterprise so überstürzt, mitten in der Feinabstimmungsphase ihrer Umrüstung, aufbrechen mußte, waren einige der Backupsysteme noch nicht überprüft worden… und dann hatten wir ja auch einiges von V’ger abbekommen – lange Rede kurzer Sinn: das Notprogramm des Transporters hatte keine so hohe Priorität wie andere Systeme an Bord…“

„Ich will keine Entschuldigung hören, sondern eine Erklärung.“ Der Admiral sprach in einem fast beängstigend ruhigen Tonfall.

Plötzlich betrat Spock als letzter der Führungsoffiziere den Konferenzraum. Er hatte einen Datenträger in der Hand und setzte sich, von der ganzen Situation völlig unbeeindruckt, auf den Platz neben dem leeren Stuhl Kirk’s.

„Was haben Sie da, Spock?“, wollte Kirk nun von diesem wissen.

„Ich habe eine Computeranalyse des Transporterprotokolls durchgeführt. Es handelte sich offenbar um keinen direkten Fehler des Transportersystems, sondern um einen extern verursachten Energieverlust.“

„Wie konnte es zu diesem Energieabfall kommen?“, wollte Scott wissen, denn er selbst hatte keine Erklärung dafür.

Spock stand ihm umgehend bereitwillig Rede und Antwort: „Nach der Umrüstung verfügt die Enterprise über einige sich selbst regulierende Kontrollprogramme. Eines davon veranlaßt, bei der Einleitung eines Nottransportes, daß die Krankenstation automatisch mit mehr Energie versorgt wird und das neue biologische Gefahrenprotokoll nimmt einen gründlicheren Scan innerhalb der Musterpuffer des Transporters vor. Außerdem erfolgt eine Umschaltung der atmosphärischen Versorgung, sowohl der Krankenstation als auch des Transporterraumes, auf ein in sich geschlossenes Quarantänesystem.

Diese und eine Reihe weiterer weniger bedeutende automatische Sicherheitsprozeduren bewirkten einen unerwarteten, sehr kurzen Abfall der Energie für den Musterpuffer, in welchem sich Dr. McCoy zu diesem Zeitpunkt noch befand. Daraufhin hat Mr. Scott die Energie manuell auf ihren Nominalwert zurückgestellt. Als der Energieabfall vom System automatisch ausgeglichen worden war, wurde dem Transporter doppelt so viel Energie zur Rematerialisierung zur Verfügung gestellt, als er für den Doktor benötigt hätte. – E=mc2. – Da die Lichtgeschwindigkeit trotz allem eine unveränderliche Naturkonstante darstellt, hat sich bei Verdoppelung der Energie die Masse verdoppelt, Dr. McCoys Muster wurde erneut geladen und er materialisierte somit zweimal.“

Spock hatte mit seinem kurzen Vortrag geendet und wieder schwiegen alle.

Die beiden McCoys sahen einander an und überlegten vermutlich, was sie vom jeweils anderen halten sollten. Der eine dachte, *Bin ich das Original und er die Replik?* Der andere war in seiner Überlegung schon einen Schritt weiter, *Ist es überhaupt von Bedeutung, wessen Muster zuerst geladen wurde?*

Alles hatte sich exakt verdoppelt. Es gab sogar ein Duplikat seines Abschlußringes der medizinischen Fakultät, den er stets am linken kleinen Finger trug.

„Kann sowas nochmal vorkommen?“, erkundigte sich Kirk nun.

„Genaugenommen hätte es sich, aus statistischen Erwägungen heraus, selbst dieses eine Mal nicht ereignen dürfen. Nichtsdestotrotz würde ich mir gern die Freiheit erlauben, die Notfallprogramme neu zu strukturieren und voneinander unabhängig zu gestalten.“

„Uneingeschränkt genehmigt“, antwortete der Admiral seinem Wissenschaftsoffizier, während er schon wieder die beiden McCoys anstarrte. „Und was machen wir jetzt mit Euch?“

„Dachte schon Du fragst mich das nie, Jim“, entgegnete der Rechte der Beiden.

„Nichts für ungut Pille, aber Dich habe ich das auch nicht gefragt.“

„Admiral“, wand Spock ein, „Sie sollten sich darüber im Klaren sein, daß sich beide Doktores in Allem absolut gleichen, bis in die subatomaren Strukturen hinein. Sie verfügen also auch über die gleichen Erfahrungen und Erinnerungen. Sie sind identisch und können somit identische Aufgaben übernehmen.“

„Schon klar, Spock“, antwortete Kirk. „Doch Sie müssen schon zugeben, daß das Ganze etwas befremdlich ist.“

„Was denkst du, wie ich mich fühle?“, warf nun der linke McCoy eine Bemerkung in das Gespräch ein, daß sich voll und ganz um ihn drehte, wobei er sich dennoch lediglich wie ein Zaungast vorkam.

Kirk sah seinen Freund, den er nie zuvor doppelt gesehen hatte, an und hatte plötzlich etwas Mitleid mit ihm. Nein, nicht Mitleid, eher Verständnis für ihn. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er seinem zweiten Ich gegenüber stand – seiner eigenen dunklen Seite… Doch McCoys Persönlichkeit hatte sich nicht in zwei Individuen aufgespaltet, er war plötzlich einfach zweimal da.

„Vielleicht“, so schaltete sich Spock wieder in das Gespräch ein, „sollten wir das doppelte Auftreten Dr. McCoys auffassen, als sei ein monozygoter Zwilling, oder ein verschollener Bruder unversehens aufgetaucht.“

„Ich bin Einzelkind“, platzte es unisono aus beiden McCoys heraus.

„Pille“, begann Kirk.

„Ja“, erklang es wieder wie aus einem Munde von den Beiden.

„Geht doch bitte einfach in Euer Quartier“, forderte er sie nun auf.

Der linke McCoy meldete sich zu Wort: „Ja, aber wir…“

„Laß es einfach!“, mahnte ihn der rechte McCoy. „Du kennst ihn doch genauso gut wie ich.“

„Ich vergaß“, erwiderte McCoy Nummer 1 und verlies, leicht den Kopf schüttelnd, den Konferenzraum.

McCoy Nummer 2 verharrte noch kurz und bat: „Könnte mir dann später irgendwer ein weiteres Quartier zuweisen? Wir sind nämlich jetzt zu zweit und für zwei sind die Kabinen immer noch etwas eng.“ Dann ging auch er.

~~~~~~~~~~~~~

Kaum hatte auch der zweite McCoy den Raum verlassen, schüttelte Admiral Kirk, wie um sich damit von den beunruhigenden Gedanken bezüglich des Zustandes seines besten menschlichen Freundes zu befreien, den Kopf und sagte: „Befassen wir uns jetzt erstmal mit unserer eigentlichen Mission. – Mr. Spock, welche Empfehlung würden sie hinsichtlich der Kolonisierung Rezina Primas aussprechen?“

„Unter Berufung auf die Daten, die wir während der Außenmission sammeln konnten, zu deren genauerer Analyse ich jedoch noch keine Gelegenheit hatte, empfehle ich eine Kolonisation nur mit Einschränkung.“

„Einschränkung welcher Art?“, erkundigte sich Kirk.

„Besiedlung nur in Gebieten mit ausreichend Abstand zu Inselbögen und aktiven Kontinentalrändern“, präzisierte Spock seine Aussage.

„Wird in meinem Abschlußbericht an das Hauptquartier so vermerkt. Bis spätestens 1800 will ich auch die Berichte der anderen wissenschaftlichen Abteilungen über den Planeten auf meinem Tisch haben“, wies Kirk die anderen verbliebenen Wissenschaftler noch an. Als nächstes fragte er: „Welcher Planet ist der nächste Kandidat auf unserer Liste?“

Chekov warf einen kurzen Blick auf sein Datenpad, nur um sich nochmals zu vergewissern, daß er nicht wieder einige der Konsonanten im Kopf verdreht hatte. Dann erst antwortete er: „Krimnitz, Sir.“

„Knimritz“, mußte Spock ihn nun doch korrigieren. Chekov ärgerte sich natürlich schon etwas über sich selbst, was er sich aber nicht anmerken ließ, und dachte nur: *Du bist doch kein Legasteniker, Pavel!* Laut sagte er: „Entschuldigung, Admiral. – Natürlich Knimritz.“

„Wie lange benötigen wir bis…“, Kirk zögerte den Bruchteil einer Sekunde und entschloß sich dann doch, den Namen des Planeten zu umgehen, „… dorthin?“

„Bei Warp 6, 78 Stunden, 53 Minuten und 12 Sekunden, Sir“, antwortete Chekov mit einer unmenschlichen Präzision, die er sich wohl schon vor Jahren von Spock angewöhnt hatte. Irgendwann hatte sich der Navigator mal selbst gefragt, warum er Informationen, über die er ohnehin verfügte, nicht auch korrekt weitergeben sollte.

Kirk mußte leise in sich hineingrinsen und meinte: „Also ungefähr drei Tage.“

„Das sagte ich doch gerade, Admiral“, gab Chekov ungerührt zurück.

+ Kapitel 2 +

„Wird ein bißchen eng hier, wenn die uns nicht noch ein zweites Quartier zuweisen“, sagte der McCoy, welcher als erster die Kabine betreten hatte und warf leicht resigniert seine Uniformjacke auf das Bett, auf dem er sich auch gleich niederließ.

Der zweite McCoy öffnete seine Jacke nur und machte es sich in einem Sessel bequem, in dem er sonst, so er die Zeit dazu fand, ein gutes Buch zu genießen pflegte. Er griff nach dem Band, der neben dem Sessel auf einem Sideboard lag, schlug es an der Stelle auf, die das Lesezeichen markierte und laß: „Denn plötzlich war auch dies ihm klargeworden: Er, der in der Tat wie ein Erwachter oder Neugeborener war, er mußte sein Leben neu und völlig von vorn beginnen.“

„Hätte keine bessere Stelle treffen können, oder?“, erkundigte sich McCoy vom Bett her, stand auf, trat neben sein Ebenbild und ergriff das Buch.

„Sieht ganz danach aus“, stimmte der sitzende McCoy ihm zu und blickte zu dem anderen auf, der nun ebenfalls etwas zitierte: „Aus diesem Augenblick, wo die Welt rings von ihm wegschmolz, wo er allein stand wie ein Stern am Himmel, aus diesem Augenblick einer Kälte und Verzagtheit tauchte Siddhartha empor, mehr Ich als zuvor, fester geballt.“

„Also ehrlich gesagt, ich bin noch nicht so weit“, gestand sein Gegenüber ein.

„Ich auch nicht“, er gab das Buch wieder seinem Pendant zurück.

„Was jetzt?“, wollte der Arzt wissen und ließ dabei die Seiten des Buches an seinem rechten Daumen vorbeigleiten.

„Keine Ahnung“, erwiderte McCoy, setzte sich wieder auf das Bett nieder und ließ leicht resigniert die Schultern hängen, wobei er den anderen Mann, dessen Kabine dies hier genauso war, wie die seine, aufmerksam betrachtete. „Ich weiß nicht. Ich sehe Dich an, also mich, und komme mir irgendwie schizoid vor.“

„Geht mir ähnlich.“ Er erhob sich aus dem Sessel, trat näher an das Sideboard heran, ließ den rechten Zeigefinger und seine Augen über die wenigen Buchrücken gleiten und meinte plötzlich: „Ich denke wir werden noch eine ganze Weile brauchen um diese Situation auch nur im Ansatz zu begreifen, geschweige denn zu verarbeiten. Vielleicht sollten wir für den Anfang mit einem gebührenden Pragmatismus an die Sache herangehen.“

„So was in der Art schwebte mir auch vor. Ich wollte Dir schon auf dem Weg hierher etwas vorschlagen. – Wie wäre es, wenn ab sofort einer von uns den ersten und der andere den zweiten Vornamen benutzt? Wir können uns ja schlecht die ganze Zeit über mit *Hey Du* anreden lassen.“

„Keine schlechte Idee. Ich nenne Dich einfach Leonard und Du mich Horatio. Bloß gut, das wir zwei Vornamen haben.“

„Du meinst, daß ich zwei Vornamen hatte, genau wie Du. Jetzt haben wir jeder nur noch einen.“

„Damit kann ich leben. – Wem gehört jetzt eigentlich das Buch? Schließlich haben sich unsere Besitztümer nicht auch verdoppelt.“

Nach kurzer Überlegung antwortete Leonard: „Ehrlich gesagt, mein Lieber, daß ist mir egal.“

„Komisch, mir auch“, pflichtete Horatio ihm bei.

+ Kapitel 3 +

Wie sehr auch immer Starfleet sich nach außen hin verändern mochte, bestimmte Dinge blieben immer gleich, besonders die lästigen Dinge – Missionsberichte.

Admiral Kirk hatte sich in seinem Quartier an den Schreibtisch gesetzt und begonnen dem Computer die Kolonisationseinstufung von Rezina Prima zu diktieren, nachdem er zuvor den weitaus komplizierteren Bericht über McCoys Transporterunfall verfaßt hatte.

Als er noch in der Einsatzleitung Starfleets gearbeitet hatte, war ihm eines Tages ein Vorbericht über ein Projekt mit Namen *Genesis* in die Hände gefallen. Das ausgerechnet Carol Markus die Projektleiterin war, rief zwar einige unangenehme Erinnerungen in ihm wach, aber auch eine ganze Reihe überaus angenehmer.

Er mußte sich eingestehen, daß es wohl kaum eine geeignetere Wissenschaftlerin gab, um dieses ehrgeizige Projekt voranzutreiben. Sollte es ihr und ihrem Stab gelingen, es in die Tat umzusetzen, würde man nicht mehr, so wie er gerade eben, krampfhaft nach kolonisierbaren Welten suchen müssen, man würde sie sich einfach kreieren, aus leblosen Planetoiden oder Monden.

Ein mechanisches Geräusch erklang und im ersten Moment fragte Kirk sich, was ihm dieser Ton sagen wollte, aber dann fiel es ihm sofort wieder ein. *Das diese Techniker und Konstrukteure auch wirklich alles verändern müssen, wenn sie erstmal mit einer Umrüstung anfangen!*, dachte er so bei sich und sagte laut: „Herein.“

Das Schott glitt zur Seite und gab den Blick auf McCoy frei. Dieser betrat den Raum und in dem Moment, als Kirk anhob ihn etwas zu fragen, unterbrach er diesen auch schon und sagte, mit der Linken abwinkend: „Jim, frag mich jetzt bloß nicht, welcher ich bin!“

Erschrockenes Ausweichen vortäuschend, indem er den Kopf zurückzog, antwortete Kirk vorsichtig: „Okay.“

„Laß uns einfach sagen, ich bin der mit dem romulanischen Ale“, sprach McCoy weiter und brachte die Flasche hinter seinem Rücken zum Vorschein.

„Na dann, Pille, setz Dich“, forderte der Admiral den Arzt auf und holte zwei Gläser hervor. „Was macht der andere?“

„Der *Andere*“, McCoy machte bei der Bezeichnung Gänsefüßchen in die Luft, „ist nochmal auf die Krankenstation gegangen, um nach dem Geotechniker zu sehen, bevor auch er für heute Feierabend macht.“

Er stieß beiläufig mit Kirk an, lehnte sich entspannt in dem großen Sessel, der viel bequemer war als die Sitzgelegenheiten in Kirks altem Quartier, zurück und sprach weiter. „Du kannst ihn im übrigen ab sofort Horatio nennen. Ich bin Leonard.“

„Wie kam’s denn?“, wollte Kirk nun wissen.

„Na ja, irgendwie müssen wir uns ja unterscheiden können und eine Identität aufbauen. Also haben wir zuerst unseren Namen aufgeteilt und dann unsere Freunde. Horatio zog beide Male den Kürzeren.“ Bei diesen Worten blieb der Arzt vollkommen ernst und nahm einen weiteren Schluck der blauen Flüssigkeit zu sich.

„Wie meinst Du das?“, wurde er nun gefragt.

McCoy versuchte unschuldig dreinzuschauen, als er antwortete: „Na erst zieht er den Namen Horatio, und dann auch noch Spock.“

Zuerst sah Kirk ihn verwundert an, doch nach wenigen Sekunden hatte er seinen alten Freund durchschaut. Er schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Du hättest mich beinahe gekriegt.“

Immer noch seinen trockenen Humor zur Schau stellend entgegnete Leonard: „Du mißverstehst – ich habe Dich gekriegt.“ Dann grinste er schelmisch.

+ Kapitel 4 +

„Spock an Dr. McCoy“, erklang der ruhige Bariton des Wissenschaftsoffizier aus dem Lautsprecher des Interkom’s in McCoy’s Quartier.

„Hier McCoy. Ich habe zwar schon Freiwache und wahrscheinlich werde ich es später bereuen, aber dennoch werde ich Sie jetzt fragen, was ich für Sie um diese Uhrzeit noch tun kann.“

„Ich bedaure es zutiefst Sie in Ihrer Freizeitaktivität stören zu müssen, Doktor, aber ich kann den anderen McCoy nicht lokalisieren.“

„Leonard ist bei Jim. Also, Spock, womit kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich Horatio nun eindringlicher.

„Ich würde meiner Expertise über die Biosphäre Rezina Primas gern eine fachmännische molekulargenetische Analyse hinsichtlich der biochemischen Einflüsse der heimischen Organismen, mit pathologischer Relevanz, auf den menschlichen Metabolismus hinzufügen“, verkündete Spocks körperlose Stimme.

Horatio schüttelte leise vor sich hinlachend den Kopf, während er sich das Gesuch des Ersten Offiziers auf der geistigen Zunge zergehen ließ. Dann fragte er zurück: „Sie wünschen Laborzeiten?“

„Ich wünsche Ihre Unterstützung“, erwiderte Spock tonlos.

„Jetzt gleich?“

„So bald als möglich“, antwortete Spock und meinte damit eigentlich *ja*, was McCoy natürlich wußte. Dennoch erklärte der Vulkanier die Dringlichkeit mit den Worten: „Es ist von immanenter Bedeutung diese Analyse und den Bericht abgeschlossen zu haben, bevor wir übermorgen mit der Untersuchung des nächsten Planeten einer potentiellen Kolonisation beginnen, um die Einschätzung nicht durch subjektive Eindrücke zu verfälschen.“

„Spock, wann unterlief Ihnen zum letzten Mal der Fehler der Subjektivität bei einer Einschätzung?“, erkundigte sich McCoy und wollte es doch nicht wirklich wissen. Als am anderen Ende anscheinend eine Denkpause begonnen hatte, setzte der Arzt seiner letzten Bemerkung noch etwas hinzu: „Vergessen Sie’s! Ich zieh’ mir was Anständiges an und treffe Sie dann im medizinischen Labor.“

~~~~~~~~~~~~~

Da Horatio McCoy im Moment nicht im Dienst war, verwunderte es Spock kein bißchen, daß jener zivil gekleidet war und über Hemd und Hose nur achtlos einen Laborkittel übergestreift hatte, den er offenbar auch weiterhin unverschlossen tragen wollte.

Als Spock ihm nun die, mit verschiedenen Signaturen versehenen, Pipetten überreichte, meinte Horatio nur abwägend: „Na, Ihre Proben sind ja nicht gerade groß, dafür aber zahlreich.“

„Deshalb benötige ich ja gerade Ihre sachkundige Unterstützung. Zunächst müssen wir eine Polymerase-Ketten-Reaktion einleiten um das Genmaterial zu vervielfältigen…“

„Schon klar, ich habe mein Laborpraktikum mittlerweile länger hinter mir, als mir lieb ist“, wurde der Vulkanier von dem Arzt unterbrochen, der diesen zudem aufforderte: „Geben Sie mir mal die synthetischen Oligonukleotide rüber.“

Während Spock nach dem entsprechenden Biocontainer suchte, begann McCoy bereits die Proben aufzuteilen. „Ich schlage vor, wir legen von jeder Probe auch gleich noch eine Zellkultur für die zytogenetische Analyse an, dann können wir morgen auch noch rechtzeitig einige histologische Untersuchungen durchführen.“

Nach knapp anderthalb Stunden hatten sie gemeinsam alle Proben für den PCR-Reaktor vorbereitet beziehungsweise in den Brutschrank gegeben und Spock fragte unvermittelt: „Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus, Doktor?“

„Zunächst einmal werde ich die Proben die Nacht über vor sich hinreagieren und -wachsen lassen, während ich selber gemütlich schlafen werde, und morgen geht dann der Analysespaß los. Ich hoffe doch, Sie sind wieder mit von der Partie, sonst werden wir nämlich nicht rechtzeitig damit fertig.“

Einen Augenblick sah Spock ihn verwundert an, dann begann Horatio verwundert zurückzuschauen, bis er endlich fragte: „Was ist?“

„Das war doch selbstverständlich“, erwiderte Spock. „Meine Anfrage bezog sich auf Ihre weitere Lebensplanung“, präzisierte er dann sein vorherige Frage.

„Oh, ja“, sagte Horatio, setzte sich mit gespreizten Beinen auf einen der Laborhocker und stützte sich auf der Sitzfläche vor sich mit den Händen auf. „Leonard und ich haben darüber gesprochen. Wissen Sie“, der Arzt blickte zu dem hochgewachsenen Vulkanier auf, der sich nun seinerseits eine Sitzgelegenheit suchte, „ich habe einen Ruf auf den Lehrstuhl für interspeziäre und Exo-Medizin an der Universität von Harvard erhalten. Schon vor dem Transporterzwischenfall hatte ich mich mit dem Gedanken getragen, diesen Ruf anzunehmen und zugleich auch wieder nicht.“

„Wie darf ich das verstehen?“, fragte Spock nun sichtlich interessiert nach. „Es gibt wenige Lehrstühle für Medizin, mit einem solchen Renommee.“

„Das mag ja sein, aber ich hatte mir ursprünglich eingebildet, ich könne meinen Lebensabend, der ja nicht mehr in all zu weiter Ferne liegt, in einer kleinen Landarztpraxis damit verbringen, Babys auf die Welt zu hohlen und ab und an mal ein Mittel gegen einen grippalen Infekt zu verschreiben. Ehrlich gesagt hatte ich damit auch schon angefangen, als Jim mich für diese V’ger-Sache reaktivieren ließ und nun bin ich wieder da, wo ich vor zehn Jahren aufgehört hatte.“

„Sie planen Ihr Offizierspatent zurückzugeben?“, wollte der Vulkanier wissen.

„Wäre nicht das erste Mal. Sie hatten das doch auch schon hinter sich“, erinnerte Horatio Spock.

„Das ist korrekt“, gestand dieser ein.

„Aber irgendwie genieße ich es wiederum auch, zurück zu sein. Es hält mich geistig jung, so wie es eine Professur vielleicht auch täte. Wenn ich der Wahrheit die Ehre geben soll, ein bißchen fing das Landleben doch schon an mich zu langweilen.“

„Ihr Entschluß?“, hakte Spock nach.

„*Unser* Entschluß“, damit meinte Horatio Leonard und sich selbst, „ist es, daß einer hier bleibt und der andere nach Harvard geht, wenn sie einen von uns dort noch immer haben wollen. Wenn nicht, zurück zum Leben als Landarzt in der Provinz.“

Spock nickte schweigend, zustimmend.

„Mal ehrlich Spock, zwei von meiner Sorte währen auf Dauer doch zuviel für Sie“, stichelte Horatio leicht.

„Es wäre eine Herausforderung, der ich mich stellen würde, da ich mich ihr gewachsen fühle“, konterte der Vulkanier eine fast unnatürlich wirkende ruhige Gelassenheit ausstrahlend.

+ Kapitel 5 +

Kirk machte im Anschluß an seinen eigentlichen Dienst – als ob der Kommandant eines Raumschiffes je wirklich eine Freiwache hätte – seinen fast obligatorischen Besuch auf der Krankenstation bei McCoy. Obwohl ihm nichts fehlte, hatte er es sich schon seit langem zur Angewohnheit gemacht, den Arzt aufzusuchen, um sich nach Ausfällen bei der Crew zu erkundigen, damit er nicht am nächsten Tag irgend jemanden einem Außenteam oder so zuteilte, der eigentlich durch McCoy vom Dienst freigestellt worden war. Ihm war das zwar nur ein einziges Mal in seiner gesamten Laufbahn als kommandierender Offizier passiert, aber es hatte ihm dennoch das ungute Gefühl beschert, nicht zu wissen, was an Bord seines Schiffes vor sich ging.

Nun betrat der Admiral die Krankenstation und sah, wie einer der McCoys hochkonzentriert an einem der neuen Geräte irgend etwas zu analysieren schien.

Der Arzt trug zwar die weiße Hose der neuen Uniformen des medizinischen Starfleetpersonals, aber ansonsten entsprach seine Kleidung so gar nicht den Vorschriften. Ein beigefarbenes Leinenhemd und eine dunkelbraune Weste gehörten, nach Kirks Meinung, irgendwie nicht in diese sonst so steril wirkende Umgebung, deshalb fragte er den Arzt auch leicht verschmitzt: „Was soll denn das darstellen? Eine Art Phantasieuniform?“

McCoy drehte sich überrascht um: „Ich habe Dich gar nicht kommen hören. – Hat eben doch seine Nachteile, daß die neuen Türen leiser sind.“ Der Arzt grinste.

Um auf das eigentliche Thema zurückzukommen, deutete Kirk fragend auf McCoys Aufmachung.

„Och das“, entgegnete dieser. „War Dir eigentlich klar, daß die Bestimmungen, was die Uniform von Ärzten angeht, schon immer etwas locker gefaßt waren? Und erst jetzt habe ich festgestellt, daß Starfleet mit dieser schönen Tradition nie gebrochen hat.“

„Und warum das Ganze?“, erkundigte sich Kirk.

„Rate mal, wer ich bin“, forderte McCoy ihn auf.

„Ich kann’s mir leicht machen und Dich einfach Pille nennen.“

„Netter Versuch“, McCoy verzog leicht das Gesicht.

„Okay, Leonard hat jetzt Dienst, also…“

„Nur weil Leonard jetzt Dienst hat, heißt das noch lange nicht, daß Horatio nicht auch auf der Krankenstation sein kann“, gab der Arzt zu bedenken.

In diesem Moment trat der andere McCoy, in vorschriftsmäßiger Uniform, aus dem an die Krankenstation angeschlossenen Büro heraus und grinste Kirk herausfordernd an, während er fragte: „Also…?“

„Schon gut, ich geb’s auf“, antwortete Kirk leicht genervt.

„Du hattest ja recht“, räumte der etwas leger gekleidete McCoy ein, „Leonard hat gerade Dienst, deswegen muß er ja auch die Patientenakten führen.“

„Na gut, dann überlasse ich Dich eben Deinen Analysen und wende mich an den diensthabenden Chefarzt“, entgegnete Kirk und begab sich zu Leonard ins Büro.

Als er diesem gegenüber saß, sagte er: „Na wenigstens hat mit der unterschiedlichen Kleidung dieses Ratespiel ein Ende.“

„Das war Sinn der Sache“, gab Leonard zurück.

„Irgendwelche Krankmeldungen, von denen ich wissen müßte?“, erkundigte sich der Admiral.

„Nein. Einer von Scottys Männern hat sich heute eine Zehe gebrochen, als ihm ein Antigrav-Generator auf den Fuß fiel – welch’ Ironie. Er wird noch ein paar Tage leicht humpeln, ist sonst aber in Ordnung.

Den Geotechniker hat Horatio heute morgen entlassen, aber ich würde ihn noch nicht gleich wieder auf eine Außenmission schicken.

Crewman Weinstein, unser Bordeigener Hypochonder, kam wieder mal mit Kopfschmerzen zur mir. Er hat ein Placebo bekommen. – Komisch, daß hilft bei ihm immer.“

„Macht der Dir sonst irgendwelche Schwierigkeiten?“, wollte Kirk nun wissen, der es nicht duldete, wenn Mitglieder seiner Crew ihre Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllten. Er mußte sich in Gefahrensituationen auf jeden einzelnen von ihnen verlassen können.

„Du meinst, außer daß er mir immer wieder meine Zeit stiehlt, weil er glaubt, sich irgendwelche exotischen Krankheiten eingefangen zu haben? – Nein. Ich habe mit seinem CO gesprochen, sie meinte, er mache seine Arbeit ausgesprochen gut, sozusagen vorbildlich.“

„Na, dann ist ja alles klar“, sagte Kirk, wobei er schon aufstand, um zu gehen. An der Tür drehte er sich nochmal um und teilte Leonard mit: „Morgen früh schwenken wir in eine ferne Umlaufbahn um Knimritz ein.“

„Interessiert mich nicht“, antwortete Leonard, der sich schon wieder über das Pad mit einer Krankenakte gebeugt hatte, „da hat Horatio Dienst.“

+ Kapitel 6 +

Man wußte über Knimritz nicht viel mehr als das, was eine Klasse 3 Sonde vor viereinhalb Jahrzehnten an Daten gesammelt hatte, bevor sie kurz nach Eintritt in die Atmosphäre des Planeten plötzlich verschwunden war. Damals ging man davon aus, sie sei mit einem Meteoriten zusammengestoßen oder einfach abgestürzt.

Zuvor hatte sie jedoch einige grobe geographische und geologische Daten übermitteln können – keine nennenswerten Lagerstätten irgendeines Minerals oder Erzes von Interesse, keine Hinweise auf eine auch noch so primitive Zivilisation. Da der Planet über eine nur geringe Achsenneigung verfügte, gab es keine sehr ausgeprägten Jahreszeiten. In Äquatornähe herrschte gemäßigtes bis subtropisches Klima. Es gab vier größere Landmassen, die kaum den Namen Kontinent verdienten, dafür aber unzählige Mikrokontinente etwa von der Größe Madagaskars.

Da es sich bei der Erforschung eines Planeten der Klasse M, der soweit bekannt, nicht von einer intelligenten Spezies bewohnt wurde, was im Falle von Knimritz zutraf, um eine Routinemission handelte, sollten zuerst nur ein paar Wissenschaftler unter der Leitung Spocks und zwei Sicherheitsleute runtergebeamt werden, da man ja nie wissen konnte, wie die einheimische Fauna, und manchmal auch Flora, auf den unerwarteten Besuch reagieren würde.

Kirk wollte es sich nicht nehmen lassen, nach längerer Zeit mal wieder dem Außenteam anzugehören, schließlich mußte er am Ende eine Einschätzung abgeben und fand, daß sein Bericht sehr viel mehr Glaubwürdigkeit erhalten würde, wenn er sich persönlich ein Bild von der Lage machte. Außerdem hatte er schon lange nicht mehr die unrecycelte Atmosphäre eines anderen Planeten als der Erde geatmet und er begann den unbekannten, fremden, exotischen Duft neuer Welten zu vermissen.

Der gesamte Landetrupp hatte sich im Transporterraum versammelt und der Admiral war, zusammen mit Spock und den beiden Sicherheitsleuten, bereits auf die Plattform gestiegen, als Horatio McCoy den Raum betrat.

„Einen schönen guten Morgen, Doktor“, begrüßte Kirk den Arzt und fügte leicht tadelnd hinzu: „Du kommst fünf Minuten zu spät.“

„Tut mir leid, aber Leonard hatte meinen, ähm unseren Rasier irgendwo verbummelt und ich mußte mir vom Quartiermeister erst noch einen neuen besorgen“, entschuldigte Horatio sein Zuspätkommen.

„Du beamst zusammen mit den Wissenschaftlern in der zweiten Gruppe runter“, wies Kirk ihn an und gab dann den Befehl: „Mr. Kyle, Energie.“

~~~~~~~~~~~~~

Inzwischen war es Standardprotokoll, daß das Sicherheitspersonal Sekundenbruchteile früher materialisiert wurde als der Rest der Gruppe und so kamen Spock und Kirk mit einer geringen Verzögerung auf der Planetenoberfläche an.

Noch während der letzten Augenblicke ihres Rematerialisierungsprozesses – in dem Moment, in welchem die eigenen Sinne wieder funktionierten – wurden beide zweierlei gewahr. Erstens, die beiden Sicherheitsleute lagen, in einer unnatürlichen Haltung zusammengekrümmt, vermutlich tot, am Boden und zweitens, ein unsäglicher Schmerz schien ihnen die Eingeweide im Leib zu zerreißen.

Es war, als würde mit ihnen zusammen ein Fremdkörper materialisieren, der ungefähr mit ihrer jeweiligen Körpermitte den selben Raum einnahm.

Kirk kam, als er vollständig materialisiert war, nicht einmal mehr dazu vor Schmerzen aufzuschreien, sondern brach sofort zusammen. Ein dünner Blutstrom rann aus seinem Mund, der in Agonie erstarrt weit offen stand. In seinen Lungen befand sich noch ein Rest der Luft von Bord der Enterprise, die seinen Kreislauf vielleicht noch eine halbe Minute mit Sauerstoff versorgen würde, dann mußte er unweigerlich ersticken, denn sein gesamter Atmungsapparat war wie versteinert.

Obwohl Spock sich wenige Sekunden länger auf den Beinen halten konnte, brach er dann doch zusammen und sank auf seine Knie. Mit schmerzverzerrtem Gesicht gelang es ihm, den Komunikator zu öffnen und den Nottransponder zu aktivieren, woraufhin er ohnmächtig zur Seite kippte und bereits bewußtlos war, als er auf dem Boden aufschlug und schon wieder zu dematerialisieren begann.

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„Oh mein Gott!“, stieß Horatio hervor, als er die vier Männer auf der Transporterplattform sah. „Sofort in die Stasiskammern beamen, alle vier!“, befahl er und während er hinaus in Richtung Lazarett rannte rief er über die Schulter zurück: „Der andere McCoy soll sofort in die Krankenstation kommen! Zur Not beamen Sie ihn im Pyjama dort hin.“

+ Kapitel 7 +

Als Leonard die Krankenstation betrat, sah er sofort seine beiden Freunde, Jim und Spock, von dem schwach grünlich schimmernden Stasisfeld, das beinahe wie eine lebensspendende Aura wirkte, umgeben auf den beiden OP-Tischen liegen.

Horatio hatte einen oberflächlichen biometrisch-anatomischen Scan durchgeführt und seine Meßwerte wurden soeben auf den Monitoren über den Köpfen der beiden Schwerverletzten projiziert.

Beide Ärzte sogen erschrocken die Luft ein. Leonard stieß ein *Verdammt!* hervor und Horatio sagte, abgrundtiefes Entsetzen in seiner Stimmer: „Da drinnen sieht es aus, wie in einer Metzgerei…“

„Was ist das?“, fragte Leonard mehr sich selbst, als er auf ein seltsames Objekt auf dem Monitor, der Kirk’s Inneres darstellte, zeigte.

Horatio nahm eine Feineinstellung der Bildwiedergabe der Anzeige über Spocks Kopf vor und meinte: „Es scheint irgendwie metallisch zu sein, eine Art Hybridlegierung von verschiedenen Metallen und Kunststoffen.“

Leonard drehte die Darstellung, um sich eine räumliche Vorstellung von den Ausmaßen der inneren Verletzungen machen zu können. Dann sagte er sinnierend: „Sieht ein bißchen aus, wie ein Krake…“

„Aber wie kommt das Ding da rein?“, fragte Horatio entgeistert, denn es gab keinerlei äußere Anzeichen für Verletzungen, und deutete dabei auf Spocks Körpermitte.

Inzwischen waren Dr. M’Benga und Dr. Chapel zum OP gelangt und blickten abwechselnd betroffen auf die Monitore und die Patienten. Das Ausmaß der Verletzungen ließ beide annehmen, es gäbe keine Rettung mehr, weder für Kirk noch für Spock.

Leonard laß schockiert die Vitalwerte Kirk’s ab und sagte dann zu Horatio: „Was wir auch tun, wir müssen es schnell machen, denn trotz der Stasis bluten sie gerade beide weiterhin ihren Bauchraum voll.“

„Die Verletzungen müssen massiver sein, als der Scan uns glauben macht“, entgegnete der andere Arzt. „Dr. M’Benga, Sie assistieren mir bei Spock! Machen Sie sich für die OP bereit.“

„Christine, jetzt können Sie mal zeigen, was Sie bei mir in den Jahren so alles gelernt haben“, Leonard hatte bereits begonnen sich zu sterilisieren. „Holen Sie alles an synthetischem Blut, was Sie finden können. T negativ für Spock und B positiv für den Admiral. Dann bereiten Sie sich vor mir bei Jim zu assistieren.“

Beide Teams operierten mehrere Stunden hindurch hochkonzentriert.

Sie entfernten den Fremdkörper, der wirklich wie ein metallischer Krake aussah, mit einem torpedoförmigen Körper und einem Dutzend Fangarmen, von denen jeder am Ende mit einer harpunenartigen Spitze bewehrt war, die sich in sämtliche inneren Organe gebohrt hatten.

Es war eine diabolische Waffe, die ähnlich einem Dumm-Dumm-Geschoß funktionierte und bei Aufprall im Körper explodierte, nur daß das Abwehrsystem des Planeten anscheinend dafür sorgte, daß, sobald es ein Transporterfeld registrierte, an eben dieser Stelle ein solches Gerät zusammen mit dem transportierten Individuum rematerialisierte.

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Lieutenant Commander Sulu, der nun das Kommando inne hatte, wies Lieutenant Chekov an mit einem Shuttle zum Planeten zu fliegen, um so festzustellen, warum und vor allem wovon der Landetrupp angegriffen worden war.

Kaum wollte Chekov in die obere Atmosphäre eindringen, wurde er auch schon von dem automatischen Abwehrsystem des Planeten beschossen. All seine externen Energieanzeigen an Bord des Shuttles leuchteten, nachdem sie die ganze Zeit während des Anfluges über beharrlich geschwiegen hatten, plötzlich auf – wie ein Weihnachtsfeuerwerk.

Offenbar hatte die Ankunft der Enterprise das Computersystem, daß bis dahin auf Überwachung eingestellt gewesen war, reaktiviert und wurde nun mit allem beschossen, was der Planet zu bieten hatte.

Sulu gab Befehl die Enterprise aus dem Gefahrenbereich zurückzuziehen und in gebührendem Abstand einen Perimeter mit Warnbojen zu installieren.

+ Kapitel 8 +

Obwohl sowohl der Admiral als auch der Erste Offizier sich von ihren schweren Verletzungen und der komplizierten Operation überraschend schnell wieder erholten, waren Leonard und Horatio einhellig der Meinung, daß sie besser noch einen weiteren Tag zur Beobachtung auf der Krankenstation bleiben sollten. Beiden Ärzten war vollkommen klar, denn so gut kannten sie Kirk und Spock, daß diese ihre Anweisung *nur leichten Dienst* sowieso nicht ausführen würden, also lautete die ärztliche Anordnung *gar kein Dienst*.

Auf Kirk’s Befehl hin war Kurs auf den nächsten Planeten auf ihrer Liste gesetzt worden.

Chekov, der in Abwesenheit des Wissenschaftsoffiziers dessen Aufgaben wahrnahm, hatte inzwischen Meldung gemacht.

Wie es aussah, war auch Nunapik kein sehr vielversprechender Kandidat für eine Kolonisation. Es gab zwei große Landmassen, jeweils an den Polen, umgeben von einem einzigen großen Ozean, der den gesamten Planeten umspannte. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur lag etwas über dem Jahresmittel auf der Erde, was in den tropischen Zonen über der offenen Wasserfläche zu ständigen Wirbelstürmen führte, die sich dort ungehindert von irgendwelchem Festland über den vereinzelten vulkanischen Inselketten austoben konnten. Die Pole waren nicht vereist, aber auf den beiden Kontinenten erstreckte sich lediglich eine schier endlos scheinende Tundra. – Alles in allem kein sehr einladender Planet.

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Die beiden McCoy’s betraten gemeinsam das Lazarett und erwischten sowohl den Admiral, als auch Spock jeweils mit einem Datenpad in der Hand. Versuchte Kirk wenigstens noch seines zu verstecken, so machte Spock keinerlei Hehl daraus, trotz gegenteiliger ärztlicher Weisung, gearbeitet zu haben.

„Euch kann man aber auch wirklich nicht einen Moment aus den Augen lassen“, sagte Leonard kopfschüttelnd mit leichter Resignation in der Stimme. Er wirkte erschöpft, ebenso wie Horatio.

Wie es aussah, hatten sich ihre Patienten, vermutlich auf Grund des ausgiebigen Schlafes, den sie der Narkose zu verdanken hatten, schneller von der Operation erholt als die beiden Ärzte.

Horatio überprüfte mit einem flüchtigen Blick auf die Anzeigen der Biobetten die Vitalwerte von Kirk und Spock und meinte dann: „Denen geht’s besser als uns und wir arbeiten auch. Ich denke, wir sollten sie gehen lassen.“

Der Admiral hatte bereits seine Decke zurück geschlagen, als Horatio seine Aussage vervollständigte: „Aber erst morgen früh.“

Einen enttäuschten Seufzer ausstoßend, lehnte Kirk sich wieder auf seinem Bett zurück: „Also zwei von Eurer Sorte sind mir hier einfach zu viel.“

„Genau so sehen wir das auch“, entgegnete Leonard.

Kirk richtete sich wieder auf und auch Spock legte nun, sichtlich interessiert, sein Pad bei Seite.

„Wie darf ich das verstehen?“, wollte Kirk jetzt wissen.

Spock hob nur leicht beide Brauen, er ahnte, was jetzt kommen würde.

Horatio ergriff das Wort: „Ist Euch eigentlich klar, wie knapp es diesmal war?“

Eine eigenartige Stille hing im Raum zwischen den vier Männern. Niemand antwortete auf diese, offensichtlich rein rhetorische Frage, weshalb Horatio tonlos fortfuhr: „Hätte es mich nicht doppelt gegeben, hätte ich mich für einen von Euch entscheiden müssen und, bei aller Freundschaft, Leute, ich will nicht dabei sein, wenn es mal nicht mehr klappt.“

Es entstand wieder eine kurze, aber nicht minder intensive Stille, bis Horatio zu seiner ultimativen Bekanntgabe ansetzte: „Ich habe mich entschlossen, dem Ruf nach Harvard zu folgen.“

Alles schwieg.

Spock nickte leicht bestätigend, Leonard senkte den Blick auf einen imaginären Punkt unterhalb von Kirk’s Biobett und der Admiral blickte erst Horatio fassungslos an und sah dann fragend zu Leonard. „Und was ist mit Dir?“

„Ich bleibe“, antwortete dieser und fügte dem achselzuckend hinzu: „Einer muß doch auf Euch aufpassen.“

+ Kapitel 9 +

Nachdem die Crew der Enterprise Nunapik untersucht hatte, bestieg Horatio McCoy bei einem Rendezvous mit der U.S.S. Potemkin das Schiff der alten Constellation Klasse, daß nun auf dem Weg zu der neuen Starfleetwerft im Orbit des Mars war, um dort, ebenso wie die Enterprise zuvor, komplett umgerüstet zu werden.

Es war für den Arzt die schnellste und unkomplizierteste Reisemöglichkeit zurück zur Erde.

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McCoy sah seinen alten Freund mit seinem offenen, verschmitzten Lächeln an, als dieser einige Tage später, sein Büro auf der Krankenstation betrat.

„Setzt Dich Jim, ich bin gleich für Dich da“, verkündete der Arzt strahlend, der gerade einen Subraumbrief seiner Tochter Joanna gelesen hatte, die ihm auf die Offenbarung hin, daß sie nun zwei Väter habe, geschrieben hatte: *Ich wünschte, es hätte zwei von Dir gegeben, als ich ein Kind war, dann hätte ich vermutlich mehr von Dir gehabt, aber um so besser können wir jetzt zu dritt Versäumtes nachholen.*

Er war noch so in die letzten Zeilen des Schreibens vertieft, daß er zuerst gar nicht die steinerne Miene Kirk’s bemerkt hatte, der noch immer schweigend in der Tür stand.

Als McCoy aus dem Augenwinkel heraus auffiel, daß Kirk keinerlei Anstalten machte, seiner Aufforderung nachzukommen, sich eigentlich überhaupt nicht bewegte, sah er ihn eindringlicher und jetzt auch etwas besorgter an.

„Was ist passiert?“, erkundigte sich McCoy tonlos und beobachtete dabei sein Gegenüber aufmerksam, um jede einzelne Regung und dessen gesamte Körperhaltung besser interpretieren zu können.

Kirk senkte seinen Kopf und seinen Blick, da er die leuchtend blauen Augen seines Freundes, die ihn nun intensiv zu mustern schienen, nicht ertragen konnte – nicht bei dem, was er diesem jetzt zu sagen hatte.

McCoy fiel auf, daß Kirk um die passenden Worte rang und fragte nachdrücklich, doch in einem absolut ruhigen Tonfall: „Was?“

Kirk zögerte noch immer, hob dann den Blick, unter seinen zuvor leicht gesenkten Augenliedern, dann sah er seinem Freund fest, doch voller Bedauern in seinem Gesicht, in dessen Augen und sagte mit sanfter Stimme: „Horatio…“

Er kam nicht weiter, denn die eisblauen Augen McCoy’s verloren plötzlich all ihren Glanz. Mit leicht geöffnetem Mund und absolut fassungslos starrte er zurück in die Augen des Admirals, die alles ausdrückten, was hätte gesagt werden können.

Das Datenpad glitt aus McCoy’s Hand und fiel scheppernd zu Boden.

Kirk schluckte, wobei sich sein Kehlkopf sichtbar hob und senkte. Er wußte nicht, was er tun oder sagen sollte. In der kurzen Zeit in der es einen seiner engsten Freunde zweimal gab, hatte er sich so sehr daran gewöhnt, daß er sich nicht hatte vorstellen können, einen von ihnen wieder zu verlieren. Und auch die Tatsache, daß Leonard noch da war, tröstete ihn nicht wirklich über den Verlust hinweg. Wie mußte es sich für Leonard anfühlen, der mit Horatio so etwas wie einen Zwillingsbruder verloren hatte, wenn nicht sogar einen Teil von sich selbst?

Tränen hatten sich in den Augen des Arztes gesammelt, als er mit brechender Stimme fragte: „Wie?“

Wortlos legte Kirk das Pad mit der Subraummeldung des Kommandanten der U.S.S. Potemkin auf den Schreibtisch.

McCoy heftete seinen Blick starr auf das Pad und rührte sich selbst dann nicht, als Kirk leicht seine Hand auf dessen Schulter legte und mit sanftem Druck versuchte Trost und Zuspruch zu vermitteln.

„Es tut mir leid“, sagte er noch, dann verließ er das Büro.

+ Epilog +

Es dauerte einige Minuten, bis sich Leonard Horatio McCoy so weit gefangen hatte, daß er die kurze Botschaft auf dem Pad aktivieren und diese lesen konnte.

*Ich bedauere es zu tiefst Ihnen die traurige Mitteilung machen zu müssen, daß Dr. Horatio McCoy, in Ausübung seiner Pflicht als Starfleetoffizier und Arzt und weit über reine Pflichterfüllung hinaus, ums Leben kam.

Das vulkanische Forschungsschiff T’Mir hatte eine massive Havarie mit multiplen Strahlungslecks und einer großen Anzahl Verwundeter mit teilweise schweren Plasmaverbrennungen und zahlreichen Personen die lebensbedrohliche Strahlendosen erhalten haben.

Trotz des als äußerst hoch eingeschätzten Gefahrenpotentials bei der Bergung der Verletzten und Erstversorgung an Bord des havarierten Schiffes, meldete sich Dr. McCoy ohne Zögern sofort für diesen Einsatz.

Auf Grund einer Antimateriekaskade im Maschinenraum, aus welchem er zusammen mit zwei weiteren Helfern des medizinischen Stabes versuchte einen letzten überlebenden Techniker zu bergen, wurde die T’Mir zerstört.

Dr. McCoy rettete 27 vulkanischen Wissenschaftlern und Offizieren das Leben, bevor er, bei der Explosion des Schiffes, das seine verlor.

Wir alle stehen tief in seiner Schuld und er wird uns, in seiner Berufung als Arzt, mit seinem humanitären Engagement und seiner Überzeugung anderen helfen zu müssen, weil er es kann, immer ein Vorbild sein.*
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