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Meltdown

von May20

Kapitel 3

- Kapitel 3 -

„Botschafter“, grüßte Kirk den Vulkanier, als dieser nach Spock aus dem Turbolift stieg. „Willkommen an Bord.“

Der Botschafter hob die Hand zum vulkanischen Gruß. Kirk nickte knapp. Er war einer der wenigen Menschen, die Ring- und Mittelfinger ohne weiteres spreizen konnten. Aber um ehrlich zu sein, hatte er schon oft genug Probleme damit, den menschlichen Höflichkeitsprotokollen zu folgen. Er bevorzugte die unkomplizierte, militärische Geste.

„Danke für das Geleit nach Yuvenus, Captain.“

„Oh, ich bin sicher, es wird ein interessanter Flug. Wir werden einige der ersten sein, die die Möglichkeit haben, die neue Kolonie zu sehen. Ich wette, meinen Wissenschaftsoffizier wird das brennend interessieren“, Jim lächelte Spock an, aber dieser bestätigte weder, noch verneinte er.

„Nun, das möchte man doch meinen“, erwiderte der Botschafter und Jim war es einen Augenblick, als läge eine Art Zynismus in dieser Aussage.

Wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass Vulkanier keinen Zynismus pflegten…

„Nun denn, dann lassen Sie uns keine Zeit verschwenden. Mr. Sulu!“

„Aye, Captain!“ Sulus Hände hantierten geschickt auf der Konsole. Aber nach wenigen Bewegungen veränderte sich sein Gesichtsausdruck, wurde fragend.

„Gibt es ein Problem, Mr. Sulu?“, wollte Kirk wissen.

„Sir, wir haben keine Starterlaubnis.“ Sulu drückte diverse Knöpfe.

„Das kann nicht sein. Wir haben sie doch von Pike erhalten. Wer hat den Befehl zurückgezogen?“, wollte Kirk wissen.

„Mr. Scott!“, brach es aus Sulu heraus und er drehte sich zu Kirk um. „Gerade eben vor einer Minute!“

„Uhura, einen Kanal öffnen.“

Aber bevor Uhura den Befehl ausführen konnte, meldete sich Scotty selbst.

„Captain, hier Scott. Wir scheinen ein Sicherheitsproblem zu haben.“

„Scotty, was…“

Was in der nächsten Sekunde geschah, war unvorhersehbar für Kirk gewesen. Sagreal reichte blitzschnell an ihm vorbei. Spocks jugendliche, vulkanische Reflexe waren schnell genug die rasche Geste abzufangen, bevor Sagreals Finger sein Gesicht erreichten und die Hand des alten Vulkaniers abzulenken. Spock machte einen Ausfallschritt nach hinten, um Distanz und sicheren Stand zu gewinnen. Sagreals linke Hand schoss sogleich hervor und langte nach Spocks anderer Wange, während er Kirk mit einem kräftigen Tritt zur Seite stieß. Spock seinerseits reagierte schnell genug, um dessen Handgelenk zu fassen. Einen winzigen Moment herrschte Ausgeglichenheit, als Spock vor Kraftanstrengung zitternd die Hände des anderen hielt, der nach einer Gedankenverschmelzung trachtete. Wenn Sagreal es schaffte… er musste ihm zuvorkommen! Rasch schlug er Sagreals Rechte weg und trachtete nach dem Nacken des Angreifers. Der Botschafter jedoch bekam nun sein Handgelenk zu fassen. Mitten in der Luft, brachte er seinen Arm mit einem schmerzhaften Knacken zum Stillstand. Wieder verharrten sie für nur eine Sekunde ringend.

Aber in dem Moment als Jim neben ihm aufstand, nach einer Waffe griff, mobilisierte Sagreal all seine Kraft und allein seine körperliche Überlegenheit verschaffte seinen Fingern der rechten Hand die letzten Zentimeter.

Der kurze heftige Schlagabtausch zwischen Sagreal und seinem Ersten Offizier überraschte Jim so sehr, dass er einen kurzen Moment erstarrte. Mit ungeheurer Schnelligkeit wehrte Spock einen unerwarteten Schlag ab, um im nächsten Moment Sagreals andere Hand nur Zentimeter vor seinem Gesicht abzufangen. Aber diese war nicht zu einer Faust geballt! Jims Erinnerungen rasten durch seinen Kopf, als er versuchte das darauf passende Bild zu finden. Und grotesker Weise fand er es, in dem älteren Abbild Spocks wieder. Spock, als seine Hand auf ihn zugekommen war, um eine Gedankenverschmelzung einzuleiten! Plötzlich drehte sich die Welt um ihn herum, als ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Er landete unsanft und reichlich unelegant auf seinem Stuhl. So schnell er konnte, rappelte er sich wieder auf, die beiden Kämpfer direkt vor sich.

Sagreal strebte eine Gedankenverschmelzung an! Jims Griff festigte sich um seine Waffe, aber in dem Moment ging ein Ruck durch die beiden Kämpfenden. Spock versuchte nun seinerseits, in die Position für einen vulkanischen Nervengriff zu kommen, schaffte es jedoch nicht. Ein Knacken. Stillstand. Sagreals Fingerkuppen berührten plötzlich Spocks Wange und Jim konnte sehen, wie sich dessen dunkle Augen in Schock weiteten. Die beiden erstarrten zu Steinsäulen.

Er kam sich wie in Zeitlupe vor, als er den Phaser aus der Halterung zog und auf Sagreal richtete. Der Laut seiner Stimme aber zeigte ihm, dass er in Realzeit agierte.

„Stopp! Entfernen Sie sich sofort von meinem Offizier, Botschafter!“, drohte er, sich bewusst, dass der Phaser auf Betäubung gestellt war. Sulu erhob sich nun ebenfalls aus seinem Sitz und zog die Waffe. Hinter sich hörte Jim, dass Uhura aufstand. Ensign Kramer rannte aus dem hinteren Bereich der Brücke nach Backbord, um freies Schussfeld zu haben.

Spock rührte sich nicht, er stand in Abwehrhaltung erstarrt, noch die linke Hand des Angreifers mit seiner rechten umklammernd. Seine Linke haltlos in die Luft greifend, wiederum von Sagreal gehalten. Ein sehr dynamisches Bild, als hätte man einen Film in einer Kampfszene angehalten. Spocks Blick war an Sagreals gefesselt, glasig, fern.

„Schießen Sie, Kirk!“, provozierte ihn Sagreal kalt, und unerwarteter Weise erschien der Hauch eines Lächelns auf seinem Gesicht.

Auf solch untypsiches Gebärden des Vulkaniers folgte eine untypsiche Reaktion des Captains, was Spock in dem Moment das Leben rettete: Jim zögerte.
Verunsichert sah er seinen Ersten Offizier an, auf eine Anweisung hoffend. Vergeblich. Spocks Gesichtsausdruck konnte man als überrascht, wenn nicht gar erschrocken bezeichnen. Jim hatte keine Ahnung, was gerade zwischen ihm und Sagreal vorging. Aber er musste es beenden.

„Ich warne Sie nur noch einmal! Lassen Sie Spock los!“

Sagreal gab keine Antwort, aber sein angedeutetes Lächeln verfestigte sich und wuchs in die Breite. Jim härtete den Griff um seinen Phaser. Er musste schießen.

„Warten Sie!“

STSTSTST

In just dem Moment, als er Sagreals Fingerkuppen auf seiner Haut spürte, durchlief ihn ein Prickeln, erst vergleichbar mit schwachem Strom, innerhalb kurzer Zeit stärker werdend. Etwas schien sich gegen seine Stirn zu stemmen und der Druck weitete sich auf seine Schläfen aus.

Er hat mich, schoss es Spock durch den Kopf und im nächsten Augenblick wurde sein Selbst geflutet von fremden Gedanken und Emotionen. Zorn und Wut! Trauer und Rachsucht! Die Heftigkeit dieser kalten weißen Welle ließ ihn innerlich zusammenschrecken und in eine Art Defensivhaltung gehen; sein Verstand setzte instinktiv eine Sekunde aus, nicht in der Lage, die Wucht an Emotionen zu verarbeiten. Er sank geistig in sich zusammen, sich abschottend.
Das unangenehme Prickeln wuchs stetig an und Spock schien es, als entstehe ein hochfrequenter Ton in seinem Kopf, begleitet von lautem, weißem Rauschen. Eine Welt um ihn herum existierte nicht mehr und wenn doch, konnte er sie nicht wahrnehmen. Wie ein Steinhagel hämmerten die fremden Gefühle auf ihn ein, rücksichtslos.

Dieser Hass! Dieser Zorn! Diese Traurigkeit! Sein Kopf fühlte sich an, als müsse er bersten.

„Warten Sie!“, hörte er aus der Ferne eine ruhende, sanfte Stimme.

Er kannte sie.

Vater!

„Wenn Sie schießen, reißt er Spock mit sich“, hörte er die Stimme wieder.

Wer schießt?! Spock konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die fremden Emotionen, versuchte, sie von sich weg zu drücken. Es war, als lege sich eine massive Stahlplatte auf seine Schultern. Er vermochte sie abzustützen, aber wegdrücken konnte er sie nicht. Das Summen schnitt in seine Stirn. Er spürte, dass er zitterte. Und etwas drang ein. Langsam, vom schneidenden Schmerz gedeckt, aber Spock bemerkte es. Es drang in IHN. Unterwanderte seine Gedanken, seine Erinnerung!

STSTSTST

Kirk hielt inne, überrascht. Er kannte diese Stimme nicht. Aber so nüchtern, wie sie sprach, konnte es nur ein Vulkanier sein. Ohne den Phaser von Sagreal zu nehmen, sah er vorsichtig zum Turbolift. Der Mann kam ihm bekannt vor. Einen Augenblick suchte er in Gedanken nach der passenden Erinnerung.

„Ich kenne Sie“, stellte er fest, ohne jedoch die Erinnerung gefunden zu haben.

Der Vulkanier nickte.

„Ich bin Botschafter Sarek, Spocks Vater.“ Langsam trat er näher an das Geschehen, ohne jedoch in einen Raum einzudringen, der Sagreal bedrängen würde.

Jetzt fiel es Jim wieder ein. Sarek! Spock hatte ihn vor der Zerstörung Vulkans auf die Enterprise gebracht, zusammen mit anderen Angehörigen des Hohen Rates. Damals hatten sie sich kurz gesehen, aber nicht die Zeit gefunden, sich wirklich bekannt zu machen. Sulu, Chekov und Uhura tauschten überraschte Blicke. In Nyotas Augen trat sogar ein erleichterter Glanz. Offenbar hoffte sie, dass Sarek dazu in der Lage war, diese Situation aufzulösen. Jim hoffte es zugegebener Maßen auch, denn er wusste nicht, was hier vor sich ging.

„Wenn Sie schießen“, Sarek deutete mit dem Kopf auf seinen Sohn, „reißt er Spock mit sich.“

Jim sah wieder zurück, wo die beiden Verharrenden standen. Er erkannte in Spocks Augen lediglich den erstarrten Schrecken. Nicht jedoch unmittelbare Gefahr.

„Das bedeutet was genau?“, fragte er und hoffte, dass er sich nicht allzu töricht anhörte.

„Wenn er sich zu tieferen Regionen von Spocks Geist Zugang verschafft hat, kann eine abrupte Unterbrechung unmittelbar zu Schäden führen, wenn nicht sogar zum Tod“, erläuterte Sarek, als hielte er eine diplomatische Rede vor dem Rat.

Aber Jim reichte selbst eine solch leidenschaftslose Warnung, wenn sie von einem Vulkanier kam. Dazu dieser furchtbar glasige Blick seines sonst so klaren Ersten Offiziers… Vorsichtig schaltete Jim einen Kanal zur Krankenstation frei.

„Pille“, sagte er so ruhig und unprovozierend wie möglich. „Komm sofort rauf.“

„Ist was passiert, Jim?“

„Noch nichts“, Jim schloss den Kanal, ohne weitere Erklärung.

Wenn die Situation tatsächlich so ernst war, wollte er lieber einen Arzt in unmittelbarer Nähe haben.

Sagreal lachte verächtlich. Er kam Jim in diesem Moment eher menschlich, denn vulkanisch vor.

„Sarek. Wenn Sie glauben, Ihren Sohn retten zu können, sind Sie töricht.“

„Ich sehe keinen logischen Grund für Ihr Verhalten, Sagreal.“

„Was zum Teufel wollen Sie von ihm?“, fragte Jim.
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