TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Das Raumschiff am Ende des Universums

von SusanQ

1/1

„Wie bei so vielen anderen Dingen, deren Eigenschaften wir nutzen, haben wir auch beim Hyperraum die ihm zugrunde liegenden Prinzipien noch nicht ganz verstanden.“

„Nanu, Spock“, begann McCoy, wie immer in solchen Momenten, reichlich sarkastisch. „Dieses WIR schließt SIE mit ein?“

„Dieses WIR schließt das gesamte von uns erforschte Gebiet der Galaxis mit ein, Doktor.“ Spock blieb kühl und unbewegt, wie immer in solchen Momenten.

James Kirk, der Captain der Enterprise, beobachtete derlei verbale Auseinandersetzungen zwischen seinem Ersten Offizier und dem Chefarzt seines Schiffes schon so lange er die beiden kannte und er wußte, daß diese kleinen mündlichen Scharmützel eher ein Zeichen der Zuneigung waren als das Gegenteil und so sehr er ihre Sticheleien auch manchmal genoß, in dieser prekären Situation waren sie extrem deplaciert und brachten sie mit Sicherheit nicht einen Millimeter weiter und genau diesen Einwand, den Kirk gerade vorbringen wollte, äußerte nun auch Scott.

„Das bringt und doch nicht weiter.“ Sein schottisches Temperament verleitete ihn dazu mit der flachen Hand auf den Tisch zu schlagen. „Weder wissen wir, wie wir hier her gekommen sind, noch wie wir wieder von hier verschwinden können.“

„Scotty, die astrophysikalische Abteilung hat noch nicht einmal herausbekommen, wo HIER eigentlich genau ist“, entgegnete der Captain.

Kirk war aufgestanden und hatte begonnen reichlich unproduktiv im Konferenzraum auf und ab zu gehen. Es beunruhigte ihn mehr als nur ein wenig nicht zu wissen wo sich sein Schiff, inklusive der derzeit 403 Mann starken Besatzung, seit nunmehr zwei Stunden befand und die Tatsache, das er an Bord war, konnte das Gefühl der Unsicherheit nicht mindern.

„Captain, in den letzten beiden Stunden habe ich einige Berechnungen durchgeführt“, schaltete Spock sich wieder in das Gespräch ein.

„Und - haben Sie herausgefunden wo wir sind?“

McCoy war der erste, der es schaffte die Frage, die allen Anwesenden auf der Zunge lag, auszusprechen.

„Nein“, gab der Vulkanier wahrheitsgemäß zu und als er die mehr oder weniger enttäuschten Gesichter seiner Kameraden sah, fügte er dem hinzu: „Die korrekte Frage sollte nicht lauten wo, sondern wann wir sind.“ Nach einer kurzen, bedeutungsvollen Pause fuhr er fort: „Meiner Meinung nach befinden wir uns am Ende des Universums.“

„Wo?“, fragte Scott nochmals ungläubig nach.

„Nicht wo, Mr. Scott, wann. Meine Aussage ist nicht lokal, sondern temporal zu verstehen.“

Alle Anwesenden schwiegen für ein paar Augenblicke und jeder eventuelle Beobachter hätte sich in diesem Moment ähnlich wie in einer Gruft gefühlt. Eisige Kälte schien zu herrschen, als Kirk sich mit ruhiger Stimme erkundigte, ob er alles richtig verstanden habe. „Spock, Sie sind der Ansicht wir befinden uns am Ende des Universums?“ Dabei betonte er die letzten drei Worte überdeutlich, um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, was er zu verstehen geglaubt hatte.

„Ganz recht, Sir.“ Spock war schon seit Jahren nicht mehr darüber erstaunt, daß der menschliche Geist manchmal verhältnismäßig lange brauchte, um selbst das Offensichtlichste vollständig zu erfassen. „Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß dieses Universum in circa zehn Stunden Eigenzeit aufhören wird zu existieren.“

Wieder Stille, diesmal wurde sie von McCoy beendet: „Und danach?“

Spock hob eine Braue und sah ihn erst den Bruchteil einer Sekunde lang überrascht an, doch dann schien ihm wieder bewußt geworden zu sein, mit wem er es zu tun hatte. „Doktor, bitte entschuldigen Sie, aber das Ihnen mangelnde Verständnis für die grundlegendsten physikalischen Zusammenhänge erstaunt mich immer wieder aufs neue. - Es gibt kein DANACH. Mit dem Ende des Universums hört auch die Zeit auf zu existieren.“

„Und wie sind wir hier her gekommen?“, erkundigte sich Scott. „Unseren früheren Erfahrungen zufolge und so weit ich die Hyperraumphysik verstehe, müssen wir in ein gigantisches Gravitationsfeld geraten sein, aber das ist im Hyperraum doch praktisch unmöglich.“

In diesem Moment verfluchte Kirk all die Schreibtischtäter, die im Sternenflottenhauptquartier dafür verantwortlich waren, daß gerade sein Schiff diesen irrsinnigen Versuch mit dem Hyperraum durchführen mußte. Warum man diesen Versuch überhaupt startete, konnte er nicht nachvollziehen, schließlich funktionierte der bisherige Antrieb, der auf den Subraumtheorien beruhte doch einwandfrei.

„Das ist korrekt, Mr. Scott“, gestand der Erste und wissenschaftliche Offizier ein. „Allerdings gibt es eine wenig bekannte Publikation eines ehemaligen Mitgliedes der Vulkanischen Akademie, in der eine faszinierende Theorie zu diesem Thema diskutiert wird.

Sicherlich ist Ihnen bekannt, daß mathematisch betrachtet, eine Menge von Punkten im realen Raum einer Menge von Punkten im Hyperraum zugeordnet werden kann. Diese Abbildung ist eineindeutig, was es uns ermöglicht den Hyperraum sozusagen zu durchfliegen. In der Realität treten wir an einem Punkt des Hyperraums in ihn ein und an einem anderen Punkt der selben Menge wieder aus, ohne wirklich eine echte Strecke zurück zu legen, im Gegensatz zum Subraum, deshalb könnte diese Art zu reisen unseren Energieverbrauch um etwas über 70 % reduzieren.“

„Ich verstehe“, sagte Kirk und klang dabei über sich selbst etwas überrascht.

„Also mir ist das zu hoch, Jim.“

„Nicht so schlimm, Pille, dafür verstehe ich nichts von einer Darmresektion.“

„Wie dem auch sei“, Spock fuhr in seiner Erklärung fort. „Die Theorie besagt, daß man von einer Punktmenge in eine andere gelangen kann, wenn zwei unabhängige Ereignisketten zu dem Ergebnis führen, daß ein Körper, in unserem Fall die Enterprise, und eine sich bildende Singularität, zum Beispiel ein kollabierender Stern, zur selben Zeit im Hyperraum die selbe Punktmenge einnehmen.“

Nach kurzer Überlegung hakte McCoy nach: „Sie meinen also der Zufall habe uns hier her, in die Zukunft, verschlagen?“

„Ganz recht, Doktor.“

Kirk hatte sich leicht resigniert wieder gesetzt. „Perspektiven?“

Schweigen.

„Ich sehe nur eine Möglichkeit.“ Scott hatte sich wieder zu Wort gemeldet. „Wir müssen diesen Vorgang wiederholen.“

„Sie meinen im Hyperraum durch ein Schwarzes Loch fliegen?“, rief McCoy entgeistert. „Und wo oder besser wann wird es uns diesmal hin verschlagen? Kurz nach dem Urknall?“

„Das ist unmöglich vorhersagbar. Es könnte im wahrsten Sinne des Wortes überall und zu jeder Zeit sein - und dieses überall schließt jedes mögliche Alternativuniversum mit ein.“ Selbst Spock schien von diesem Gedanken erschüttert zu sein.

Kirk raufte sich die Haare. „Ich nehme an, wir haben keinerlei Alternativen.“

Scott und Spock nickten stumm.

„Fehlt uns also nur noch eine Singularität“, meine Kirk.

„Aye, Sir, aber wir brauchen weder lange zu suchen noch lange zu warten, denn in knapp zehn Stunden befinden wir uns direkt im Zentrum von einer“, entgegnete Scotty und Spock fügte dem noch überaus konstruktiv hinzu: „Und wir haben nur diese eine Chance es zu versuchen. Bei diesem Versuch könnten unsere Atome allerdings mit der Singularität verschmelzen.“

Auch Scott gab noch etwas zu bedenken: „Wenn wir es nicht versuchen, tun unsere Atome das zweifellos - ohne wenn und aber.“

Seit beinahe einer halben Stunde saß Kirk in seinem Quartier und noch immer hatte er keine Entscheidung treffen können, als der Türmelder ihn aus seinen Gedanken riß.

„Komm rein, Pille.“

Die Tür ging auf und schloß sich hinter dem Arzt wieder. Er setzte zu einer Frage an: „Woher...?“, doch dann winkte er mit der Rechten ab und sagte: „…ach laß es!“

In der Linken hielt er eine Glasflasche die er von seinem letzten Landurlaub mitgebracht hatte. Sie enthielt Janx-Geist, ein alkoholisches Getränk das jedem, der es zum ersten mal trank, sprichwörtlich die Schuhe auszog. Es gab keinen Drink im erforschten Teil der Galaxis der an dieses Zeug auch nur annähernd heranreichte, insbesondere nicht in seiner Wirkung. Allerdings fragte man besser nicht nach, was eine Flasche dieses Getränks genau enthielt, denn dieses Wissen hätte einem vermutlich den ganzen Spaß verdorben.

„Du hast noch keine Durchsage gemacht“, stellte McCoy überflüssigerweise fest.

„Ich weiß“, gestand Kirk ein.

„Willst Du darüber reden?“ McCoy setzte sich auf den Stuhl, der am Schreibtisch stand und stellte die Flasche ab.

Kirk saß noch immer auf dem Bett und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen während er überlegte. Nach kurzem Zögern antwortete er: „Ja.“

Weiter sagte er nichts, sondern versuchte seine Gedanken zu ordnen.

McCoy wartete ein paar Sekunden und fragte schließlich: „Willst Du mit mir darüber reden?“

Kirk warf erst einen Blick auf seinen Freund, dann einen auf die Flasche die vorwurfsvoll auf dem Schreibtisch wartete und entgegnete: „Nein. - Nichts für ungut, Pille, aber unter den gegebenen Umständen halte ich das nicht für angebracht.“

McCoy nickte, stand auf und sagte beim hinausgehen verständnisvoll: „Es war nur ein Angebot, Jim“, dabei lächelte er leicht und verschwand wieder durch die Tür.

Die Flasche hatte er stehen lassen.

Kaum hatte sein Freund den Raum verlassen, stand Kirk auf, sah kurz die Flasche an, schüttelte den Kopf und trat an den Replikator heran.

„Kaffee - schwarz.“

„Alle Replikatoren wurden bis auf weiteres deaktiviert“, antwortete die mechanische Stimme des Computers.

„Warum?“

„Alle zur Verfügung stehende Energie wurde auf Anweisung des Ersten Offiziers in die Sensorenphalangen geleitet und dienen nun der Messung und Aufzeichnung von Daten.“

„Wo befindet sich Commander Spock derzeit?“

„In seinem Quartier.“

Das Quartier des Ersten Offiziers war in ein rötliches Zwielicht getaucht. Es würde noch gute zwei Stunden dauern bevor die Ereignisse am Ende des Universums wirklich interessant wurden und seine ganze Aufmerksamkeit erfordern würden. Auf Grund der erhöhten Gravitation wird sich die Zeit selbst beschleunigen, was allerdings keiner von ihnen spüren wird, da sie sich innerhalb des Systems befanden. Gebe es ein Außerhalb des Systems, wie faszinierend müßte es sein, von dort aus das Ende zu beobachten…

Spock versuchte sich auf dieses Ereignis vorzubereiten indem er meditierte, fand dazu aber nicht die notwendige innere Ruhe. - Wieder und wieder versuchte er seine persönliche Meditationsformel in Gedanken zu wiederholen und seinen Geist auf jenes helle Licht in seinem mentalen Universum zu fokussieren, das ihn dann leiten würde.

Der Türmelder erklang.

Spock erhob sich von dem Meditationsstein in der Mitte des Raumes, neben echtem Tee der einzige Luxus, den er sich erlaubte, und entriegelte den Türmechanismus.

Als sich das Schott vor Kirk öffnete, konnte er in dem Halbdunkel, das den Raum erfüllte, kaum etwas erkennen. Er sah lediglich den schlanken, hochgewachsenen Vulkanier vor sich stehen, bekleidet mit dem traditionellen braunen Meditationsumhang.

„Oh… Ich wollte Sie nicht stören.“

„Das tun Sie keineswegs, Captain“, entgegnete der Vulkanier, legte bei diesen Worten die Robe ab und fügte dem hinzu: „Computer - Standardbeleuchtung.“ An Kirk gewandt fuhr er fort: „Treten Sie doch bitte ein.“

Langjährige Beobachtungen hatten Spock zu der Erkenntnis geführt, daß Menschen manchmal das unlogische Bedürfnis verspürten einfach mit jemandem reden zu müssen. Dies schien auch bei seinem Captain gerade der Fall zu sein.

Spock hatte auch gelernt, daß man in einer solchen Situation keinen Menschen zu einer Aussage drängen sollte - also wartete er geduldig ab.

Es dauerte nicht lange bis Kirk sagte was ihm auf der Seele lag: „Ich brauche Ihren Rat, Spock. - Ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, was ich der Crew sagen soll.“

„So weit mir bekannt ist, handelt es sich bei Dr. McCoy um einen voll ausgebildeten Psychologen. Ich denke…“

„Nein“, wurde er von Kirk unterbrochen. „Ich brauche eher Ihren philosophischen Rat.“

Es entstand eine kurze Pause, in der Kirk sich an ein lang hinter ihm liegendes Leben zu erinnern schien.

„Als ich noch in der Highschool war, sollten wir in Ethik mal einen Aufsatz schreiben. Das Thema lautete: Was würde ich tun, wenn ich wüßte, daß ich nur noch einen Tag zu leben hätte? - Ich schrieb damals, ich würde mir das Leben nehmen.“

Er schwieg wieder und schien auf eine Erwiderung zu warten.

„Das wäre eine äußerst logische, wenn auch melodramatische Maßnahme.“ Tief in seinem Inneren bewunderte Spock Kirk, der offensichtlich schon in sehr jungen Jahren seine Handlungsweisen sehr gründlich durchdacht hatte - für einen Menschen. Ob er einen solchen Entschluß im Ernstfall allerdings auch tatsächlich in die Tat umsetzen würde, blieb eher fraglich. Plötzlich mußte Spock unweigerlich an Hamlet denken.

„Mein Lehrer hielt die Idee nicht gerade für sonderlich logisch.“

„Dann war er zweifellos ein Mensch“, erwiderte der Vulkanier.

„So wie die meisten Besatzungsmitglieder der Enterprise auch“, warf Kirk ein. Leise, fast flüsternd und mit einem leicht abwesenden Lächeln auf den Lippen begann er zu zitieren: „Wenn er sich selbst in Ruhestand setzen könnte mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten und stöhnt’ und schwitzte unter Lebensmüh’?“

„Wenn Sie glauben oder befürchten, daß Sie mit einer Ansprache eine Suizidwelle an Bord auslösen könnten, möchte ich Sie auf das Ende des Monologs aufmerksam machen: So macht Bewußtsein Feige aus uns allen; der angebornen Farbe der Entschließung wird des Gedankens Blässe angekränkelt; und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck, durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt, verlieren so der Handlung Namen.“

„Ja. Shakespeare war schon genial.“

„Ich würde es nicht so ausdrücken“, wandte Spock ein, „doch er hatte ein hohes Maß an Verständnis für die menschliche Psyche.“

„Zweifellos, zweifellos. - Doch wie soll ich der Crew die Wahrheit sagen?“

„Die Wahrheit ist äußerst subjektiv, besonders für Menschen.“

„Spock, wir reden hier vom Ende jeglichen Lebens im Universum! Was kann daran subjektiv anders aufgefaßt werden?“

„Ich kann Ihnen lediglich den Rat geben: Betonen Sie ausdrücklich, daß unsere Lage keineswegs aussichtslos ist. Unsere Chancen zurück zu kehren stehen überdurchschnittlich gut.“

„Wie überdurchschnittlich?“, erkundigte sich der Captain mit gewohnter Professionalität bei seinem wissenschaftlichen Offizier.

„Sie liegen derzeit bei 52,46 %.“

„Wahrheit!“, stieß Kirk beinahe abfällig hervor.

„Zahlen lügen nicht, Sir. Es kommt darauf an, wie Sie die numerische Aussage verbal formulieren.“

Nur wenige Minuten nachdem Kirk Spocks Quartier verlassen hatte, hielt er seine Ansprache über das schiffsinterne Kommunikationssystem, in der er darauf hinwies, daß ihre Chancen, unbeschadet in ihre eigene Zeit zurück zu kehren und dabei in ihrem Universum zu bleiben, überdurchschnittlich gut standen…
Rezensionen