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„Noch einmal stehe ich an Deck…“

von Conni

Kapitel 3

Kapitel 3

Als James T. Kirk an diesem Morgen aufwachte, verspürte er ein freudig erregtes Kribbeln im Bauch, wie ein kleiner Junge an seinem ersten Schultag. Nachdem er sich, fröhlich pfeifend, gewaschen und rasiert hatte, ging er zu seinem Stuhl, über welchen er die Uniform gehängt hatte.

Er horchte in Richtung Geschützraum, wo die schrille Weckmelodie der Pfeife des Bootsmanns in unregelmäßigen Intervallen ertönte und die Rufe seiner Gehilfen durch das Schiff klangen: „Hoch mit den Hängematten! Alle Kadetten, alle Kadetten ahoi!“

Kurz darauf hörte er hastige Schritte und weitere durchdringende Rufe: „Raus oder runter! Raus oder runter! Aufwachen oder Ihr werdet runtergeschnitten! Aufstehen und waschen! Hier komme ich mit einem scharfen Messer und einem reinen Gewissen!“

Auch das allmorgendliche Gejammer einiger Kadetten blieb nicht aus.

Sekunden später hörte er drei gedämpfte Schläge, denen Flüche und Schmerzenslaute folgten. – Kirk grinste. Das kannte er nur zu gut. Er selbst hatte es als junger Kadett einige Male nicht rechtzeitig aus der Matte geschafft und war gnadenlos heruntergeschnitten worden. Er erinnerte sich noch so deutlich an den dumpfen Schmerz im Hinterteil, der diesem Sturz folgte, dass er ihn beinahe wieder fühlte.

Wenige Minuten nachdem er sich angekleidet hatte, klopfte es an der Tür. Herein trat Guillaume Pêcheur, sein Stewart, mit einem Tablett auf dem sich ein Becher Kaffee, Rührei, Frühstücksspeck und drei Scheiben Toast mit Butter, sowie ein Glas Orangensaft befanden.

„Lassen Sie den Kaffee da, Pêcheur, den Rest können Sie wieder mitnehmen – heute Morgen kriege ich keinen Bissen herunter.“

Der Stewart nickte und tat, wie ihm geheißen.

Zum zweiten Mal an diesem Morgen hörte er das Pfeifen des Bootsmannes, auf welches wiederum das Getrappel vieler Paar Füße folgte. Das Frühstück der Kadetten war beendet.

Zufrieden nickte er, als er die ersten Kommandos hörte. Er nahm einen letzten Schluck des belebenden Kaffees zu sich, bevor er seinen frisch gebürsteten Gehrock überwarf und sich auf den Weg machte.

An Deck schaute Kirk sich kurz um.

Eine Gruppe Kadetten hatte sich um ihren Ausbilder an den Geschützen gescharrt, eine andere stand am Fuße der Masten und bekam dort erklärt, wie man diese am sichersten erklomm.

Kirk gesellte sich zu der zweiten Gruppe, gerade als Wim Ruikert, der Ausbilder, zur Demonstration in die Wanten stieg und langsamer als gewohnt den Mast emporkletterte.

„Ich hoffe, Sie haben genau aufgepasst, wie ich die Seile hinaufgestiegen bin, nicht umsonst habe ich mich bemüht, langsam zu klettern – normalerweise muß das schneller gehen!“, erklang von oben Ruikerts Stimme.

Die Gesichter einiger der jungen Leute waren bleicher geworden. „Das soll langsam gewesen sein...“, „Um Himmels Willen noch schneller?“

Kirk hörte entsetztes Murmeln, aufmüpfige Kommentare, wie „Wozu soll dieser Schwachsinn eigentlich gut sein?“, „Wann brauch’ ich DAS denn“ und das Resignierte „Das schaff’ ich doch nie...“ einer Kadettin.

„Na, na, na, wer wird denn aufgeben, bevor er es versucht hat“, flüsterte Kirk in aufmunternd, väterlichem Ton der jungen Frau zu, die dies gesagt hatte.

Leichtes Entsetzen zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie sich Kirk zuwandte. Sie wollte etwas sagen, aber Kirk lächelte sie nur an und schüttelte, die Finger auf die Lippen gepresst, den Kopf. Einen Augenblick lang starrte sie ihn an, bis Kirk ihr augenzwinkernd, mit einem Nicken Richtung Ruikert, der inzwischen wieder hinuntergeklettert war, bedeutete, sich wieder auf ihre Übung zu konzentrieren. Er selbst schritt zum Achterdeck, von wo aus er den restlichen Morgen, die Versuche der Kadetten, die Wanten zu erklimmen, beobachtete. Hin und wieder warf er auch einen zufriedenen Blick zu den Geschützen.

Wim Ruikert sagte mit energischer Stimme: „So, jetzt sind Sie dran, meine Damen und Herren. – Aufstellen!“ Und mit den Finger auf die ersten vier Kadetten zeigend, zählte Wim Ruikert: „Eins – Zwei – Drei – Vier. – Vortreten! – Der Rest – Abzählen bis Vier. Jeder Kadett, der auf Eins zählt, stellt sich zu Nummer Eins, jeder auf Zwei zur Zwei und so weiter und so fort!“ Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Kadetten in vier Achtergruppen aufgeteilt.

„Gruppe Eins – vier links vom Mast aufstellen, vier rechts vom Mast, in regelmäßigen Abständen!“, befahl Ruikert. „In die Seile – und hoch mit Ihnen!“

Mühsam sah der erste Versuch aus, doch er gelang. Es war eben gar nicht so einfach, sich in den schwingenden Seilen nach oben zu hangeln. Doch trotz des anfänglichen Murrens und Stöhnens meisterten alle Gruppen erfolgreich ihren ersten Versuch.

„Keine zehn Pferde würden mich da hinaufbringen“, knurrte McCoy, der neben Kirk die frische Seeluft und die warme Sonne genoss.

„Du solltest es aber wirklich mal versuchen, Pille. Allein die Aussicht von da oben ist es wert“, antwortete Kirk ihm schwärmend.

„Aussicht? Was für eine Aussicht, Jim? Von da oben sieht man nur noch mehr Wasser. Außerdem bin ich Arzt und kein Affe!“

So ging es den ganzen Morgen bis zum Mittag den Mast hinauf und hinunter. Mit jedem Mal wurden die Kadetten besser und schneller. Jim Kirk nickte zufrieden und lächelte.

Zwölf Mal erklang das Läuten der Glocke und der Captain gab den Befehl zum Mittagessen zu Pfeifen. Sobald die schrille Melodie zu hören war, dröhnte das Getrappel hunderter Füße wie Donnerhall über das Deck.

Nach dem Mittag wurde es langsam ernst. Bis jetzt hatte die einzige Aufgabe der Kadetten darin bestanden, die Takelage schnell und sicher hinaufzukommen, doch jetzt kam das Segelsetzen beziehungsweise -hissen hinzu.

Nachdem Ruikert seiner Truppe noch einmal genau erklärt hatte, wie dies funktionierte, schickte er die Achtergruppen nacheinander auf die Masten. Kirk beobachtete weiterhin, was an Deck geschah, wobei er sich hauptsächlich Ruikerts Gruppe widmete. Doch jetzt war er bei weitem nicht mehr so zufrieden wie heute Morgen.

Die Kadetten taten sich äußerst schwer darin, die Segel ordentlich und vor allem auf gleiche Länge zu falten. Leicht verärgert schüttelte Kirk den Kopf.

Als nach dem fünften Versuch, die Segel immer noch schief hingen, ging er forschen Schrittes zu den Kadetten. Gerade ließ sich die vierte Gruppe wieder hinabgleiten.

„So einen traurigen Haufen wie Sie habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Es reicht nicht, dass Sie den Mast schnell hinaufkommen, wenn Sie dann an den Segeln scheitern. Was glauben Sie, worauf es bei einem SEGELschiff ankommt. Sie sind nicht hier, um Urlaub zu machen. – Ruikert, bringen Sie mir sechzehn Seilstücke, jeweils einen Meter lang!“, donnerte Kirks Stimme über das Deck.

Der Ausbilder tat, wie ihm geheißen und war wenige Minuten später mit den angeforderten Seilen zurück.

Kirks wütender Blick lies die Kadetten keinen Mucks von sich geben. „Gruppe Eins – vortreten! – Arme vor!“ Die Kadetten blickten einander verwirrt an. „Arme vor, sagte ich!“

Niemand wagte auch nur zu Murren, geschweige denn ein Widerwort von sich zu geben.

Kirk griff sich das Handgelenk des ersten Kadetten und band ihm ein Ende des Seiles darum, griff sich den zweiten Arm, maß fünfzig Zentimeter ab und band das andere Ende um das zweite Handgelenk des Kadetten, während er erklärte: „Sie werden jetzt auf die selbe Art und Weise lernen die Segel zu falten, wie mein Ausbilder es uns beizubringen pflegte. Allerdings hatten wir vorher nicht die Möglichkeit, unser Können unter Beweis zu stellen.“

So verfuhr er auch mit den sieben anderen Kadetten der ersten Gruppe und den Kadetten der zweiten Gruppe. „Jetzt bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig als dieselbe Länge beim Hissen der Segel einzuhalten. – In die Seile! Und rauf mit Ihnen!“

Innerhalb kürzester Zeit waren die Kadetten auf dem Mast und hissten die Segel – dieses Mal sah das Ergebnis zufriedenstellend aus. Kirk nickte wohlgefällig vor sich hin.

„Zweite Gruppe – fertig machen!“ Kaum war die erste Gruppe Kadetten wieder an Deck, ertönte das Kommando Kirks: „Los!“

Die Kadetten sprangen in die Seile und begannen ihren, trotz der eingeschränkten Bewegungsfreiheit recht raschen Aufstieg, während Kirk der ersten Gruppe die Seile abnahm und der dritten anlegte: „Sie werden das jetzt solange...“ Ein Schrei ließ ihn innehalten. Er wandte sich um und sah gerade noch, wie einer seiner Schützlinge auf dem Deck aufschlug.

McCoy musste den Schrei gehört haben, denn sofort kniete er neben dem schmalen, dunkelhaarigen Jungen. Sein Gesicht war bleich, er wirkte wie ein Porzellanpüppchen, so zerbrechlich.

Kirk stand neben McCoy, bemüht sein Entsetzen zu verbergen. „Er lebt...“, knurrte der Doktor „...aber er muss sofort auf die Krankenstation.“

Inzwischen wieder bei Bewusstsein, lag der Kadett, ein noch nicht mal sechzehnjähriger Junge, auf der Diagnoseliege. Sein rechter Arm und seine Rippen schmerzten, er fühlte sich schwindelig. Leise murmelte er vor sich hin: „Ihr Deck, vormals rot vom Blut der Helden, wo niederkniete der besiegte Feind...“

„Aber, aber – ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Ein paar einfache Rippenbrüche, ein gebrochener Arm, eine leichte Gehirnerschütterung – nichts, was man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. In ein paar Tagen sind Sie wieder auf dem Damm“, wurde er von McCoy unterbrochen, der an seine Liege getreten war, gefolgt von Kirk.

„Sie haben Holmes gelesen?“, fragte Letzterer erstaunt. „Wie heißen Sie, mein Junge?“

Langsam wandte der junge Mann seinen Kopf dem Captain zu. „Aubrey, Sir. Jack Aubrey. – Und nein, Sir, um ehrlich zu sein, ich habe das Gedicht nie gelesen.“

Jim Kirk blickte ihn verdutzt an.

„Nun...“, begann Jack, „...mein Urgroßvater war am Nachbau der U.S.S. Constitution beteiligt – dem Schiff, auf dem wir uns jetzt befinden. Er kannte die Original-Constitution in- und auswendig. Er liebte dieses Schiff und dieses Gedicht – so auch mein Großvater. Jedes Jahr am Todestag seines Vaters nahm er mich deshalb mit ins Seefahrtsmuseum in Boston, um ‚Old Ironsides’ zu sehen. Und jedes Jahr wieder begann er, das Lieblingsgedicht seines Vaters zu rezitieren. Als ich alt genug war, musste ich es mitsprechen – ehrlich gesagt, Sir, ich habe dieses Gedicht gehasst.“

Kirk, der aufmerksam zugehört hatte, schmunzelte, bevor er antwortete: „Sie HABEN es gehasst? Sie sprechen in der Vergangenheit.“

Jack Aubrey entgegnete zögernd: „Nun ja, Sir – ich glaube langsam beginne ich zu begreifen... was dieses Gedicht bedeutet...“

Kirk nickte. „Das ist gut“, und nach einer kurzen Pause fragte er: „Was ist eigentlich passiert? Wieso sind Sie vom Mast gefallen?“

Verlegen blickte Jack auf seine Zehen, als er sagte: „Beim Hissen der Segel... ich war nicht groß genug und musste mich weit über den Mast beugen, um das Tuch zu erreichen. Ich war der Meinung fest zu stehen, also griff ich mit beiden Händen danach und dann... Sie wissen ja, was dann passiert ist, Sir.“

„Ja, ich weiß. – Aber wissen auch Sie, welchen Fehler Sie begangen haben?“, fragte Jim Kirk in väterlichem Tonfall.

Mit einem sachten Kopfzucken verneinte Jack die Frage. Beschämt brachte er es nicht über sich, seinem Captain in die Augen zu sehen.

„Es gibt eine eiserne Regel in der Schifffahrt, die da lautet: Eine Hand für’s Schiff und eine Hand für sich selbst“, erklärte Kirk in ernstem Tonfall. „Das gilt auch für Ihr weiteres Leben, Mr. Aubrey. Sie dürfen NIEMALS vergessen, auch für Ihre eigene Sicherheit zu sorgen, vor allem nicht, wenn Sie einmal ein Schiff kommandieren wollen – eine Crew ohne einen Captain, ist wie eine Herde ohne ihren Hirten. Haben Sie das verstanden?“

Jack schluckte schwer. „Ja, Sir.“

Kirks Miene wurde wieder sanfter. Grün-braune Augen sahen ihn schuldbewußt an, als er eine Hand auf die Schulter des jungen Kadetten legte und sagte, wieder im Tonfall des sorgenden Vaters: „Ruhen Sie sich aus. Sie sind hier in guten Händen. Doktor McCoy wird Sie wieder in Ordnung bringen, so dass Sie bald wieder an der Ausbildung teilnehmen können.“

Aus einer anderen Ecke des Raumes hörten sie den Arzt murmeln: „Damit er sich bald wieder die Knochen brechen kann.“
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