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Keine Panik

von Kassandra

Keine Panik

Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat. Ausgerechnet Seven of Nine anzublaffen! Ich muss vollkommen verrückt geworden sein!

Und was das Allerseltsamste ist: Ich lebe noch, um die Geschichte zu erzählen!

Aber am besten fange ich am Anfang an...

~ Der Anfang ~

Es war ein ganz normaler Arbeitstag. Normaler als normal; sprich: stinklangweilig.

Ich weiß, ich weiß. Man sollte sich hier im Delta-Quadranten nun wirklich nicht auch noch Aufregung wünschen - üblicherweise geht dieser Wunsch dann gleich in umfassender und höchst unangenehmer Form in Erfüllung. Vielen Dank auch, übrigens.

Aber gestern bin ich wirklich *so* nah dran gewesen.

Den ganzen Vormittag hockte ich vor einem Terminal, ging alte Dateien durch und löschte den ganzen Datenmüll, der dem Hauptcomputer entgangen war. Das ist so ziemlich die schlimmste und niederste Strafarbeit (direkt nach der Reinigung der Warpspulen mit einer feinen Zahnbürste), die sich ein Crewman in seinen schrecklichsten Albträumen nur ausmalen kann.

Eine Wartungstechnikerin hat eigentlich auch sonst nichts besonders Aufregendes zu tun, aber das schlug wirklich dem Fass den Boden aus, wie man so sagt.

Aber ich ergab mich meinem Schicksal und arbeitete mehr oder weniger munter drauflos. Den ganzen Morgen lang. Als Frustration und Rückenschmerzen ihr Maximum erreichten, und mir in der winzig kleinen Wartungsnische schon langsam die Decke auf den Kopf fiel, wurde es endlich Zeit für eine Mittagspause. Ayala, dem ich auf dem Flur vor der Offiziersmesse begegnete, war das erste andere Gesicht, das ich an dem Tag zu sehen bekam. Und er stürmte nur mit gerunzelter Stirn und vor sich hin brummend an mir vorbei, ohne meinen Gruß zu erwidern.

Na schön, dachte ich, dann halt nicht... und betrat mit richtig mieser Laune das Casino.

Meine ohnehin schon strapazierten Nerven wurden auf eine noch härtere Probe gestellt, als ich das aktuelle Mittagsmenü entdeckte. ‚Grünkohleintopf mit Leolawurzel’ verkündete stolz das Schild neben der Essensausgabe. Ich unterdrückte ein Stöhnen.

Das war einfach nicht fair. Bitte nicht heute.

Ich hasse Eintopf im allgemeinen, aber es gibt eine Sache, die ich noch mehr hasse: Grünkohl im Besonderen. Diese Kombination dann auch noch mit Leolawurzel *verfeinert* - mir wurde schon bei dem Gedanken übel.

Mit einem Seufzen ließ ich mich auf den nächstbesten Stuhl fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Zeit, ein wenig in Selbstmitleid zu schwelgen. Aber nicht einmal das blieb mir vergönnt.

„Crewman Sykes?“

Ich bereitete mich darauf vor, den ungebetenen Störenfried mit allen Schikanen anzublaffen - Warum sollte ich heute auch die einzige sein, die den ganzen Dreck abkriegt? - und blickte auf. Mir blieb meine zurechtgelegte Beleidigung im Halse stecken, als ich erkannte, wer mich da so rüde in meiner Melancholie störte.

„C...Commander“, stotterte ich.

Commander Chakotay, der Erste Offizier dieses Schiffes, sprach mich an. Mich, eine kleine Wartungstechnikerin - und noch nicht einmal Ex-Maquis! - inmitten von Lieutenants, Fähnrichen und... eben massenhaft wichtigeren Leuten.

Ich muss ausgesehen habe wie ein Fisch auf dem Trockenen, wie ich so mit offenem Mund dasaß und schlichtweg nicht wusste, was ich sagen sollte.

„Geht es Ihnen nicht gut, Serena?“, erkundigte der Erste Offizier sich schließlich.

Er kannte meinen Vornamen! Natürlich tut er das, er ist für die Besatzung zuständig, Dussel! dachte ich im nächsten Moment.

Der Commander schaute mich einen Moment lang erwartungsvoll an. „Darf ich mich setzen?“, fragte er dann.

Mir wurde klar, dass ich noch immer kein Wort gesprochen hatte.

Aber was sollte ihn das wundern? Als zuständiger Offizier für die Dienstpläne sollte er wissen, wie viel Zeit ich mutterseelenallein in den engen Gängen auf den untersten Decks verbracht habe - dort, wo man am liebsten gleich eine große Party schmeißen möchte, wenn man zufällig einem anderen intelligenten Lebewesen auf dem Flur begegnet. Kein Wunder, dass meine sozialen Fähigkeiten in etwa so ausgeprägt sind, wie die eines Eremiten in der Wüste Gobi!

„B...bitte, Commander“, fing ich mich endlich und deutete auf den Stuhl mir gegenüber. Er lächelte.

Zum Glück wurde meine Aufmerksamkeit von dem Teller angezogen, den er vor meiner Nase abstellte, sonst wäre ich bestimmte rot wie eine Tomate geworden.

Meine Kabinengenossinnen hatten schon immer für die Grübchen des Commanders geschwärmt. Ich konnte ihre, wie ich fand, übertriebene Faszination nie verstehen - bis zu jenem Zeitpunkt, wo ich besagte Grübchen selbst aus direkter Nähe zu spüren bekam.

Der Mann müsste einen Waffenschein dafür besitzen!

So starrte ich angestrengt auf meinen Teller, während er sich auf dem Stuhl gegenüber niederließ und zu essen anfing. Seine Gabel stoppte auf halbem Weg zum Mund.

„Das ist Gemüselasagne“, klärte er mich auf. „Essen Sie.“

„Aber... warum, Commander?“ brachte ich verdutzt hervor.

„Weil alle Lebewesen regelmäßig Nahrung zu sich nehmen müssen“, meinte er amüsiert und schaufelte sich eine Portion Lasagne in den Mund.

„Das war nicht... Ich meinte...“

„Ich weiß, was Sie meinten“, unterbrach er mich. „Der Captain wurde zu einem Notfall gerufen, und ich dachte, dass es doch zu schade wäre, das gute Essen verkommen zu lassen.“

Er hatte mir die Lasagne des Captains gegeben! Das musste ich erst einmal verdauen - im doppelten Sinne.

„Oh“, sagte ich nur.

„Und nennen Sie mich Chakotay, wenn wir außer Dienst sind.“

Jetzt hatte er mich. Ich war völlig sprachlos und starrte ihn nur an.

Der Comman..., ich meine natürlich Chakotay, tat so, als würde er meine peinliche Imitation eines Bronzestandbildes nicht bemerken - vielleicht war er aber auch tatsächlich so von seinem Pastagericht eingenommen, dass er seine volle Aufmerksamkeit selbigem zuwenden musste.

Ich sollte irgend etwas tun, dachte ich fieberhaft. Alles, nur nicht einfach so vor mich hin starren.

Also schnappte ich zuerst einmal nach Luft und dann nach meiner Gabel. Essen war gut. Eine tolle Idee, gratulierte ich mir selbst. Kein Reden, kein Stottern - mit vollem Mund spricht man schließlich nicht.

Dummerweise hielt das den Com... Chakotay, nicht davon ab.

Ich hatte gerade entdeckt, dass die Lasagne wirklich sehr lecker und Neelix Eintopf in jeder Hinsicht vorzuziehen war, da...

„Serena... Sagen Sie, ich darf Sie doch Serena nennen?“

Ich sah auf in seine dunklen Augen. Sie blitzten mich schelmisch an, und mir wurde plötzlich klar: Dieser Mann wusste ganz genau, welchen Schreck er dem geringsten Mitglied der Crew mit seinem Auftritt gerade eingejagt hatte! Ich hatte nur noch keinen Schimmer, welchen Zweck er damit verfolgte.

Auf seine Frage konnte ich nur mit vollem Mund nicken.

„Schön. Serena, ich habe gehört, dass Sie sich für Kunst interessieren“, sagte er.

Zum Glück war mein Mund noch immer mit Kauen beschäftigt, so dass ich wieder nur zögerlich nicken konnte. Worauf sollte das Ganze hier hinauslaufen?

„Das ist prima“, stellte Chakotay fest, und schob sich eine weitere Ladung der Lasagne in den Mund.

„Prima?“, fragte ich vorsichtig.

„Aus zwei Gründen“, erklärte er. „Erstens könnte ich Ihre Hilfe bei einem Projekt gebrauchen.“

Aha, dachte ich, daher weht der Wind. Klar, dass sie nur ankommen, wenn sie was von dir wollen!

Ich schalt mich selbst. Was hatte ich denn gedacht? Warum sollte sich sonst jemand die Mühe machen, mir in meinem Nahrungsnotstand zu helfen? Die Lasagne des Captains! So ein Quatsch!

Ich war vollends genervt. Einige Nano-Sekunden später kam ich (wieder einmal) zu dem Schluss: Die oberen Ränge können mich mal! Frustriert stieß ich meine Gabel brutalstmöglich in die Teigmasse auf meinem Teller - obwohl die Lasagne nun wirklich gar nichts für mein erbärmliches Leben konnte.

Und dann... Dann fuhr Chakotay fort. Ohne meine aggressiven Tendenzen gegenüber meinem Essen zu kommentieren, sagte er: „Und zweitens war das eine tolle Gelegenheit, Sie endlich einmal kennenzulernen.“

Ich verschluckte mich. Natürlich.

Chakotay grinste selbstzufrieden - zumindest sah es für mich so aus - und reichte mir sein Glas. Ich hustete und spülte hastig nach.

„Sie machen das mit Absicht!“, rutschte es mir heraus, als ich wieder in der Lage war zu sprechen. Ich muss ihn tatsächlich böse angefunkelt haben, denn sein Grinsen verbreiterte sich.

„Ertappt“, meinte er nur, und eine weitere Gabel voller Pasta verschwand in seinem Mund - die letzte. Sein Teller war leer. Wie konnte jemand nur so schnell essen?

„Ich war hungrig“, sagte Chakotay entschuldigend und legte das Besteck zur Seite. Ich hob die Brauen. Ich hatte doch gar nichts gesagt. Gedankenlesen konnte er also auch noch!

„Nein, kann ich nicht“, widersprach er amüsiert, und ich musste lachen.

Er lehnte sich zurück. „Und ich hatte schon fast bezweifelt, dass Sie das auch wirklich können. Lachen, meine ich.“

Ich wusste nicht so recht, ob ich nun beleidigt sein sollte, aber Chakotay nahm mir die Entscheidung aus der Hand.

„Sie sollten das öfter tun, Serena. Es steht Ihnen.“

Ich bin mir sicher, dass ich rot wurde. „Danke“, brachte ich hervor und konnte mir ein ‚Dito’ im letzten Augenblick verkneifen.

„Als ich hörte, dass Sie sich mit Kunst auskennen, ist mir bewusst geworden, dass wir eigentlich kaum mehr als ein paar dienstliche Worte gewechselt haben“, sagte Chakotay und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Und das im Verlauf von Jahren. Dabei ist diese Schiff nicht einmal besonders groß. Oder besonders voll“, fügte er ironisch hinzu.

„Da haben Sie wohl recht“, stimmte ich zu und schob meinen nun ebenfalls geleerten Teller von mir.

Chakotay nickte enthusiastisch. „In der Tat. Das ist auch der Grund, warum ich Ihre Hilfe brauche. Ich habe mir einige Projekte überlegt, die für die sozialen Interaktionen der Crew förderlich wären...“

„Sprich: die mordsmäßig Spaß machen würden“, unterbrach ich ihn ohne nachzudenken. Es war mir unbegreiflich, wie schnell ich Chakotay gegenüber auftauen konnte. Noch vor einer Stunde hätte ich es um keinen Preis gewagt dem Ersten Offizier ins Wort zu fallen. Aber er war mir als Person einfach direkt sympathisch - nicht so abgehoben und über das kleine Fußvolk erhaben, wie ich mir den Vizekönig unseres kleinen Reiches irgendwie immer vorgestellt hatte. Ich hatte ja meinen Freundinnen, die es diesmal wirklich besser wussten, nicht glauben wollen. Schnelle (Vor-)Urteile sind schon immer meine größte Schwäche gewesen.

„Was haben Sie denn vor?“, fragte ich mit gewecktem Interesse.

Chakotay erklärte mir von seinen Plänen einen Kunstwettbewerb zu veranstalten, die ich begeistert weiterspann. Es dauerte nicht lange, und wir steckten mitten in einer angeregten Diskussion über das einzige Thema, das mich wirklich interessierte. Es stellte sich heraus, dass er sich ausgiebig mit der bildenden Kunst der amerikanischen Ureinwohner auseinandergesetzt hatte und sich auf diesem Gebiet wirklich unglaublich gut auskannte.

Schließlich schlug ich vor, den Wettbewerb nicht nur auf Bilder und Skulpturen zu beschränken, wie Chakotay es zunächst vorhatte, sondern gleichzeitig einen Preis für Gedichte und Geschichten auszuschreiben. Außerdem versicherte ich ihm, dass der Crew als Ansporn nichts lieber wäre als ein paar Replikatorrationen oder ein wenig Holodeckzeit.

Ich blühte richtiggehend auf. Diese Unterhaltung mit dem Ersten Offizier meines Schiffes war ein erhebendes und völlig unerwartetes Erlebnis für mich. Es musste schließlich irgendeinen Grund dafür geben, dass der Hinweis, man solle immer mit dem Unerwarteten rechnen, auf der Voyager schon zum geflügelten Wort geworden war.

Im Nachhinein kann ich es jedenfalls selbst immer noch kaum fassen.

Und es blieb natürlich nicht so wundervoll, schließlich fand dies alles in meinem Leben statt...

~ Das Ende vom Anfang ~

„Crewman Sykes.“

Eine kalte, perfekt modulierte Stimme unterbrach Chakotay, der mir gerade erklärte, wie er die Gewinner der Wettbewerbe bestimmen wollte. Wir blickten beide auf.

Seven of Nine stand kerzengerade neben unserem Tisch. Natürlich musste ausgerechnet sie mir den Tag, der gerade angefangen hatte sich gut zu entwickeln, wieder versauen. Dafür war sie die perfekte Wahl. Wenn ich die höheren Ränge respektierte, so hatte ich vor Seven einfach nur Angst.

Normalerweise.

„Seven?“, fragte Chakotay, und sie bedachte ihn mit einem kühlen Blick.

„Commander Chakotay“, grüßte sie, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. „Crewman Sykes. Sie haben wichtige Daten gelöscht, die ich zur Durchführung meiner Arbeit benötige. Sie werden diese unverzüglich wiederherstellen“, stellte sie im Befehlston fest.

Ich war sauer und enttäuscht, dass diese... diese... Borg uns unterbrochen hatte. Und ich war mir völlig sicher, dass ich keine einzige Datei, die etwas mit der Astrometrie zu tun hatte, überhaupt nur schief angesehen hatte.

„Ich habe Mittagspause“, lehnte ich deshalb kühn ab. „In einer halben Stunde bin ich wieder im Dienst.“

Sevens Augenbrauen hoben sich in mildem Erstaunen. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr widersprach.

Und ich... Ich war das Widersprechen ebenfalls nicht gewohnt. Sobald die Worte meinen Mund verlassen hatten, schlug mir das Herz bis zum Hals. Was hatte ich nur getan? War ich jetzt völlig bescheuert? Einen Befehl zu verweigern, und das noch dazu vor den Augen des Ersten Offiziers!

Ein gehetzter Blick zu Chakotay verriet mir allerdings, dass er mich vorerst nicht vor ein Kriegsgericht stellen würde. Er schien den Wortwechsel nur sehr interessiert zu verfolgen. Offenbar hatte er es noch nicht oft erlebt, das Seven jemand die Stirn bot - was auch nicht wirklich meine Absicht gewesen war. Nein, ich wollte eigentlich noch ein wenig weiterleben.

Aber seine, für mich, ermutigenden Blicke gaben mir ein wenig mehr Selbstvertrauen und die Stärke mich nicht gleich stotternd und unterwürfig wieder zu entschuldigen, wie ich es vielleicht sonst getan hätte. Ich ignorierte Sevens Präsenz und wandte mich stattdessen wieder meinem Gesprächspartner zu, dessen Augen aufmunternd blitzten.

„Die Jury zur Beurteilung der Arbeiten sollte aus mindestens fünf Leuten bestehen...“, begann ich, doch ich kam nicht weit.

„Crewman Sykes, ich bestehe darauf, dass Sie Ihre Aufgabe *sofort* verrichten!“ Seven stand immer noch da, und ihr Tonfall zeugte eindeutig von Ungeduld.

Erstaunlich ruhig sah ich auf. „Seven, ich habe Mittagspause, die noch eine halbe Stunde andauern wird. Danach werde ich mich gerne um Ihre Angelegenheit kümmern.“

Einen ratlosen Augenblick lang schien Seven nicht zu wissen, was sie dazu sagen sollte.

Ich hatte mich schon wieder Chakotay zugewandt, den die Situation langsam zu beunruhigen schien, als Seven mich an der Schulter packte - vermutlich um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. „Das wird nicht genügen“, sagte sie kalt. „Sie werden sich jetzt darum kümmern, Crewman.“

„Seven...“, sagte Chakotay jetzt warnend.

Doch Seven schien das Wort ‚einlenken’ nicht zu kennen - und ich an jenem Tag genauso wenig. Und dass sie mich körperlich bedrohte - so fasste ich diesen Griff an meine Schulter auf - machte mich rasend vor Wut. Auf Demonstrationen körperlicher Überlegenheit reagiere ich, aufgrund früherer Erfahrungen auf diesem Gebiet, furchtbar allergisch.

Ich sprang auf. Ihre Hand hielt immer noch wie ein Schraubstock meine Schulter. „Lassen Sie mich sofort los“, zischte ich Seven an. „Ich werde zur Verfügung stehen, wenn mein Dienst wieder beginnt! Und nur damit Sie es wissen: ich habe Ihre Dateien nicht angerührt!“ Damit riss ich mich los. Ohne dass ich es gewollt hätte, hob sich meine Stimme, und jeder im Casino konnte meine nächsten wütenden Worte ausgezeichnet verstehen. „Und jetzt trollen Sie sich!“

Obwohl ich mit meinen eher zierlichen Einssechzig kein besonders erschreckendes Bild geboten haben kann, wich Seven einen Schritt zurück. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Chakotay allerdings auch nicht. Er stand im ersten Augenblick mit offenem Mund da und starrte von mir zu Seven und wieder zurück, und wünschte sich wahrscheinlich, er hätte schon früher eingegriffen.

Nicht nur er, nein, alle im Casino starrten mich an. Meine Wut verrauchte viel zu schnell, und mein Verstand meldete sich von seinem Urlaub zurück. Ich wäre am liebsten vor Scham direkt im Boden versunken. Oder wahlweise im Deck, völlig egal. Ich wurde knallrot und ließ mich langsam wieder auf meinem Stuhl nieder.

Chakotay erwachte aus seiner Starre und hatte Mitleid mit mir; oder vielleicht auch mit Seven, ich weiß es nicht. Er blickte sich um. „Haben Sie nichts zu tun?“, fragte er laut, und plötzlich schienen alle Anwesenden wieder sehr an ihrem Essen oder an ihrem Tischnachbarn interessiert zu sein.

Chakotay trat auf Seven zu; ich konnte die Unterhaltung der beiden kaum verstehen. „Machen Sie eine Pause, Seven“, sagte er leise und berührte sie beruhigend am Arm. Sie zuckte zusammen, und er zog seine Hand alarmiert zurück. „Wie lange arbeiten Sie schon an den Modifikationen?“

„Seit 72 Stunden“, antwortete Seven widerstrebend; sie schien zu wissen, was nun folgen würde.

„Dann werden Sie sich jetzt sofort in die Regeneration begeben!“, sagte Chakotay in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Halt, ich korrigiere mich. Zuerst werden Sie hier etwas essen, und dann gehen Sie schlafen. Das ist ein Befehl. Wir unterhalten uns später über diesen Vorfall.“ Der letzte Satz wurde noch gedämpfter gesprochen, aber nicht leise genug für mich.

Seven nahm alles wortlos zur Kenntnis, warf mir noch einen eisigen Blick zu und ging in Richtung Essensausgabe davon. Ich sollte ihr heute besser nicht mehr begegnen. Nicht nur, dass ich ihr in aller Öffentlichkeit widersprochen hatte, nein, ich war auch noch daran Schuld, dass sie mit Befehlsgewalt von ihrer Arbeit abgehalten wurde.

„Und nun zu Ihnen...“, sagte Chakotay und setzte sich zurück an den Tisch. Ich wappnete mich für eine gehörige Standpauke. Ich musste all meinen Mut aufbringen, um ihm wieder in die Augen zu sehen und er überraschte mich schon wieder. Er sah aus, als musste er sich ein Lächeln verkneifen. Meine Augen müssen so groß wie Untertassen geworden sein.

„Ich weiß, ich sollte mich darüber wirklich nicht amüsieren...“, sagte er entschuldigend -

Also, bei mir brauchte er sich bestimmt nicht dafür zu entschuldigen, dass er mich nicht anbrüllte! - „...aber Seven hat nur selten mit Gegenwehr zu kämpfen. Meistens tut die Crew einfach, was Seven verlangt. Dabei sind solche Konflikte sogar hilfreich für sie, um ihr eigenes Menschsein besser zu verstehen und zu akzeptieren.“

Sein Gesicht wurde ernst. „Aber das Ganze hätte nicht unbedingt vor aller Augen stattfinden müssen.“

Ich blickte verlegen auf den Tisch. „Ich weiß“, murmelte ich. „Es tut mir auch leid. Und mit ihrer überheblichen Art hätte sie mich an jedem anderen Tag auch nicht aus der Ruhe bringen können. Da hätte ich schicksalsergeben einfach getan, was Seven verlangt.“

„Schicksalsergeben?“, wiederholte Chakotay beinahe entrüstet. „Das meinen Sie nicht ernst. Sie dürfen sich von niemandem herumschubsen lassen. Natürlich müssen Befehle befolgt werden, da gibt es keine Ausnahme. Aber in diesem Fall, denke ich, bestätigt die Ausnahme die Regel. Seven ist manchmal zu fordernd und vergisst, dass nicht alle Crewmitglieder 72 Stunden lang ununterbrochen arbeiten können. Ich denke, es ist ganz gut, wenn sie dann und wann wieder jemand daran erinnert.“ Dann beugte er sich vor. „Außerdem hatte ihr ratloser Gesichtsausdruck absoluten Seltenheitswert“, flüsterte er mir zu, als verriete er mir damit ein großes Geheimnis.

„Wenn Seven sich allerdings offiziell beschweren sollte, werde ich eine Strafe verhängen müssen. Aber diese würde dann wahrscheinlich eher symbolisch ausfallen,“ fügte er zu meiner Beruhigung hinzu.

Ich seufzte. „Ich bin erleichtert“, gab ich zu. „Ich hatte schon fast mit einem Eintrag in meine Akte gerechnet...“

Ich stockte. Mein Blick fiel auf den Tisch schräg hinter Chakotay an der Wand. Seven hatte sich dort niedergelassen und bedachte uns mit seltsamen Blicken, während sie einen großen Schokoladeneisbecher mit dem Löffel bearbeitete.

Seven und Schokoladeneis? Wo waren die Nahrungsergänzungen geblieben? Was konnte eine Seven of Nine genug deprimieren um sich dem schlimmsten Laster fast aller Frauen, der Schokolade, zuzuwenden? Und seit wann gab es das: Seven deprimiert?!

Meine natürliche weibliche Neugier war geweckt. Obwohl ich immer noch eine Scheißangst davor hatte, Seven allein in einem dunklen Korridor wiederzubegegnen, betrachtete ich sie eingehend aus den Augenwinkeln...

Chakotay wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. „Hallo-ho? Wo sind Sie denn mit Ihren Gedanken, Serena? Ich stelle gerade fest, dass Sie nur noch eine Viertelstunde Zeit haben, richtig?“

Zerstreut schaute ich auf die Uhr. „Richtig“, bestätigte ich. „Wir sollten vielleicht wieder auf den Wettbewerb zurückkommen.“

„Ganz mein Gedanke“, entgegnete Chakotay. „Und wir sollten ein zweites Treffen abmachen, um die genauen Einzelheiten zu klären, so wie die Termine zum Beispiel. Bis dahin habe ich dann auch schon mit dem Captain über die Erlaubnis und die Preise gesprochen.“

Begeistert wandte ich mich wieder dem Thema zu, bei dem uns Seven so unfreundlich unterbrochen hatte. Chakotay organisierte uns noch einen Kaffee, den ich dankbar annahm. Einen echten Kaffee aus dem Replikator, bezahlt mit den Rationen des Ersten Offiziers.

Ich musste in ein mir wohlgesonnenes Paralleluniversum übergewechselt haben.

~ Der Anfang vom Ende ~

In der letzten Viertelstunde meiner Unterhaltung mit Chakotay behielt ich Seven über den Rand meiner Kaffeetasse im Auge. Irgend etwas an ihren Blicken störte mich. Ich konnte sie nicht genau zuordnen. Sie waren nicht wirklich feindselig und außerdem nicht nur auf mich gerichtet, auch auf Chakotay. Nur waren die ihm zugedachten irgendwie anders.

Mir war die ganze Zeit so, als hätte ich wissen müssen, was dieser Ausdruck in ihrem Gesicht bedeutete, immer wenn sie herübersah, und ich zerbrach mir den Kopf darüber.

Als Chakotay sich gerade darüber ärgerte, dass er selbst keinen Beitrag zum Kunstwettbewerb abgeben konnte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Mit einem dumpfen Pochen knallte ich meine Tasse auf den Tisch, dass der Kaffe nur so überschwappte. Chakotay zuckte zusammen und blickte mich fragend an.

Ich schalt mich selbst für meine Ignoranz. Ich war davon ausgegangen, dass Seven zu solchen Gefühlen gar nicht fähig war; dass sie so etwas nicht interessierte. Aber sie war ein Mensch, wie ich. Nun, vielleicht nicht genauso wie ich.

Aber auf jeden Fall war sie eine Frau.

Und Seven war eifersüchtig. Eifersüchtig!

Auf mich!

Dieser Gedanke musste sich erst mal durch mein Gehirn arbeiten. Seven hatte Gefallen an Chakotay gefunden.

Kein Wunder, dass sie zuvor so kühl reagiert hatte, als sie Chakotay in angeregter Unterhaltung mit einem jungen, blonden, weiblichen Crewman vorgefunden hatte. Und kein Wunder, dass sich ihre Feindseligkeit so bereitwillig gegen mich gerichtet hatte. Und schon überhaupt kein Wunder, dass sie nun Trost in der Schokolade suchen musste, nachdem Chakotay sich praktisch auf meine Seite gestellt hatte...

„Serena?“, unterbrach er meine Gedanken. „Was ist los? Sie sind schon wieder ins Traumland abgedriftet.“

„Oh, nichts ist los“, beeilte ich mich zu versichern. „Ich war nur abgelenkt. Und ich habe mich gefragt...“ Ich atmete tief durch und nahm meine Tasse wieder auf. Mein Wissen machte mich mutig. Schon wieder. Es muss damals ein besonderer Tag gewesen sein.

„Ich habe mich gefragt, was Sie persönlich von Seven halten.“

Seine Augenbrauen hoben sich erstaunt, nur um sich dann einem Stirnrunzeln zu unterwerfen. „Wieso fragen Sie das?“

Ich bemühte mich, auf keinen Fall in Sevens Richtung zu blicken - ich glaube nicht, dass ihm bewusst war, dass Seven genau hinter ihm saß.

„Oh, ist mir nur gerade so durch den Kopf gegangen. Ich kenne sie schließlich kaum“, sagte ich leichthin, und er glaubte mir nicht eine Sekunde. Doch Chakotay entschied, mir trotzdem zu antworten. Ich weiß nicht, warum, und ich schätze, er selbst wusste es auch nicht.

„Seven hat eine Vergangenheit, die sie verfolgt - mehr als das bei jedem anderen Menschen möglich wäre. Sie war Borg. Seven hat sicher ihre Fehler, aber die hat jeder andere Mensch auch. Sie hat auch viele liebenswerte Eigenschaften, die man auf den ersten Blick nicht unbedingt erkennt. Zum Beispiel ihr Humor.“ Chakotay lächelte, als erinnere er sich an etwas. „Ich mag Seven...“ Er verstummte, als hätte er zuviel gesagt. Dann beäugte er mich vorsichtig. „Wieso fragen Sie, Serena?“

Ich stürzte schnell meinen Kaffee hinunter und erhob mich. „Ich muss gehen. Meine Pause ist vorbei.“

„Sie haben mir nicht geantwortet, Crewman“, hielt er mich auf.

Mit seinem Rang konnte der Commander mich heute nicht mehr beeindrucken. Gar nichts konnte mich heute noch aus der Fassung bringen.

Ich blieb neben seinem Stuhl stehen und sprach gedämpft. „Sie mögen Seven, Commander? Vergessen Sie, dass sie eine Borg war. Tun Sie, was Sie normalerweise tun würden.“

Ich wies auf den Tisch hinter ihm. Chakotay wandte sich um und sah Seven dort sitzen mit dem Eisbecher vor sich. Er bemerkte den Blick, den Seven uns zuwarf, bevor sie erkannte, dass sie Chakotays Aufmerksamkeit besaß. Sie wandte sich sofort wieder ab.

Chakotay schien sich nicht so recht einen Reim darauf machen zu können. Noch nicht.

Ich seufzte unhörbar. Was konnte man schon von einem Mann erwarten? Sie sind in solchen Dingen schon immer etwas langsamer gewesen als wir Frauen - wobei ich hier jetzt keineswegs stereotypisierend werden will. Aber Fakten sind nun mal Fakten.

Chakotay würde schon noch dahinterkommen.

„Bis heute Abend“, verabschiedete ich mich von ihm. Er war offenbar tief in Gedanken versunken und hörte nur mit einem Ohr zu. Sein Brummen betrachtete ich als Zustimmung.

Ich verließ das Casino mit dem erhebenden Gefühl meine gute Tat des Tages vollbracht zu haben.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich vorher zum Gesprächsthema Nummer eins der Gerüchteküche für mindestens die ganze nächste Woche gemacht hatte...

~ Das Ende ~

Ungefähr ein Woche später begegnete mir Seven wieder. Wo? Natürlich in einem dunklen Korridor. Wo sonst?

Mir war es nach diesem *Vorfall* im Casino erstaunlich gut ergangen. Viele meiner Kollegen schienen mich dafür zu bewundern, obwohl ich es im Nachhinein immer noch für eine hirnrissige Sache hielt. Ich fragte mich, was zur Hölle an dem Tag mit mir los gewesen war.

Eine Strafe hat es zu meinem großen Erstaunen nicht gegeben. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Seven sich offiziell beschweren würde; vielleicht sogar direkt bei Captain Janeway. Doch nichts dergleichen. Über den Dienstweg hatte ich scheinbar keine Konsequenzen meines Verhaltens zu tragen.

Die einzige Folge war, dass ich plötzlich mehr Freunde hatte. Oder besser gesagt, Leute, die sich für meine Freunde hielten. Wo ich früher ignoriert wurde, bat man mich neuerdings mit an den Tisch. Wenn getuschelt wurde, war ich plötzlich auch mittendrin. Ich musste die halbe weibliche Crew mit Geschichten über meine Arbeit mit Chakotay bei Laune halten.

Der Kunstwettbewerb war im Übrigen geplant, der Abgabetermin stand fest, die Jury war ausgewählt, und alle arbeiteten fleißig an ihren Werken. An manchen Tagen ging es schlimmer zu als im kalten Krieg. Die Teilnehmer versuchten sich gegenseitig auszuspionieren - jeder wollte schließlich alle anderen übertrumpfen. Das Ganze artete zu einem nicht ganz ernstgemeinten Spionagewettstreit aus. Da trat ein Erfindungsreichtum zu Tage! Es war kaum zu glauben.

Auch für mich als Außenstehende und Mitglied der Jury war es wirklich interessant zu verfolgen. Dabei waren erst sechs Tage seit der Ankündigung des Wettbewerbs vergangen.

Ich bereitete mich schon seelisch darauf vor, dass ich bald mit zu entscheiden hatte, wer gewinnen würde.

Zum Glück ließ mir meine selten stupide Arbeit dafür richtig viel Zeit: Ich trug Datenpadds auf der untersten Ebene von einem Knotenpunkt zum anderen. Welchen Sinn sollte das haben? Wozu hatte man die optischen Datennetze erfunden, verdammt noch mal?

Genau auf einem dieser Botengänge in einem spärlich beleuchteten, niedrigen Korridor auf dem untersten Deck bog ich um eine Ecke und stieß mit Seven of Nine zusammen.

„Crewman Sykes.“

„Seven“, grüßte ich vorsichtig.

Vor dieser Begegnung hatte ich mich eine Woche lang gefürchtet.

Ich muss ausgesehen haben wie das Kaninchen vor der Schlange, als sie mich mit ihrem strengen Blick maß.

„Ich muss Ihnen ein Lob aussprechen. Die Wiederherstellung meiner Messdaten, die Sie vorgenommen haben, war exzellent“, stellte Seven fest. Ich blickte ungläubig drein und wartete auf den Knall, doch er kam nicht. Stattdessen kam es noch besser. „Außerdem möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Es hat sich herausgestellt, dass Sie tatsächlich nichts mit dem Verschwinden meiner Daten zu tun hatten.“

Einen Augenblick lang war ich sprachlos. „Oh, äh, kein Problem“, stotterte ich dann.

Seven trat plötzlich näher, und ich zuckte erschrocken zusammen. „Ich muss mich bei Ihnen bedanken,“ sagte sie zu meinem großen Erstaunen.

Ich starrte sie fragend an.

„Bitte teilen Sie das, was ich Ihnen nun anvertrauen werde, niemandem sonst mit,“ bat Seven leise, und ich nickte verdutzt. „Commander Chakotay hat mich um ein Rendezvous gebeten. Er erzählte mir, dass Sie zu diesem Umstand einen entscheidenden Beitrag geleistet haben.“

Seven trat wieder zurück, und der Ansatz eines Lächelns umspielte ihre Lippen. „Ich danke Ihnen, Crewman Sykes.“

„Serena,“ verbesserte ich automatisch.

„Serena“, wiederholte Seven.

Ich erholte mich nur langsam von dem Schreck, den sie mir eingejagt hatte. „Es war mir ein Vergnügen“, brachte ich schließlich hervor, und ich meinte es ernst.

Seven nickte mir zu und nahm dann ihren Weg wieder auf.

Als sie um die nächste Ecke verschwunden war, atmete ich auf.

Das war... unheimlich gewesen.

Was für ein Glück, dass ich nun Mittagspause hatte. Einen starken Kaffee konnte ich jetzt wirklich gut gebrauchen.

Ich machte mich auf den Weg zum Turbolift, und als ich in diesem mit dem Ziel Casino durch das Schiff brauste, fiel mir plötzlich ein, dass genau dort alles begonnen hatte.

In einer Mittagspause wie dieser.

*Ende*
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