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Gestohlene Herzen

von Emony

Kapitel 1

Kasino - Deck 2

Es war wieder ein Tag wie jeder andere für sie. Alles war zur Routine geworden, selbst sie. Wie jeden Tag saß sie im Kasino, frühstückte und blieb dabei unbemerkt, als wäre sie nicht existent. Sicher hatte sie Freunde, einige sogar, jedoch war sie *ihm* noch niemals aufgefallen. Bisher hatte er sie noch nie wirklich angesehen, sie nicht angesprochen oder versehentlich angerempelt. Nichts, absolut niente.

Warum auch? Schließlich kam sie niemals in die Nähe seines Arbeitsplatzes oder er in die Nähe ihres. Er arbeitete meist auf der Brücke, hin und wieder im Maschinenraum. Sie dagegen hatte ihren Arbeitsbereich in den Labors auf Deck 13. Selbst wenn er sich also im Hauptmaschinenraum aufhielt, war er immer noch zwei Decks entfernt.

Ihr Gegenüber stieß sie unter dem Tisch gegen das Schienbein, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine Geste, die keinesfalls böse gemeint war, denn er lächelte sie wissend an.

„Was findest du nur an ihm?“, fragte der junge Bajoraner und musterte seine Kollegin und Freundin aufmerksam.

„Das kann ich dir nicht erklären, Tjiran. Es ist seine umwerfende Ausstrahlung, die mir sofort auffiel, sein charmantes Lächeln, seine Stimme… und seine unglaublich ausdrucksstarken Augen.“ Sie seufzte hörbar während sie antwortete, wandte den Blick jedoch nicht von Fähnrich Harry Kim ab, solange er sie nicht ertappte.

„Es war so wie Liebe auf den ersten Blick, verstehst du? Du weißt eigentlich nichts über diese Person, gerade mal das, was du aus der Sternenflottendatenbank runterladen kannst, und dennoch passiert es.“

„Dir ist doch klar, dass du deine Zeit verschwendest, wenn du ihm hinterher träumst, nicht wahr?“ Tjiran sah sie ernsthaft und bedauernd an. Wie sollte so jemand wie ein direkter Untergebener des Captains, dazu kommen, auf die weniger wichtigen Mannschaftsmitglieder zu achten? Sicher war der Fähnrich, wie alle übrigen Brückenoffiziere, damit beschäftigt, vor dem Captain zu kriechen.

Auch nach etwas mehr als drei Jahren hatte sich Gerron Tjiran nicht an das Leben als Sternenflottenoffizier gewöhnt. In seinem Herzen war er immer noch ein Maquis, auch wenn er die Uniform derer trug, die er einst als Feinde, angesehen hatte.

Gegenüber seines Quartiers auf Deck 9 lag das von Fähnrich Majandra Carter. Beides waren Doppelunterkünfte, so wie die der meisten Mitglieder der Crew. Sie waren eng und boten nur wenig Privatsphäre.

Maja und er hatten sich relativ schnell angefreundet, wenn man bedachte, dass sie zu Beginn verschiedenen Fraktionen angehört hatten. Sie ließen sich jedoch auf einige gemeinsame Stunden Velocity auf dem Holodeck ein, und so führte eins zum Anderen. Und mittlerweile waren sie als ein eingespieltes Team bekannt. Sie arbeiteten beide auf demselben Deck, wohnten auf demselben und verbrachten viele Stunden ihrer Freizeit zusammen.

Und gerade als Tjiran glaubte sie verstanden zu haben, da hatte sie ihm ihr kleines Geheimnis anvertraut, mit dem sie ihm seit nunmehr zwei Jahren die Ohren voll schwärmte.

„Ich weiß, dass er mich vermutlich niemals wahrnehmen wird, aber ich kann auch nichts gegen meine Gefühle machen. Sie sind da, ob ich will oder nicht. Und du bist mir zu machohaft, als dass du in Frage kämst“, grinste sie zynisch.

„Zudem sind wir schon viel zu lang befreundet. Da ist nichts Geheimnisvolles mehr, das meiner Ansicht nach eine Beziehung erst so richtig spannend macht. Bei uns würde das Kennenlernen wegfallen.“ Er sah sie mit einem Zwinkern an und folgte dann ihrem Blick hinüber zu dem Tisch, an welchem Harry Kim und Tom Paris saßen. „Und wer will schon ein magersüchtiges kleines Ding wie dich…“, fügte er spöttisch hinzu, wie sie es zuvor getan hatte.

Augenblicklich wandte sie den Kopf in seine Richtung. „Du bist ein Scheusal und wärst du nicht mein bester Freund, dann…“

„Was dann?“, fragte er grinsend.

„Du Ekel“, beschimpfte sie ihn weiter, jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie ärgerten sich immer wieder, neckten und rauften sich sogar gelegentlich. Das alles war ein Teil ihrer Freundschaft und niemals ernst gemeint. Sie beide wussten das; deshalb funktionierte diese Freundschaft auch derart gut.

Für einen Augenblick schwiegen sie beide und Majas Blick wanderte, wie magnetisch angezogen, wieder zu Fähnrich Kim hinüber. „Denkst du wirklich, dass ich keine Chance bei ihm habe?“

„Wenn du nicht immer kneifen würdest, dann wüsstest du die Antwort schon seit mehr als einem Jahr, meine Liebe.“ Erneut folgte Tjirans Blick Majandras. „Warum fragst du ihn nicht mal, ob er eine Runde Velocity mit dir spielt oder ob er sonst irgendwas auf dem Holodeck mit dir unternehmen möchte? Was hast du denn zu verlieren? Er weiß doch noch nicht einmal, dass es dich gibt.“

„Meine Träume von ihm könnten platzen. Ich könnte mich blamieren…“ Ihre Antwort war leise und nachdenklich. Sie wollte ungern ihre Phantasien verlieren, oder dafür sorgen, dass bald jeder auf dem Schiff davon wusste, was sie für Harry Kim empfand. Und sicher würde es die Runde machen, würde er sie abblitzen lassen. Sie atmete tief durch und sah ihn an. „Wir sollten uns auf den Weg machen. Unsere Schicht fängt in fünf Minuten an.“

Er nickte. „Sprich ihn an, komm schon“, sagte Tjiran beim Aufstehen flüsternd.

Majandra schüttelte heftig den Kopf. „Nie im Leben. Das kann ich nicht…“

„Feigling“, neckte er sie wieder und legte freundschaftlich den Arm um sie.

Als sie an Kims Tisch vorbeigingen glaubte er fühlen zu können, wie ihre Knie weich wurden und er hielt sie etwas fester.

Es tat Tjiran weh mit anzusehen, wie sie sich nach diesem Fähnrich verzehrte, während dieser noch nicht einmal von ihrer Existenz wusste. Dagegen musste er etwas tun, und zwar bald. Er würde ihr helfen. Jetzt musste er sich nur noch einen Plan ausdenken, wie er es zwischen den Beiden zu einem ersten Kontakt kommen lassen konnte.


Fähnrich Kims Quartier – Deck 6

„Computer: Licht!“ Sein Quartier erhellte sich und Harry ging auf seine Couch zu. Seufzend ließ er sich darauf nieder. Nach einer auslaugenden Schicht und einer Partie Pingpong mit Lieutenant Paris wollte er nur noch seine müden Beine hochlegen und sich ausruhen.

Harry sah sich in seinen vier Wänden um. Sein Blick blieb an der Klarinette hängen und dem davor stehenden Notenständer. Wann hatte er eigentlich das letzte Mal geübt? Es musste Wochen, wenn nicht gar Monate her sein. Und ganz sicher wären seine Eltern darüber nicht froh, denn immerhin hatten sie ihm mit den Übungsstunden einen kleinen Traum erfüllt.

Er hatte es damals unbedingt lernen wollen auf diesem Instrument zu spielen und wurde jahrelang von seinen Eltern unterstützt. Doch nun kam er nicht mehr dazu. Und wem sollte er schon etwas vorspielen? Tom nicht, ihm waren so gut wie alle Stücke zu melancholisch.

Sogar B’Elanna hatte das schnell erkannt, ohne irgendeine Lieblingsmusikrichtung zu besitzen oder häufig Musik zu hören. Das Summen des Warpkerns war Musik genug in den Ohren der Chefingenieurin.

Seine beiden besten Freunde hatten kaum etwas für seine Musik übrig, sie lauschten ihr zwar sporadisch, empfanden dabei jedoch nichts weiter. Nicht so wie er selbst, wenn er mit der Luft die aus seinen Lungen kam Melodien spielte, die Erinnerungen an Zuhause in ihm weckten.

Das Computerterminal auf seinem Schreibtisch gab ein leises Signal von sich um eine eingehende Nachricht anzukündigen und er erhob sich von seinem bequemen Platz, wenn auch äußerst ungern.

Neugierig betätigte er eine Taste des Terminals und sah sich die Mitteilung an. Der Absender war verschlüsselt. Verwundert darüber zog er seine Stirn kraus und ließ den Rest anzeigen.

„Morgen, 17.00 Uhr Holodeck 2.

Tragen Sie bitte legere Kleidung.

Ich werde auf Sie warten“

Harry starrte mit fragendem Blick auf die Nachricht. Von wem sie wohl sein mochte? Und vor allem, aus welchem Grund wollte der Autor anonym bleiben?

Fähnrich Kim klopfte leicht auf den Insignienkommunikator. „Kim an Paris.“

„Paris hier“, erklang sofort die Antwort. „Was gibt’s, Harry?“

„Du hast mir nicht zufällig eine Nachricht zukommen lassen?“, fragte der Fähnrich, während sein Blick immer noch auf dem Monitor des Terminals haftete.

„Nope. Warum sollte ich?“, erkundigte sich Lieutenant Paris und Verwunderung schwang in seiner Stimme. „Es ist keine zehn Minuten her, seit wir uns zuletzt sahen.“

„Dann würde mich interessieren, wer mir diese Nachricht zugeschickt hat. Der Absender ist verschlüsselt.“ Eigentlich sprach Harry mehr mit sich selbst, als mit ihm, und war sich dessen nicht bewusst, dass er seine Gedanken tatsächlich laut geäußert hatte.

„Warum versuchst du nicht einfach die Verschlüsselung des Absenders zu decodieren? B’Elanna würde dir dabei sicher gerne helfen.“

„Was…? Hm, keine schlechte Idee. Allerdings denke ich, dass es vielleicht einen Sinn hat, dass der Versender zunächst anonym bleiben möchte. Ich werde ja morgen sehen, wer hinter dem Geheimnis steckt, und weshalb er daraus überhaupt ein Geheimnis gemacht hat“, entgegnete Kim.

„Wenn du meinst.“ Paris’ Stimme klang ein wenig enttäuscht. Offenbar hätte er gerne gewusst, wer seinem Freund diese Nachricht zukommen ließ. „Bis morgen, Harry. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Tom“, verabschiedete dieser sich ebenfalls.


Gerron Tjirans Quartier – Deck 9

„Gerron an Carter.“

„Was willst du, Tjiran? Ich war gerade beim Einschlafen“, erklang die müde Stimme Majas.

Ihn packte das schlechte Gewissen, doch er schüttelte es schnell wieder ab. „Tut mir leid, dass ich dich von deinen Träumen über Kim abhalte“, entgegnete er mit einem frechen Lächeln auf den Lippen und vernahm ein tiefes Seufzen von der anderen Seite der Verbindung. „Ich wollte nur fragen, ob du morgen so gegen 17:00 Uhr auf Holodeck 2 kommst? Ich hab zwei Stunden reserviert.“

„Aber bitte kein Velocity. Ich habe noch vom letzten Mal Muskelkater“, entgegnete Majandra wenig begeistert.

„Keine Angst. Ich hab etwas anderes vor, aber was werde ich dir nicht verraten. Es soll eine Überraschung sein.“

„Fein. Aber du weißt, dass ich erst in einem Monat Geburtstag habe, nicht wahr?“, erklang ihre zynische Antwort.

Das brachte den Bajoraner jedenfalls nicht von seiner Absicht ab. „Das weiß ich. Es muss doch nicht immer einen Anlass geben, wenn ich dir eine Freude machen will.“

„Okay, dann bis morgen.“

Offenbar war sie wirklich müde. Tjiran jedoch nicht, doch er wollte seine Freundin nicht länger stören. „Süße Träume“, sagte er noch und unterbrach dann die Verbindung. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. Bestimmt würde sie ihm nach dem morgigen Abend auf dem Holodeck die Hölle heiß machen, aber er war bereit das Risiko einzugehen. Es ging hierbei darum ihr Seelenleben zu retten, bevor sie endgültig an dieser unerwiderten Liebe zugrunde ging.

Er hoffte nur, dass er das Richtige tat, indem er ein Blind Date für Maja und Harry Kim arrangiert hatte. Was wenn der Fähnrich ihr das Herz brechen, oder schlimmer noch, ihre Gefühle ausnutzen würde?

Kim war ein typischer Sternenflottenoffizier, gehorchte ohne zu zögern den Befehlen des Captains. Doch wie war dieser Offizier privat? Was war mit dieser Libby, die in seiner Personaldatei als seine Verlobte angegeben stand? Wollte er sich für diese Frau freihalten, egal ob er sie jemals wiedersehen würde oder nicht?

Tjiran wusste auf so viele Fragen, die ihm in Bezug auf den Fähnrich in den Sinn kamen keine Antwort. Und er konnte jetzt auch nichts weiter tun, als abzuwarten und für Maja das Beste hoffen. Auch wenn das Beste bedeuten würde, dass dieser Sternenflottenoffizier möglicherweise bald zwischen ihr und ihm stehen würde.

„Computer, wie viel Uhr ist es?“, fragte er in die Dunkelheit seines Quartiers.

„Es ist 01:12 Uhr.“

Wie mochte wohl die Frau aussehen, die dem Computer ihre Stimme geliehen hatte? Sie klang sehr schön, warm und beruhigend. Ob diese Frau noch lebte?

Er rieb sich die Augen und starrte aus dem kleinen Fenster, links neben seinem Bett. Das Einschlafen fiel ihm heute besonders schwer. So viele unnütze Gedanken wie heute Nacht hatten ihn schon lange nicht mehr vom Schlafen abgehalten. Was war nur los?

Jedes Mal wenn er sie Augen schloss und versuchte die Gedanken abzuschalten sah er Maja vor sich. Maja und diesen Fähnrich Kim. Was zur Hölle sollte das? Warum beschäftigte ihn das plötzlich so sehr? Seit einer ganzen Weile schon war sie in Kim verliebt, und jetzt, auf einmal, schien ihn diese Tatsache mehr zu berühren als sonst.


Holodeck 2 - einen Tag später

Majandra sah sich eingehend um, als sie das Holodeck betrat und feststellte, dass eine Risa-Simulation lief. Sie befand sich direkt am Strand und fühlte wie Sand in ihre Sandalen und zwischen ihre Zehen rieselte. Der salzige Geruch des Ozeans wurde ihr unvermittelt durch einen sanften Wind entgegen getrieben und sie blickte hinaus auf das tiefe, bewegte Blau, das sich rechts von ihr befand.

Zur Linken nahm sie kurz darauf eine kleine Hotelanlage wahr, die von einigen Hologrammen belebt war, die auf die Simulation von Urlaub programmiert zu sein schienen. Sie war pünktlich hier erschienen, doch weit und breit gab es keine Spur von Tjiran. Nicht hinter ihr oder vor ihr am Strand und auch nicht bei der Hotelanlage. Sie würde ihn schon allein daran erkennen, dass er hier der einzige Bajoraner wäre.

Sie entschloss sich dazu, in der Hotelanlage auf ihn zu warten. Bis er eintreffen würde konnte sie schon einmal einen Platz reservieren und einen Drink bestellen. Es konnte schließlich nicht mehr lange dauern, bis er eintreffen würde, immerhin hatte er zur selben Uhrzeit wie sie selbst Dienstschluss gehabt. War es möglich, dass er länger zum Duschen und Umziehen benötigte als sie?

Die Tür des Holodecks schloss sich hinter ihm und verschwand. Sie wurde ersetzt durch einen ausgedehnten Strand. Suchend schaute er sich um und ging etwas den golden schimmernden Strand entlang, sich daran erinnernd, dass er hier schon einmal gewesen war. Jedoch hatte es sich damals nicht um eine Holosimulation gehandelt, sondern er hatte, nach seinem ausgezeichneten Abschluss an der Sternenflottenakademie, den Urlaub auf Risa von seinen Eltern geschenkt bekommen.

Die Hotelkette, rechter Hand, war dieselbe wie vor etwas mehr als drei Jahren. Er lächelte unwillkürlich und ging darauf zu. Orientalische Blütengewächse säumten den Komplex und ihr süßlicher Duft vermengte sich mit dem des Ozeans, als ihm eine laue Brise entgegen kam. Harry sog den Geruch ein und setzte seinen Weg unbeirrt fort.

Suchend schweifte sein Blick über die zahllosen Leute, die sich im Schatten der Hotelanlage tummelten. Bis auf eine Person schien niemand Kenntnis von ihm zu nehmen und so steuerte er zielstrebig auf die junge Frau zu.

Sie hielt ein Glas in der Hand, an dessen Rand etwas Ähnliches wie eine Orangenscheibe angebracht war. Den Strohhalm im Mund behaltend, jedoch nicht trinkend, starrte sie ihn an, Fassungslosigkeit in den braunen Augen.

Harry lächelte freundlich und blieb vor ihrem Tisch stehen. „Hallo“, grüßte er sie unvoreingenommen.

Etwas zu schnell stellte Maja das Glas zurück auf den Tisch und schluckte den Rest ihres Cocktails hinunter, den sie seit einigen Sekunden im Mund hatte. „Hi“, erwiderte sie schüchtern. In ihrem Innern schäumte sie vor Wut auf Tjiran, ließ es sich jedoch nicht anmerken und lächelte den Fähnrich sanft an.

„Haben Sie mich hierher bestellt?“, erkundigte sich Harry und nahm ihr gegenüber Platz.

Sie überlegte einen Augenblick und zog es tatsächlich in Erwägung zu sagen, dass dies ein kläglicher Verkupplungsversuch eines Ex-Maquis war, doch sie entschied sich letztlich dazu, diese Tatsache für sich zu behalten und nickte.

„Ich dachte wirklich, dass ich jeden auf der Voyager kenne, aber Ihnen bin ich glaube ich noch niemals begegnet.“

Er musterte sie und versuchte krampfhaft einen Moment aus seiner Erinnerung auszugraben, der sie zeigte. Konnte es sein, dass er sie in den drei Jahren, seit sie inzwischen unterwegs waren, noch nie gesehen hatte? Nicht einmal ganz kurz?

„Sie haben mich einfach nie wahrgenommen. Da ich Sie schon öfter gesehen habe“, begann sie nach einer Weile des Schweigens, „hätten Sie mich auch sehen müssen.“

„Wo sind wir uns schon mal begegnet?“, fragte er nachdenklich. Die junge Frau vor ihm war zweifellos hübsch. Sicher würde er sich erinnern, hätte er sie bereits getroffen.

„Meist habe ich Sie im Kasino gesehen, zusammen mit den Lieutenants Paris und Torres und einmal im Maschinenraum, aber das ist schon einige Monate her“, erklärte sie.

Es war ihm deutlich sichtbar unangenehm, dass er sie offenbar niemals wirklich wahrgenommen hatte. Ihr dunkles Haar umrahmte ihr jugendliches Gesicht, und sie sah ihn aus tiefbraunen Augen an, während sie scheinbar nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Harry räusperte sich, bevor er fragte „Darf ich mich setzen?“, wobei er auf den freien Stuhl deutete.

„Sicher“, antwortete sie hastig. Sie schalt sich innerlich dafür, dass sie so unhöflich gewesen war und ihn nicht sofort dazu aufgefordert hatte. Der kleine Schock seines plötzlichen Auftauchens saß ihr noch in den Gliedern und vernebelte ihre Sinne ein wenig. Wie konnte Tjiran ihr das antun? Er hätte sie darüber informieren sollen, oder zumindest ein wenig vorwarnen. Was hatte er sich nur dabei gedacht?

„Sie machen nicht gerade einen erfreuten Eindruck auf mich“, kam es nach einiger Zeit von Fähnrich Kim und er musterte sein Gegenüber eingehend. „Möchten Sie, dass ich wieder gehe, oder sagen Sie mir, weshalb Sie mich herkommen ließen?“

Seine Offenheit schockierte sie erneut und sie griff nach ihrem Cocktailglas. Anstatt jedoch den Strohhalm zwischen die Lippen zu führen starrte sie ihn nachdenklich an. Egal was sie Harry Kim jetzt auch antworten würde, es würde ihre Zukunft entscheidend verändern. Würde sie ihm erzählen, dass sie seit geraumer Zeit von ihm schwärmte und dies im Grunde ein Blind Date war, so würde sie riskieren, dass er sie auslachte. Es bestand aber auch die Möglichkeit, dass er sie nicht belächelte und sie sich näher kennen lernen würden. Zwei Möglichkeiten, und Maja wusste beim besten Willen nicht, welche ihr davon mehr Angst einjagte.

Sollte sie ihren einzig wahren Freund verraten und an den Pranger stellen, indem sie Harry Kim offenbarte, dass es Tjirans Idee gewesen war sich hier zu treffen, oder löffelte sie die Suppe selbst aus, die sie sich eingebrockt hatte. Immerhin hatte sie den Mund nicht gehalten und ihm monatelang die Ohren voll geschwärmt. War es da noch verwunderlich, dass er sich bemühte dem Ganzen ein Ende zu setzen und sie zu verkuppeln? Die Antwort war definitiv ein Nein. Es war wirklich kein Wunder... Nur was zum Teufel sollte sie nun tun?

Letztlich entschied Maja sich dafür ihren Freund in Schutz zu nehmen. „Ich habe Sie in der Hoffnung hergebeten, dass wir uns vielleicht näher kennen lernen.“

„Da spricht nichts dagegen“, lächelte Harry. Es konnte niemals schaden, wenn man alle Mitglieder an Bord kannte. Immerhin waren sie, seit sie im Deltaquadrant gestrandet waren so etwas wie eine Familie.

Kurz wandte er den Blick von Maja ab und winkte eine Kellnerin zu sich.

Die Frau trat mit einem Padd und einem Tablett in der Hand auf die Beiden zu und sah Harry fragend an. „Was darf ich Ihnen bringen?“, erkundigte sie sich mit einem einladenden Lächeln, das ihre perfekten weißen Zähne hervorhob.

„Ich hätte gerne eine Margerita.“

„Wir haben Kirsch, Mango, Erdbeer...“, begann sie eine Liste von Früchten aufzuzählen, bis Harry sie schließlich mittels einer schlichten Handbewegung inne halten ließ.

„Mango klingt gut.“ Sein Blick wanderte zu Maja. „Möchten Sie auch noch etwas?“

Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf ihr halbvolles Glas. „Ich habe noch, danke.“

Die Zeit mit Harry schien wie im Flug zu vergehen und Maja genoss jeden einzelnen Augenblick davon. Sie unterhielten sich rege über die vergangenen Jahre auf der Voyager und darüber wie es ihnen nach der Strandung im Deltaquadranten ergangen war. Doch sie fanden noch weitere Gemeinsamkeiten: Holoromane, Sport, Musik...

Es waren einige sehr schöne Stunden, die sie zusammen verbrachten, doch aus irgendeinem Grund verschwand in Maja das Verlangen danach mit Harry Kim zusammen zu kommen. Es verwirrte sie, denn solange er unerreichbar für sie schien, gab es kaum etwas oder besser jemand anderes, der ihre Gedankenwelt so beherrschte wie er. Und plötzlich schien sich diese geheime Sehnsucht aufzulösen. Wie war das nur möglich?

Er begleitete sie noch bis zu ihrem Quartier, vor dem sie einige Zeit schweigend standen, bis er schließlich die Stille brach.

„Es war ein sehr schöner Abend, Maja. Ich denke, dass ich in dir... eine wirklich gute Freundin gefunden habe.“ Er lächelte fast schon entschuldigend. Inzwischen wusste er natürlich, dass sie mehr von ihm gewollt hatte als eine platonische Freundschaft. Es war einfach zu offensichtlich gewesen, weshalb sie sich getroffen hatten und dann auch noch in einer Holonachbildung des schönen und auch romantischen Planeten Risa.

„Ich hatte auch sehr viel Spaß und bin froh, dass wir uns jetzt endlich mal kennen gelernt haben.“ Sie blickte zu ihm auf, da er ein ganzes Stück großer war als sie.

„Aber...“, sagte er und ließ es beinahe wie eine Frage klingen.

„Kein aber – nicht wirklich“, entgegnete sie. „Seit gut einem Jahr habe ich einen solchen Abend herbei gesehnt, doch ich musste entgegen meiner Wunschvorstellung feststellen, dass ich selbst... keine tieferen Gefühle für dich hege, als freundschaftliche. – Es ist seltsam und... verwirrt mich.“

Harry legte ihr beide Hände auf die Schultern. „Es funkt nun mal nicht immer, auch wenn man denkt, dass... – Nein, das war der falsche Ansatz“, unterbrach er sich selbst. „Lass uns doch einfach die Freundschaft genießen, die sich zwischen uns entwickelt hat.“

„Ja, du hast Recht und das will ich ja auch – dennoch verwirrt es mich“, gestand sie.

„Ich habe so etwas auch schon mal erlebt. Aus sicherer Entfernung mag eine Person manchmal unheimlich anziehend wirken, doch betrachtet man sie aus der Nähe geht der Zauber verloren, der Funke springt nicht über oder die Chemie passt einfach nicht. Das alles merkt man allerdings erst dann, wenn man mit der betreffenden Person einige Zeit verbracht hat.“

Maja nickte zustimmend. „Was hältst du davon, wenn wir uns mal auf ein Velocity-Spiel treffen? Dieses Mal ohne Hintergedanken.“ Sie lächelte vielsagend.

„Einverstanden. Ich muss dich jedoch warnen“, sagte er und grinste spitzbübisch. Sie hob die Brauen, wodurch sich kleine Fältchen in ihrer Stirn bildeten, während sie gestikulierte, damit er fortfuhr. „Ich bin verdammt gut in Velocity, seit ich regelmäßig mit Tuvok spiele.“

„Tuvok spielt Velocity?“ Maja sah ihr Gegenüber aus großen erstaunten Augen an.

„Er sagt, dass er damit sein Reaktionsvermögen trainieren kann und dass ich ein würdiger Gegenspieler sei.“ Harry zwinkerte. „Ich schätze, dass es ihm lieber ist mit mir Velocity zu spielen anstatt Kal’toh, da ich die Regeln zwar verstehe, nicht jedoch die Logik.“

Maja begann zu kichern und schüttelte belustigt den Kopf. „Es ist dennoch ein Grund, dass du stolz auf dich bist. Sicherlich fordert Lieutenant Tuvok nicht jeden heraus.“

„Das mit Sicherheit nicht“, stimmte Harry zu.

Erneut hielt Stille zwischen ihnen Einzug, doch dieses Mal war es Maja, die als erste das Wort ergriff.

„Also, dann sehen wir uns am Wochenende. Du wirst dich noch wundern, wie gut ich im Velocity bin. Unterschätze niemals eine Frau wie mich. Ich mag klein und zierlich sein, doch ich bin ausdauernd und flink.“ Sie stupste Harry leicht, gab den Entriegelungscode für ihre Quartierstür ein und betrat den abgedunkelten Raum.

Harry faltete hinter dem Rücken die Hände und lächelte sie freundlich an, als Maja sich noch einmal zu ihm umdrehte.

„Gute Nacht“, sagte er höflich.

„Gute Nacht, Harry.“

Ihre weiche melodische Stimme drang gerade noch zu ihm hindurch, bevor sich die Tür zu ihrem Quartier mit einem leisen Zischen schloss und er allein im Korridor zurück blieb.


Gerron Tjirans Quartier – Deck 9

Es war schon recht spät als der Türsummer erklang. Doch Gerron hatte ohne hin keinen Schlaf finden können und war nachdem Vorik seine Schicht angetreten und das Quartier verlassen hatte nervös in dem kleinen Raum auf und ab gegangen.

Er öffnete die Tür und erblickte Majandra, die unschlüssig davor stand. „Und?“, fragte er wie beiläufig. „Was gibt’s, dass du noch mitten in der Nacht zu mir kommst, anstatt zu schlafen?“

„Ich sollte dir eigentlich die Hölle heiß machen dafür, dass du versucht hast mich mit Harry zu verkuppeln.“ Sie sah ihn nicht wirklich böse, aber aus zusammengekniffenen Augen an.

„Du hättest dich niemals zu diesem Schritt getraut. Ich habe dir damit nur einen Gefallen tun wollen“, rechtfertige er sein Handeln. „Wie war es?“ Er versuchte interessiert zu klingen, auch wenn er eigentlich gar nicht von den Details hören wollte.

„Wir hatten sehr viel Spaß, aber uns dazu entschlossen, dass wir einfach nur Freunde bleiben. Die Chemie hat einfach nicht gepasst.“

„Was?!“ Gerron war sichtlich erstaunt und bat Maja mittels einer kleinen Handbewegung ins Quartier. „Wie kann die Chemie nicht passen, wenn du seit gut einem Jahr von niemand anderem redest als von ihm?“

„Ich habe mich bei ihm nicht so richtig... wohlgefühlt, nicht so geborgen, wie bei dir.“ Maja sah zu Boden, auf dem die mit dem rechten Fuß Kreise zog.

Gerron schluckte schwer, konnte kaum glauben, was sie da sagte. „Und was bedeutet das für uns?“

Hoffnung lag in seinen Augen, als sie zu ihm aufsah und seinen Blick festhielt. Sie konnte es selbst nicht fassen, dass sie in den letzten Stunden und einigem Nachdenken zu dem Schluss gekommen war, dass sie sich bei keinem anderen Mann so frei und doch auch beschützt fühlte wie bei ihm.

Sie lächelte ihn sanft an, nahm seine Hand in ihre und drückte sie ein wenig. „Ich bin mir noch nicht sicher, aber dieser Nachmittag mit Harry hat mir die Augen in Bezug auf dich – auf uns – geöffnet.“

„Inwiefern?“

Stellte er sich nur so dumm oder war er es tatsächlich? Hatte sie vielleicht doch die eine oder andere Geste von ihm falsch interpretiert und sich in seinem Verhalten getäuscht? Nein – sie kannte ihn.

„Du weißt genau was ich meine“, sagte sie sanft. „Wir verbringen so viel Zeit miteinander, wie ein Paar und nicht wie Freunde. Wir können über alles miteinander reden, und verstehen es doch auch das eine oder andere Geheimnis vor dem anderen zu wahren...“ Maja sah ihn herausfordernd an.

„Ich habe keine Geheimnisse vor dir“, erwiderte er leise aber bestimmt und schluckte hart angesichts der Lüge.

„Dann bedeute ich dir nichts weiter? Du empfindest also nur platonische Liebe für mich?“ Ihre Augen begannen zu brennen, als ihr Tränen in die Augen stiegen. „Bin ich wirklich nur eine gute Freundin für dich und nicht mehr?“

„Ist das nicht genug?“, fragte er anstatt zu antworten. Ihm wurde flau im Magen, als er ihren Blick festhielt und seine Hände begannen zu zittern. Natürlich empfand er mehr für sie, doch bis zum gestrigen Tag hatte er diese Tatsache geschickt vor sich selbst verleugnet. Ihre Freundschaft war ihm das wichtigste und er wollte diese nicht aufs Spiel setzen.

Sie verzog den Mund ein wenig, nickte kaum sichtlich. „Dann habe ich mich geirrt. Es tut mir leid“, sagte sie und wandte sich zum Gehen.

Die Tür des Quartiers öffnete sich und Maja trat in den Korridor hinaus. Erst jetzt ließ sie die Tränen frei, die sie bis jetzt gekonnt zurückhalten konnte. Ein tiefes Seufzen entrang sich ihrer Seele und floh über ihre Lippen. Sie glaubte ihm nicht, doch sie verstand ihn. Er hatte vermutlich die selbe Angst wie sie. Angst alles zu ruinieren, wenn sie sich für den nächsten Schritt entschieden.

Reglos stand sie im Korridor, schloss die Augen und wollte gerade losgehen, als sich die Tür hinter ihr mit einem Zischen öffnete. Sie drehte sich jedoch nicht um, wollte nicht, dass er sah, dass sie weinte. Er sollte nicht das Gefühl haben sie enttäuscht oder gar verletzt zu haben, denn sie verstand seine Entscheidung zu tun als wäre da nicht mehr.

Ihre Augen waren noch immer geschlossen, Tränen hatten glänzende Spuren auf ihren Wangen hinterlassen, als sie bei seiner Berührung ungewollt zusammen zuckte.

Er legte ihr die Hände auf die Schultern, drehte sie zu sich herum und sah in ihre traurigen und leicht geröteten Augen. „Ich bin ein Feigling“, sagte er. „Du hast Recht, du kennst mich besser als mir manchmal lieb ist. Es macht mir Angst so viel für dich zu empfinden, denn ich will dich nicht damit erdrücken. Doch noch größere Angst habe ich davor dich mit dieser Lüge, die ich selbst mir so lange eingeredet habe, bis ich sie glaubte, verletzt und verloren zu haben.“

Sie wusste darauf nichts zu erwidern, entgegnete nur seinen warmen Blick und hielt unbewusst den Atem an.

„Du weißt doch längst, dass ich dich liebe und mein Leben für dich geben würde.“ Sie nickte bei seinen Worten und deutete ein kleines Lächeln an, das jedoch verschwand als er sich zu ihr vor beugte und seinen Mund zärtlich und auch bestimmt auf ihren drückte. Sie öffnete ihre Lippen und er kam der Einladung nach, während er sie in die Arme schloss und fest an sich drückte.

Endlich, da war es. Das Kribbeln, nach dem sie sich gesehnt hatte, das Gefühl vollständig zu sein, schwerelos frei und doch ganz fest umschlossen und in Geborgenheit. Ihre Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit fand an diesem Abend ihre Erfüllung, und Harry Kim verschwand entgültig aus ihren Gedanken.


ENDE
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