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Eight Seconds

von Emony

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Das Erlebte wollte ihr auch nach etwas mehr als einer Stunde nicht in den Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass alles was sie in den letzten ‚Stunden’ erlebt hatte, sich in Wirklichkeit in einem Zeitraum von lediglich acht Sekunden abspielte. Und noch unglaubwürdiger schien die Tatsache, dass sich alles nur in ihrem Kopf stattfand. Nichts von dem was sie durchgemacht hatte, seit sie zurück auf die Enterprise gebeamt wurde, war geschehen. Sie hatte sich nicht aufgelöst und Commander Tucker hatte nicht um sie getrauert, nicht sich die Schuld an ihrem ‚Tod’ gegeben. Nichts war real gewesen, alles nur eine Illusion.

„Wie fühlen Sie sich?“ Hoshi wandte sich zu der Stimme um und schaute in das Gesicht des Chefingenieurs.

Er deutete mit einem kleinen Nicken auf den freien Stuhl. „Darf ich mich setzen?“

„Sicher“, lächelte sie und nahm einen Schluck aus der Tasse, die sie zwischen beiden Händen hielt. „Ich fühle mich vollständig“, antwortete sie nachdenklich auf Tuckers erste Frage und krauste ein wenig die Stirn.

„Sie sehen dennoch aus, als läge Ihnen etwas auf dem Herzen“, sagte er, stellte das Glas Milch auf dem Tisch ab und setzte sich auf den freien Platz.

„Mir will nicht in den Kopf, dass ich mir alles nur eingebildet habe, während ich in acht Sekunden im Musterpuffer gefangen war.“ Sie seufzte und starrte auf die Tasse in ihren Händen. „Alles schien so real...“

Tucker nickte verständnisvoll und trank einen Schluck Milch. „Was genau haben Sie eigentlich gesehen oder erlebt, während dieser Zeit?“

Sie sah wieder auf und ihm in die Augen. Sollte sie ihm alles erzählen? Auch wie er um sie getrauert hatte? Wie hätte der echte Commander Tucker reagiert, hätte sie sich nach diesen acht Sekunden nicht rematerialisiert und wäre im Musterpuffer verloren gegangen? Nachdenklich sah sie in blaue Augen und überlegte, wo sie anfangen sollte.

„Sie müssen es mir nicht erzählen, wenn Sie nicht möchten.“ Er sah sie mit zärtlichem Blick an und legte seine Hand auf ihre, die immer noch die Tasse festhielt.

„Vielleicht tut es gut, wenn ich mit jemand darüber rede“, sagte sie und lächelte mild. „Und da Sie eine entscheidende Rolle während diesen acht Sekunden spielten, eignen Sie sich am ehesten dazu meine Erlebnisse zu erfahren.“

Er zog seine Hand wieder zurück, nickte und nahm erneut einen Schluck Milch, während Hoshi anfing ihm alles zu erzählen.

„Wow“, kam es über Tuckers Lippen als sie ihre Geschichte zuende erzählt hatte. „Da hätte ich ehrlich gesagt auch nicht abwägen können, ob alles real oder nur Einbildung war. Genauso hätte ich vermutlich reagiert, wären Sie aufgrund meiner Fehlentscheidung gestorben. Und sogar Jon kann ich mir gut so vorstellen, wie Sie seine Reaktion schilderten.“ Er machte eine kurze Pause und sah Hoshi durchdringend in die dunklen Augen. „Das ist es, was Sie so sehr beunruhigt, hab ich Recht? Sie fürchten, dass dies wieder nur eine Illusion ist und Sie womöglich immer noch nicht zurück an Bord sind. Gesund und in einem Stück.“

„Ja“, gestand sie kaum hörbar und begann nervös mit der Tasse vor sich zu spielen. „Wer sagt mir, dass das jetzt real ist. Woher weiß ich es? Vielleicht bin ich tot, doch ich weigere mich das zu realisieren, wodurch ich mir vorstelle, wieder zurück auf der Enterprise zu sein.“

Commander Tucker lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Leider habe ich keine Ahnung, wie ich Ihnen helfen kann. Wie ich Ihnen beweisen kann, dass diesmal wirklich alles in Ordnung ist und Sie tatsächlich in der Wirklichkeit sind.“ Er hielt einen langen Augenblick inne. „Was glauben Sie, woran würden Sie erkennen, ob Sie in der Wirklichkeit sind oder nicht?“

Gute Frage, dachte sie bei sich. Woran konnte überhaupt irgendwer wissen, was real war und was eine Illusion? „Ich würde es an Ihnen merken.“

„An mir?“ Tucker deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst. „Wieso das?“

„Ich denke, dass ich Sie am besten von allen an Bord einschätzen kann. Und würden Sie etwas tun, dass nur in meiner Fantasie geschehen kann, dann wüsste ich, dass ich in der Realität bin.“

Erneut griff Tucker über den Tisch und nahm Hoshis Hand in seine. Liebevoll streichelte er mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Ist das etwas, dass der echte Trip tun würde?“, fragte er und sah sie aus unglaublich sanften tiefblauen Augen an und sie schluckte. Seine zweite Hand nahm ihre, so dass er sie nun mit beiden hielt und weiter streichelte. Sein intensiver und dennoch zärtlicher Blick jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

Unbehaglich sah Hoshi sich in der Mannschaftsmesse um. Außer ihnen beiden war niemand anwesend und für einen Sekundenbruchteil fragte sie sich, ob das schon die ganze Zeit so war. Sie wusste es jedoch nicht mehr. Wieder sah sie Commander Tucker in die Augen. Er blickte sie abwartend an, hörte jedoch nicht auf ihre Hand zu streicheln.

„Ich... ich bin mir nicht... sicher“, sagte sie stockend und zog ihre Hand zurück. Das war mit Sicherheit nicht echt. Ihr wurde heiß, als sie wie hypnotisiert in die Augen des Südstaatlers blickte. Wie in Trance stand sie auf. „Das ist nicht real. Commander Tucker würde meine Hand niemals in seine nehmen und streicheln.“

„Ganz sicher?“ Er erhob sich ebenfalls und stand mit zwei kleinen Schritten direkt vor ihr. „Was macht dich so sicher, dass ich nicht echt bin?“ Er kam ihr so nahe, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht fühlen konnte.

Hoshi straffte die Schultern und sah ihm fest in die Augen, nun gänzlich überzeugt, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. „Ich bin mir sicher, dass ich mir das alles nur einbilde, weil du jetzt genau der Tucker bist, der mich regelmäßig in meiner Fantasie besucht. Der mich in meinen Träumen streichelt, küsst und liebt.“

Er nahm ihr Gesicht in seine beiden Hände und sah sie aus geheimnisvoll funkelnden Augen an. „Und was ist so schlimm daran, wenn du in dieser Fantasie weiterlebst? Gefällt es dir hier nicht?“ Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ich möchte zurück!“, erwiderte Hoshi energisch und befreite sich von ihm. „Ich will zurück auf die Enterprise, in meine reale Welt.“ Langsam entfernte sie sich von ihm. Schritt für Schritt, ohne sich von ihm abzuwenden, ging sie rückwärts auf den Ausgang der Mannschaftsmesse zu. Commander Tucker blieb wie angewurzelt stehen, sah sie lediglich aus enttäuschten Augen an. Schließlich schloss sich die Tür der Messe und sie stand allein im Korridor, als Panik von ihr Besitzt ergriff. Wenn das immer noch nicht real war, was war mit ihr geschehen? War sie tatsächlich tot? Gab es keinen Weg zurückzukehren? Noch während sich duzende Fragen in ihren Gedanken im Kreis drehten und ihr die Antworten verborgen blieben lief sie den Korridor entlang. Sie wollte zum Transporter, sich erneut beamen. Beim letzten Mal hatte sich ihre Illusion verändert, als sie gebeamt wurde und es bestand die Möglichkeit, dass es erneut eine Veränderung hervorrufen würde.

„Komm schon, Hoshi“, hörte sie plötzlich die verzerrte Stimme Tuckers und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Woher war die Stimme gekommen? Sie blieb vor dem Transporter stehen und sah sich in beide Korridorrichtungen um. Außer ihr war niemand in diesem Gang. „Komm zurück...“, erklang abermals die Stimme des Chefingenieurs und klang diesmal verzweifelt. Verdammt! Wie sollte sie ohne Hilfe beamen?

Sie sah sich die Kontrollen an und entschied einen Countdown von zehn Sekunden einzugeben. Dann stellte sie sich schwer atmend und mit klopfendem Herzen auf die Transporterplattform und schloss die Augen.

Sie erinnerte sich in diesem Moment an einen alten Film, den sie als kleines Mädchen immer gerne angesehen hatte. Ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, ob es wirken würde oder nicht schlug die dreimal hinter einander die Hacken ihrer Schuhe zusammen und sagte: „Ich will zurück. Ich will zurück. Ich will...“ Als die Entmaterialisierung einsetzte wurde alles um sie herum schwarz und still. Sie wollte die Augen wieder öffnen, als sie das Gefühl hatte, rematerialisiert zu sein, doch aus irgendeinem ihr unbekannten Grund war sie außerstande dazu.

Sie hörte Stimmen, die von weit weg zu ihr hindurchdrangen. Ihr war als versuchten die Stimmen sie durch eine dicke Nebelwand zu erreichen und es kostete sie viel Konzentration auch nur eine davon herauszufiltern, da sie wirr und undeutlich durcheinander erklangen.

„Der Kortikalstimulator bringt nichts mehr.“ Dr. Phlox sah die beiden Männer vor sich bedrückt an und entfernte das Gerät von der Schläfe seiner Patientin.

Während Captain Archer den Kopf sinken ließ, schnappte der Chefingenieur nach Luft. „Was zum Teufel soll das heißen?!“ Er sah verzweifelt auf Hoshi hinunter. „Lassen Sie sich gefälligst was einfallen, verdammt! Ich dachte, dass Sie so ein fähiger Arzt sind, dann können Sie doch nicht nach so kurzer Zeit aufgeben.“ Tucker sah den Denobulaner vorwurfsvoll an und fühlte keinen Augenblick später die Hand seines Freundes auf der Schulter.

„Trip, sie ist Gehirntod“, kam es mit sanfter Stimme von Captain Archer, der kurz zu Hoshi und dann wieder zu Trip sah. „Dr. Phlox versucht seit einer Viertelstunde alles Erdenkliche.“

Tucker riss sich von Archer los, nahm zärtlich Hoshis Hand in seine und streichelte sie. „Sie ist noch nicht tot, glaubt mir. Ich fühle, dass sie noch bei uns ist.“ In seinen Augen sammelte sich Feuchtigkeit und er schloss sie einen langen Moment, bevor er seinen Captain flehend ansah. „Gib sie noch nicht auf, Jon.“

„Sie ist tot“, wiederholte Phlox die Worte Archers und schaltete den medizinischen Scanner ab. „Es tut mir leid, Commander.“

„Lasst mich mit ihr allein.“ Tucker sah bittend zu Jon, der ihm zunickte und dem Arzt zu verstehen gab, dass er ihm nach draußen auf den Korridor folgen sollte. Trip rang nach Atem, als er allein mit ihr auf der Krankenstation war und das Gefühl hatte, als drückte ihm eine fremde Macht den Brustkorb zusammen, so dass er nicht mehr atmen konnte. „Hoshi...“ Zärtlich zeichnete er die Konturen ihres blassen Gesichts nach. Sie sah aus wie ein Engel aus Porzellan. Warum nur hatte sie nicht auf ihn gehört? Warum war sie nicht zuerst gegangen? Es hätte ihn erwischt, nicht sie. „Verdammt, Hoshi“, schluchzte er und fuhr sich fahrig durchs Haar. Mit einem Mal wurde er wütend. Wütend auf sich, wütend auf sie, auf Phlox und sogar auf Archer. Er wollte nicht daran glauben, dass sie tot war. Nervös schweifte sein Blick durch die Krankenstation, dann nahm er den Kortikalstimulator, der auf einem fahrbaren Tisch neben ihrer Liege lag. Er war nicht bereit sie aufzugeben. Jon und Phlox mochten sich einig sein, aber seine innere Stimme sagte ihm, dass sie noch nicht verloren war, dass noch Hoffnung bestand. Er fühlte es und hörte auf die Stimme in seinem Innern, die ihm befahl den Stimulator anzuschalten. Noch einmal sah er sich in Richtung der Türen um. Vom Arzt und dem Captain war weiterhin nichts zu sehen. „Ich schwöre, dass mir das nicht leicht fällt, Hoshi. Aber ich habe keine Wahl. Ich muss dich zurückholen“, sagte er entschlossen und sah sie mit einem letzten zärtlichen Blick an, bevor er die Finger beider Hände verschränkte, sodass eine große Faust entstand und damit kurz aber intensiv auf Hoshis Brustkorb, unmittelbar über ihrem Herz schlug. Er hörte wie ein Knochen splitterte, vielleicht sogar mehrere, doch er kümmerte sich nicht darum. Er beobachtete sie kurz, doch sie regte sich immer noch nicht. Dann beatmete er sie und schlug ein weiteres Mal auf ihren Brustkorb ein. Und gerade als er sie abermals beatmen wollte schnappte sie begierig nach Luft. Just in diesem Augenblick ging die Tür zur Krankenstation auf.

„Bist du wahnsinnig!“, schrie ihn der Captain an und die beiden Männer kamen mit eiligen Schritten auf Tucker zu und wollten ihn gerade von Hoshi wegzerren, als sie sahen dass sie atmete – oder vielmehr keuchte.

Dr. Phlox nahm sofort den Scanner, aktivierte ihn und ließ ihn über Hoshi schweben. „Ihr Herz schlägt wieder und auch die Gehirnfunktionen haben wieder eingesetzt.“

„Du hast sie zurückgeholt“, kam es ungläubig von Captain Archer. Voller Erstaunen sah er seinen Chefingenieur an und legte ihm kurz die rechte Hand auf die Schulter, doch Tucker beachtete ihn gar nicht. Sein Augenmerk lag allein bei der Frau, die er eben ins Leben zurückgeholt hatte.

„Willkommen zurück“, sagte er mit einem gequälten Lächeln und streichelte ihr liebevoll über die Stirn. „Ich wusste, dass...“ Trip stoppte mitten im Satz und schluckte hart.

„Danke“, krächzte sie und öffnete die Augen. Ihr Brustkorb schmerzte und sie betastete die entsprechende Stelle vorsichtig.

„Er hat Ihnen drei Rippen gebrochen, aber dafür Ihr Herz zum Schlagen gebracht“, erklärte Dr. Phlox und lächelte sie an. „Wir hatten Sie schon aufgegeben, aber Commander Tucker wollte Sie nicht gehen lassen.“

Langsam wanderte Hoshis Blick von Phlox zurück zu Trip. „Diesmal bin ich wirklich zurück, oder?“

Etwas verwundert krauste Commander Tucker die Stirn, lächelte dann jedoch und lehnte sich dicht zu ihr hinab und flüsterte: „Ja, das sind Sie.“ Anschließend hauchte er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, richtete sich wieder auf und sah triumphierend in Jons erleichtertes Gesicht. „Ich sollte Arzt werden“, scherzte er und blickte erneut zu Hoshi hinab, als sein Freund ihm lediglich zunickte.

„Kommen Sie Phlox“, sagte Captain Archer, „lassen Sie uns etwas essen gehen.“

Der Denobulaner verstand den Wink und nickte.

Trip bekam das gar nicht mehr richtig mit. Für ihn zählte jetzt nur noch Hoshi und dass sie am Leben war. Als er allein mit ihr in der Station war zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich neben ihr Bett und betrachtete sie schweigend, während er einfach nur ihre kleine zerbrechlich wirkende Hand hielt und streichelte.

Sie bekam eine Gänsehaut, als er wieder ihre Hand hielt und ihr mit dem Daumen über den Handrücken streichelte. Woher sollte sie wissen, dass sie zurück in der Realität war und dies nicht wieder eine ihrer Illusionen war?

ENDE
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