TrekNation

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En blanc et noir

von Aurea

Kapitel 1

PROLOG

“…und nun zum Wetter. Zwischen der Erde und dem Mars werden in den nächsten 36 Stunden wiederholt Plasmastürme auftreten. Wir bitten deswegen sowohl alle Privat- als auch die regulären Transportshuttles einen Ausweichkurs zu setzten und das Gebiet zwischen Sektor 35.98a und 35.98f weitläufig zu umfliegen. Des Weiteren möchten wir auf einen gewaltigen Sandsturm auf ...“

Das Bild, welches dreidimensional in den Raum projiziert worden war, änderte sich. Der dunkle Weltraum mit seinen unzähligen Sternen, durchschnitten von verschiedenen Linien zur Markierung und Einteilung in Sektoren, fiel in sich zusammen und eine neue Landschaft wurde vor die Augen des Betrachters geworfen. Die berüchtigten Dünen Vulkans erschienen, beschienen von grellem Sonnenlicht. Doch das Licht verdunkelte sich. Ein gewaltiger Sturm riss Abermillionen von Sandkörnchen in die Luft und machte das Atmen schwer. Zumindest schien es so. Denn was wäre wenn die Unannehmlichkeiten der Galaxie sich wirklich auf dem heimischen Sofa ausbreiten würden?

Ja, die Technik hatte sich verändert. Vor Jahrhunderten wurden die Nachrichten noch über primitive Fernsehgeräte ausgestrahlt. Nun bekam man sie als dreidimensionale Projektion serviert. Doch die Schrecken mancher Mitteilungen und Berichte blieben die gleichen. Nur die Schauplätze hatten sich geändert. Machte man sich vor vierhundert Jahren noch Gedanken über einen militärischen Konflikt im Nahen Osten, war jetzt der Blick auf Romulus und Remus fixiert.

Auch die Stimme der Nachrichtensprecher hatte sich in der vergangenen Zeit kaum um eine Nuance geändert. Einziger Unterschied war wohl, dass damals ein Mensch aus Fleisch und Blut die Nachrichten vorgelesen und seine Botschaft nur an eine äußerst begrenzte Anzahl von Erdenbürgern gerichtet hatte. Obwohl auch schon damals Bajoraner und Vulkanier aus politischen Gründen im Geheimen mithörten. Jetzt wurden die Meldungen von einer Computerstimme übertragen und in alle Richtungen des Weltalls, in jeden noch so entlegenen Winkel der Föderation, gesandt.
Das Bild, welches von dem kleinen Projektionsmodul ausgestrahlt wurde, änderte sich wieder. Die Nachrichtensendung war für wenige Minuten unterbrochen. Unterbrochen für Werbung. Ja, Werbung gab es auch noch in einem amateriellen 24. Jahrhundert. Doch auch die Anpreisung verschiedener Produkte und Dienstleistungen hatte sich gewandelt. Denn die Mitgliedspezies der Föderation waren schon lange vom besitzergreifenden Materialismus kuriert worden. Der Ausspruch „Geld regiert die Welt“ lag schon lange hinter ihnen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass man nicht mehr nur von einer Welt sprechen konnte. Getrieben von sozialer Wohltätigkeit wurde der Kapitalismus vor Jahrhunderten abgeschafft und dieses Projekt hatte seine Lorbeeren verdient. In der gesamten Föderation herrschte Wohlstand. Die Armut war ausgerottet. Zumindest bis auf in wenigen Regionen. Regionen, in denen das Leben nicht schön war. Regionen, in denen man sich keine heile Welt vorgaukeln konnte. Doch darüber breitete die Regierung geflissentlich einen Mantel des Schweigens. Diese Regionen existierten für die Öffentlichkeit nicht. Auch die Politik hatte sich in den vergangenen Jahrhunderten kaum geändert.

Hier, auf der Erde, konnte man allerdings noch wunderbar in einer Scheinwelt versinken. In einer Welt aus trautem Glück und Zufriedenheit, auch wenn die Nachrichten politische Schreckensmeldungen verbreiteten. Schließlich waren diese unzählige Lichtjahre entfernt und die Sternenflotte würde sich schon darum kümmern.

Genau diese Tatsache – dass man auf der Erde eine Illusion lebte – störte die weißhaarige Frau im Zentrum des geräumigen Wohnzimmers so sehr. Sie hatte sich zu lange einem Traum, einer surrealen Annahme hingegeben und war dafür bitter bestraft worden. Sie hatte sich gleichzeitig so verbissen an die Wirklichkeit geklammert, dass sie schließlich nicht mehr zwischen Realität und Phantasie, zwischen Wahrheit und Wunschträumen unterscheiden konnte. Sie hatte zu sehr geliebt und hatte dies erst dann gemerkt, als es schon zu spät war. Jetzt wurde sie von der Erinnerung und der damit verbundenen Schuld aufgefressen. Aufgefressen von einem Andenken, an das sie sich gar nicht mehr richtig erinnern konnte und genau das war ihr Problem. Sie konnte sich nicht mehr an die Zeit mit ihm entsinnen, weil es diese Zeit mit ihm außerhalb des professionellen Weges nicht gegeben hatte. Sie konnte sich nicht mehr an sein Gesicht, an sein Lächeln im Privaten erinnern, weil es dieses Gesicht, dieses Lächeln nie außerhalb der Sternenflottenlaufbahn in ihrem Leben gegeben hatte. Denn es war alles nur eine Illusion, nur Einbildung, nur Fiktion gewesen, die sie sich nicht getraut hatte, mit in die Wirklichkeit zu nehmen.

Entschlossenen Schrittes trat sie an das kleine Modul heran und wollte es gerade schließen, als eine neue Projektion ihre Aufmerksamkeit erregte. Es war immer noch Werbung. Werbung für eine Dienstleistung, gesprochen von einer klaren und hellen Frauenstimme. Oder war es eine klare und helle Computerstimme?

„... Sie haben die magische Grenze von 100 Jahren überschritten und merken, dass nichts mehr so ist, wie es früher war? Sie fühlen sich körperlich noch total fit und könnten einem jungen Kadetten der Sternenflotte Konkurrenz machen, wenn ihnen ihre Konzentrationsfähigkeit nicht zu schaffen machen würde? Sie wollen ihre Aufmerksamkeit wieder auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben richten können, ohne dabei Alterserscheinungen bemerken zu müssen? Dann sind Sie genau richtig bei uns! Mindwork bietet Ihnen die ultimative Lösung dafür, einzelne Gedankengänge zu verstärken, sich besser konzentrieren und erinnern zu können! Ihr Gedächtnis wird befreit von unnötigen Synapsen, ihre mentale Sicht wird wieder klarer! Sie werden dank Mindwork mit ihren Gedanken zurück ins Hier und Jetzt kehren! Besuchen Sie uns und machen Sie einen Termin für ihre erste Behandlung aus...“

Die zierliche Frau starrte auf die blauen Partikel, welche die Anschrift des Instituts Mindwork in ihr Wohnzimmer schrieben, eine gewisse Zeit anhielten und schließlich in einem dunkelblauen Strudel verschwanden. Ungläubig setzte sie sich langsam in ihren großen Sessel, wandte ihre Augen von der 3D-Projektion ab und blickte aus dem weitläufigen Fenster hinaus auf die Golden Gate Bridge.

Ja, sie war mittlerweile über 100 Jahre alt.
Ja, ihre Konzentrationsfähigkeit ließ nach.
Ja, sie bemerkte erste Alterserscheinungen.

Verdammt noch mal, ja! Und wie sie es hasste...
Doch das wäre alles nicht so schlimm, so furchterregend, wenn nur er an ihrer Seite wäre. Man könnte gemeinsam durch den tristen Alltag gehen und gemeinsam über die ersten Gedächtnislücken lachen. Allerdings war er nicht einmal mehr richtig in ihrem Kopf vorhanden. Sie hatte nur noch dieses eine Bild von ihm, das langsam verblasste. Sie meinte nicht irgendeine Holophotographie. Nein, sie meinte das Bild ihrer Erinnerung. Dasjenige, wo er lächelnd neben ihr stand und sie sich endlich frei genug fühlt auf ihn zuzugehen, ihre Hand in seinen Nacken zu legen und sein Gesicht zu dem ihren herabzuziehen...

Doch dann, dann verlor sich die Erinnerung. Das Bild verblasste. Sie wusste nicht mehr, was er in diesem Augenblick sagte, ob er überhaupt etwas sagte; sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie es sich anfühlte, als er schließlich mit seinem Handrücken über ihre Wange strich. Und von Tag zu Tag schien dieses mentale Andenken immer weiter wegzudriften. Ein Andenken, das sie nicht zurückholen konnte.

Oder doch?

Langsam formte sich in ihr ein Plan. Sie würde einige Regeln biegen und einige Menschen überzeugen müssen, aber für was, wenn nicht das, war sie denn je Admiral der Sternenflotte gewesen?

Ruhig erhob sie sich aus ihrem Sessel. Sie trat an die weitläufig verglaste Wand ihres Wohnzimmers heran und öffnete die Glastür zur Veranda. Eine kalte Abendbrise wehte ihr entgegen, als sie – die Arme fest um ihren schmalen Körper geschlungen – auf die Terrasse trat. Ihr Kinn leicht anhebend blickte sie in den dunklen Abendhimmel, der von tausenden von schimmernden Sternen und einem strahlenden Mond erhellt wurde. Das milchige Licht umspielte sanft ihre Gesichtszüge, die sich nun allmählich glätteten, und die Sorgenfalten der letzten Jahrzehnte schienen zu verschwinden.

Sie würde mit Mindwork in Verbindung treten.
Sie würde sich über Regulationen hinwegsetzen.
Sie würde gegen die Zeit kämpfen – und dieses Mal würde sie gewinnen.
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